Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Grundsätze der dynamischen Bilanz dürfen bei Beträgen, die sich auf das Ergebnis des Wirtschaftsjahres nur unwesentlich auswirken, im Interesse einer angemessenen Vereinfachung der Buchführung nicht überspannt werden.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, § 5

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige (Stpfl.) ist ein Rabattsparverein e. V. Gegenstand des Unternehmens ist die Organisation der Rabattgewährung der im Verein zusammengeschlossenen Einzelhändler. Die Stpfl. ist dem Rabattverband (Revisionsverband) angeschlossen. Der Betrieb ist 1950 eröffnet worden. Ihre Aufwendungen deckt die Stpfl. im wesentlichen aus dem sogenannten Markenschwund und aus dem Erlös der sogenannten Schlußmarken. Die von ihr hergestellten Rabattmarken werden den Mitgliedern (Einzelhändlern) zum Nennwert (Barwert) abgegeben. Den Einlösungswert der Rabattmarken, die in Rabattmarkenheften eingeklebt sind, erhalten die Einzelhändler später von der Stpfl. ersetzt. Die hauptsächlichsten Bilanzposten der Stpfl. bilden deshalb auf der Aktivseite die Geldbestände und auf der Passivseite die Verpflichtungen aus den ausgegebenen, aber noch nicht eingelösten Rabattmarken (Markenumlauf). Unter dem sogenannten Markenschwund versteht man die ausgegebenen, aber zur Einlösung nicht mehr zurückgekommenen Rabattmarken. Die Höhe des Markenschwundes kann die Stpfl. endgültig erst feststellen und abrechnen, wenn sie eine bestimmte Markenserie für ungültig erklärt und zur Einlösung aufgerufen hat (vgl. auch die Ausführungen in "Der Betriebs-Berater" 1960 S. 696). Erstmals hat die Stpfl. im Jahre 1955 Rabattmarken aus einer Markenserie, die seit 1950 in Umlauf gegeben war, abgerechnet. Dabei ergab sich endgültig ein Markenschwund von 1,99 %. Hiernach und nach den Erfahrungen des Rabattverbandes hat die Stpfl. ab 31. Dezember 1956 ihre Verpflichtungen aus den am Bilanzstichtag noch im Umlauf befindlichen Rabattmarken um 1,5 % des Barwertes der im abgelaufenen Jahr in Umlauf gegebenen Marken gekürzt. über den Ansatz und die Höhe des Markenschwundes besteht unter den Beteiligten kein Streit. Die Stpfl. hat danach die Markenumlaufschuld wie folgt bewertet:

--------------------------- 31. Dez. 1956 31. Dez. 1957 ------------------------------- DM ------------- DM In Umlauf gegebene Rabattmarken 1956 bzw. 1957 - - - - - - - - - - - 32 600,-- 41 700,-- Markenumlauf am Bilanzstichtag, Nennwert (Wert laut Handelsbilanz) 7 000,-- 9 400,-- - 1,5 % vom Markenumlauf 1956 500,-- DM - 1,5 % vom Markenumlauf 1957 600,-- DM 500,-- 1 100,-- Verpflichtungen aus Markenumlauf laut Steuerbilanz des Vereins - - - - - - - - 6 500,-- 8 300,--

Die Steuerpflichtige vergütet den angeschlossenen Einzelhändlern für ein vollgeklebtes Rabattmarkenheft im Barwert von 3,15 DM nur einen Erlösungswert von 3 DM. Die nicht zurückvergüteten Rabattmarken im Werte von 0,15 DM je Heft stellen die sogenannten Schlußmarken dar. Die Stpfl. hat den Gewinn aus diesen Schlußmarken erfolgswirksam erst in dem Zeitpunkt behandelt, in dem die Einzelhändler die Rabattmarkenhefte zur Einlösung vorgelegt haben. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, daß die Gewinnverwirklichung aus diesen Schlußmarken bereits im Zeitpunkt des Verkaufs der Rabattmarken durch die Stpfl. an die Einzelhändler erfolgt sei. Aus diesem Grunde hat das Finanzamt die Verpflichtungen aus dem Markenumlauf an den Bilanzstichtagen um 4,75 % des Nennwerts der Markenumlaufverbindlichkeit laut Handelsbilanz gekürzt. Denn es handle sich insoweit nicht mehr um Verpflichtungen der Stpfl., sondern um Verdienst (realisierten Gewinn).

Das Finanzgericht trat der Auffassung des Finanzamts bei. Es war der Ansicht, daß der Rückstellungsbetrag um die sogenannten Schlußmarken gekürzt werden müsse und berechnete die Markenumlaufschuld wie folgt:

Bilanz vom 31. Dezember 1956 mit 6 500,-- DM minus 300,-- DM - - - - - - - - - - - - = 6 200,-- DM

Bilanz vom 31. Dezember 1957 mit 8 300,-- DM minus 400,-- DM - - - - - - - - - - - - = 7 900,-- DM

Durch diese Maßnahme hat das Finanzgericht den Gewinn für das Jahr 1956 um 300,-- DM und für das Jahr 1957 um (400,-- DM minus 300,-- DM) = 100,-- DM erhöht.

Die Rb. des Vereins erstrebt die Anerkennung des Ansatzes der Markenumlaufschuld ohne den Abzug für die Schlußmarken. Sie ist der Ansicht, daß bereits die Grundsätze einer vereinfachten Buchführung hierfür sprächen und verweist hierzu auf die Ausführungen von Vogt in "Der Betriebs-Berater" 1959 S. 1221 und das Urteil des Bundesfinanzhofs I 290/56 U vom 13. Mai 1958 (BStBl 1958 III S. 331, Slg. Bd. 67 S. 154). Das Bilanzergebnis werde durch die Berechnung der Vorinstanz nur unwesentlich berührt. Es handle sich aber doch um eine verhältnismäßig komplizierte Berechnung, die im übrigen auch ungenau sei. Die Schlußmarken könnten erst bei Einlösung der Rabattbücher der Höhe nach zuverlässig festgestellt werden. Am Bilanzstichtag liege bei den Vereinsmitgliedern ein erheblicher Bestand von Rabattmarken. Dieser Bestand müsse im vollen Umfang bei der Einlösung rückvergütet werden, wenn ein Vereinsmitglied ausscheide. Des weiteren lösten die Mitgliedsfirmen beim Wegzug von Kunden auch nicht voll eingeklebte Rabattmarkenhefte ein. Bei dem Abgrenzungsposten "Schlußmarken" handle es sich um einen Schätzungsbetrag. Der Ausgleich erfolge binnen Jahresfrist, wenn man von seiner Berücksichtigung absehe. Im übrigen sei auch zu beachten, daß bis zum Jahre 1955 das Finanzamt die Bilanzierung des Vereins anerkannt habe. Das Problem habe auch keine große Tragweite. Von den 126 Mitgliedsvereinen des Rabattverbandes machten nur 8 Vereine von den sogenannten Schlußmarken Gebrauch.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vereins ist begründet.

Zur Behandlung der Rabattmarken hat der III. Senat des Bundesfinanzhofs für die Einheitsbewertung in dem Urteil III 317/59 S vom 4. Dezember 1959 (BStBl 1960 III S. 80, Slg. Bd. 70 S. 212) eingehend Stellung genommen. Die hier ausgesprochenen Rechtsgrundsätze sind erheblich durch die Sonderbestimmung des § 6 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) beeinflußt und können deshalb auf das Einkommensteuerrecht nicht ohne weiteres übernommen werden. Im einzelnen wird auf das Urteil verwiesen. Nach den Grundsätzen der dynamischen Bilanz, die die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im Rahmen der Bewertungsvorschriften des Einkommensteuergesetzes beachtet hat, können in Höhe der ausgegebenen und noch nicht eingelösten Marken, verkürzt um den Markenschwund (von den Schlußmarken zunächst abgesehen), Rückstellungen gebildet werden. Es kann zweifelhaft erscheinen, ob der mit dem Markenschwund verbundene Gewinn bereits bei der Ausgabe der Marken verwirklicht wird. Da aber nach den Erfahrungen des Lebens die Rabattmarken verhältnismäßig bald von den Kunden eingelöst werden, muß der Gewinn jedenfalls einige Monate nach Ausgabe der Marken als realisiert angesehen werden. Im Streitfall ist die Erstausgabe der Marken nicht im Jahre 1957 erfolgt. Es kommt deshalb hier der Frage keine Bedeutung zu.

Hinsichtlich der Schlußmarken wird grundsätzlich der Ansicht der Vorinstanzen beigepflichtet. Bereits der Reichsfinanzhof war in dem Urteil I A 252/32 vom 10. Oktober 1933 (RStBl 1933 S. 1288) der Anschauung, daß die Rückstellung um die Schlußmarken zu kürzen sei. Der Verein stützt seine Rb. hauptsächlich auf den Grundsatz der Vereinfachung der Buchführung. Die Anwendung dynamischer Bilanzgrundsätze auf die Streitfrage bedeute eine überforderung der Buchführung.

Der Rb. ist darin beizupflichten, daß der Bundesfinanzhof in einer Reihe von Urteilen dem Gedanken der angemessenen Vereinfachung bei der Frage der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung innerhalb bestimmter Grenzen wesentliche Bedeutung zugesprochen hat. Hierbei wurde diese Betrachtung auch teilweise mit dem handelsrechtlichen Grundsatz der vorsichtigen Bilanzierung verbunden. Es sei auf folgende Urteile und Gutachten des Bundesfinanzhofs verwiesen: IV D 1/53 S vom 25. März 1954, BStBl 1954 III S. 195, Slg. Bd. 58 S. 740 Bestandsaufnahme); I 56/57 U vom 21. Mai 1957, BStBl 1957 III S. 237, Slg. Bd. 65 S. 11 (ebenfalls Bestandsaufnahme); IV 432/56 U vom 19. Dezember 1957, BStBl 1958 III S. 162, Slg. Bd. 66 S. 414 (Provisionen im Zeitschriftenhandel); I 195/57 vom 13. Mai 1958, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz § 5 Rechtsspruch 168 (Lebensversicherungsprämien, die der Arbeitgeber für seine Arbeitnehmer zahlt); I D 1/58 S vom 26. Januar 1960, BStBl 1960 III S. 191, Slg. Bd. 70 S. 508 (Aktivierung von Abschlußkosten in der Lebensversicherung). Dem Gedanken der Vereinfachung wird man dann Rechnung tragen können, wenn es sich um geringe Beträge handelt, die sich in kurzer Zeit ausgleichen und deshalb das Wirtschaftsergebnis nicht wesentlich beeinflussen. Der Kaufmann pflegt geringe Erträge und Aufwendungen als laufende Geschäftsvorgänge anzusehen. Im Rahmen eines größeren Betriebes werden derartige Einnahmen und Ausgaben wirtschaftlich betrachtet auch diesen Charakter haben. Das Einkommensteuerrecht hat bereits nach seinen gesetzlichen Vorschriften den Grundsatz der einwandfreien Periodenabgrenzung nicht durchgeführt (Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 255/53 U vom 28. Januar 1954, BStBl 1954 III S. 109, Slg. Bd. 58 S. 516). Auch die Rechtsprechung geht teilweise von Grundsätzen aus, die auf dem Vereinfachungsgedanken beruhen. Dies gilt beispielsweise bei Reparaturaufwendungen, die sich nicht alljährlich wiederholen. Eine Dacherneuerung wird für das Wirtschaftsjahr, in dem sie erfolgt, als Aufwendung gebucht, obwohl sich ihr Nutzen auf eine Reihe von Jahren verteilt (Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 8/53 U vom 9. Juli 1953, BStBl 1953 III S. 245, Slg. Bd. 57 S. 639).

Im Streitfall hat der Verein unwidersprochen vorgetragen, daß das Finanzamt in früheren Jahren die Berücksichtigung der Schlußmarken nicht gefordert hat. Wie die Unterlagen ergeben, wirkt sie sich auf die einzelnen Jahre nur gering aus. Für das Jahr 1957 würde sich eine Erhöhung des Gewinns um 100,-- DM ergeben. Nach den besonderen Verhältnissen des Streitfalles hält der Senat den Einwand der Rb. der sich auf die angemessene Vereinfachung der Buchführung stützt, für begründet. Es erscheint nicht gerechtfertigt, die bisher anerkannte handelsrechtliche Behandlung nunmehr zu beanstanden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409865

BStBl III 1961, 48

BFHE 1961, 126

BFHE 72, 126

DB 1961, 222

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