Entscheidungsstichwort (Thema)

Mißbräuchliche Zwischenvermietung unter nahen Angehörigen

 

Leitsatz (NV)

1. Im Regelfall liegt keine nach § 42 AO 1977 zu beurteilende Zwischenvermietung vor, wenn Räume an einen Unternehmer zur Verwendung als Werkswohnungen vermietet werden.

2. Vermietet eine Grundstücksgemeinschaft, an der eine Mutter und ihr Sohn beteiligt sind, eine in einem der Gemeinschaft gehörenden Betriebsgebäude belegene Wohnung an die GmbH, die ihr Unternehmen in dem Gebäude betreibt und deren Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer der Sohn ist, und vermietet die GmbH die Wohnung am selben Tag an den Sohn und dessen Ehefrau zu Wohnzwecken, ist die Zwischenvermietung wegen Mißbrauchs von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten jedenfalls dann umsatzsteuerrechtlich unbeachtlich, wenn die Nutzung der Wohnung durch den Sohn und dessen Ehefrau nicht betrieblichen Erfordernissen der GmbH entspricht.

3. Die Mißbrauchsabsicht ist bei einer solchen Fallgestaltung zu vermuten.

 

Normenkette

UStG 1973/1980 § 2 Abs. 2 Nr. 2; UStG 1973/1980 § 4 Nr. 12 S. 1 Buchst. a; UStG 1973/1980 § 9; UStG 1973/1980 § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1; AO 1977 § 42

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist zu 90 v.H., ihr Sohn der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), zu 10 v.H. an der Grundstücksgemeinschaft . . . beteiligt. Das auf diesem Grundstück befindliche . . .gebäude war seit dem 1. Oktober 1968 an die Firma . . . A vermietet, ab 1. Juli 1977 an die neugegründete Frima A GmbH. An dieser GmbH war der Kläger bis 27. April 1979 zu 95 v.H. beteiligt. Seither ist er der einzige Gesellschafter. Darüber hinaus war er stets alleiniger Geschäftsführer. Mit Wirkung vom 1. Juli 1977 verpachtete der Kläger als Einzelunternehmer der Firma A deren bewegliches und unbewegliches Anlagevermögen an die GmbH, die sich zur Fortführung der Firma A im eigenen Namen und für eigene Rechnung verpflichtete.

Die Kläger erweiterten im Jahr 1979 das . . .gebäude u.a. um eine Wohnung, die sie mit Vertrag vom 2. November 1979 mit Wirkung ab 1. Januar 1980 für monatlich . . . DM zuzüglich Umsatzsteuer an die GmbH vermieteten. Die GmbH ihrerseits vermietete die Wohnung mit Vertrag gleichen Datums ebenfalls ab 1. Januar 1980 an den Kläger und dessen Ehefrau zu Wohnzwecken für eine Monatsmiete von . . . DM zuzüglich Heizungs-, Warmwasser- und Betriebskosten.

Die Kläger machten die in den Baukosten des Erweiterungsbaus enthaltenen Umsatzsteuerbeträge als Vorsteuerbeträge geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) versagte den Abzug, soweit die Vorsteuerbeträge auf die die Wohnung betreffenden Baukosten entfallen.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage auf Berücksichtigung der auf die Wohnung entfallenden Vorsteuerbeträge statt. Es führte im wesentlichen aus: Die Kläger hätten wirksam auf die Steuerbefreiung der gesamten Vermietungsumsätze verzichtet. Das FA sei zwar zutreffend davon ausgegangen, daß aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht die Grundstücksgemeinschaft das Grundstück an den Kläger als Einzelunternehmer und Organträger der GmbH vermietet habe. Dies führe aber nicht dazu, daß hinsichtlich der Wohnung kein einer Option zugänglicher Umsatz vorliege. Die Grundstücksgemeinschaft habe das Gebäude insgesamt zur unternehmerischen Nutzung vermietet, ohne daß hierbei eine Aufteilungsmöglichkeit bestehe. Die Voraussetzungen des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) seien nicht erfüllt. Es komme häufig vor, daß ein Fabrikationsgebäude zusammen mit einer darin befindlichen Wohnung vermietet werde.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 9 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1973 und 1980). Nach seiner Auffassung kann bei der Vermietung von Räumen an einen Unternehmer, der die Räume teils unternehmerisch, teils nichtunternehmerisch nutzt, nur insoweit auf die Steuerfreiheit der Vermietungsumsätze verzichtet werden, als sie den unternehmerisch genutzten Teil der Mieträume betreffen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung er Klage (§ 126 Abs. 3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Das FA hat die streitigen, auf die Wohnung entfallenden Vorsteuerbeträge zu Recht nicht zum Abzug zugelassen. Dies ergibt sich aus § 42 AO 1977. Auf die mit der Organschaft (§ 2 Abs. 2 Nr.2 UStG 1973/1980) verbundenen Fragen, insbesondere auf den Umstand, daß die Wohnung nicht nur an den Kläger, sondern auch an dessen Ehefrau vermietet wurde und insofern kein Umsatz zwischen Organgesellschaft und Organträger vorliegt, braucht danach nicht eingegangen zu werden.

a) Nach § 42 AO 1977 kann durch Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Liegt ein Mißbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats erfüllt die Einschaltung von Zwischenmietern, d.h. von Personen, die das Mietverhältnis eingehen, um die gemietete Wohnung an Dritte weiterzuvermieten, den Tatbestand des Rechtsmißbrauchs i.S. des § 42 AO 1977, wenn für die Einschaltung - abgesehen von dem Ziel der Vorsteuererstattung - wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen (vgl. z.B. Senatsurteile vom 22.Juni 1989 V R 34/87, BFHE 158, 152, BStBl II 1989, 1007; vom 14. Mai 1992 V R 12/88, BFHE 168, 468, BStBl II 1992, 931). Eine Zwischenvermietung, die nicht durch derartige Gründe gerechtfertigt ist, umgeht die gesetzliche Regelung, wonach die Vermietung von Wohnungen zu Wohnzwecken umsatzsteuerfrei ist (§ 4 Nr.12 Satz 1 Buchst. a UStG 1973/1980), ohne daß auf die Steuerfreiheit verzichtet werden könnte (§ 9 UStG 1973/1980), und die Steuerbefreiung den Vorsteuerabzug ausschließt (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 UStG 1973/1980). Ob die Voraussetzungen des § 42 AO 1977 erfüllt sind, ist nicht für das gesamte Gebäude einheitlich, sondern für die einzelnen Wohnungen gesondert zu prüfen (Senatsurteil vom 26. November 1987 V R 29/83, BFHE 152, 170, BStBl II 1988, 387).

Zwar liegt im Regelfall keine nach § 42 AO 1977 zu beurteilende Zwischenvermietung vor, wenn Räume an Unternehmer zur Verwendung als Werkswohnungen vermietet werden (Senatsurteil in BFHE 152, 170, BStBl II 1988, 387). Je nach den Umständen des Falles kann indes auch in solchen Fällen Mißbrauch gegeben sein (Senatsurteil vom 14. Mai 1992 V R 29/88).

c) Im Streitfall liegen keine beachtlichen Gründe für die Zwischenvermietung vor.

Daß sich die Wohnung in einem Betriebsgebäude befindet, reicht nicht aus, um die Zwischenvermietung zu rechtfertigen. Dies hat der Senat in dem die Lagerhalle einer Baustoffhandlung betreffenden Urteil vom 5. März 1992 V R 36/87 entschieden. Unerheblich ist, daß die Kläger es aufgrund der einheitlichen Vermietung des Gebäudes an die GmbH nur mit einem Mieter zu tun haben (Senatsurteil in BFHE 168, 468, BStBl II 1992, 931; Senatsbeschluß vom 23. Februar 1989 V B 60/88, BFHE 155, 503, BStBl II 1989, 396).

Dahingesellt bleiben kann, ob die vom Senat entwickelten Grundsätze zu Werkswohnungen auch für den Fall gelten, daß der Alleingeschäftsführer einer GmbH die fragliche Wohnung gemeinsam mit seiner Ehefrau zu Wohnzwecken nutzt. Im Streitfall besteht nämlich die Besonderheit, daß der Kläger als Wohnungsendmieter zugleich, wenn auch nur mit einem Anteil von 10 v.H., an der vermietenden Grundstücksgemeinschaft beteiligt und Sohn der anderen Gemeinschafterin ist und ferner zum Zeitpunkt der Vermietung Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer der zwischenmietenden GmbH war. Unter diesen Umständen hätten die Kläger die Wohnung - wirtschaftlich gesehen - ebensogut unmittelbar an den Kläger und seine Ehefrau zu Wohnzwecken vermieten können, ohne die GmbH zwischenzuschalten. Hinsichtlich der von der . . . (Betrieb) ausgehenden Beeinträchtigungen des Wohnwerts ist es gleichgültig, ob der Kläger und seine Frau die Wohnung unmittelbar von der Grundstücksgemeinschaft oder von der GmbH gemietet haben. Daß fremde Mieter möglicherweise für die Wohnung schwer zu finden wären, ist unerheblich, da es nur auf die tatsächliche Nutzung ankommt (Senatsurteil in BFHE 152, 170, BStBl II 1988, 387). Es ist nicht festgestellt und nach den Umständen nicht anzunehmen, daß die Nutzung der Wohnung durch den Kläger und seine Ehefrau betrieblichen Erfordernissen der GmbH entsprechen würde.

d) Es bedarf keiner Entscheidung der Frage, ob § 42 AO 1977 das Vorliegen einer Mißbrauchsabsicht voraussetzt (vgl. hierzu Senatsurteil vom 10. September 1992 V R 104/91, BFHE . . ., . . .). Auch auf der Grundlage der Auffassung, die diese Frage bejaht, ist die Klage abzuweisen, da die Mißbrauchsabsicht der Kläger zu vermuten ist. Grundlage für die tatsächliche Vermutung ist die objektive Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Klägern als Vermietern, der GmbH als Zwischenmieterin und dem Kläger und seiner Ehefrau als Endmieterin der Wohnung. Den Klägern waren die der Gestaltung zugrundeliegenden tatsächlichen Verhältnisse bekannt. Der Zwischenmietvertrag sowie der Mietvertrag zwischen der GmbH und dem Kläger und seiner Ehefrau wurden am gleichen Tag geschlossen. Dies zeigt mit besonderer Deutlichkeit, daß die beiden Mietverhältnisse von vornherein gewollt waren. Die vom FG getroffene Feststellung, wonach die Vermietung von Fabrikgebäuden zusammen mit einer darin befindlichen Wohnung häufig vorkommt, ist nicht geeignet, die tatsächliche Vermutung der Mißbrauchsabsicht zu widerlegen. Aus dieser Feststellung lassen sich nämlich für die vorliegende personelle Verflechtung von Vermietern, Zwischenmieter und Endmietern keine Schlußfolgerungen ziehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418785

BFH/NV 1993, 698

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