Leitsatz (amtlich)

Zur Abgrenzung von Betriebsausgaben und verdeckten Einlagen bei Nachzahlungen, die der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft für bezogene Waren vereinbarungsgemäß leistet, weil die Produktionspreise gestiegen sind.

 

Normenkette

EStG §§ 5, 4 Abs. 4

 

Tatbestand

Die Revisionsklägerin (OHG) betreibt die Fabrikation und den Großhandel in pharmazeutischen und kosmetischen Artikeln. Seit 1956 betrug ihre Beteiligung an der X-GmbH (GmbH) 76,9 v. H. des Stammkapitals. Der Gesellschafter der OHG war bis zu seinem Tode am 11. Dezember 1958 auch Geschäftsführer der GmbH.

Die GmbH stellte Seifen und kosmetische Artikel her. In den Jahren 1954 bis 1958 belieferte sie die OHG mit etwa 70 bis 75 v. H. ihrer Gesamtumsätze. Ihre restliche Produktion veräußerte sie anderweit. Mit Schreiben, die als Datum den 31. Dezember des jeweiligen Jahres auswiesen, forderte die GmbH von der OHG jeweils Nachzahlungen auf die während des Kalenderjahrs erbrachten Lieferungen an. Diese wurden mit Rohstoffpreiserhöhungen, Erhöhungen der Löhne und Gehälter und dem Ansteigen der allgemeinen Unkosten des Betriebs im jeweils abgelaufenen Geschäftsjahr begründet. Den für 1958 zusätzlich in Rechnung gestellten Betrag von 4 359,58 DM zahlte die OHG an die GmbH ebenso wie die für die früheren Jahre angeforderten Beträge.

Im Anschluß an eine Betriebsprüfung bei der OHG im Jahre 1960 führte der Revisionsbeklagte (das FA) die einheitliche Gewinnfeststellung für 1958 in der Weise durch, daß die Nachzahlung auf die Lieferungen der GmbH in Höhe von 4 359,58 DM nicht als Betriebsausgaben anerkannt, sondern als verdeckte Kapitalzuführung beurteilt und auf dem Beteiligungskonto bei der OHG aktiviert wurde. Das FG schloß sich dieser Auffassung im ersten Rechtszug an und wies auch den Hilfsantrag der OHG, ihre Beteiligung an der GmbH um den Betrag der Nachzahlung auf den niedrigeren Teilwert abzuschreiben, zurück.

Der VI. Senat des BFH hob die Entscheidung des FG mit seinem im ersten Rechtszug ergangenen Urteil VI 98/64 vom 21. Januar 1966 wegen mangelnder Sachaufklärung auf. Er war der Auffassung, das FG hätte den angebotenen Beweis, daß eine Vereinbarung über die Nachzahlung bestand, nicht als unerheblich ablehnen dürfen.

Im zweiten Rechtszuge vernahm das FG den Zeugen Sch., der Prokurist der GmbH war.

Das FG gelangte wiederum zu dem Ergebnis, daß die Nachzahlung von 4 359,58 DM keine Betriebsausgabe, sondern eine verdeckte Einlage sei. Auch eine Teilwertabschreibung auf die Beteiligung an der GmbH entsprechend dem Hilfsantrag sei nicht gerechtfertigt.

Das FG stellte aufgrund einer in einem anderen Punkte während des Klageverfahrens erzielten Einigung zwischen den Beteiligten den Gewinn der OHG und dessen Verteilung auf die Gesellschafter abweichend vom Gewinnfeststellungsbescheid und der Einspruchsentscheidung des FA fest, wies aber die Klage in dem dargestellten noch offenen Streitpunkt ab.

Mit der Revision rügt die OHG unrichtige Beweiswürdigung durch das FG. Sie beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und den Betrag von 4 359,58 DM als Betriebsausgabe anzuerkennen, hilfsweise, die Abschreibung ihrer Beteiligung an der GmbH auf den niedrigeren Teilwert zuzulassen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist begründet. Die Nachzahlung von 4 359,58 DM, die die OHG an die GmbH geleistet hat, stellt eine Betriebsausgabe dar (§ 4 Abs. 4, § 5 EStG).

Ausgangspunkt für die rechtliche Beurteilung des Falles ist das Urteil des VI. Senats des BFH VI 98/64 vom 21. Januar 1966, durch das die Sache an das FG zurückverwiesen wurde (§ 126 Abs. 5 FGO). In diesem Urteil ist ausgeführt, Zahlungen eines wesentlich beteiligten Gesellschafters an seine Gesellschaft seien nicht Betriebsausgaben, sondern Einlagen, wenn geschäftliche Beziehungen für die Leistungen keinen zureichenden Anlaß böten. Vereinbarungen zwischen dem Gesellschafter und seiner Gesellschaft müßten, um steuerlich anerkannt zu werden, eindeutig und klar gefaßt und durchgeführt sein. Andererseits könnten die Vereinbarungen auch stillschweigend getroffen werden, sie könnten sich aus einer Handhabung während längerer Zeit ergeben.

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Nachzahlung von 4 359,58 DM als Betriebsausgabe und nicht als verdeckte Einlage zu beurteilen. Die gegenteilige Entscheidung des FG beruht auf der Feststellung, nach der Aussage des Zeugen Sch. sei die Höhe der Nachzahlung einer in jeder Beziehung freien Vereinbarung der Vertragspartner überlassen worden, Gegenstand der Gespräche über die Nachzahlung sei daher das Aushandeln eines völlig neuen Preises gewesen. Diese Feststellung steht im Widerspruch zur Aussage des Zeugen Sch. Dieser hat erklärt, Nachzahlungen seien für den Fall vereinbart gewesen, daß eine Erhöhung der Produktionskosten, z. B. auf dem Gebiet der Löhne, der Sozialversicherungsbeiträge und der Rohstoffe, eingetreten sei. Diese Vereinbarung habe naturgemäß einen gewissen Spielraum zugelassen. Über die Höhe der Nachzahlung habe jeweils eine Einigung erzielt werden müssen. Dabei sei von den Kalkulationen der GmbH ausgegangen worden, bei denen die Kostenerhöhungen berücksichtigt gewesen seien.

Aus dieser Aussage, die das FG selbst für glaubwürdig erklärt hat, läßt sich unmöglich der Schluß ziehen, die Nachzahlung sei das Ergebnis einer "in jeder Beziehung freien Vereinbarung" gewesen, die Preise seien "in vollem Umfang" nachgeprüft und neu festgesetzt worden. Mit der Vereinbarung, daß eine Erhöhung der Produktionskosten zu einer Erhöhung der Preise führen sollte, war der Rahmen für den Umfang der Nachzahlung abgesteckt. Gewiß blieb für die Verhandlungen über die Nachzahlung ein gewisser Spielraum, da der betriebswirtschaftliche Begriff der "Produktionskosten" nicht in allen Einzelfragen eine eindeutige Entscheidung ermöglicht und da ferner in der Frage der Zuordnung der einzelnen Kosten zu den einzelnen Erzeugnissen betriebswirtschaftlich verschiedene Lösungen denkbar sind. Aber dieser Spielraum ist nicht so groß, daß Bedenken bestünden, die von Anfang an bestehende Vereinbarung zwischen der OHG und der GmbH über Nachzahlungen bei Kostenerhöhungen als "eindeutig und klar" zu bezeichnen und ihre Ursache in den geschäftlichen Beziehungen zwischen den beiden Unternehmen zu erblicken.

Die Vereinbarung wurde auch durchgeführt. Ausgangspunkt für die Verhandlung über die Nachzahlung war nach der Aussage des Zeugen Sch. die Kalkulation der GmbH. Damit haben sich die Vertragsteile an ihre Vereinbarung gehalten. Wenn der Zeuge Sch. weiter erklärt hat, er sei - zum Teil mit Erfolg - bemüht gewesen, im Interesse der GmbH etwas mehr als die konkreten Kostenerhöhungen herauszuschlagen, spricht dies nicht gegen die Durchführung der Vereinbarung, zumal es sich nach dem insoweit im einzelnen nicht bestrittenen Vorbringen der OHG um geringfügige Überschreitungen des "Kostenpreises" handelte. Die vom FG festgestellte Übung, auch die Unkostenerhöhungen bei Waren, die die OHG nicht vertrieb, auf die von der OHG bezogenen Waren umzulegen, wird von der OHG bestritten und vom FA nicht mehr behauptet. Die Feststellung des FG in diesem Punkt ist durch nichts belegt und daher für den Senat nicht verbindlich.

Wegen der fehlerhaften Beweiswürdigung ist das FG-Urteil aufzuheben (§§ 96, 118 FGO), Da das FG-Urteil nicht alles enthält, was zur einheitlichen Gewinnfeststellung unter Anerkennung des Betrags von 4 359,58 DM als Betriebsausgabe notwendig wäre, geht die Sache an das FG zurück, das diese einheitliche Gewinnfeststellung durchführen wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413087

BStBl II 1972, 339

BFHE 1972, 343

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