Leitsatz (amtlich)

Der Senat hält daran fest, daß bei der Verwertung sicherungshalber übereigneter Gegenstände durch den Sicherungsnehmer die Sicherungsübereignung zur Lieferung des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer wird. Es ist hierfür nicht von Bedeutung, ob der Sicherungsnehmer die mit dem Sicherungsgeber getroffenen Vereinbarungen eingehalten hat.

 

Normenkette

UStG 1951 § 3 Abs. 1; UStDB 1951 § 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der einen Konfektionsbetrieb unterhielt, gab für das Jahr 1966 keine Umsatzsteuererklärung ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) setzte auf der Grundlage der Voranmeldungen für Januar bis Oktober 1966 und eines für November 1966 geschätzten Umsatzes (21 222,20 DM) die Umsatzsteuer für 1966 auf 1 825,60 DM fest. Während des Einspruchsverfahrens, in dem sich der Kläger gegen die Hinzuschätzung für den Monat November 1966 wandte, wurde dem FA bekannt, daß die X-Bank den ihr zur Sicherung eines Kredits übereigneten Warenbestand des Klägers an sich genommen und im Dezember 1966 zum Preis von 29 490 DM veräußert hatte. Das FA vertrat daraufhin die Auffassung, daß der Kläger mit der Verwertung des sicherungsübereigneten Warenlagers einen steuerpflichtigen Umsatz an die Bank bewirkt habe und zog ihn unter Zugrundelegung des vorbezeichneten Verwertungserlöses als Bemessungsgrundlage zur Umsatzsteuer heran.

In der Einspruchsentscheidung setzte das FA die Umsatzsteuer für das Jahr 1966 auf 2 839,20 DM fest.

Die Klage, mit der der Kläger beanstandete, daß die Veräußerung des Warenlagers als steuerpflichtiger Umsatz behandelt worden sei, hat das FG abgewiesen und dazu im wesentlichen ausgeführt: Die Auffassung des Klägers, daß die Veräußerung des sicherungsübereigneten Warenlagers keine Lieferung i. S. von § 3 Abs. 1 UStG 1951 sei, weil die Verfügungsmacht nicht von ihm in freier Willensentschließung, sondern von der Bank abredewidrig unter Ausnutzung einer wirtschaftlichen Monopolstellung auf den Erwerber übertragen worden sei, gehe fehl. Es komme für die steuerrechtliche Beurteilung nicht darauf an, ob der Sicherungsgeber mit der Verwertung der sicherungsübereigneten Gegenstände durch den Sicherungsnehmer einverstanden sei, oder ob die Verwertung des Sicherungsgutes durch den Sicherungsnehmer gegen die guten Sitten verstoße (§ 5 Abs. 2 StAnpG). Entscheidend sei vielmehr, daß der Sicherungsnehmer die sicherungshalber übereigneten Gegenstände mit dem Ziel verwertet habe, den Erlös zur Tilgung der gesicherten Forderung zu verwerten. In einem solchen Fall werde nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 1. Juni 1967 V 208/64, BFHE 90, 247, BStBl II 1968, 68) die Sicherungsübereignung zur Lieferung des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer. Daß gleichzeitig und daneben von der Bank eine Lieferung an den Abnehmer der Gegenstände bewirkt werde und auch die Bank zur Umsatzsteuer heranzuziehen sei, sei kein Grund, die Lieferung des Klägers an die Bank entgegen dem Gesetz nicht als steuerpflichtigen Vorgang zu behandeln.

Mit der Revision rügt der Kläger unrichtige Anwendung des geltenden Rechts, insbesondere von § 3 Abs. 1 UStG 1951 und § 5 Abs. 2 StAnpG. Er halte daran fest, so führt der Kläger aus, daß die gegen seinen Willen von der Bank unter Ausnutzung einer Monopolstellung vorgenommene Verwertung des Warenlagers keine Lieferung nach § 3 Abs. 1 UStG 1951 sei, und zwar auch nicht unter Heranziehung von § 5 Abs. 2 StAnpG. Denn auch diese Vorschrift helfe nicht darüber hinweg, daß die Veräußerung des Warenlagers gegen seinen ausdrücklichen Willen erfolgt sei und es damit an einer "freiwilligen" Übertragung der Verfügungsmacht an die Bank fehle. Selbst unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise sei es nicht vertretbar, eine in dieser Art vorgenommene Veräußerung als Lieferung nach § 3 Abs. 1 UStG 1951 zu beurteilen. Ein gegen den Willen des Lieferers getätigter, also "zwangsweiser" Leistungsaustausch sei dem Gesetz fremd und erfülle nicht die Voraussetzungen von § 3 Abs. 1 UStG 1951.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Umsatzsteuer für das Jahr 1966 auf 1 659,60 DM herabzusetzen, hilfsweise, die Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Bei der rechtlichen Beurteilung ist die Vorinstanz in zutreffender Anwendung der Grundsätze des BFH-Urteils V 208/64 davon ausgegangen, daß dem Sicherungsnehmer (hier der Bank) durch die Sicherungsübereignung des Warenlagers das Recht zu dessen Verwertung eingeräumt worden ist und daß mit dieser Verwertung gleichzeitig (uno actu) z w e i Lieferungen angefallen sind; nämlich die Lieferung der Bank an den Erwerber und die Lieferung des Klägers an die Bank (vgl. auch das zu § 116 AO ergangene Urteil des BFH vom 20. Juli 1967 V 240/64, BFHE 89, 466, BStBl III 1967, 684). Denn mit der Verwertung des Sicherungsgutes hat die Bank dem Erwerber die Verfügungsmacht an dem Sicherungsgut verschafft, wozu sie nur in der Lage war, weil sie selbst die Verfügungsmacht in demselben Zeitpunkt erlangt hatte (vgl. auch Urteil des RFH vom 26. Mai 1939 V 129/38, RStBl 1939, 885).

Die Auffassung des Klägers, daß im Streitfall eine vom BFH-Urteil V 208/64 abweichende Beurteilung geboten sei, weil die Veräußerung des Warenlagers durch die Bank gegen seinen Willen vorgenommen und deshalb die Verfügungsmacht dem Erwerber nicht auf Grund einer "freiwilligen" Willensentschließung (des Sicherungsgebers) verschafft worden sei, ist nicht zutreffend. Die Bank als Sicherungsnehmer konnte dem Erwerber des Warenlagers auf Grund ihrer Rechtsposition die Verfügungsmacht an den Einzelgegenständen dieses Lagers verschaffen. Das Innenverhältnis zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer (Kläger und Bank) ist für diese umsatzsteuerrechtliche Beurteilung ohne Bedeutung. Eine Lieferung seitens der Bank, die nach außen hin als Eigentümerin der Waren aufzutreten berechtigt war, ist unter den gegebenen Umständen nicht nur im Falle des Einverständnisses des Sicherungsgebers, sondern auch bei Abweichung von den schuldrechtlichen, das Innenverhältnis betreffenden Vereinbarungen zwischen Sicherungsgeber und -nehmer zu bejahen. Geht man hiervon aus, so setzt diese Lieferung gedanklich die Lieferung der von der Bank verwerteten Waren durch den Kläger an die Bank voraus. Mögliche Verstöße der Bank gegen bestehende Verwertungsabreden können nur zivilrechtliche Folgen auslösen, über die von den ordentlichen Gerichten zu entscheiden ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71440

BStBl II 1975, 622

BFHE 1975, 535

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