Leitsatz (amtlich)

Fallen bei einer Kapitalgesellschaft, die Erzeugnisse herstellt, Aufwendungen an, durch die auch der Vertrieb der Erzeugnisse durch die Firma eines Gesellschafters gefördert wird, liegen darin keine verdeckten Gewinnausschüttungen, soweit die Aufwendungen durch die eigene Produktionstätigkeit der Kapitalgesellschaft verursacht sind oder ihre Übernahme zugunsten der Vertriebsfirma branchenüblich ist.

 

Normenkette

KStG § 6 Abs. 1 S. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, stellte ... her, die die Firma ihres alleinigen Gesellschafters vertrieb. In der Gewinn- und Verlustrechnung der Klägerin für die Streitjahre 1964 und 1965 waren auch folgende Aufwendungen ausgewiesen:

1964 1965

a) Bürokosten - Büromaterial 12 220 DM 9 839 DM

b) Porto- und Telefonkosten 18 954 DM 20 397 DM

c) Werbungskosten 1 979 DM 6 757 DM

d) Reise- und Repräsentationskosten 36 780 DM 36 585 DM

e) Geschenke an Geschäftsfreunde 9 701 DM 8 114 DM

f) Ausgangsfrachten 38 181 DM 44 260 DM

g) Provisionen 67 639 DM 27 650 DM

Nach einer Betriebsprüfung behandelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) von diesen Aufwendungen nach Verrechnungen und Berichtigungen im Streitjahr 1964 98 460 DM und im Streitjahr 1965 63 298 DM als verdeckte Gewinnausschüttungen der Klägerin, weil es sich um Kosten handele, die auf die Vertriebsfirma entfielen.

Die Sprungklage blieb ohne Erfolg.

Das FG hat ausgeführt, die Klägerin habe unberechtigt Kosten ihrer Vertriebsfirma übernommen. Ein Teil der unter a) bis c) aufgeführten Kosten sei als Betriebsausgaben der Vertriebsfirma anzusehen. Denn die Vertriebsfirma habe Kosten der unter a) bis c) genannten Art, die bei jeder Firma anfielen, überhaupt nicht ausgewiesen. Ein Teil der unter d), e), g) bei der Klägerin ausgewiesenen Kosten sei durch die Vertriebsfirma betrieblich veranlaßt gewesen. Denn diese Kosten entstünden allgemein durch den Vertrieb der Erzeugnisse. Die Vertriebsfirma habe aber unter diesen Positionen nur geringfügige oder unzutreffende Beträge ausgewiesen. Die Kosten unter f) seien voll der Vertriebsfirma zuzurechnen. Nicht die Klägerin, sondern die Vertriebsfirma habe die Waren verschickt und sei dementsprechend auf den Lieferscheinen als Absender erschienen. Daher könne dahingestellt bleiben, wie die Geschäfte in dieser Branche üblicherweise abgewickelt würden.

Eine Verrechnung der Übernahme dieser Kosten durch die Klägerin mit einer entsprechenden Gestaltung der Verrechnungspreise komme nicht in Betracht, weil eindeutige Abmachungen darüber fehlten. Auch durch die Gewährung von Rabatten könne die Übernahme der Kosten nicht ausgeglichen werden.

Das FA sei berechtigt gewesen, den Körperschaftsteuerbescheid 1964 (der Körperschaftsteuerbescheid 1965 sei vorläufig ergangen) zu berichtigen, weil ihm die durch die Betriebsprüfung aufgedeckte unberechtigte Kostenübernahme durch die Klägerin für die Vertriebsfirma nicht bekanntgewesen sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, mit der unrichtige Tatsachenfeststellung, Verstoß gegen die Denkgesetze und Verletzung des § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG und für das Streitjahr 1964 auch Verletzung des § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO gerügt wird.

Die Klägerin wendet gegen die Aufteilung der Kosten auf die Klägerin und auf die Vertriebsfirma ein, diese Aufteilung sei ohne ihre Zustimmung erfolgt. Im Geschäftszweig der Klägerin sei die Gestaltungsweise üblich, wie sie von der Klägerin und der Vertriebsfirma durchgeführt worden sei. Das FG habe daher die Besonderheiten dieses Geschäftszweigs, auf die unter Angabe von Beweismitteln hingewiesen worden sei, nicht außer acht lassen dürfen.

Das FG verkenne außerdem, daß maßgeblich für das Verhältnis zwischen der Klägerin und der Vertriebsfirma die gesamte Preisgestaltung einschließlich der Rabattgewährung und der angeblichen Kostenübernahme sei. Die einzelnen Faktoren der Preisbildung dürften nicht aus dem Gesamtzusammenhang herausgerissen werden.

Die Klägerin hält schließlich daran fest, daß keine neuen Tatsachen vorlägen, die eine Berichtigungsveranlagung für 1964 rechtfertigten. Sie rügt in diesem Zusammenhang, daß die von ihr angebotenen Zeugen nicht vernommen worden seien.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben, den berichtigten Körperschaftsteuerbescheid 1964 aufzuheben und die Körperschaftsteuer 1965 um die auf die verdeckte Gewinnausschüttung entfallende Steuerschuld herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Das FG hat den Sachverhalt nicht genügend erforscht (§ 76 FGO).

1. Eine verdeckte Gewinnausschüttung (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG) setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, daß eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter Vermögensvorteile zuwendet und daß diese Zuwendung ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat. Die Ursächlichkeit des Gesellschaftsverhältnisses ist im allgemeinen gegeben, wenn die Kapitalgesellschaft bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters den Vermögensvorteil unter sonst gleichen Umständen einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte.

Das FG hat diese Voraussetzungen bejaht. Seine Entscheidung beruht jedoch auf unzureichenden tatsächlichen Feststellungen.

a) Die Klägerin hat bereits vor dem FG behauptet, die Kosten unter a) bis g), ohne f), seien nicht als Ausfluß des Vertriebs als "Verteilungsfunktion" entstanden. Sie seien vielmehr unabdingbar notwendig für die Ordnungsmäßigkeit der technischen Produktion. Die Klägerin hat dies, wie auch in der Revisionsbegründung, näher erläutert. Wenn die Behauptung der Klägerin richtig ist, liegt die Ursache für den Anfall der Kosten nicht im Gesellschaftsverhältnis mit dem Inhaber der Vertriebsfirma, sondern in der eigenen Produktionstätigkeit der Klägerin. Das FG hätte daher die Behauptung der Klägerin - erforderlichenfalls durch Beweisaufnahme - näher prüfen müssen. Die Tatsache, daß bei der Vertriebsfirma solche Kosten überhaupt nicht oder in geringem Umfang anfielen, mögen bei einzelnen Kosten, etwa bei den Kosten a) und b), den Schluß rechtfertigen, daß in den Aufwendungen der Klägerin auch solche für die Vertriebsfirma enthalten sind. Das gleiche gilt jedoch nicht ohne weiteres für die Kosten c), d), e), g). Es erscheint nicht unwahrscheinlich, daß die Vertriebsfirma auf eine Werbetätigkeit verzichten konnte, wenn eine Werbewirkung bereits von der Tätigkeit der Fachleute der Klägerin ausstrahlte, die diese bei ihren Kundenbesuchen im technischen Produktionsinteresse der Klägerin ausübten.

Auf eine Zustimmung der Klägerin zur Aufteilung der Kosten im einzelnen in der Schlußbesprechung kann sich das FG nicht berufen. Denn diese Zustimmung stand - auch nach den Ausführungen des FG - unter dem Vorbehalt der Einwendungen gegen die Aufteilung überhaupt.

b) Bezüglich der Kosten unter f) hat die Klägerin vor dem FG behauptet und unter Beweis gestellt, daß die Übernahme der Frachtkosten zugunsten der Vertriebsfirmen branchenüblich sei. Ist diese Behauptung richtig, so fehlt es ebenfalls an der Ursächlichkeit des Gesellschaftsverhältnisses für die Übernahme dieser Kosten durch die Klägerin. Denn ein Geschäftsleiter überschreitet im allgemeinen die Grenzen des kaufmännischen Ermessens nicht, wenn er sich bei seinen Entscheidungen an das hält, was in dem betreffenden Geschäftszweig üblich ist (Urteil des BFH vom 10. Januar 1973 I R 119/70, BFHE 108, 183, BStBl II 1973, 322 zum Spielraum kaufmännischen Ermessens). Das FG durfte daher nicht dahingestellt sein lassen, wie die Geschäfte in dem Geschäftszweig der Klägerin üblicherweise abgewickelt werden.

Die Sache geht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück. Das FG wird bei der erneuten Verhandlung auch beachten, daß die objektive Beweislast für das Vorliegen verdeckter Gewinnausschüttungen beim FA liegt (BFH-Urteil vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626).

2. Soweit sich bei der nochmaligen Verhandlung vor dem FG herausstellt, daß die Kosten nicht durch die eigene Produktionstätigkeit der Klägerin verursacht und ihre Übernahme zugunsten der Vertriebsfirma nicht branchenüblich war, liegen verdeckte Gewinnausschüttungen vor. Auf die Preisgestaltung insgesamt, sowie die Klägerin diesen Begriff versteht, ist keine Rücksicht zu nehmen. Jedenfalls im Verhältnis zwischen einer Kapitalgesellschaft und dem beherrschenden Gesellschafter können die Vorteile einer verdeckten Gewinnausschüttung - hier die Übernahme von Kosten - mit Nachteilen - hier bei der Bildung des Preises für die von der Klägerin an die Vertriebsfirma gelieferten Erzeugnisse - nur ausgeglichen werden, wenn darüber im voraus getroffene klare und eindeutige Vereinbarungen vorliegen (vgl. BFH-Urteile vom 23. September 1970 I R 116/66, BFHE 100, 364, BStBl II 1971, 64, und vom 10. März 1971 I R 178/69, BFHE 102, 247, BStBl II 1971, 566).

3. Da die Sache aus den genannten Gründen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückgeht, braucht der Senat auf die anderen Verfahrensrügen der Klägerin, auch bezüglich der neuen Tatsachen nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht einzugehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72348

BStBl II 1977, 568

BFHE 1978, 48

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