Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der grunderwerbsteuerlichen Behandlung des Erwerbs eines nach § 30 Abs. 2 in Verbindung mit § 8 WEG begründeten Wohnungserbbaurechts.

 

Normenkette

GrEStG §§ 2, 11; WEG §§ 8, 30/2

 

Tatbestand

Eine Wohnungsbauträger-GmbH (Firma) hatte das Erbbaurecht an einem Grundstück. Auf diesem Grundstück sollten laut einleitender Erklärung der Firma im Veräußerungsvertrag vom 25. September 1951 nach bereits vorliegenden Plänen ein Wohnhaus mit neun Wohnungen, zwei bis vier Garagen und zwei Motorboxen gebaut werden "zu dem Zwecke, die in sich abgeschlossenen Wohnungen untrennbar verbunden mit dem entsprechenden Anteil am Erbbaurecht zu veräußern". Die Firma erklärte in dem Veräußerungsvertrag einleitend weiter, daß demgemäß "durch Teilungserklärung gemäß §§ 30 Abs. 2, 8 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) das Erbbaurecht entsprechend der Anzahl der künftigen Eigentumswohnungen in 10 Anteile zerlegt" wird, "von denen neun mit dem Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung, der zehnte Anteil mit dem Sondereigentum an dem Garagen- und Boxenbau verbunden ist", und daß "für jeden so geschaffenen Erbbaurechtsanteil (Wohnungserbbaurecht) "die Anlegung eines besonderen Wohnungserbbaugrundbuchs vorgesehen" ist. Nach Abgabe dieser einleitenden Erklärungen veräußerte in dem Vertrage die Firma "als Erbbauberechtigter bzw. Wohnungserbbauberechtigter" zugleich mit einem entsprechenden Anteil am Erbbaurecht als Sondereigentum an einer der neun in sich abgeschlossenen Wohnungen an die Eheleute (Beschwerdegegner - Bg. -) je zur ideellen Hälfte. Die Firma verpflichtete sich unter Bezugnahme auf einen weiteren am gleichen Tage zwischen ihr und den Bgn. abgeschlossenen Vertrag, der als Treuhandvertrag bezeichnet ist, "als Treuhänder der Gesamtheit der Anteilseigner des Wohnungserbbaurechts die Vollfinanzierung des Bauvorhabens in steuerbegünstigter Form durch Beschaffung der erforderlichen Fremdgelder sicherzustellen, alle mit dem Bau zusammenhängenden Aufgaben sachgerecht zu erfüllen und für die Fertigstellung des Baues in der vorgesehenen Normalausstattung zu sorgen". Als "Gegenleistung" wurde die Zahlung der anteiligen Baukosten vereinbart, die vorerst mit 30.465,75 DM entsprechend dem Kostenanschlag angesetzt wurden, ferner die Erfüllung aller sich aus dem "Treuhandvertrag" ergebenden Verpflichtungen hinsichtlich der Tilgung der Darlehen für die Baugelder, der Zahlung von Zinsen, Verwaltungsgebühren, Betriebskosten, Rücklagen für Hausreparaturen usw. In dem Veräußerungsvertrag wurde ferner die Erklärung abgegeben, daß die Firma und die Bg. einig seien, daß der Anteil an Erbbaurecht, verbunden mit dem Sondereigentum an der näher bezeichneten Wohnung auf die Bg. übergehen solle, und zwar je zur ideellen Hälfte. In dem nicht ausgefüllten gedruckten Vordruck des Treuhandvertrags, der sich bei den Akten befindet, ist im § 8 gesagt:

"Der / Die WE ist / sind zusammen mit den anderen Anteilseignern des Wohnungseigentums / Wohnungs-Teilerbbaurechts verantwortliche (r) Bauherr (en) des im § 1 genannten Bauvorhabens.

Um die sachgerechte Durchführung aller mit dem Bau zusammenhängenden Aufgaben sowie die Vollfinanzierung sicherzustellen, bevollmächtigt (en) der / die WE und sein mitunterfertigter Ehepartner hiermit den Grundstückseigentümern / Erbbauberechtigten, treuhänderisch für ihn / sie alle Geschäfte und Aufgaben eines Bauherrn durchzuführen und ihn / sie gegenüber dem - Grundstückseigentümer -, den übrigen Anteilseignern, sowie gegenüber Dritten und Behörden zu vertreten und die Verwaltung (ß 20 ff. WEG) bis zur Tilgung des Fremdkapitals zu führen."

Streitig ist, ob Steuerberechnungsgrundlage die gesamte von der Bgn. für den Erwerb des Wohnungserbbaurechts aufzubringende Leistung ist, also auch der Teil der Leistung, der in den anteiligen Baukosten besteht, oder ob Steuerberechnungsgrundlage nur die Leistung ist, die auf den Erwerb des Anteils an dem Erbbaurecht entfällt. Das Finanzamt hatte die Steuer vorläufig unter Zugrundelegung der dem Kostenanschlag entsprechenden Baukosten festgesetzt, wobei es die Verträge dahingehend beurteilt, daß Bauherr nur die Firma gewesen sei und nach dem Willen der Vertragsbeteiligten erst nach Fertigstellung des Gebäudes Sonder- und Miteigentum auf die Erwerber übergehen sollten. Es verneinte damit zugleich die von den Bgn. beantragte Anwendung des § 4 a des in ... geltenden Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG).

Das Finanzgericht ist zur gegenteiligen Auffassung gekommen und hat der Berufung stattgegeben, indem es die Steuer unter Zugrundelegung des schätzungsweise auf den Erbbaurechtsanteil entfallenden Teiles der gesamten Leistung anderweitig festsetzte.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts hat keinen Erfolg.

Zunächst sind die Vorinstanzen mit Recht davon ausgegangen, daß das Wohnungseigentum und das Wohnungserbbaurecht im Sinne des § 1 und des § 30 WEG, Bundesgesetzblatt (BGBl.) I S. 175, Grundstücke im Sinne des § 2 GrEStG sind und daher Erwerbsvorgänge nach § 1 GrEStG, die sich auf ein Wohnungseigentum oder auf ein Wohnungserbbaurecht beziehen, grundsätzlich der Grunderwerbsteuer unterliegen. Dies ist von den Bgn. auch nicht bestritten. Dem Finanzamt ist ferner darin zu folgen, daß im Streitfall Gegenstand des Erwerbs nicht nur das Bruchteilseigentum am Erbbaurecht, sondern das Wohnungserbbaurecht ist, d. h. auch das Sondereigentum an einer Wohnung in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört, also in Verbindung mit dem Bruchteilseigentum am Erbbaurecht und den nicht im Sondereigentum stehenden Teilen Anlagen und Einrichtungsgegenständen des Gebäudes. Dies ergibt sich daraus, daß bei der Begründung des Wohnungseigentums durch Teilung nach § 8 WEG - ebenso wie bei der Begründung des Wohnungseigentums nach § 3 WEG - das Wohnungseigentum originär in der Person des Grundstückseigentümers (Erbbauberechtigten) entsteht, wobei gleichgültig ist, ob das Gebäude bereits errichtet ist oder, was als Besonderheit im WEG zugelassen ist, erst errichtet wird.

Daraus aber, daß rechtlich Gegenstand des Erwerbs durch die Bg. das in der Person der Firma entstandene Wohnungserbbaurecht ist, folgt nicht notwendigerweise, daß zur Steuerberechnungsgrundlage auch die anteiligen Kosten der Erstellung des Gebäudes gehören. Gegenleistung im Sinne des § 11 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG kann ungeachtet dessen, daß rechtlich das Wohnungserbbaurecht in der Person der Firma entsteht, sehr wohl nur der Teilbetrag sein, der sich auf den Erwerb des Bruchteils am Erbbaurecht bezieht. So z. B. ist Gegenleistung beim Kauf eines Grundstücks durch den Mieter dieses Grundstücks, der auf dem Grundstück für einen dauernden Zweck ein Lagerhaus auf seine Kosten errichtet hat, der für den Grund und Boden zu zahlende Erwerbspreis, obwohl der Erwerb bürgerlich-rechtlich auch das Lagerhaus umfaßt (vgl. Boruttau-Klein, GrEStG 4. Aufl. § 11 Bem. 8 Abs. 4 und 5 S. 293, 294). Das gleiche muß gelten für den Fall, daß - um bei diesem Beispielsfall zu bleiben - das Lagerhaus beim Abschluß des Kaufvertrages zwar noch nicht errichtet ist, seine Errichtung durch den Mieter (Käufer) aber bereits in Aussicht genommen ist und die Errichtung noch vor dem Eigentumsübergang durchgeführt wird. Entscheidend ist nur, daß der Erwerber das Lagerhaus für sich auf seine Kosten errichtet. Im Streitfall hängt also die Entscheidung davon ab, ob die künftigen Wohnungserbbauberechtigten das Gebäude auf ihre Kosten errichten, also die Bg. zu den Errichten des Gebäudes gehören, oder die Firma, wobei der Annahme der Errichtung des Gebäudes durch die künftigen Wohnungserbbauberechtigten nicht entgegenstehen würde, daß mit der Durchführung des Baues die Firma betraut worden ist. Es ist reine Tatfrage, welche der beiden Möglichkeiten zutrifft. Die Vorinstanz ist in dieser Beziehung zur Auffassung gekommen, daß das Gebäude nicht von der Firma errichtet wird, sondern von den künftigen Wohnungserbbauberechtigten. Bei der sich aus § 288 der Reichsabgabenordnung (AO) ergebenden Einschränkung der Rb. ist der Senat an diese Beurteilung durch die Vorinstanz gebunden, sofern die Vorinstanz innerhalb der ihr zustehenden freien Würdigung des Sachverhalts ohne Verfahrensmangel, ohne Rechtsirrtum und ohne Verstoß gegen die Denkgesetze und den klaren Inhalt der Akten zu dieser Auffassung kommen konnte (vgl. z. B. Urteil des Reichsfinanzhofs VI v A 27/24 vom 29. Oktober 1924, Slg. Bd. 14 S. 350). Dies ist zu bejahen. Maßgebend für die Beurteilung ist in erster Linie der Treuhandvertrag, der - wie die Bezugnahme auf ihn im Veräußerungsvertrag zeigt - zeitlich dem Veräußerungsvertrag vorhergeht. Im Treuhandvertrag ist im § 8 klar zum Ausdruck gebracht, daß die künftigen Wohnungserbbauberechtigten die verantwortlichen Bauherren sein sollen. Mit dieser Vereinbarung stehen die Worte im § 1 des Treuhandvertrags nicht in Widerspruch, wonach die Erbbauberechtigte (= die Firma) das Wohnhaus errichtet, da die Errichtung durch sie als Treuhänder im § 8 besonders vorgesehen ist. Schließlich ist nach den Verträgen die Finanzierung des Baues Sache der künftigen Wohnungserbbauberechtigten. Diese haben die tatsächlichen Baukosten, so wie sie sich genau errechnen, anteilig aufzubringen. Die Firma trägt nach den Verträgen kein Baukostenrisiko. Richtig ist, daß es den Erwerbern des Wohnungserbbaurechts in erster Linie wirtschaftlich darauf ankam, eine Wohnung ihr eigen zu nennen, und daß die übertragung nur des anteilmäßigen Erbbaurechts von untergeordneter Bedeutung für sie ist. Dies besagt aber nicht daß sie nicht Bauherren sein wollen. Auch aus dem dem Treuhandvertrag beigefügten Hinweis auf die Möglichkeit der Steuervergünstigung nach § 7 c des Einkommensteuergesetzes (EStG) läßt sich im Streitfall nicht zwingend schließen, daß die künftigen Wohnungserbbauberechtigten nicht die Bauherren sind. Das gleiche gilt für den vom Finanzamt geltend gemachten Umstand, daß einzelne Erwerber des Wohnungserbbaurechts diese Vergünstigung für sich in Anspruch genommen und auch erhalten hätten. Daß nach § 4 des Treuhandvertrags "die endgültige Verschaffung des Wohnungseigentums" von der Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen der Erwerber abhängt, ist eine selbstverständliche Sicherungsmaßnahme der Firma sowohl in ihrer Eigenschaft als Veräußerin des Erbbaurechts als auch als Treuhänderin, aus der nicht zwingend etwas gegen die Annahme der Bauherreneigenschaft der künftigen Wohnungserbbauberechtigten geschlossen werden kann.

Hiernach war, da auch im übrigen gegen die anderweitige Festsetzung der Steuer durch die Vorinstanz keine Bedenken bestehen, die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408091

BStBl III 1955, 53

BFHE 1955, 135

BFHE 60, 135

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