Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Steht der Erwerb von Anteilen einer an einer Partenreederei beteiligten GmbH durch die Gesellschafter einer Personengesellschaft in unmittelbarem Zusammenhang mit der Hingabe eines als Betriebsausgabe der Personengesellschaft behandelten 7d-Zuschusses der Personengesellschaft an die Partenreederei, so gehören die GmbH-Anteile zum Betriebsvermögen der Personengesellschaft.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, § 4/4, §§ 5, 7d; AO § 222 Abs. 1 Nr. 1, § 225

 

Tatbestand

Zu entscheiden ist, ob die Berichtigung der einheitlichen Gewinnfeststellung 1955 der Bgin. zulässig war und ein steuerschädlicher Rückfluß eines 7d-Zuschusses vorlag.

An der Bgin. waren vier Gesellschafter beteiligt. Im Dezember 1951 gewährte sie der Partenreederei "Neubau A", später "MS A" (Partenreederei) einen Betrag in Höhe von 290 000 DM als Zuschuß im Sinn des § 7d EStG 1951. Gleichzeitig erwarben ihre vier Gesellschafter je einen Anteil von 2 500 DM an der ebenfalls im Dezember 1951 gegründeten B-GmbH (GmbH), die mit einem Stammkapital von 132 400 DM ausgestattet war. Der GmbH und der Firma C (AG) gehörten die Anteile der Partenreederei. Im Jahre 1955 erwarb die AG sämtliche Anteile an der GmbH für 4 250 000 DM. Von diesem Erlös erhielten die Gesellschafter der Bgin. für ihre Anteile im Nennwert von zusammen 10 000 DM insgesamt 321 000 DM.

Am 3. März 1956 ging beim Finanzamt eine Kontrollmitteilung über den Verkauf sämtlicher Anteile der GmbH an die AG ein. Im April 1957 stellte das Finanzamt den Gewinn der Bgin. für 1955 einheitlich fest, ohne aus der Veräußerung der GmbH-Anteile an die AG Folgerungen zu ziehen. Der Berechnungsbogen enthält die Bemerkung "Vorläufige Feststellung gemäß § 100 AO" und die Erläuterung, die in den Feststellungsbescheid aufgenommen wurde: "Diese Feststellung erfolgt in vollem Umfang vorläufig nach der Erklärung für 1955. Die geltend gemachten Haus- und Grundstücksaufwendungen bitte ich zu erläutern". Im November 1957 fand bei der Bgin. eine Betriebsprüfung statt, woraufhin das Finanzamt die einheitliche Gewinnfeststellung für 1955 im März 1958 berichtigte, ohne aus der Veräußerung der GmbH-Anteile Folgerungen zu ziehen. Der berichtigte Berechnungsbogen trägt den Hinweis "Berichtigung gemäß §§ 222 und 225 AO" und verweist in dem Abschnitt "Erläuterungen" auf den ebenfalls berichtigten Feststellungsbescheid 1951, in dem es heißt: "Der Berichtigung liegen die Feststellungen des Betriebsprüfers zugrunde".

In der Verfügung vom 21. November 1958 wies die Oberfinanzdirektion das Finanzamt an, auf Grund der Veräußerung der GmbH-Anteile an die AG einen Rückfluß des 7d-Zuschusses an die Bgin. anzunehmen, diesen bei der einheitlichen Gewinnfeststellung für 1955 zu erfassen und in voller Höhe dem Gewinnanteil des Gesellschafters X zuzurechnen. Die Finanzverwaltung hatte zunächst keine Kenntnis davon, daß der Gesellschafter X einen Anteil von 2 500 DM für sich und drei Anteile von jeweils der gleichen Höhe treuhänderisch für die drei übrigen Gesellschafter der Bgin. erworben hatte. Auf Grund dieser Verfügung berichtigte das Finanzamt die einheitliche Feststellung und rechnete den Mehrgewinn der Weisung der Oberfinanzdirektion folgend allein dem Gesellschafter X. zu.

Der Einspruch der Bgin. wurde im Tenor der Einspruchsentscheidung dem Beschluß des Steuerausschusses entsprechend als unbegründet zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es: "Der Betrag von 290 000 DM ist entgegen dem berichtigten einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid für das Kalenderjahr 1955 nicht in voller Höhe dem Gesellschafter X, sondern den vier Gesellschaftern mit je 25 % zuzurechnen. Insoweit tritt eine änderung des berichtigten Gewinnfeststellungsbescheides ein".

Das Finanzgericht gab der Berufung der Bgin. statt, weil das Finanzamt wegen des Fehlens neuer Tatsachen Anfang 1959 nicht zur nochmaligen Berichtigung der einheitlichen Gewinnfeststellung 1955 berechtigt gewesen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Erhöhung des Gewinns der Bgin.

In der mündlichen Verhandlung wies der Vorsitzende des Senats den Vertreter der Bgin. darauf hin, daß der Senat die von den Gesellschaftern der Bgin. erworbenen GmbH-Anteile möglicherweise als Betriebsvermögen der Bgin. ansehen werde, was zur Folge hätte, daß der Gewinn der Bgin. für das Jahr 1955 nicht nur um den 7d-Zuschuß, sondern um die Erlöse für die GmbH-Anteile der Gesellschafter der Bgin. erhöht werden könnte.

Die Berichtigungsfeststellung hängt nicht von dem Vorbringen einer neuen Tatsache im Sinne des § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO ab. Wie der Senat in dem Grundsatzurteil IV 168/61 S vom 23. Januar 1964 (BStBl 1964 III S. 436, Slg. Bd. 79 S. 559) entschied, werden vorläufige Steuerbescheide - das gleiche gilt auch für Feststellungsbescheide (ß 218 Abs. 1 AO) - erst dann endgültig, wenn sie ausdrücklich für endgültig erklärt sind. Eine solche Erklärung liegt nicht vor. Denn der erste die ursprüngliche (vorläufige) einheitliche Gewinnfeststellung 1955 berichtigende Bescheid enthielt nur den Hinweis, daß der Berichtigung die Feststellungen des Betriebsprüfers zugrunde lägen. Damit blieb auch der Berichtigungsbescheid vorläufig, und das Finanzamt behielt die Möglichkeit, ihn ohne Vorbringung neuer Tatsachen zu ändern (vgl. Urteile des Senats IV 10/57 U vom 12. Dezember 1957, BStBl 1958 III S. 154 (156), Slg. Bd. 66 S. 401, und IV 168/61 S). Da das Finanzgericht von anderen Erwägungen ausging, war seine Entscheidung aufzuheben, weil sie den Einspruch der Bgin. im Tenor als unbegründet zurückwies, obwohl sie nach den Gründen den Betrag von 290 000 DM entgegen dem berichtigten einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid nicht dem Gesellschafter X allein, sondern den vier Gesellschaftern zu gleichen Teilen zurechnete. Die Sache ist spruchreif.

Der Gewinn der Bgin. für das Jahr 1955 ist nicht nur um den 7d-Zuschuß, sondern um die durch die Veräußerung der GmbH-Anteile durch die Gesellschafter erzielten Erlöse nach Abzug des hierauf entfallenden Aufwands zu erhöhen.

Im Urteil IV 329/51 S vom 6. März 1952 (BStBl 1952 III S. 114, Slg. Bd. 56 S. 286) sprach der Bundesfinanzhof erstmals aus und hielt später daran fest, daß der Abzug eines Zuschusses zur Förderung des Wohnungsbaus im Sinne des § 7c EStG 1950 nicht dadurch entfalle, daß ihn der Steuerpflichtige der von ihm beherrschten GmbH gebe. Die dadurch eintretende Wertsteigerung der GmbH-Anteile stelle keinen den Begriff des Zuschusses ausschließenden Vorteil beim Zuschußgeber dar. Diese Grundsätze gelten auch für Zuschüsse zur Förderung des Schiffsbaus nach § 7d EStG 1951. Ein ähnlicher Fall liegt vor. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen bei einer späteren Veräußerung der GmbH-Anteile in Höhe des Teils des Kaufpreises, der auf dem früheren Zuschuß an die GmbH beruht und an die Zuschußgeber zurückfließt, eine steuerpflichtige Einnahme gesehen werden kann, braucht nicht entschieden zu werden. Denn im Streitfall ergibt sich die Beurteilung des Erlöses aus der Veräußerung der Anteile an der GmbH als steuerpflichtige Einnahme der Bgin. bereits daraus, daß die GmbH-Anteile zum Betriebsvermögen der Gesellschafter und der Bgin. zu rechnen und die Erlöse aus der Veräußerung daher Betriebseinnahmen der Bgin. sind. Der Senat geht auf Grund des dem Akteninhalt und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung zu entnehmenden Gesamtbildes der Vorgänge, wie sie sich im Dezember 1951 abspielten, davon aus, daß die Hingabe der Zuschüsse an die Partenreederei und der Erwerb der GmbH-Anteile wirtschaftlich einen einheitlichen Vorgang darstellten, der auch steuerlich einheitlich gewürdigt werden muß. So hat der Senat festgestellt, daß die Zuschußgeber ihre Zuschüsse an die Partenreederei unzweifelhaft nicht gegeben hätten, wenn sie nicht gleichzeitig entsprechende Anteile an der GmbH erwerben konnten, die ihrerseits Gesellschafterin der Partenreederei war. Andererseits wurde erwartet, daß die Erwerber der GmbH-Anteile, wie sich auch aus der mündlichen Verhandlung ergab, Zuschüsse an die Partenreederei geben würden. Diese Würdigung des Senats wird durch die spätere Entwicklung der Vorgänge bestätigt, die dazu führte, daß bei der Veräußerung der Anteile der GmbH an die AG als Gesellschafter der Partenreederei wenige Jahre später die Zuschußgeber ihre Zuschüsse im Kaufpreis für die Veräußerung der GmbH-Anteile in vollem Umfange zurückerhielten. Die oben bezeichneten Feststellungen konnten auch deshalb einwandfrei getroffen werden, weil entgegen der ursprünglichen Erwartung nicht alle Erwerber der GmbH-Anteile die entsprechenden Zuschüsse leisteten und diese Anteilsbesitzer bei der Veräußerung ihrer Anteile als Kaufpreis lediglich einen Betrag erhielten, der in etwa dem eingezahlten Nennbetrag und dem von ihnen tatsächlich geleisteten geringeren Zuschuß entsprach. Auch daraus ergibt sich zweifelsfrei, daß zwischen der Hingabe der Zuschüsse an die Partenreederei und dem Erwerb der GmbH-Anteile ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang bestand, der die tatsächlich und rechtlich getrennten Vorgänge wirtschaftlich als eine einheitliche Maßnahme erscheinen läßt.

Geht man von dieser Beurteilung der Vorgänge aus, kann es nicht gestattet werden, daß die Gesellschafter der Bgin. die Hingabe der Zuschüsse als einen betrieblichen, den Erwerb der GmbH-Anteile aber als einen in der privaten Sphäre liegenden Vorgang behandelten. Machten sie durch Abzug der Zuschüsse als Betriebsausgabe von der ihnen zustehenden Möglichkeit Gebrauch, die Zuschußgewährung in den betrieblichen Bereich zu verlagern, so konnten sie bei einem anderen Teil dieses einheitlichen Vorgangs, nämlich dem Erwerb der GmbH-Anteile, nicht anders verfahren. Die GmbH-Anteile wurden infolge der Behandlung der Zuschüsse als betrieblicher Vorgang notwendiges Betriebsvermögen der Bgin. oder ihrer Gesellschafter. ähnliche Grundsätze über eine steuerlich einheitliche Beurteilung wirtschaftlich einheitlicher, wenn auch rechtlich getrennter Vorgänge und Gestaltungen finden sich in der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs auch in anderen Fällen der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft (vgl. z. B. Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 562/35 vom 28. Oktober 1936, RStBl 1937 S. 383; VI 673/37 vom 1. Dezember 1937, RStBl 1938 S. 182; VI 290/38 vom 14. September 1938, RStBl 1939 S. 229; Urteile des Bundesfinanzhofs I 131/59 S vom 8. November 1960, BStBl 1960 III S. 513 (516), Slg. Bd. 71 S. 706; I 57/61 S vom 16. Januar 1962, BStBl 1962 III S. 104, Slg. Bd. 74 S. 275). Es ist zwar richtig, daß die Hingabe der Zuschüsse durch die Gesellschafter der Bgin. an die Partenreederei kein notwendig betrieblicher Vorgang war, so daß die Zuschüsse selbst nicht notwendigerweise Betriebsausgaben darstellten. Es war den Gesellschaftern der Bgin. jedoch gestattet, ohne Rücksicht darauf, ob die Zuschüsse mit einer betrieblichen Tätigkeit der Bgin. in Zusammenhang standen, sie als Betriebsausgaben zu behandeln. Da sie das taten, mußten sie die mit der Zuschußhingabe in engem wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden weiteren Vorgänge, besonders den Erwerb der GmbH-Anteile, als betriebliche Vorgänge verbuchen. Da somit die GmbH-Anteile zum Betriebsvermögen der Bgin. gehörten, waren die Erlöse aus der Veräußerung der Anteile bei den Gesellschaftern Betriebseinnahmen und gehörten zum betrieblichen Gewinn der Bgin.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411692

BStBl III 1965, 662

BFHE 1966, 449

BFHE 83, 449

DB 1965, 1888

DStR 1965, 725

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