Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Material- und Lohnkosten, die ein Vertragshändler des Kraftfahrzeughandels auf Grund der Einheitsbedingungen für den Verkauf von Kraftfahrzeugen für die Beseitigung von Mängeln an den bei ihm gekauften Fahrzeugen vom Lieferwerk ersetzt bekommt, sind echter Schadensersatz.

 

Normenkette

UStG § 1 Ziff. 1, § 5/1, § 10/1

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige war in den Jahren 1955 und 1956 Vertragshändler eines Kraftfahrzeug-Herstellungsunternehmens und unterhält für die Fahrzeuge dieses Unternehmens eine Vertragswerkstatt. Nach § 2 des zwischen der Steuerpflichtigen und dem Herstellungsunternehmen geschlossenen Vertrags (Händlervertrag) kaufte und verkaufte die Steuerpflichtige im eigenen Namen und für eigene Rechnung. Sie war ermächtigt, sich für die Dauer des Vertrags als Vertragshändler des Kraftfahrzeugwerks zu bezeichnen. Eine Vollmacht oder sonstige Vertretungsbefugnis für das Werk war nach ausdrücklicher Vertragsbestimmung mit dieser Ermächtigung nicht verbunden. Allen Verkäufen des Herstellerwerks an die Steuerpflichtige lagen die einen Bestandteil des Händlervertrags bildenden Verkaufs- und Lieferungsbedingungen zugrunde. In Abschn. VI dieser Bedingungen war die Gewährleistung geregelt. Danach gewährleistete das Lieferwerk eine dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende Fehlerfreiheit des Kaufgegenstands. Die Gewährleistung wurde nach diesen Bedingungen nur dann berücksichtigt, wenn sie unverzüglich nach Feststellung eines Mangels beim Lieferwerk oder beim Verkäufer schriftlich erhoben wurde. Der Händler hatte den Kundendienst an allen Fahrzeugen des Werks, gleichgültig aus welchem Gebiet, sorgfältig und den Vorschriften des Werks entsprechend durchzuführen. Zwischen der Steuerpflichtigen und den Käufern der Kraftfahrzeuge wurden Kaufverträge abgeschlossen, die die gleiche Regelung für die Gewährleistung enthielten wie sie zwischen der Steuerpflichtigen und dem Lieferwerk bestand. Der Abschn. VI der Geschäftsbedingungen wurde dabei wie folgt eingeleitet:

"Soweit der Umfang der Gewährleistung von dem Lieferwerk in einem besonderen Garantieschein umrissen und der Garantieschein dem Käufer ausgehändigt wird, gelten diese Gewährleistungsbedingungen.

Ist das nicht der Fall, so übernimmt der Verkäufer dem Käufer gegenüber die nachstehende Gewährleistung:"

Im übrigen enthält dieser Abschnitt den gleichen Wortlaut wie Abschn. VI des Händlervertrags. Schäden, die von den Käufern der Kraftfahrzeuge innerhalb der Gewährleistungsfrist bei der Steuerpflichtigen geltend gemacht wurden, behob diese in ihrer Werkstatt. Das Lieferwerk ersetzte dabei nach den getroffenen Vereinbarungen der Steuerpflichtigen die dafür aufgewendeten Material- und Lohnkosten.

Streitig ist, ob die Steuerpflichtige mit den ihr ersetzten Material- und Lohnkosten, die durch die Beseitigung der Mängel an den bei ihr gekauften Kraftfahrzeugen entstanden sind, steuerpflichtig ist. Das Finanzamt hat diese Beträge der Umsatzsteuer unterworfen und den gegen die Steuerbescheide eingelegten Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der Berufung hatte die Steuerpflichtige Erfolg. Die Vorinstanz hat die Auffassung vertreten, daß sich die Gewährleistungsansprüche der Käufer nur gegen die Steuerpflichtige gerichtet hätten, die ihrerseits dann Schadenersatzansprüche gegen das Lieferwerk habe geltend machen können. Da das Lieferwerk für verwendete Ersatzteile nur den Nettopreis gutgeschrieben und hinsichtlich der aufgewendeten Lohnarbeit nur unter den tatsächlichen Löhnen liegende Stundenlöhne vergütet habe, könne ein Leistungsaustausch nicht angenommen werden. Schadenersatzleistungen unterlägen aber nicht der Umsatzsteuer.

Mit der Rb des Vorstehers des Finanzamts wird gerügt, daß das Verfahren der Vorinstanz wegen unzureichender Sachaufklärung an einem wesentlichen Mangel leide und die Entscheidung auf unrichtiger Rechtsanwendung beruhe. Bei dem bestehenden Vertriebssystem des Lieferwerks erhielten die Käufer der Kraftfahrzeuge zwar keinen vertraglichen Gewährleistungsanspruch gegen das Lieferwerk. Im Interesse der Werbung habe das Lieferwerk aber eine besondere Regelung getroffen, damit der Kunde für Mängel am Liefergegenstand an jedem beliebigen Ort mit der Durchführung der Gewährleistung rechnen könne. Die Gewährleistungsfälle seien von dem Händler in Wahrnehmung der Interessen des Kunden und des Werks nach dessen Bestimmungen durchgeführt worden. Nach dem Kaufvertrag und den im Kundendienstheft enthaltenen Gewährleistungsbedingungen müsse jeder Käufer die überzeugung gewinnen, daß ihm Gewährleistungsansprüche nicht gegen den Händler, sondern gegen das Lieferwerk zustehen. Danach bestehe die Gewährleistungsverpflichtung des Händlers nach den gesamten Umständen ausschließlich in der Weitergabe der Gewährleistung des Lieferwerks an den Kunden. Die Vorinstanz sei auch zu Unrecht der Auffassung, daß aus der Höhe der Vergütungen, die das Werk dem Händler gewähre, auf Schadenersatz zu schließen sei. Nach der Garantiezusage des Herstellerwerks sei jeder Vertragshändler verpflichtet, Garantiearbeiten innerhalb der Garantiezeit kostenlos zu leisten, und zwar auch dann, wenn das Fahrzeug bei einem anderen Händler gekauft worden sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. kann keinen Erfolg haben.

Die Vorinstanz ist zutreffend von den Vertragsbeziehungen ausgegangen, die zwischen der Steuerpflichtigen und dem Lieferwerk einerseits und der Steuerpflichtigen und den Käufern anderseits bestanden. Sie hat auf Grund dieser Verträge lediglich Gewährleistungsansprüche der Käufer gegen die Steuerpflichtige und solche der Steuerpflichtigen gegen das Lieferwerk angenommen. Die getroffenen Vereinbarungen lassen es auch nach Auffassung des Senats nicht zu, Gewährleistungsansprüche der Käufer gegen das Lieferwerk anzunehmen. In Abschn. VI des Kaufvertrags ist für den Fall, daß ein Garantieschein durch das Lieferwerk nicht ausgegeben wurde, ausgeführt, daß der Verkäufer, das ist die Steuerpflichtige, dem Käufer gegenüber die Gewährleistung übernehme. Garantiescheine wurden im vorliegenden Fall vom Lieferwerk nicht übergeben. Daraus ergibt sich, daß nach dem Kaufvertrag Gewährleistungsansprüche der Käufer gegenüber der Steuerpflichtigen bestanden. Die folgenden Ziffern des Abschn., die sich mit der Gewährleistung befassen und ihrem Wortlaut nach mit der Gewährleistungsregelung im Händlervertrag übereinstimmen, können allerdings für einen Käufer, dem der Händlervertrag im allgemeinen nicht bekannt sein kann, zu Zweifeln Anlaß geben, ob nicht das Lieferwerk selbst dem Käufer gegenüber die Gewährleistung für das gekaufte Fahrzeug übernehmen wollte. Aus dem Kaufvertrag ließe sich jedoch eine solche Verpflichtung des Lieferwerks nur herleiten, wenn die Steuerpflichtige bevollmächtigt gewesen wäre, das Werk zu verpflichten. Von der Steuerpflichtigen wird dafür jede Vertretungsbefugnis bestritten. Sie kann sich insoweit auf § 2 des Händlervertrags berufen. Auch das Finanzamt konnte nichts dafür vortragen, daß die Steuerpflichtige ermächtigt gewesen wäre, eine solche Gewährleistung für das Lieferwerk auszusprechen. Es kann sich deshalb für das Zustandekommen von Gewährleistungsansprüchen der Käufer gegen das Werk auf die unklaren Gewährleistungsbedingungen im Kaufvertrag nicht berufen. Der Abschn. VI des Kaufvertrags, der auf die früheren Einheitsbedingungen für den Verkauf von Kraftfahrzeugen zurückgeht, kann daher nur so verstanden werden, daß er den Umgang der Gewährleistung bestimmen sollte. Die Gewährleistung des Händlers sollte mit der Gewährleistung des Lieferwerks in übereinstimmung gebracht werden. Hiernach hat die Vorinstanz zu Recht angenommen, daß die Steuerpflichtige die Mängel nicht auf Grund eines Gewährleistungsanspruchs des Käufers gegen das Lieferwerk beseitigt hat.

Die Steuerpflichtige hat hiernach mit der Beseitigung der Mängel eine von ihr dem Käufer gegenüber übernommene Gewährleistungsverpflichtung erfüllt. Von dem Käufer hat sie hierfür ein Entgelt nicht erhalten. Ihr selbst standen jedoch auf Grund des Händlervertrags ebenfalls Gewährleistungsansprüche gegen das Lieferwerk zu. Sie war anderseits nach den allgemeinen Bedingungen des Händlervertrags gehalten, alle vorkommenden Schäden zu beseitigen. Daraus ergibt sich die Frage, ob nicht in dem Ersatz der Material- und Lohnkosten mit Rücksicht auf die zwischen dem Lieferwerk und der Steuerpflichtigen bestehenden Vertragsverhälnisse ein Entgelt für die Beseitigung der Mängel zu erblicken ist. Auch im Verhältnis zwischen einem Schadensersatzberechtigten und einem Schadensersatzverpflichteten kann ein Leistungsaustausch in Betracht kommen (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V 386/39 vom 12. Juni 1942, RStBl 1942 S. 842). Im vorliegenden Fall beruht die Unterhaltung der Vertragswerkstatt auf dem Händlervertrag. Es war der Steuerpflichtigen nach diesem Vertrag im Interesse des Kundendienstes auch auferlegt worden, die Gewährleistungsfälle an allen bei ihr vorkommenden Fahrzeugen des Lieferwerks in Wahrnehmung der berechtigten Interessen des Kunden und des Werks nach den hierfür geltenden besonderen Bestimmungen abzuwickeln. Die Bezugnahme auf die besonderen Bestimmungen zeigt, daß mit dieser, vor allem im Interesse des Lieferwerks liegenden allgemeinen Regelung die eingehenden vertraglichen Abmachungen über den Verkauf der einzelnen Fahrzeuge nicht außer Wirksamkeit gesetzt werden sollten. Dann bestehen aber keine Bedenken, die Vergütungen, die das Werk für die Beseitigung der Schäden gewährt hat, als Schadenersatz anzusehen. Es spricht auch für die Annahme eines echten Schadensersatzes, daß die Steuerpflichtige im konkreten Fall primär ihre Verpflichtung gegenüber dem Käufer aus dem Kaufvertrag erfüllt und für ihre Tätigkeit eine Vergütung erhalten hat, die ihrer Höhe nach nicht mehr als Leistungsentgelt angesehen werden kann. Die Vorinstanz hat daher in dem Ersatz der tatsächlichen Material- und Lohnkosten zu Recht einen echten Schadenersatz angenommen, mit dem die Steuerpflichtige nicht zur Umsatzsteuer herangezogen werden kann.

über die Fälle, in denen von einem Händler Mängel an Fahrzeugen zu beseitigen waren, die bei einem anderen Händler gekauft worden sind, war in diesem Verfahren nicht zu entscheiden.

Die Rb. ist hiernach als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411310

BStBl III 1964, 516

BFHE 1965, 118

BFHE 80, 118

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge