Leitsatz (amtlich)

Der freiwillige Verzicht eines Gesellschafters auf Gewinnanteile, deren Ausschüttung er auf Grund eines wirksam gewordenen und wirksam gebliebenen Gewinnverteilungsbeschlusses verlangen konnte, unterliegt auch dann der Gesellschaftsteuer, wenn der Gewinnverteilungsbeschluß von der Gesellschafterversammlung aufgehoben wurde, weil sich wider Erwarten für die körperschaftsteuerrechtliche Behandlung kein entsprechender Gewinn ergeben hatte.

 

Normenkette

KVStG 1959 § 2 (Abs. 1) Nr. 4 Buchst. b, § 2 Nr. 4 Buchst. b

 

Tatbestand

Die Gesellschafterversammlung der Klägerin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, hatte deren Handelsbilanzgewinn für das Jahr 1963 auf 32 181,28 DM festgestellt und zugleich entsprechend einer von ihrem Berater aufgestellten Steuerbilanz die Ausschüttung des sich aus dieser ergebenden Jahresgewinns von 101 940 DM beschlossen. Die Betriebsprüfung ergab für dieses Jahr einen Verlust von 222 903 DM. Die Gesellschafterversammlung hat vorbezeichnete Beschlüsse aufgehoben, den Handelsbilanzgewinn auf 43 479,57 DM festgestellt und beschlossen, keinen Gewinn auszuschütten. Die den Gesellschaftern bereits auf deren Konten gutgebrachten Beträge sollten diesen als Darlehen belassen werden.

Das beklagte FA hat gegen die Klägerin aus 101 940 DM Gesellschaftsteuer in Höhe von 2 548,50 DM festgesetzt und deren Einspruch zurückgewiesen. Das FG hat Steuerbescheid und Einspruchsentscheidung aufgehoben.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision des Beklagten ist begründet.

Der freiwillige Verzicht eines Gesellschafters auf eine Forderung gegen die Kapitalgesellschaft unterliegt gemäß § 2 Nr. 4 Buchst. b KVStG 1959 der Gesellschaftsteuer, sofern sie geeignet ist, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Dieser Tatbestand ist erfüllt, wenn die Gesellschafter auf die Gewinnanteile verzichten, deren Ausschüttung sie auf Grund eines wirksam gewordenen und wirksam gebliebenen Gewinnverteilungsbeschlusses verlangen können.

Der Anspruch des einzelnen Gesellschafters auf seinen Anteil am Reingewinn (§ 29 GmbHG) entsteht als sofort fälliger, klagbarer Anspruch mit dem Beschluß der Gesellschafter, den aus der festgestellten Handelsbilanz sich ergebenden Reingewinn in der dort bestimmten Weise zu verteilen (§ 46 Nr. 1 GmbHG). Ein zulässiger Verteilungsbeschluß begründet auch ohne Mitteilung an die Gesellschafter deren - allenfalls noch durch § 30 Abs. 1 GmbHG beschränkten - Anspruch auf Auszahlung der zugewiesenen Gewinnanteile. Dieser ist kein Mitgliedschaftsrecht mehr, sondern ein Gläubigerrecht; er kann daher dem Gesellschafter durch spätere Beschlüsse nicht wieder entzogen werden (vgl. Baumbach-Hueck, GmbH-Gesetz, 13. Aufl. 1970, § 29 Anm. 2 B; Hachenburg-Schmidt, Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 6. Aufl. 1956, § 29, Anm. 8, § 32, Anm. 1; Scholz, GmbH-Gesetz, 4. Aufl. 1960, § 29 Tz. 3; Vogel, GmbH-Gesetz, 2. Aufl. 1956, § 29, Anm. 3).

Demnach rechfertigt der Gesichtspunkt, daß der zweite Gesellschafterbeschluß keine Leistung der Gesellschafter an die Gesellschaft, sondern ein Gesamtakt der Gesellschafter in der Gesellschaft, also eine Maßnahme der Gesellschaft selbst ist, die Entscheidung des FG nicht. Denn zu diesem Beschlusse konnte es nur dann kommen, wenn entweder der erste Gesellschafterbeschluß von Anfang an nichtig oder inzwischen unwirksam geworden war, oder wenn jeder einzelne der Gesellschafter zunächst auf das ihm zustehende Forderungsrecht verzichtet hatte. Ein solcher Verzicht (§ 2 Nr. 4 Buchst. b KVStG 1959) erhöht den Wert der Gesellschaftsrechte; denn der Anspruch auf den durch Verteilungsbeschluß zugewiesenen Gewinn war als Gläubigerrecht nicht mehr Teil des Mitgliedschaftsrechtes.

Der erste Gesellschafterbeschluß ist nicht deshalb unwirksam, weil die Gesellschafter "zur Ausnutzung des gespaltenen Körperschaftsteuersatzes die geringere Körperschaftsteuer für ausgeschüttete Gewinne in Anspruch nehmen" und "gerade nur den steuerlichen Jahresgewinn ausschütten" wollten. Denn das wäre selbst nach den Irrtumsvorschriften des bürgerlichen Rechts (§ 119 BGB) nur ein unbeachtlicher Irrtum im Motiv. Für die Anfechtung eines Gesellschafterbeschlusses sind indessen die Anfechtungsgründe des Rechts der Kapitalgesellschaften maßgebend.

Diese auch für die Besteuerung verbindlichen Grundsätze des Handelsrechts hat das FG verkannt. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 126 Abs. 3 FGO).

Die Sache war zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Die tatsächlichen Feststellungen des FG lassen nicht ersehen, ob der erste Gesellschafterbeschluß materiell wirksam und unanfechtbar zustande gekommen ist (§ 46 Nr. 1, §§ 29 Abs. 1, 30 Abs. 1 GmbHG). Insofern ist zwar die Abweichung der Handelsbilanz und des Gewinnverteilungsbeschlusses von der Steuerbilanz unerheblich (vgl. Urteil II 189/65 vom 28. Januar 1969, BFH 95, 121, BStBl II 1969, 323), nicht aber eine etwa zu Lasten der Gesellschaftsgläubiger gehende Fehlerhaftigkeit der Handelsbilanz (vgl. § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG) und aus dieser folgend des Verteilungsbeschlusses (vgl. § 243 Abs. 2 AktG) oder des Verteilungsbeschlusses in bezug auf eine richtig festgestellte Handelsbilanz.

Anm.: Die Zahlen sind geändert.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69140

BStBl II 1970, 787

BFHE 1971, 54

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