Entscheidungsstichwort (Thema)

"Schenkung" mit anschließendem ,,Darlehen" als Schenkungsversprechen; ,,Darlehens"-Zinsen als Zuwendungen gemäß § 12 EStG

 

Leitsatz (NV)

1. Ein Vertrag, in dem ein Steuerpflichtiger sich verpflichtet, seinen nahen Angehörigen Geldbeträge zuzuwenden, die diese ihm laut Vertrag sogleich wieder als ,,Darlehen" zur Verfügung zu stellen haben, begründet keine Schenkung mit anschließendem Darlehensvertrag, sondern nur ein Schenkungsversprechen. Die aufgrund des Schenkungsversprechens geleisteten Zinsen sind bei der Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb nicht abziehbare Zuwendungen i. S. des § 12 Nr. 2 EStG.

2. Zu den Voraussetzungen einer unselbständigen Anschlußrevision.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 2; FGO § 155; ZPO i.d.F. der Novelle vom 8. Juli 1975 § 556

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Der Kläger, Revisionsbeklagte und Anschlußrevisionskläger (Kläger) bezog im Streitjahr 1974 als Fabrikant Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Den Gewinnn ermittelte er nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Am 30. Dezember 1970 schloß der Kläger mit seiner Ehefrau und seinen vier Kindern A, B, C und D privatschriftliche Schenkungs- und Darlehensverträge, die auf entsprechenden Vereinbarungen der Beteiligten vom 24. Dezember 1970 beruhten. Die Verträge hatten einen im wesentlichen gleichlautenden Inhalt. Im Vertrag des Klägers mit seiner Ehefrau hieß es u. a.:

,,1) Ich, der Fabrikant . . ., schenke heute meiner Ehefrau . . . einen Betrag in Höhe von DM . . . unter der Auflage, daß die Beschenkte den genannten DM-Betrag meinem gewerblichen Betrieb in vollem Umfang unverzüglich darlehensweise zur Verfügung stellt.

. . .

5) Ich bestätige, daß der mir von meinem Ehemann geschenkte Betrag in Höhe von DM . . . am 28. 12. 1970 auf mein Konto bei der Spar- und Darlehenskasse in X überwiesen worden ist.

6) Ich, . . . habe den Betrag von DM . . . als Darlehen von meiner Ehefrau heute durch Überweisung auf mein Bankkonto bei der Spar- und Darlehenskasse in X erhalten.

. . ."

Bei den Vertragsabschlüssen waren die in diesem Zeitpunkt minderjährigen Kinder C und D nicht durch einen gerichtlich bestellten Ergänzungspfleger vertreten.

Die Beträge von je . . . DM, die aus dem Betriebsvermögen des Klägers stammten, wurden am 28. Dezember 1970 auf den Konten der Beschenkten gutgeschrieben, die sie daraufhin dem Kläger wieder zurücküberwiesen (Eingang auf dessen Betriebskonto jeweils am 29. bzw. 30. Dezember 1970).

Der Kläger verzinste die Darlehen in den Jahren 1970 bis 1973 mit 20 v. H. und im Streitjahr 1974 mit 12 v. H. Nach einer Betriebsprüfung erkannte der Beklagte, Revisionskläger und Anschlußrevisionsbeklage (das Finanzamt - FA -) die Zinszahlungen für die Jahre 1970 bis 1973 nur teilweise als Betriebsausgaben an. Für das Streitjahr versagte das FA den Abzug der Darlehenszinsen als Betriebsausgaben in vollem Umfang. Der Einspruch gegen den geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 1974 hatte keinen Erfolg.

Mit der Klage machte der Kläger den Abzug von Darlehenszinsen unter Zugrundelegung eines Zinssatzes von 10 v. H. in Höhe von . . . DM als Betriebsausgaben geltend.

Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1981, 616 veröffentlicht ist, gab der Klage zum überwiegenden Teil statt. Es entschied, daß der Gewinn in Höhe der strittigen Darlehenszinsen mit Ausnahme der Zinsen, die dem Darlehenskonto des Sohnes D gutgeschrieben worden seien, unter Berücksichtigung einer entsprechenden Gewerbesteuerrückstellung zu mindern sei.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen. Mit seiner Anschlußrevision beantragt er, in Abänderung des FG-Urteils den Gewinn in der Weise herabzusetzen, daß auch die an den Sohn D geleisteten Darlehenszinsen als Betriebsausgaben berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Anschlußrevision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, sie als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Das FG hat zu Unrecht die für 1974 gezahlten Zinsen als Betriebsausgaben i. S. des § 4 Abs. 4 EStG angesehen. Vielmehr handelt es sich um Zuwendungen, die gemäß § 12 Nr. 2 EStG bei der Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb nicht abgezogen werden dürfen. Der Senat teilt die Auffassung des FA, daß durch die auf den 30. Dezember 1970 datierten privatschriftlichen Verträge keine Schenkungen mit daran anschließenden Darlehensverhältnissen begründet wurden, sondern Schenkungsversprechen.

a) Nach dem Urteil des erkennenden Senats vom 10. April 1984 VIII R 134/81 (BFHE 141, 308, BStBl II 1984, 705; vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Mai 1984 VIII R 35/84, BFHE 142, 28, 30, BStBl II 1985, 243), auf dessen Gründe im einzelnen Bezug genommen wird, handelt es sich bei Verträgen, in denen Steuerpflichtige ihren Kindern und sonstigen Angehörigen Geldbeträgen zuwenden, die sie laut Vertrag sogleich wieder als ,,Darlehen" zur Verfügung zu stellen haben, nicht um Schenkungen mit anschließenden Darlehensverträgen, sondern um aufschiebend bedingte Schenkungsversprechen. Der Senat hat, insoweit übereinstimmend mit dem BFH-Urteil vom 16. März 1977 I R 213/74 (BFHE 121, 458, 460 unten, BStBl II 1977, 414), entscheidend darauf abgestellt, daß die Verfügungsmacht über die angeblich geschenkten Beträge beim angeblichen Schenker verblieben ist. Der Streitfall stimmt in allen entscheidungserheblichen Punkten mit dem Urteilsfall in BFHE 141, 308, BStBl II 1984, 705 überein.

Daraus ergibt sich, daß die der Ehefrau und den Kindern versprochenen, jährlich zu zahlenden ,,Zinsen" nicht Entgelt für ein dem Vater zur Nutzung überlassenes Darlehen sind, sondern zusätzliche Schenkungen, bei denen es an einer betrieblichen Veranlassung fehlt. Die den Angehörigen für 1974 ausbezahlten Zinsen sind Zuwendungen an gegenüber dem Steuerpflichtigen unterhaltsberechtigte Personen, welche nach § 12 Nr. 2 EStG (in der für 1974 gültigen Fassung) nicht abziehbar sind.

b) Auf die vom FG angestellten Erwägungen kommt es somit für die Entscheidung des Streitfalls nicht mehr an.

2. Die Anschlußrevision des Klägers ist unzulässig.

Der BFH hat im Urteil vom 8. April 1981 II R 4/78 (BFHE 133, 155, BStBl II 1981, 534) unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung entschieden, daß eine unselbständige Anschlußrevision innerhalb eines Monats nach der Zustellung der Revisionsbegründung einzulegen und zu begründen ist. Eine unselbständige Anschlußrevision liegt vor, wenn dem Einlegenden ein eigenes Recht auf Einlegen der Revision wegen des Fehlens der Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht zusteht (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 115 FGO Anm. 110).

Die Anschlußrevision des Klägers ist eine unselbständige, denn sie ist nach Ablauf der Revisionseinlegungsfrist, die mit dem 15. Juni 1981 abgelaufen ist, erhoben worden. Sie ist auch verspätet im Sinne des Urteils in BFHE 133, 155, BStBl II 1981, 534 eingelegt worden. Die Revisionsbegründungsschrift ist dem Kläger mit eingeschriebenem Brief vom 8. Juli 1981 zugestellt worden; die Anschlußrevision ist jedoch erst am 21. Januar 1982 beim BFH eingegangen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen Fristablaufs hat der Kläger nicht beantragt. Auch kann von Amts wegen keine Wiedereinsetzung gewährt werden, weil der Kläger nicht innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist des § 56 Abs. 2 FGO die versäumte Rechtshandlung nachgeholt hat (§ 56 Abs. 2 Satz 4 FGO). Der genaue Zeitpunkt des Beginns dieser Frist kann im Streitfall dahinstehen, da sie zumindest im Zeitpunkt der Einlegung der Anschlußrevision abgelaufen war. Dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers hätte mit der Veröffentlichung des Urteils in BFHE 133, 155, BStBl II 1981, 534 - das Urteil ist im BStBl vom 31. August 1981 veröffentlicht worden - die geänderte Rechtsprechung zur Fristwahrung im Fall der unselbständigen Anschlußrevision bekannt sein müssen. Das Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten muß sich der Kläger wie eigenes Verschulden nach § 155 FGO, § 85 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung zurechnen lassen (Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 56 Anm. 1, m.w.N.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 413915

BFH/NV 1985, 83

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