Leitsatz (amtlich)

Aufgabe des steuerbegünstigten Zweckes "wegen zwingender beruflicher Gründe" i. S. des § 7 Abs. 2 Nr. 1 des Schleswig-Holsteinischen GrESBWG i. d. F. vom 16. Septemper 1974.

 

Normenkette

GrESBWG § 7 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob im vorliegenden Fall der steuerbegünstigte Zweck "wegen zwingender beruflicher Gründe aufgegeben" wurde (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 des Schleswig-Holsteinischen Grunderwerbsteuerbefreiungsgesetzes - GrESBWG - i. d. F. vom 16. September 1974, Gesetz- und Verordnungsblatt 1974 S. 353 - GVBl 1974, 353 -).

I. Die Kläger sind Eheleute, Sie kauften durch notariell beurkundeten Vertrag vom 10. Februar 1972 (Vertrag I) eine Eigentumswohnung in N. Auf ihren Antrag erhob das beklagte Finanzamt keine Grunderwerbsteuer gemäß § 2 Nr. 2 des Schleswig-Holsteinischen Gesetzes über die Befreiung von Grunderwerbsteuer bei Maßnahmen des sozialen Wohnungsbaues und bei Maßnahmen aus dem Bereich des Bundesbaugesetzes - GrESWG - i. d. F. vom 28. Juni 1962 (GVBl 1962, 265).

Am 27. März 1974 verkauften die Kläger die Wohnung weiter (Vertrag II). Daraufhin erhob das Finanzamt mit zwei getrennten Bescheiden nachträglich die Grunderwerbsteuer gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 4 GrESBWG.

Als der Vertrag I abgeschlossen wurde, hatte der Kläger (Ehemann) seinen regulären Arbeitsplatz in S., war aber seit dem 1. Januar 1972 nach K abgeordnet. Diese Abordnung war zunächst bis zum 30. Juni 1972 befristet und wurde dann bis zum 6. Dezember 1972 verlängert. Anschließend wurde der Kläger nach K versetzt.

Die Einsprüche der Kläger gegen die Steuerbescheide blieben erfolglos. Ihre Klage wies das Finanzgericht ab.

 

Entscheidungsgründe

II. Die vom Finanzgericht zugelassene Revision der Kläger führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO -).

Die Nacherhebung der Steuer richtet sich nach den Vorschriften des obengenannten Grunderwerbsteuerbefreiungsgesetzes, dessen Fassung vom 16. September 1974 seit dem 1. Januar 1974 gilt (Art. 3 des Änderungsgesetzes - ÄndG - vom 16. September 1974, GVBl 1974, 352).

Mit dem Verkauf der Wohnung am 27. März 1974 brachten die Kläger zum Ausdruck, daß sie i. S. des § 7 Abs. 1 Nr. 4 GrESBWG den steuerbegünstigten Zweck innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb aufgegeben haben; denn dieser Zweck bestand in der Verwendung als "eigengenutzte Eigentumswohnung" (§ 2 Nr. 2 GrESBWG, § 12 Abs. 2 Satz 2 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes - II. WoBauG -).

Nach dem bisher festgestellten Sachverhalt steht jedoch nicht fest, ob der steuerbegünstigte Zweck i. S. des § 7 Abs. 2 Nr. 1 GrESBWG wegen zwingender beruflicher Gründe aufgegeben wurde, so daß eine Nachversteuerung gem. § 7 Abs. 1 Nr. 4 GrESBWG entfallen würde.

Als die Kläger die Wohnung durch den Vertrag I kauften, stand nicht mit Sicherheit fest, an welchem Ort der Kläger (Ehemann) auf die Dauer beruflich tätig sein würde. Nach K war er zunächst lediglich befristet abgeordnet; für eine künftige Tätigkeit in seinem bisherigen Beruf kamen nach dem Vortrag der Kläger voraussichtlich zwei Orte in Betracht. Diese Unsicherheit allein rechtfertigt es jedoch nicht, den Klägern die Vergünstigung des § 7 Abs. 2 Nr. 1 GrESBWG zu versagen.

Zwar wird - zumindest in der Regel - jemand dann nicht "wegen" zwingender beruflicher Gründe eine Wohnung aufgeben, wenn diese für ihn bereits beim Kauf im Hinblick auf die gegenwärtigen und künftig zu erwartenden beruflichen Verhältnisse ungeeignet war. Gleiches gilt auch dann, wenn die künftige berufliche Entwicklung des Käufers völlig ungewiß ist und dieser ohne Rücksicht darauf eine Wohnung erwirbt, die er voraussichtlich nicht bis zum Ende der Frist des § 7 Abs. 1 Nr. 4 GrESBWG wird bewohnen können. Das zwingt aber nicht zu dem Schluß, daß § 7 Abs. 2 Nr. 1 GrESBWG nur dann anwendbar sei, wenn - wie das Finanzgericht meint - die Wohnung mit Sicherheit den gegenwärtigen und künftigen beruflichen Voraussetzungen entspricht und dann deren "überraschende" Änderung eine Aufgabe der Wohnung erzwingt. Die Vorschrift soll die Mobilität von Arbeitskräften fördern; angesichts der modernen Verhältnisse mit ihren schnellen wirtschaftlichen Veränderungen können viele Berufstätige nicht mit Sicherheit ihren künftigen Arbeitsort voraussehen. Es ist kein Grund ersichtlich, diese Personen von vornherein von der Steuervergünstigung auszuschließen. Es genügt deshalb, wenn jemand bei ungewisser beruflicher Entwicklung eine Wohnung aussucht, von welcher aus die am ehesten in Betracht kommenden künftigen Arbeitsorte günstig zu erreichen sind; wird er dann wider Erwarten an einen anderen Ort versetzt, welcher zu der Wohnung ungünstig liegt, so gibt er diese "wegen zwingender beruflicher Gründe" auf, falls er sie mit Rücksicht auf diese örtlichen Verhältnisse verkauft.

Weiter ist zu berücksichtigen, daß es bei der Anwendung des § 7 Abs. 2 Nr. 1 GrESBWG nicht nur auf die örtlichen Verhältnisse ankommt, also auf den bei dem Wohnungskauf vorhersehbaren Arbeitsort. § 7 Abs. 2 Nr. 1 GrESBWG mag zwar in erster Linie durch den Gedanken an örtliche Veränderungen der Arbeitsstelle motiviert sein, wie sich aus Abschn. B zu Art. 1 Nr. 2 der Begründung zu dem betreffenden Gesetzentwurf ergibt (Drucksache 7/852 des Schleswig-Holsteinischen Landtages). Indessen ist die Vorschrift weder ihrem Sinn noch dem Wortlaut nach auf derartige Fälle beschränkt. Der Kreis der zwingenden "beruflichen" Gründe ist weiter gezogen und kann auch z. B. für Änderungen der Arbeitsbedingungen zutreffen. So kann eine außerhalb des Arbeitsortes, aber verkehrsmäßig günstig gelegene Wohnung dadurch ungeeignet werden, daß der betreffende Berufstätige in Zukunft Schichtarbeit leisten muß, außerhalb des üblichen Berufsverkehrs aber keine öffentlichen Verkehrsmittel zur Verfügung hat und die Benutzung eines privaten Fahrzeuges ihm nicht zuzumuten ist. Die Rechtslage ist hier anders als bei einer Zweitwohnung, welche trotz Änderung der Verhältnisse am Arbeitsplatz weiterhin benutzt werden kann (vgl. das Urteil vom 14. Juni 1978 II R 90/76, BFHE 125, 403, BStBl II 1978, 573).

Das Finanzgericht hat bisher - aus seiner Sicht zu Recht - keine Tatsachen festgestellt, welche die Prüfung des vorliegenden Falles unter den oben genannten rechtlichen Gesichtspunkten ermöglichen. Die Sache wird daher an dieses Gericht zurückverwiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73041

BStBl II 1979, 248

BFHE 1979, 63

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