Entscheidungsstichwort (Thema)

Übertragung eines Grundstücks von Miteigentümern auf eine Gesamthand

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Anforderungen an die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen einer Steuervergünstigung nach § 21 Abs.1 GrEStG BW (*= § 5 Abs.1 GrEStG 1940/1983) bei Übergang eines Grundstücks von Miteigentümern auf eine Gesamthand gelten die zu Absatz 2 der Vorschrift (Übergang vom Alleineigentümer auf eine Gesamthand) entwickelten Grundsätze entsprechend.

 

Orientierungssatz

NV: Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Gewährung der Steuervergünstigung nach § 21 Abs. 2 GrEStG BW (*= § 5 Abs. 2 GrEStG 1983) liegen trotz (formaler) Beteiligung des Einbringenden am Vermögen der Gesamthand dann nicht vor, a) wenn dieser durch (gesellschafts-)vertragliche Abrede im Ergebnis wirtschaftlich so gestellt ist, als sei er während der Dauer seiner Beteiligung an der Gesamthand und bei deren Beendigung nicht wie ein Eigentümer (anteilig) an den Wertveränderungen des Grundstücks beteiligt (gewesen) oder b) wenn und soweit dieser entsprechend einem vorgefaßten Plan in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung auf die Gesamthand seine Gesellschafterstellung auf einen anderen überträgt (vgl. BFH-Urteil vom 24. November 1982 II R 38/78). In diesem Zusammenhang macht es keinen Unterschied, ob der Einbringende seine gesamthänderische Berechtigung völlig aufgibt oder diese nur verringert.

 

Normenkette

GrEStG BW § 21 Abs. 1; GrEStG 1983 § 5 Abs. 1; GrEStG § 5 Abs. 1 Fassung: 1940-03-29

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 19.August 1982 von den Eheleuten A gegründet. Diese waren Miteigentümer je zur Hälfte eines Grundstücks. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom selben Tag verpflichteten sie sich, das Grundstück auf die Klägerin zu übertragen.

Bereits am Tag der Gründung der Klägerin boten die Eheleute A der Firma B-AG den Abschluß eines Vertrages zur Übertragung von Gesellschaftsanteilen an der Klägerin an. Nach dem Angebot sollte die AG durch Eintritt in die Klägerin 90 % der Beteiligung des Gesellschafters A, also 45 % des Gesellschaftsvermögens, und die gesamte Beteiligung von Frau A, insgesamt also 95 % des Gesellschaftsvermögens, erwerben. Als Gegenleistung sollte die AG 1 093 500 DM entrichten und eingetragene Grundpfandrechte, die in Höhe von 1,5 Mio DM valutiert waren, übernehmen. Darüber hinaus sollte einer Weiterübertragung von Gesellschaftsanteilen jedweder Stückelung schon im voraus zugestimmt werden. Dieses Angebot nahm die AG am 2.Dezember 1982 an.

Den Sinn und Zweck der gewählten Vertragsgestaltung erläuterten die Eheleute A wie folgt. "Wir hatten ursprünglich die Absicht, das Gesamtgrundstück zu veräußern, und zwar um den Erlös aus dem Verkauf für die Finanzierung unseres Neubaus zu verwenden. Unsere diesbezüglichen Bemühungen haben allerdings nicht zum Erfolg geführt. Die Firma B-AG interessierte sich nur für die Übernahme eines wesentlichen Teils des Objekts, und zwar in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Sie legte aus Verwaltungsgründen Wert darauf, daß wir zumindest mit einem kleinen Gesellschaftsanteil in der Gesellschaft verbleiben. Aufgrund dessen wurde am 19.August 1982 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet als Voraussetzung für die Übernahme von BGB-Gesellschaftsanteilen durch die B-AG."

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) stellte die Grundstückseinbringung zunächst antragsgemäß durch Bescheid vom 7.September 1982 nach § 21 Abs.1 des damals geltenden baden-württembergischen Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) von der Grunderwerbsteuer frei. Nachdem das FA danach die geschilderten Gesamtumstände erfuhr, setzte es mit nach § 173 Abs.1 Nr.1 der Abgabenordnung (AO 1977) geändertem Bescheid vom 9.Dezember 1983 Grunderwerbsteuer in Höhe von 176 295 DM fest. Dabei nahm es lediglich einen Anteil von 5 % nach § 21 Abs.1 GrEStG von der Besteuerung aus.

Hiergegen richtete sich die Klage. Mit dieser wurde geltend gemacht, daß die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung in vollem Umfang nach § 21 Abs.1 GrEStG vorlägen.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Die grundstückseinbringenden Eheleute A hätten entsprechend einem vorgefaßten Plan in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung ihre Gesellschafterstellung auf einen anderen übertragen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ―BFH― (vgl. Urteil vom 24.November 1982 II R 38/78, BFHE 138, 97, BStBl II 1983, 429) führe dies zur Versagung der Steuervergünstigung nach § 21 Abs.1 GrEStG. Dieser Rechtsprechung schließe sich das FG an.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 21 Abs.1 GrEStG. Sie beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Grundstückseinbringung von der Grunderwerbsteuer zu befreien.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Zutreffend hat das FG dahin erkannt, daß der Grundstückserwerb der Klägerin nicht über den vom FA angenommenen Umfang hinaus grunderwerbsteuerfrei ist.

1. Nach § 21 Abs.1 GrEStG (*= § 5 Abs.1 GrEStG 1940/1983) wird die Steuer beim Übergang eines Grundstücks von mehreren Miteigentümern auf eine Gesamthand nicht erhoben, soweit der Anteil des einzelnen am Vermögen der Gesamthand Beteiligten seinem Bruchteil am Grundstück entspricht. Für die Auslegung dieser Vorschrift gelten die zu ihrem Absatz 2 (Einbringung durch einen Alleineigentümer) entwickelten Grundsätze entsprechend. Die Vorschrift zieht die Folgerung daraus, daß die Änderung der Rechtszuständigkeit des Grundstücks aufgrund des der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsgeschäfts wirtschaftlich insoweit zu keiner Veränderung führt, als der veräußernde Gesellschafter über seine Gesamthandsberechtigung auch am Grundstück(swert) beteiligt bleibt. Das Gesetz berücksichtigt damit erklärtermaßen (vgl. Gesetzesbegründung, RStBl 1940, 387, 398) wirtschaftliche Gesichtspunkte. Trotz des Rechtsträgerwechsels unterbleibt eine Besteuerung insoweit, als sich die uneingeschränkte Berechtigung des bisherigen (Mit-)Eigentümers am Grundstück in Höhe seines Anteils am Gesellschaftsvermögen fortsetzt; denn Eigentümer des Gesamthandsvermögens sind die einzelnen Gesellschafter, wenn auch mit den anderen Gesellschaftern gemeinsam in gesamthänderischer Verbundenheit. Die mit dem Eigentum am Grundstück verbundenen Chancen und Risiken, die Wertveränderungen, Erträge oder Aufwendungen treffen gleichermaßen ―wenn auch nur anteilig― den Gesamthandsberechtigten. Sinn und Zweck der Steuervergünstigung verlangen daher, daß sich das bisherige Miteigentum auch tatsächlich in der geschilderten Weise am Gesamthandseigentum fortsetzt (vgl. Senatsurteil vom 24.November 1982 II R 38/78, BFHE 138, 97, BStBl II 1983, 429). ++/ Dementsprechend liegen die Voraussetzungen für die Gewährung der Steuervergünstigung ―trotz (formaler) Beteiligung des Grundstücksveräußerers am Vermögen der Gesamthand― dann nicht vor,

a) wenn dieser durch gesellschaftsvertragliche Abrede im Ergebnis wirtschaftlich so gestellt ist, als sei er während der Dauer seiner Beteiligung an der Gesellschaft und bei deren Beendigung über das Gesamthandsvermögen nicht wie ein (Mit-)Eigentümer anteilig an den Wertveränderungen des Grundstücks beteiligt (vgl. dazu Senatsurteil vom 9.November 1988 II R 188/84, BFHE 155, 171, BStBl II 1989, 201) oder

b) wenn und soweit dieser entsprechend einem vorgefaßten Plan in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung auf die Gesamthand seine Gesellschafterstellung auf einen anderen überträgt (vgl. Senat in BFHE 138, 97, BStBl II 1983, 429). Dem zeitlichen Moment mißt der Senat neben dem sachlichen Zusammenhang deshalb Bedeutung zu, weil in der Regel davon auszugehen ist, daß bei einer zur Einbringung (Veräußerung) zeitnahen Änderung des Beteiligungsverhältnisses des Grundstücksübertragenden diesem eine vermögensmäßige Beteiligung am Grundstück(swert) nicht weiter zusteht.

Dabei macht es in bezug auf die Steuervergünstigung keinen Unterschied, ob der Einbringende (Veräußerer) seine gesamthänderische Beteiligung plangemäß völlig (durch Ausscheiden aus der Gesellschaft) oder teilweise (durch Verminderung seiner Beteiligung) aufgibt oder ob sich seine Beteiligung durch Hinzutritt weiterer Gesellschafter verringert. Die Steuervergünstigung knüpft nämlich nicht an die Gesellschafterstellung (die Mitgliedschaft) als solche an, sondern an den Anteil des einzelnen am Vermögen der Gesamthand. Begünstigungsfähig ist daher der Erwerb durch die Gesamthand nur in dem Ausmaß, in dem der Einbringende (der Veräußerer) am Wert des Grundstücks beteiligt bleibt.

2. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den im Streitfall vom FG festgestellten Sachverhalt, an den der Senat gebunden ist (§ 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―), führt dazu, daß die von der Klägerin begehrte weitere Steuerbefreiung nach § 21 Abs.1 GrEStG nicht in Betracht kommt. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob sich dies bereits aus dem oben unter 1. a) dargestellten Grund ergibt, denn jedenfalls folgt das aus dem oben unter 1. b) dargestellten Grund.

Das FG ist davon ausgegangen, daß die Einbringenden entsprechend einem vorgefaßten Plan in sachlichem Zusammenhang mit der Grundstückseinbringung ihre anteilsmäßige Beteiligung verringert bzw. aufgegeben haben. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der sachliche Zusammenhang ergibt sich daraus, daß die Einbringenden ihre vermögensmäßige Beteiligung in Verwirklichung des von Anfang an bestehenden Plans tatsächlich verringert bzw. aufgegeben haben.

Zutreffend hat das FG auch den zeitlichen Zusammenhang zwischen der Einbringung des Grundstücks und der Verringerung der Beteiligung der Einbringenden am Vermögen der Klägerin bejaht, obwohl bis zur endgültigen Verringerung der Beteiligung der Einbringenden insgesamt rd. dreieinhalb Monate verstrichen waren. Denn in einer derartig kurzen Zeitspanne werden die mit dem Grundstückseigentum verbundenen wirtschaftlichen Risiken und Chancen regelmäßig weder verwirklicht noch üblicherweise von den Beteiligten auch nur wertmäßig ermittelt. /++

 

Fundstellen

Haufe-Index 63831

BFH/NV 1991, 27

BStBl II 1991, 376

BFHE 163, 249

BFHE 1991, 249

BB 1991, 1555

BB 1991, 1555 (L)

DB 1991, 1431 (LT)

DStR 1991, 679 (KT)

HFR 1991, 426 (LT)

StE 1991, 115 (K)

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