Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Kosten eines Hochschulstudiums sind stets nichtabzugsfähige Kosten der Berufsausbildung. Das gilt auch für die Kosten der Promotion.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, § 9/1, § 12 Nr. 1

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 08.01.1968; Aktenzeichen 1 BvR 660/67)

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1964, ob der Revisionskläger (Stpfl.) Promotionskosten, die er auf 5.385,30 DM ermittelte, als Betriebsausgaben abziehen kann.

Der Stpfl. war im Streitjahr 1964 als selbständiger Betriebsberater tätig. Sein Aufgabengebiet umfaßte Abschlußprüfungen, die Bearbeitung steuerlicher Angelegenheiten und die Beratung in der Betriebsorganisation. Er ist Dipl.-Kaufmann. Als solcher promovierte er 1965 an der Universität X zum Dr. rer. pol. Das Dissertationsthema lautete: "Die Abschreibungsbegünstigung in betriebswirtschaftlicher Sicht". Die als Betriebsausgaben geltend gemachten Promotionskosten setzen sich nach seinen Angaben wie folgt zusammen: Aufenthaltskosten 159 Tage x 30 DM = 4.770 DM, Fahrtspesen 384 DM, Schreiben und Binden der Dissertation 331,30 DM, zusammen 5.385,30 DM.

FA und auf die Sprungklage des Stpfl. auch das FG lehnten das Begehren des Stpfl. ab. Das FG begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt. Ausbildungskosten, und zwar auch solche, die ein bereits im Beruf stehender Steuerpflichtiger in der Absicht aufwende, seine berufliche Stellung dadurch zu verbessern, seien Lebenshaltungskosten im Sinne des § 12 Ziff. 1 EStG. Sie seien daher nicht abzugsfähig. Abzugsfähig seien lediglich berufliche Fortbildungskosten (z. B. Teilnahme an Fachkursen). Kosten zur Erlangung des Doktortitels könnten höchstens zu den Ausbildungskosten gerechnet werden. Die für den Erwerb des Doktortitels notwendige wissenschaftliche Bearbeitung eines bestimmten Themas diene nicht der eigentlichen beruflichen Fortbildung. Es werde dadurch mehr die Aufwertung des Hochschulabschlusses durch Anfügung eines akademischen Titels erstrebt, der das Ansehen des Inhabers beruflich und gesellschaftlich fördern solle. Selbst wenn es zutreffen sollte, daß der Doktortitel für gewisse Berufszweige beruflich vorteilhaft sei und damit eine gewisse betriebliche Veranlassung dieser Aufwendungen dargetan wäre, so gehörten sie trotzdem zu den nichtabzugsfähigen Aufwendungen nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG, die die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung des Stpfl. mit sich bringe, auch wenn sie den Beruf förderten. Die Aufwendungen zur Erlangung des Doktortitels seien geradezu typische Aufwendungen in diesem Sinne. Bei dieser Beurteilung erübrige sich ein Eingehen auf die Frage, ob die Promotion ein bewertungsfähiges, immaterielles Wirtschaftsgut darstelle.

Mit seiner Revision beantragt der Stpfl. wie schon in seiner Klage, die Unterscheidung zwischen nichtabzugsfähigen Ausbildungskosten und abzugsfähigen Fortbildungskosten aufzugeben und in sämtlichen Aufwendungen für Berufsausbildung sofort abschreibungsfähige Aufwendungen auf ein nicht aktivierungsfähiges immaterielles Wirtschaftsgut "Berufsausbildung" anzuerkennen oder die Kosten der Berufsausbildung als Werbungskosten oder Betriebsausgaben bei der Einkunftsart abzuziehen, der die Berufstätigkeit des Stpfl. während seines Studiums oder nach seinem Studium in Ausübung seines Studienfaches zuzurechnen sei. Mindestens für Werkstudenten verstoße die Nichtabzugsfähigkeit der Ausbildungskosten gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG. Denn während der vermögenslose Werkstudent ohne Eltern oder mit Eltern, die kein oder nur ein geringes Einkommen hätten, seine Studienkosten ganz oder größtenteils selbst verdienen müsse und die steuerliche Berücksichtigung der Ausbildungskosten abgelehnt werde, hätten bei dem vermögenden Nur-Studenten wenigstens die Eltern die Möglichkeit, die Aufwendungen nach den §§ 32 und 33 a EStG bei ihrer Einkommensteuer zu berücksichtigen. Dieser Steuervorteil der Eltern komme nur den Nur-Studenten zugute. Dazu komme, daß der Werkstudent im Gegensatz zum sogenannten Nur- Studenten nebenher noch verdienen müsse, ohne daß er die Aufwendungen für sein Studium von seinen Einkünften abziehen könne. Dadurch sei er zusätzlich gegenüber dem Nur-Studenten belastet. Hierin liege die Verletzung, des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 GG. Es sei nicht gerechtfertigt, das Aufsteigen aus einem Beruf und der bisherigen Lebensstellung durch ein Hochschulstudium steuerlich zu bestrafen, während bei dem Nur- Studenten die Erlangung einer akademischen Position mit Hilfe der Eltern durch Kinderfreibeträge belohnt werde. Dieses Denken sei auch durch das staatliche Stipendienwesen überholt. Das gelte auch für die Promotionskosten, die ebenso Investitionen zur Ausübung einer beruflichen Tätigkeit wie etwa die Investition eines Gewerbetreibenden darstellten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Stpfl. ist unbegründet.

Dem Urteil des FG kann nicht entnommen werden, ob die geltend gemachten Promotionskosten tatsächlich im Jahre 1964 oder ganz oder teilweise erst im Jahre 1965 entstanden sind. Für das letztere spricht einiges, weil der Stpfl. erst im Jahre 1965 promovierte. Eine Zurückverweisung der Sache an das FG wegen dieser Unklarheit erübrigt sich, weil der Senat in der eigentlichen Rechtsfrage keine Veranlassung sieht, die Auffassung des FG zu beanstanden.

Der Auffassung des Stpfl., die Unterscheidung zwischen nichtabzugsfähigen Ausbildungskosten und abzugsfähigen Fortbildungskosten verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG, wird nicht gefolgt. Die steuerlich unterschiedliche Behandlung dieser beiden Arten von Bildungskosten wäre verfassungsrechtlich nur bedenklich, wenn sie willkürlich wäre. Davon kann keine Rede sein. Die Abgrenzung nichtabzugsfähiger Lebenshaltungskosten von den abzugsfähigen Betriebsausgaben oder Werbungskosten ist weitgehend eine steuerpolitische Frage, die in erster Linie der Gesetzgeber zu entscheiden hat. Das gilt auch für die Abgrenzung nichtabzugsfähiger Ausbildungskosten von den abzugsfähigen Fortbildungskosten. Wenn der Gesetzgeber oder auf Grund der Begriffsbestimmungen der Betriebsausgaben, Werbungskosten und nichtabzugsfähigen Lebenshaltungskosten in § 4 Abs. 4, § 9 und § 12 Nr. 1 EStG die Rechtsprechung zu dem Ergebnis gelangte, daß Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen ganz allgemein dadurch erwachsen, daß er sich durch die Ausbildung für einen Beruf überhaupt erst die Fähigkeit verschafft und in die Lage versetzt, in das Berufsleben einzutreten und Einkünfte zu erzielen, noch zu dem Kreis der nichtabzugsfähigen Lebenshaltungskosten gehören, so wird man in dieser Grenzziehung gegenüber Aufwendungen, der der Steuerpflichtige im ausgeübten Beruf zur Vervollständigung oder weiteren Vertiefung seiner Kenntnisse macht und die als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzugsfähig sind, jedenfalls keine Willkür erblicken können, die die Annahme einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Art. 3 GG rechtfertigen könnte. Es handelt sich hier um die Abgrenzung einkommensteuerlich erheblicher und einkommensteuerlich unerheblicher Vorgänge, bei der dem Gesetzgeber ein gewisser Spielraum einzuräumen ist.

Der Senat ist auch nicht der Auffassung, daß ein Verstoß gegen Art. 3 GG darin liegt, daß Eltern eines Steuerpflichtigen, die dessen Ausbildung bezahlen, hierfür im Verhältnis zu den Aufwendungen geringfügige Erleichterungen im Rahmen des § 32 und § 33 a Abs. 2 EStG gewährt werden, während der Steuerpflichtige, der seine Ausbildung selbst bezahlt, seine Ausbildungskosten bei der Einkommensteuer nicht berücksichtigen darf. Die Sachverhalte, die der Stpfl. vergleicht, sind voneinander verschieden, und ihre unterschiedliche Behandlung ist gerechtfertigt, zumindest nicht willkürlich. Denn bei der Gewährung der Kinderfreibeträge nach § 32 EStG und der Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung nach § 33 a Abs. 2 EStG war für den Gesetzgeber entscheidend, daß Eltern, die diese Lasten zu tragen haben, gegenüber anderen Eltern, die keine Kinder zu erziehen und auszubilden haben, steuerlich unterschiedlich behandelt werden sollten, indem den ersteren gewisse steuerliche Erleichterungen eingeräumt werden. Gegenüber den Steuerpflichtigen, die ihre Ausbildung selbst bezahlen, läßt sich die unterschiedliche steuerliche Behandlung vor allem dadurch rechtfertigen, daß die Eltern, die die Ausbildungskosten ihrer Kinder bezahlen, von den späteren Früchten dieser Ausbildung keinen Vorteil haben, während die Steuerpflichtigen, die ihre Ausbildung selbst bezahlen, später auch die Früchte ernten. Es liegen zwei voneinander verschiedene Lebenssachverhalte vor, so daß es auch dem Steuergesetzgeber und der Rechtsprechung nicht verwehrt sein kann, beide Sachverhalte einkommensteuerlich unterschiedlich zu behandeln. Das schließt nicht aus, daß der Gesetzgeber auch demjenigen Steuerpflichtigen, der seine Ausbildung selbst bezahlt, eine steuerliche Erleichterung gewähren könnte. Es geht hier weniger um eine steuerrechtliche als um eine bildungspolitische Frage.

Im Rahmen dieser Betrachtung sind die Kosten einer Promotion stets zu den Ausbildungskosten zu rechnen. Die Promotion ist ein Teil des Hochschulstudiums, die durch sie veranlaßten Aufwendungen sind denen des Hochschulstudiums auch steuerlich gleichzustellen. Es geht aber nicht an und würde gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit der Besteuerung verstoßen, wenn man die Kosten des Hochschulstudiums eines Steuerpflichtigen, der bereits im Berufsleben steht, im Gegensatz zu denen eines anderen Steuerpflichtigen, der sich noch im eigentlichen Ausbildungsstadium befindet und in unmittelbarem Anschluß daran promoviert, als abzugsfähige Fortbildungskosten anerkennen würde. Der Senat schließt sich insoweit den Rechtsausführungen des Urteils des BFH VI 7/56 U vom 20. September 1957 (BFH 65, 498, BStBl III 1957, 424) an.

Die Rechtsprechung des BFH zur Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für ein Hochschulstudium während der Ausübung eines bereits erlernten Berufes war nicht einheitlich. Während sie in den Urteilen VI 81/58 U vom 13. November 1959, BFH 70, 143, BStBl III 1960, 53, für einen Steuerinspektor, der das Hochschulstudium zum Zwecke der übernahme als höherer Beamter oder Großbetriebsprüfer durchführte, und im Urteil VI 175/65 vom 25. November 1966, BFH 87, 473, BStBl III 1967, 200, für einen als Motorenschlosser ausgebildeten Ingenieur zum Zwecke des Erwerbs des Diplomingenieurs als abzugsfähige Berufsfortbildungskosten anerkannt wurden, wurden in anderen Fällen Lebenshaltungskosten angenommen, so insbesondere in den Fällen der Urteile des BFH VI 307/61 vom 24. August 1962, Steuerrechtsprechung in Karteiform (StRK), Einkommensteuergesetz, § 9 Sätze 1, 2, Rechtsspruch 190, betreffend einen Betriebswirtschaft studierenden Bilanzbuchhalter; VI 110/62 U vom 24. August 1962, BFH 75, 606, BStBl III 1962, 488, betreffend einen Rechtswissenschaft studierenden Steuerinspektor; VI 333/63 vom 13. März 1964, StRK, § 9 Sätze 1, 2, Rechtsspruch 261, betreffend einen Volkswirtschaft und Rechtswissenschaft studierenden Stadtoberinspektor; VI 5/65 vom 25. Januar 1966, BFH 84, 543, BStBl III 1966, 198, betreffend einen Volkswirtschaft studierenden, inzwischen aus der Verwaltung ausgeschiedenen Steuerinspektor. Die unterschiedliche Behandlung der Fälle wurde damit gerechtfertigt, daß abzugsfähige Fortbildungskosten dann vorlägen, wenn ein Akademiker zur Fortbildung in seinem Beruf ein ergänzendes akademisches Studium aufnehme (VI 5/65) oder wenn der Nichtakademiker das akademische Studium nur aufnehme, um ohne Berufswechsel in seinem bisherigen Beruf besser vorwärts zu kommen (Urteile VI 81/58 U und VI 175/65). Auf Anfrage teilte der VI. Senat mit, es handele sich bei den Fällen, in denen die Kosten des Hochschulstudiums als Werbungskosten anerkannt worden seien, um nicht zu verallgemeinernde Sonderfälle.

Der Senat sprach schon im Urteil IV 339/64 U vom 25. März 1965, BFH 82, 305, BStBl III 1965, 357 ganz allgemein aus, daß ein Wechsel im Beruf auch bei verwandten Berufen im allgemeinen dann anzunehmen sei, wenn ein abgeschlossenes Studium zum übergang in den neuen Beruf gefordert werde. Es ist nicht gerechtfertigt, die Kosten des Hochschulstudiums je nachdem unterschiedlich zu beurteilen, ob dieses noch vor der Ergreifung des erstrebten Berufs oder erst dann durchgeführt wird, wenn der Steuerpflichtige bereits einen Beruf ausübt, ob der Steuerpflichtige als Zweck seiner nachträglichen akademischen Bildung angibt, im bisher ausgeübten Beruf zu verbleiben, aber darin besser voranzukommen, oder ob er einräumt, mit dem Hochschulstudium von vornherein einen Berufswechsel anzustreben. Entscheidend für die Ablehnung dieser Unterscheidungen durch den Senat ist, daß das Hochschulstudium, mag es erstmaliges oder ergänzendes und mag es zur Berufsausübung erforderlich sein oder nicht, dem Steuerpflichtigen stets eine andere berufliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Stellung eröffnet. Aufwendungen für ein Hochschulstudium schaffen stets die Grundlage für eine neue oder anders als bisher geartete Lebensgestaltung des Steuerpflichtigen.

In dieser Rechtsauffassung wird der Senat durch folgende überlegungen bestärkt. Die Abgrenzung zwischen Ausbildungs- und Fortbildungskosten ist ohnehin schwierig. Es gibt schwer zu entscheidende Grenzfälle. Hier darf die Entscheidung jedoch nicht zu offenbaren Ungerechtigkeiten führen. Das ist aber der Fall, wenn man die Abgrenzung nicht nach dem typischen Wesen dieser Kosten trifft, sondern wie bei den Kosten des Hochschulstudiums neben dem Zeitpunkt seiner Ableistung noch darauf abstellt, welchen Zweck der Steuerpflichtige für die Durchführung des Studiums angibt. Bei einer solchen Betrachtung werden namentlich echte Werkstudenten, die sich die Mittel für ihr Studium und für die Promotion oft vor oder während des Studiums in einer mit dessen Gegenstand nicht in Zusammenhang stehenden Tätigkeit verdienen, ohne innere Rechtfertigung benachteiligt. Darüber hinaus werden Eltern benachteiligt, die ihren Kindern unter großen persönlichen Opfern das Hochschulstudium ermöglichen, während ihnen hierfür nicht ins Gewicht fallende Steuererleichterungen in Form der Kinderfreibeträge nach § 32 EStG oder der Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung nach § 33 a Abs. 2 EStG gewährt werden. Der Senat sieht sich nicht in der Lage, eine den Erfordernissen der steuerlichen Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit gerecht werdende Abgrenzung zwischen abzugsfähigen und nichtabzugsfähigen Aufwendungen für ein Hochschulstudium oder für die Promotion zu finden und durchzuführen. Da diese Aufwendungen jedoch, hiervon geht auch der VI. Senat in den zitierten Urteilen ausdrücklich aus, in erster Linie nichtabzugsfähigen Lebenshaltungskosten zuzurechnen sind, müssen sie auch stets als solche behandelt werden. Diese Beurteilung wird auch durch die überlegung gerechtfertigt, daß die einkommensteuerlichen Vergünstigungen nicht das geeignetste Mittel sind, um das förderungswürdige Bestreben einer möglichst guten Berufsausbildung zu unterstützen, weil dann die Zuschüsse der Allgemeinheit um so höher werden, je höher das Einkommen des Belasteten ist und bei geringem Einkommen keine Zuschüsse gewährt werden. Unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit und des zweckmäßigen Einsatzes öffentlicher Mittel müßte es umgekehrt sein.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412531

BStBl III 1967, 723

BFHE 1967, 511

BFHE 89, 511

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