Leitsatz (amtlich)

Übertragen im Rahmen eines als "Erbteilsübertragungsvertrag" bezeichneten einheitlichen Gesamtvertrages die anderen Miterben ihre Erbanteile auf einen Miterben und überträgt dieser Miterbe dafür einem der anderen Miterben ein (noch zu vermessendes) Teilstück aus zum Nachlaß gehörigen Grundstücken, so ist dieser Grundstückserwerb gemäß § 3 Nr. 3 GrEStG steuerbefreit.

 

Normenkette

GrEStG § 3 Nr. 3

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) und ihre Mutter verkauften und übertrugen ihre Anteile am Nachlaß ihres im Oktober 1961 verstorbenen Vaters und Ehemannes durch notariell beurkundeten "Erbteilsübertragungsvertrag" vom Dezember 1961 an die Schwester der Klägerin, die andere der drei Miterbinnen. Die Anteilserwerberin verpflichtete sich, ihrer Mutter als Gegenleistung eine durch Reallast gesicherte Rente zu zahlen. Der Klägerin übertrug die Schwester für die Erbteilsübertragung ein noch zu vermessendes Teilstück aus Grundstücken, die zum Nachlaß des Vaters gehörten. Die Klägerin übernahm die auf dem Teilgrundstück ruhenden anteiligen Belastungen. Die Anteilserwerberin verpflichtete sich, der Klägerin außerdem eine Abfindung zu zahlen.

Die Klägerin machte gegen die Grunderwerbsteuerfestsetzung wegen des Erwerbs des Teilgrundstücks geltend, die im Vertrag vom Dezember 1961 beurkundeten Rechtsgeschäfte seien formell und materiell als einheitliche Erbauseinandersetzung gewollt gewesen und als Einheit anzusehen, so daß Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 3 GrEStG zu gewähren sei.

Einspruch und Berufung waren erfolglos.

Das FG teilte die Auffassung des Beklagten und Revisionsbeklagten (FA), daß es sich, da bei der gewählten Vertragsgestaltung alle Grundstücke zunächst in das Alleineigentum der Anteilserwerberin übergegangen seien, bei dem Erwerb der Klägerin nach Auflösung der Erbengemeinschaft nicht mehr um den Erwerb eines zum Nachlaß gehörigen Grundstücks durch einen Miterben zur Teilung des Nachlasses gehandelt habe. Bei der Natur der Grunderwerbsteuer als einer Rechtsverkehrsteuer könne der Vertrag vom Dezember 1961 nicht als einheitlicher Vorgang angesehen werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Das FG hat richtig erkannt, daß bei formgerechtem Erwerb aller Erbanteile (§ 2033, § 2371 BGB) an Stelle der sich auflösenden Erbengemeinschaft der Alleinerwerber kraft Gesetzes mit unmittelbar dinglicher Wirkung Alleineigentümer der zum Nachlaß gehörigen Grundstücke wird (Palandt/Keidel, Bürgerliches Gesetzbuch, 31. Aufl., § 2033 Anm. 1 c; vgl. auch Urteil des BFH vom 10. Juni 1964 II 30/61 U, BFHE 80, 33, 36, BStBl III 1964, 486). Deshalb greift die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 3 GrEStG grundsätzlich nicht mehr ein, wenn eine Erbauseinandersetzung über Nachlaßgrundstücke durch Umwandlung des Gesamthandeigentums in Alleineigentum vollzogen ist. Das gilt - unbeschadet des Umstandes, daß bei nicht vollständiger Teilung des Nachlasses in einem Zug auch einzelne Maßnahmen zur Teilung des Nachlasses begünstigt sind (BFH-Urteil vom 27. Juni 1967 II 50/64, BFHE 89, 573, 576) - auch dann, wenn die Miterben eine erste Regelung unter völliger Nachlaßteilung nur als eine vorläufige Maßnahme angesehen, von Anfang aber die Absicht hatten, durch spätere Vereinbarung die Eigentumsverhältnisse abweichend zu gestalten. Überträgt also ein Miterbe ein Nachlaßgrundstück, dessen Eigentümer er im Rahmen der Erbauseinandersetzung geworden ist, nach Beendigung der Erbauseinandersetzung auf einen anderen früheren Miterben, so ist dieser neue Erwerbsvorgang grundsätzlich nicht mehr nach § 3 Nr. 3 GrEStG befreit (BFH-Urteil vom 28. April 1954 II 186/53 U, BFHE 58, 694, BStBl III 1954, 176). Nur die Erbauseinandersetzung selbst, nicht aber ein dieser Auseinandersetzung nachfolgender Erwerbsvorgang ist begünstigt. Andererseits soll, wie auch im Urteil II 186/53 U (BFHE 58, 696) erwähnt, § 3 Nr. 3 GrEStG die Aufhebung einer - ohnehin nicht auf Dauer bestimmten - Zufallsgemeinschaft erleichtern, und zwar gerade in den Fällen, in denen Nachlaßgrundstücke abweichend vom Verhältnis der Erbanteile geteilt werden (vgl. Boruttau/Klein, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl. § 3 Tz. 54). Deshalb ist sogar der Erwerb des ganzen Grundstücks (oder auch aller Grundstücke) durch nur einen Miterben gegen Abfindung der anderen Miterben steuerfrei (Boruttau/Klein, a. a. O., § 3 Tz. 73).

Angesichts dieses Befreiungszwecks erscheint es weder zwingend noch geboten, bei der rechtlichen - also in vollem Umfange der Nachprüfung des Revisionsgerichts unterworfenen - Würdigung des objektiven Gehaltes des Vertrags vom Dezember 1961 nur die in dessen Abschn. I beurkundete Übertragung der Erbanteile als "Kernstück" - so das FG - zu betrachten. Aus der Sicht der Klägerin und ihrer Mutter müssen die Abschn. II und III als ebenso gleichwesentliche, untrennbare Bestandteile des Gesamtvertrages gewertet werden, da in diesen Abschnitten die wegen der Erbanteilsübertragung ausbedungenen Gegenansprüche festgelegt sind. Der Hinweis des FG, bei der Grunderwerbsteuer als einer Rechtsverkehrsteuer sei der tatsächlich gewählte und nicht der mögliche Weg ausschlaggebend, ist - unbeschadet seiner grundsätzlichen Richtigkeit - in diesem Zusammenhang angesichts der Vertragsgestaltung im ganzen um so problematischer (vgl. auch BFH-Urteil vom 19. November 1968 II 112/65, BFHE 94, 156, 158, BStBl II 1969, 92), als die Klägerin durch ihren beurkundenden Notar - unwidersprochen - von Anfang vortragen ließ, mit diesem Vertrag sei der Sache nach die endgültige Erbauseinandersetzung gewollt gewesen. So ist auch der in die Vertragsurkunde selbst aufgenommene Antrag zu verstehen, den Vorgang von der Grunderwerbsteuer frei zu lassen, "da es sich um eine Auseinandersetzung unter Miterben handele".

Die Grunderwerbsteuer ist eine Rechtsverkehrsteuer, kann aber keine bloße Rechtsformsteuer sein (BFHE 94, 158). Das ist mit ein Grund dafür, weshalb der BFH in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, daß auch bei der im Vordergrund stehenden Maßgeblichkeit der zivilrechtlichen Vertragsgestaltung selbst getrennte und zeitlich aufeinanderfolgende Verträge grunderwerbsteuerrechtlich dann als einheitliches Vertragswerk anzusehen sind, wenn alle Beteiligten trotz mehrerer (in einer Urkunde oder in mehreren Urkunden enthaltenen) getrennter Verträge eine einheitliche Regelung beabsichtigten (vgl. § 154 BGB) und wenn zwischen den mehreren Verträgen ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht (BFH-Urteile vom 27. April 1966 II 5/62, BFHE 86, 406, 408; vom 28. November 1967 II 102/63, BFHE 90, 534, 536, BStBl II 1968, 186).

Im Falle II 186/53 U (BFHE 58, 694) waren die Miterben nach abgeschlossener Erbauseinandersetzung bereits als Bruchteilseigentümer im Grundbuch eingetragen. Erst rund 1 1/4 Jahr später hatte einer der drei früheren Miterben sein Bruchteilseigentum auf einen früheren Miterben durch neuen Vertrag nur zwischen dieser beiden Miterben übertragen. Abweichend davon liegt im Streitfall ein in einer Urkunde zwischen allen Miterben zugleich zustande gekommener Vertrag vor, der mit seinen verschiedenen Unterabschnitten zum selben Zeitpunkt, erst mit der letzten Unterschrift, der des beurkundenden Notars, rechtswirksam geworden ist. Die dingliche Wirkung des Übergangs der Nachlaßgrundstükke in das Alleineigentum der Schwester der Klägerin konnte sich nicht früher vollziehen als die Begründung des für die Grunderwerbsteuer maßgebenden schuldrechtlichen Anspruches der Klägerin auf die Übertragung von Teilen der Nachlaßgrundstücke. Die Klägerin hatte den Erwerb dieser Grundstücksteile ausdrücklich zur "Bedingung" der Übertragung ihres Erbanteils auf ihre Schwester gemacht. Bei dieser wechselseitigen Abhängigkeit der Leistungen beider Vertragsteile ist davon auszugehen, daß der eine Teil des Rechtsgeschäftes nicht ohne den anderen Teil vorgenommen worden wäre (vgl. § 139 BGB). Für die Einheitlichkeit des Vertrages spricht auch, daß die Beteiligten unter gewissen Voraussetzungen berechtigt waren, "vom Vertrage" (also doch vom ganzen Vertrag) zurückzutreten.

Bei Zusammenfassung aller dieser rechtlichen Gesichtspunkte gehörten im vorliegenden Falle die Grundstücke im Zeitpunkt der Begründung des Übereignungsanspruches der Kägerin noch zum Nachlaß; der Erwerb aller Erbanteile durch die Anteilserwerberin unter Auflösung der Erbengemeinschaft und der Anspruchserwerb durch die Klägerin fielen derart zusammen, daß auch der Erwerb der Klägerin als im Vollzuge der Teilung des Nachlasses liegend gemäß § 3 Nr. 3 GrEStG von der Besteuerung nach dem GrEStG auszunehmen war.

Demgemäß waren die Vorentscheidung und der Steuerbescheid aufzuheben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70359

BStBl II 1973, 363

BFHE 1973, 265

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