Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Wird zwischen einem Organträger und einer Organgesellschaft im Laufe des Wirtschaftsjahres des Organs ein Ergebnisabführungsvertrag geschlossen, so kann sich dieser Vertrag mit steuerlicher Wirkung auch auf den abgelaufenen Teil des Wirtschaftsjahres beziehen, soweit das Organschaftsverhältnis bestand.

 

Normenkette

KStG §§ 6, 5

 

Tatbestand

Die steuerpflichtige GmbH (Bgin.) erwarb mit Vertrag vom ... 1960 sämtliche Geschäftsanteile auf das nominell 20 000 DM betragende Stammkapital der ... GmbH. Die übernahme der Anteile erfolgte auf den 1. Mai 1960. Bis zum 30. April 1960 hatte die GmbH einen Gesamtverlust von 19 044,68 DM erlitten, von dem 1 687,57 DM auf die Zeit vom 1. Januar bis 30. April 1960 entfielen. Daß infolge finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Eingliederung der GmbH in den Betrieb der Bgin. vom 1. Mai 1960 ab ein Organverhältnis zwischen den genannten Gesellschaften besteht, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig und vom Finanzamt anerkannt.

Die genannten Gesellschaften schlossen am 20. Dezember 1960 einen auf die Dauer von zunächst fünf Jahren bemessenen Gewinn- und Verlustübernahmevertrag. In diesem Vertrag verpflichtete sich die Bgin., die nach dem 30. April 1960 etwa entstandenen oder entstehenden Verluste der GmbH zu übernehmen, die GmbH, ihre künftigen Gewinne an die Bgin. abzuführen, die ihr jedoch bis zur Höhe von 19 044,68 DM zur Wiederauffüllung ihres Stammkapitals verbleiben sollten. Demgemäß wies die Bgin. in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1960 unter den Verbindlichkeiten 8 921,08 DM "Verbindlichkeiten aus Organschaftsabrechnung" aus.

Das Finanzamt versagte dem Ergebnisabführungsvertrag die steuerliche Anerkennung insoweit, als die Bgin. steuerliche Wirkungen aus ihm bereits für das Jahr 1960 ableitete, weil das Organverhältnis nicht für das ganze Jahr 1960 bestanden habe, sondern erst im Laufe des Jahres 1960 begründet worden sei. Demgemäß setzte das Finanzamt im Bescheid vom 29. Januar 1962 den streitigen Betrag von 8 921 DM dem erklärten Gewinn der Bgin. hinzu.

Die Bgin. war dagegen der Ansicht, es genüge nach dem Organschaftserlaß der Länderfinanzminister (BStBl 1959 II S. 161) Abschnitt II Ziff. 5, daß der übernahmevertrag bis zum Ende desjenigen Wirtschaftsjahres des Organs abgeschlossen worden sei, für das er erstmals gelten solle. Wolle man der Auffassung des Finanzamts folgen, so würde dies bedeuten, daß als vororganschaftlicher Verlust nicht nur die am 30. April 1960 festgestellten 19 044,68 DM, sondern auch die in der Zeit vom 1. Mai bis 31. Dezember 1960, während der das Organverhältnis anerkanntermaßen bereits bestand, erlittenen Verluste in Höhe der streitigen 8 921,08 DM als vororganschaftliche Verluste zu behandeln wären.

Nach erfolglosem Einspruch stimmte das Finanzgericht mit der in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 1963 Nr. 344 veröffentlichten Vorentscheidung der Rechtsansicht der Bgin. zu. Mit dem Ergebnisabführungsvertrag werde dem Organträger der ganze tatsächlich erzielte Jahresgewinn des Organs übertragen; das gelte auch dann, wenn die Vereinbarung am letzten Tage des Geschäftsjahres des Organunternehmens geschlossen werde, dessen Gewinn erstmalig übertragen werden solle. Die Anwendung der entsprechenden Voraussetzung über das Schachtelprivileg, für das grundsätzlich eine seit Beginn des Wirtschaftsjahres bestehende Beteiligung gefordert werde (ß 9 KStG, § 21 KStDV), lasse sich auf die hier streitige Frage, die auf die Dauer der tatsächlichen Abhängigkeit des Organunternehmens abhebe, nicht übertragen.

Daß der Organträger mangels Vorliegens der finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Abhängigkeit des Organunternehmens seit Beginn des laufenden Geschäftsjahres des letzteren keinen Anspruch auf den ganzen Jahresgewinn des Organunternehmens habe, treffe tatsächlich nicht zu. Wer seinen Geschäftsanteil an einer GmbH im Laufe eines Jahres an einen Dritten abtrete, lasse sich die Gewinnerwartung im Kaufpreis vergüten, so daß der Gewinnanspruch auch für den bereits verflossenen Teil des Geschäftsjahres der GmbH, d. h. in vollem Umfange, auf den Erwerber übergehe. Berechtigt zur Entgegennahme des ganzen Gewinns sei stets derjenige, dem am Schluß des Geschäftsjahres der Gewinn auf Grund des Organverhältnisses und des Ergebnisabführungsvertrages zustehe. Die durch einen solchen Vertrag geschaffene Rechtslage sei für die Besteuerung maßgebend.

Habe das Organunternehmen keinen Gewinn, sondern einen Verlust erzielt, so könne dieser Verlust vom Organträger nur insoweit übernommen werden, als er zeitlich nach der Begründung des Organverhältnisses entstanden sei. Das bedeute, daß die Bgin. lediglich den Verlust der GmbH auszugleichen verpflichtet und als Verbindlichkeit aus Organschaftsabrechnung auszuweisen berechtigt sei, den die GmbH nach dem 30. April 1960 erlitten habe.

Gegen dieses Urteil hat der Vorsteher des Finanzamts (Bf.) Rb. eingelegt. Er führt aus, die steuerliche Anerkennung von Ergebnisabführungsverträgen beinhalte eine Abweichung von den allgemeinen steuerlichen Zurechnungsregeln, wonach ein Ergebnis bei dem Steuersubjekt steuerlich zu berücksichtigen sei, welches es erzielt habe. Der Ausnahmecharakter der Ergebniszurechnung in den Organschaftsfällen lasse nicht zu, Ergebnisse zu übertragen, die zu einer Zeit erzielt worden seien, als das Organschaftsverhältnis überhaupt noch nicht bestanden habe. Im Höchstfall könne das Ergebnis einbezogen werden, welches das Organ während des Bestehens der Organschaft erzielt habe. Das Jahresergebnis des Organs könne in Fällen, in denen das Organschaftsverhältnis im Laufe des Geschäftsjahres begründet wurde, nicht in einen bei dem Organ verbleibenden und einen zu übertragenden Teil aufgegliedert werden. Ein Steuersubjekt könne nur ein einheitliches Jahresergebnis erzielen. Rumpfwirtschaftsjahre seien nur in jenen Fällen möglich, in denen das Steuersubjekt im Laufe des Jahres zur Entstehung gelangt oder im Laufe eines Jahres aufgelöst werde oder sonst untergehe (Hinweis auf § 1 EStDV). Ein solcher Fall liege hier aber nicht vor. Es sei kein überzeugender Grund ersichtlich, der für Fälle eines negativen Jahresergebnisses zu einer abweichenden Handhabung zwingen würde oder auch eine abweichende Handhabung nur rechtfertigen könnte.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet.

Die Vorentscheidung ist zutreffend davon ausgegangen, daß ein Ergebnisabführungsvertrag steuerrechtlich zu beachten ist, wenn ein Organschaftsverhältnis vorliegt, und daß der Ergebnisabführungsvertrag auch noch vor dem Ende des Wirtschaftsjahres mit der Wirkung abgeschlossen werden kann, daß der Gewinn oder Verlust des abgelaufenen Wirtschaftsjahres vom Organträger übernommen wird. Eine Rückbeziehung auf ein bereits abgelaufenes Geschäftsjahr ist aber nicht möglich (Urteile des Reichsfinanzhofs I A 141/33 vom 15. September 1933, RStBl 1933 S. 1119; I 85/38 vom 29. November 1938, RStBl 1939 S. 357; Urteile des Bundesfinanzhofs I 73/54 U vom 8. März 1955, BStBl 1955 III S. 187, Slg. Bd. 60 S. 489; I 73/55 U vom 14. Februar 1956, BStBl 1956 III S. 151, Slg. Bd. 62 S. 407; I 74/54 U vom 3. Juli 1956, BStBl 1956 III S. 238, Slg. Bd. 63 S. 106; I 75/57 U vom 15. April 1958, BStBl 1958 III S. 299, Slg. Bd. 67 S. 70). Der Vorinstanz kann aber nicht zugestimmt werden, wenn sie meint, damit müsse auch die übertragung des ganzen Jahresgewinns des Organs anerkannt werden.

Die Organtheorie im Körperschaftsteuerrecht ist die steuerliche Lehre von der wirtschaftlichen Einheit rechtlich selbständiger Wirtschaftsobjekte (Urteil des Reichsfinanzhofs I A 226/29 vom 30. Januar 1930, RStBl 1930 S. 148). Ein Ausfluß dieser Lehre ist die Anerkennung des Ergebnisabführungsvertrages, die aber das Bestehen eines Organschaftsverhältnisses voraussetzt. Für Zeiträume, in denen ein Organschaftsverhältnis nicht bestand, fehlt die Voraussetzung für die Beachtung eines Ergebnisabführungsvertrages. Darum kann sich die steuerliche Wirkung eines Ergebnisabführungsvertrages nur auf das seit Begründung des Organschaftsverhältnisses erwirtschaftete Ergebnis beziehen. Das Organschaftsverhältnis kann steuerlich erst von dem Zeitpunkt an anerkannt werden, in dem es tatsächlich bestand; eine Zurückbeziehung ist aus dem allgemein geltenden Grundsatz des Steuerrechts nicht möglich, daß zivilrechtliche Verträge erst vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses an steuerliche Wirkung beanspruchen können. Dem Bf. ist darin zuzustimmen, daß der Ausnahmecharakter der übertragung des Ergebnisses auf den Organträger nicht zuläßt, Ergebnisse zu übertragen, die in der vororganschaftlichen Zeit erwirtschaftet worden sind.

Demgegenüber kann der Gedanke der Vorentscheidung, der Erwerber eines GmbH-Anteils erlange den vollen Gewinnanspruch, auch wenn er erst zum Schluß des Geschäftsjahres erwerbe, nicht durchgreifen. Die Ausschüttung des Jahresgewinns ist ein Ausfluß der gesellschaftsrechtlichen Stellung des Gesellschafters, die den Gewinn nicht berührt. Bei Anerkennung des Ergebnisabführungsvertrages geht es aber um die Frage, ob eine Gewinnminderung beim Organ anzuerkennen ist. Die übernahme des vororganschaftlichen Ergebnisses kann darum nicht als gewinnmindernder, d. h. betrieblicher Vorgang anerkannt werden.

Der Einbeziehung des Teilergebnisses (ab Bestehen des Organschaftsverhältnisses im Laufe der Wirtschaftsjahres) kann der Bf. nicht entgegenhalten, eine Aufteilung des Jahresergebnisses sei aus rechtssystematischen Gründen nicht zulässig. Es trifft nicht zu, daß "in diesen Fällen mit getrennten Abschlüssen zweier getrennter Steuersubjekte operiert werden" muß. Das Ergebnis des Organs wird vielmehr für das ganze Geschäftsjahr ermittelt, jedoch um diejenigen Teile gekürzt, die dem Organträger auf Grund des Ergebnisabführungsvertrages zuzuteilen sind. Im übrigen wird die Veranlagung für das Geschäftsjahr des Organs durchgeführt, d. h. mit den ungekürzten Gewinnen für die Zeit, in der das Organschaftsverhältnis noch nicht bestand, und für die spätere Zeit mit den Erträgen, die nach dem Ergebnisabführungsvertrag nicht übernommen werden, oder nicht übernommen werden dürfen (vgl. Entscheidungen des Bundesfinanzhofs I 109/53 U vom 24. November 1953, BStBl 1954 III S. 21, Slg. Bd. 58 S. 281; I D 1/56 S. vom 27. November 1956, BStBl 1957 III S. 139, Slg. Bd. 64 S. 368). Man kann darum nicht davon sprechen, daß in diesem Falle ein "Rumpfwirtschaftsjahr" gebildet würde, denn das Organ bleibt trotz des Ergebnisabführungsvertrages steuerpflichtig.

Diese Ansicht stimmt auch mit der überlegung überein, daß eine weiterreichende Wirkung als dem Organ mit Ergebnisabführungsvertrag der Fusion zuzusprechen ist. Bei einer Fusion müßte das von der aufgenommenen Gesellschaft bis zu ihrem Erlöschen erzielte Ergebnis der untergehenden Gesellschaft zugerechnet werden. Dem "Weniger" (Organ mit Ergebnisabführungsvertrag) können keine weiterreichenden Rechtsfolgen zuerkannt werden als dem "Mehr", nämlich der Fusion (vgl. Schmidt in Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe A, 1964 S. 305).

Die gleiche Betrachtung trifft zu, wenn das Jahresergebnis des Organs negativ ist. Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, kann der Verlust vom Organträger nur insoweit übernommen werden, als er nach der Begründung des Organschaftsverhältnisses entstanden ist. Die vor Begründung des Organschaftsverhältnisses entstandenen Verluste sind als vororganschaftliche Verluste vom Organ selbst zu tragen und aus späteren Gewinnen vor Abführung an den Organträger auszugleichen ( siehe auch Urteil des Bundesfinanzhofs I 73/55 U, a. a. O.). Soweit die Verluste nach Begründung des Organschaftsverhältnisses entstanden sind, hat das Organ aus dem Vertrag vom 20. Dezember 1960 einen Anspruch gegen den Organträger, der bei diesem zu einer Gewinnminderung führt.

Unbeschadet der abweichenden Rechtsansicht der Vorinstanz zu der Abführung des positiven Bilanzergebnisses des Organs stimmt die Vorentscheidung in bezug auf die Zurechnung des Verlustes mit den hier gegebenen Rechtsausführungen überein, so daß die Vorentscheidung zu bestätigen und die Rb. unbegründet ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411578

BStBl III 1965, 386

BFHE 1965, 383

BFHE 82, 383

BB 1965, 738

DB 1965, 959

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