Leitsatz (amtlich)

1. Der Gesellschaftsteuer auf den ersten Erwerb der Kommanditanteile an einer Kommanditgesellschaft, deren persönlich haftender Gesellschafter eine Kapitalgesellschaft ist, kann nicht entgegengehalten werden, das Einbringen der Kommanditisten habe die Kapitalkraft der Kapitalgesellschaft nicht verstärkt.

2. Schuldner der Gesellschaftsteuer ist auch in den Fällen des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG die Kapitalgesellschaft (BFH 97, 147 [149]).

 

Normenkette

KVStG § 2 (Abs. 1) Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 4, § 10 Abs. 1

 

Tatbestand

Berichtigung: Im Urteil vom 16. Juni 1970 II R 22/70 (BStBl 1970 II S. 668) muß es in der rechten Spalte, 14. Zeile von oben, anstatt "Kapitalgesellschaft" richtig heißen: "Kommanditgesellschaft".

Die Klägerin ist als Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet und ihrem Unternehmenszweck gemäß unverzüglich persönlich haftende Gesellschafterin einer unter Benutzung ihres Namens firmierenden Kommanditgesellschaft geworden. Die Einlagen der Kommanditisten betragen 45 000 DM.

Nachdem das beklagte FA zunächst die Gesellschaftsteuer aus der GmbH-Gründung erhoben hatte, setzte es gegen die Klägerin 1 125 DM Gesellschaftsteuer aus den Kommanditanteilen fest. Der Bescheid ist hinsichtlich des Besteuerungsmaßstabs vorläufig, weil (wie vom FG nicht festgestellt) die Kommanditisten ausweislich des Gesellschaftsvertrags nicht Barbeträge, sondern Unternehmenswerte eingebracht hatten. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

§ 222 AO ist für den vorliegenden Fall ohne Bedeutung. Die Gründung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung und die Gründung der Kommanditgesellschaft sind verschiedene Rechtsvorgänge, folglich auch der erste Erwerb der GmbH-Anteile und der erste Erwerb der Kommanditanteile.

Gemäß § 2 Nr. 1 KVStG unterliegt der Gesellschaftsteuer der erste Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft (hier: § 5 Abs. 1 Nr. 3 Abs. 3 KVStG) durch den ersten Erwerber. Als Gesellschaftsrechte an Kapitalgesellschaften gelten auch die Anteile der Kommanditisten an einer Kapitalgesellschaft, wenn (wie hier) zu den persönlich haftenden Gesellschaftern der Kommanditgesellschaft eine Kapitalgesellschaft gehört (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG). Diese Vorschrift hat das BVerfG durch Beschluß vom 2. Oktober 1968 - 1 BvF 3/65 - (BVerfGE 24, 174) mit Gesetzeskraft (Art. 94 Abs. 2 ff. GG, § 31 Abs. 2 Satz 1, § 13 Nr. 6 BVerfGG) für mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. Der - hier nicht abschließend zu beurteilende (§ 100 Abs. 1 Satz 2 AO) - Besteuerungsmaßstab ergibt sich aus § 8 Nr. 1 KVStG, der Steuersatz aus § 9 Abs. 1 KVStG 1959; Steuerschuldnerin ist die Kapitalgesellschaft (§ 10 Abs. 1 KVStG), also die Klägerin (§ 5 Abs. 1 KVStG).

Die Klägerin wendet ein, sie habe über das Gesellschaftsvermögen der Kommanditgesellschaft (also auch das Einbringen der Kommanditisten) keine Art von Verfügungsmacht erlangt, die als Verstärkung ihres eigenen Kapitals anzusehen wäre. Darauf kommt es indessen nicht an. Denn das Einbringen eines Kommanditisten in eine Kommanditgesellschaft verstärkt stets nur deren Kapitalkraft. Allein kraft des Gesellschaftsverhältnisses, dessen Begründung oder Erweiterung (vgl. aber auch Urteil des BFH II 141/65 vom 21. Oktober 1969, BFH 97, 320, BStBl II 1970, 99) § 2 Nr. 1 KVStG der Gesellschaftsteuer unterwirft, erlangt der persönlich haftende Gesellschafter (hier die Kapitalgesellschaft) stets nur den mittelbaren Nutzen, den ihm seine Stellung als persönlich haftenden Gesellschafter verschafft. Erwägungen der Art, wie sie der Kläger angestellt wissen will, werden daher durch die Gesetzeskraft (§ 31 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) der Entscheidungsformel des Beschlusses des BVerfG vom 2. Oktober 1968 - 1 BvF 3/65 - (BGBl I 1968, 1102) abgeschnitten.

Um der eben erwähnten wirtschaftlichen Problematik willen hatte allerdings der Österreichische Verwaltungsgerichtshof (Erkenntnis vom 2. November 1964 - Z 1901/63 -, Sammlung (F) Nr. 3 172) angenommen, Steuerschuldner sei nicht die Kapitalgesellschaft, sondern die Kommanditgesellschaft. Jene ist jedoch in § 10 Abs. 1 KVStG ausdrücklich als Steuerschuldnerin bezeichnet. Die in § 5 Abs. 1 und 2 KVStG enthaltene Definition der Kapitalgesellschaften im Sinne des KVStG erlaubt es nicht, einer Kommanditgesellschaft der in § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG bezeichneten Art die Eigenschaft einer relativen Kapitalgesellschaft (nämlich nur hinsichtlich ihrer Kommanditanteile) zuzusprechen. Auch der Beschluß des BVerfG vom 2. Oktober 1968 - 1 BvF 3/65 - (BVerfGE 24, 174 [175]) ist - insoweit übereinstimmend mit dem Urteil des BFH II 12/61 S vom 3. Dezember 1964 (BFH 81, 55 [71, 75], BStBl III 1965, 19 [25, 26]; vgl. zum KVStG 1922 Urteile des RFH II A 126/27 vom 29. März 1927, RStBl 1927, 167; II A 654/26 vom 3. Mai 1927, RFH 21, 150, RStBl 1927, 167, und II A 175/27 vom 7. Mai 1927, RStBl 1927, 181) - davon ausgegangen, daß die Kapitalgesellschaft im Sinn des § 5 Abs. 1 KVStG als persönlich haftende Gesellschafterin der Kommanditgesellschaft selbst Steuerschuldnerin sei. Hieran ist der BFH zwar weder gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG noch gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG (vgl. Urteil II R 2/68 vom 3. Dezember 1969, BFH 98, 81 [82], BStBl II 1970, 289) gebunden. Er ist aber aus den vorerwähnten Gründen genötigt, in diesem Punkte an seiner - mit der Praxis übereinstimmenden - ständigen Rechtsprechung festzuhalten (Urteil II 210/65 vom 21. Oktober 1969, BFH 97, 147 [149], BStBl II 1969, 736).

 

Fundstellen

Haufe-Index 69082

BStBl II 1970, 668

BFHE 1970, 423

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