Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Die unter dem Gesichtspunkt der Vereinfachung von der Verwaltung zugelassene Pauschalierung von Werbungskosten ist in der Regel dann nicht anwendbar, wenn nicht unerhebliche, von den Werbungskosten nur mit Schwierigkeiten trennbare Betriebsausgaben geltend gemacht werden.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, § 9; AO § 217

 

Tatbestand

Im Jahre 1958 erzielte der Steuerpflichtige (Stpfl.), ein Opernsänger, aus der Mitwirkung an Filmen im Inland und im Ausland Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er nahm dafür die Werbungskostenpauschale für Filmschauspieler in Anspruch (vgl. z. B. die Verfügung der Oberfinanzdirektion Hamburg vom 16. Februar 1962, veröffentlicht in der ab 1962 geltenden Fassung in der Sammlung von Felix, Steuererlasse in Karteiform, § 20 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung, Nr. 8, in der für Filmschauspieler eine Werbungskostenpauschale von 25 v. H. ihrer Honorare, höchstens 20 000 DM festgesetzt wird). Der Betriebsprüfer kürzte den vom Stpfl. geltend gemachten Höchstbetrag entsprechend dem Verhältnis der Einnahmen Inland/Ausland um 31,5 v. H. = 6300 DM. Das Finanzamt (FA) folgte dem Betriebsprüfer. Das Finanzgericht (FG) hielt die Kürzung für unzulässig. Die Verwaltung habe entsprechend ihrer Erfahrung in der Anweisung einen Pauschsatz festgesetzt. Er diene den Gerichten als Schätzungsgrundlage, von der sie ohne zureichenden Grund nicht abweichen dürften (Hinweis auf das Urteil des BFH VI 100/62 U vom 10. Mai 1963, BFH 77, 40, BStBl III 1963, 331). Aus der Verwaltungsanweisung ergebe sich nicht, daß der Hundertsatz gemindert werden müsse, wenn ein Filmschauspieler neben seinen inländischen Filmeinkünften auch Filmeinkünfte im Ausland erziele.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das FG.

Das FG durfte dem Stpfl. nicht eine Werbungskostenpauschale von 20 000 DM gewähren. Es bestehen zwar im allgemeinen keine Bedenken dagegen, daß die Finanzbehörden in geeigneten Fällen aus Vereinfachungsgründen Werbungskosten oder Betriebsausgaben mit einem Hundertsatz der Einnahmen pauschalieren und daß die Steuergerichte schon im Interesse der Gleichbehandlung aller Steuerpflichtiger in der Regel diese für sie nicht bindenden Anordnungen zur Grundlage ihrer Schätzungen machen. Da diese Anordnungen aber nur durch den Gesichtspunkt der Vereinfachung gerechtfertigt werden können und nicht zu einer im Gesetz nicht vorgesehenen Steuermilderung benutzt werden dürfen, sind sie nur in den Fällen anwendbar, wo sie zu einer tatsächlichen Vereinfachung der Ermittlung der richtigen Einkünfte durch den Steuerpflichtigen und die Verwaltung führen können. Wenn indessen bei einem sowohl als Arbeitnehmer als auch als Freiberufler tätigen Steuerpflichtigen zahlreiche Aufwendungen erheblichen Umfangs anfallen, die beide Arten seiner Einkünfte betreffen und die zur Ermittlung der richtigen Einkünfte und des zutreffenden Einkommens jeweils durch Schätzungen aufgeteilt werden müßten, so führt die Pauschalierung der nur eine der Einkunftsarten betreffenden Aufwendungen in der Regel zu keiner Vereinfachung, sondern zu einer wesentlichen Erschwerung der Ermittlung des richtigen Einkommens. Denn während die zutreffende Verteilung der einzelnen Aufwendungen auf die verschiedenen Einkunftsarten dann keine ins Gewicht fallende steuerliche Bedeutung gewinnt, wenn nur die nachgewiesenen Aufwendungen berücksichtigt werden, ist die Aufteilung zahlreicher einzelner Aufwendungen im Wege der Schätzung für die zutreffende Ermittlung des Einkommens von großer Bedeutung, wenn der auf eine bestimmte Einkunftsart entfallende Teil der Aufwendungen durch eine Pauschale berücksichtigt ist. Denn dieser Teil der tatsächlichen Aufwendungen muß unberücksichtigt bleiben und darf sich nicht neben der Pauschale einkommensmindernd auswirken. Das gilt um so mehr, als in der Regel geeignete Grundlagen für die Aufteilung jeder einzelnen Aufwendung nicht zur Verfügung stehen oder nur durch umfangreiche Ermittlungen oder nicht ganz einfache überlegungen zu schaffen sind. Wenn somit für die zutreffende Verteilung der gesamten Aufwendungen und die richtige Ermittlung des Einkommens die Pauschalierung sowohl dem Steuerpflichtigen als auch dem FA mehr Schwierigkeiten macht, als durch sie vermieden werden, muß in solchen Fällen von größerer Bedeutung vom Steuerpflichtigen verlangt werden, daß er nicht nur die seine freiberufliche Tätigkeit betreffenden Aufwendungen, sondern alle Aufwendungen aufzeichnet, womit die zutreffende Verteilung praktisch keine Bedeutung mehr hat. Es ist jedenfalls nicht gerechtfertigt, einen Teil der Aufwendungen nach einer allgemeinen Verwaltungsanordnung zu pauschalieren, weil damit im Interesse einer gerechten Besteuerung die mit noch größeren Schwierigkeiten verbundene Verpflichtung des Steuerpflichtigen und des FA verbunden wäre, die zutreffende Aufteilung aller beruflichen Aufwendungen vorzunehmen oder nachzuprüfen.

Das FG muß nunmehr bei seiner erneuten Entscheidung von diesen Grundsätzen ausgehen, nach denen mangels Aufzeichnungen des Stpfl. die auf seine inländische Arbeitnehmertätigkeit entfallenden, bei den Betriebsausgaben nicht berücksichtigten Aufwendungen mit dem Ziele geschätzt werden müssen, nur die tatsächlich angefallenen Werbungskosten abzusetzen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412529

BStBl III 1967, 418

BFHE 1967, 414

BFHE 88, 414

BB 1967, 827

DB 1967, 1297

DStR 1967, 481

StRK, EStG:4 BetrAusg R 17

BFH-N, NR. 20 zu

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