Entscheidungsstichwort (Thema)

Erhaltungsaufwand bei Wohngebäuden

 

Leitsatz (NV)

1. Hat das FA in einem Veranlagungszeitraum Aufwendungen zu Unrecht als größeren Erhaltungsaufwand i. S. des § 82 b EStDV behandelt, so ergibt sich hieraus keine Bindung für die Folgejahre.

2. Mehrere gleichzeitig an einem Wohngebäude ausgeführte Baumaßnahmen, die teils Herstellungs-, teils Erhaltungsaufwendungen darstellen, sind nur dann insgesamt als Herstellungskosten zu beurteilen, wenn sie bautechnisch ineinandergreifen. Andernfalls sind die Aufwendungen ggfs. durch Schätzung aufzuteilen.

 

Normenkette

EStG § 11 Abs. 2; EStDV § 82b; HGB § 255 Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger), zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute, machten für das Jahr 1986 bei der Ermittlung ihrer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung Aufwendungen in Höhe von 68 000 DM als Werbungskosten geltend und beantragten, sie nach § 82 b der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) auf fünf Jahre zu verteilen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) berücksichtigte diese Aufwendungen antragsgemäß zu einem Fünftel. Der Einkommensteuerbescheid 1986 wurde bestandskräftig.

Für das Streitjahr (1987) beurteilte das FA die Aufwendungen als Herstellungskosten, versagte dementsprechend den Abzug nach § 82 b EStDV und berücksichtigte statt dessen für vier Fünftel der 1986 angefallenen Aufwendungen lediglich erhöhte Absetzungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) und Absetzungen für Abnutzung nach § 7 Abs. 4 EStG.

Das Finanzgericht (FG) wies die nach insoweit erfolglosem Einspruch erhobene Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte 1995, 426). Das FA habe in jedem Veran lagungszeitraum erneut zu prüfen, ob Erhaltungsaufwendungen oder Herstellungskosten vorlägen. Die Aufwendungen des Jahres 1986 stellten, wie unter den Beteiligten nicht strittig sei, Herstellungskosten dar.

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung des § 82 b EStDV i. V. m. § 11 Abs. 2 EStG. Die im Jahre 1986 angefallenen Aufwendungen seien Erhaltungsaufwendungen. Ihre Beurteilung als Herstellungskosten durch das FA sei zwischen den Beteiligten stets umstritten gewesen.

Die Kläger beantragen sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer 1987 unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten in Höhe von 13 600 DM bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Das FG hat zwar zutreffend entschieden, daß das FA an seine rechtliche Beurteilung der im Jahr 1986 angefallenen Aufwendungen für die Folgejahre nicht gebunden ist. Die Frage, ob Erhaltungsaufwendungen nach § 82 b EStDV vorliegen, ist für jeden Veranlagungszeitraum gesondert zu prüfen und rechtlich zu würdigen. Die vom FG festgestellten Tatsachen reichen jedoch nicht für eine revisionsrechtliche Prüfung der Frage aus, ob die strittigen Aufwendungen Herstellungskosten oder Erhaltungsaufwendungen sind.

1. § 82 b EStDV eröffnet als Ausnahme zu § 11 Abs. 2 EStG die Verteilung größerer Erhaltungsaufwendungen auf mehrere Veranlagungszeiträume. Ob überhaupt Erhaltungsaufwendungen vorliegen, ist für die Anwendung dieser Vorschrift eine Vorfrage, die, wie der Senat mit Urteil vom 27. Oktober 1992 IX R 66/91 (BFHE 170, 214, BStBl II 1993, 591) entschieden hat, für jeden Veranlagungszeitraum gesondert beantwortet werden muß. Etwas anderes ergibt sich auch dann nicht, wenn die Aufwendungen für das Jahr, in dem sie geleistet wurden, bestandskräftig als Erhaltungsaufwendungen berücksichtigt worden sind. Das hat lediglich zur Folge, daß die Steuerfestsetzung dieses Jahres grundsätzlich nicht mehr geändert und eine anteilige Berücksichtigung der Aufwendungen gemäß § 82 b EStDV für dieses Jahr nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Eine Bindung für die Folgejahre ergibt sich hieraus jedoch nicht (vgl. Senatsurteil in BFHE 170, 214, BStBl II 1993, 591).

2. Die Vorentscheidung ist rechtsfehlerhaft, weil das FG keine ausreichenden Feststellungen getroffen hat, die es dem Senat ermöglichen, die Beurteilung der Aufwendungen als Herstellungskosten zu überprüfen.

a) Das FG hat es zu Unrecht als unstrittig angesehen, daß die von den Klägern im Jahr 1986 geleisteten Aufwendungen als Herstellungskosten zu beurteilen seien. Wie aus der vom FG in Bezug genommenen Klageschrift hervorgeht, haben die Kläger lediglich gegen die Beurteilung der im Streitjahr 1987 entstandenen weiteren Aufwendungen als Herstellungskosten keine Einwendungen erhoben.

b) Aus der Einspruchsentscheidung ergibt sich zwar, daß die Kläger 1986 einen Anbau errichtet haben, durch den die Wohnfläche um etwa 13 qm vergrößert worden ist. Die Aufwendungen hierfür sind Herstellungskosten, weil es sich um eine Erweiterung i. S. von § 255 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuches handelt (vgl. Senatsurteile vom 9. Mai 1995 IX R 88/90, BFHE 178, 32, BStBl II 1996, 628; IX R 69/92, BFHE 178, 36, BStBl II 1996, 630). Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen aber nicht aus, um zu beurteilen, ob die Aufwendungen für die gleichzeitig vorgenommene Neugestaltung des Eingangsbereichs -- wie die Kläger im Anschluß an die Außenprüfung geltend gemacht haben -- möglicherweise mindestens teilweise als Erhaltungsaufwendungen zu berücksichtigen sind. Nach dem Senatsurteil vom 9. Mai 1995 IX R 116/92 (BFHE 177, 454, 460, BStBl II 1996, 632) sind Aufwendungen, die teils Herstellungs-, teils Erhaltungsaufwendungen darstellen, nur dann insgesamt als Herstellungskosten zu beurteilen, wenn sie in einem engen räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen. Ein solcher sachlicher Zusammenhang ist gegeben, wenn die Aufwendungen bautechnisch ineinandergreifen. Werden Arbeiten ohne diesen Zusammenhang lediglich gleichzeitig ausgeführt, so sind die Aufwendungen ggf. durch Schätzung aufzuteilen.

3. Das FG wird im zweiten Rechtsgang zu prüfen haben, ob im Streitfall nach den vorstehenden Maßstäben eine Aufteilung der strittigen Aufwendungen in Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen geboten ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421833

BFH/NV 1997, 390

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