Leitsatz (amtlich)

Errichtet der Unternehmer auf fremdem Grundstück eine Autoreparaturwerkstätte und ist er vertraglich verpflichtet, das Werkstattgebäude nach Ablauf der zwanzigjährigen Mietzeit abzubrechen, so führt er mit der Inbetriebnahme des Werkstattgebäudes ein in seinem Eigentum (§ 95 BGB) stehendes körperliches Wirtschaftsgut der Verwendung als Anlagevermögen im Sinne des § 30 Abs. 2 UStG 1967 zu.

 

Normenkette

UStG 1967 § 30

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) mietete durch Vertrag vom 27. August 1970 von der Grundstückseigentümerin unter Bezugnahme auf Vereinbarungen vom 26. September 1968 und 29. Januar 1970 ein unbebautes Grundstück von ca. 2 100 qm. Das Mietverhältnis sollte bis zum 31. Dezember 1988 dauern. Die monatliche Miete betrug 400 DM. Nach der Vereinbarung vom 26. September 1968 war der Klägerin zunächst gestattet worden, auf dem Grundstück auf eigene Kosten und Gefahr eine Autoreparaturwerkstatt mit einer Halle (Grundfläche ca. 12,50 bis 15 m x 20 bis 25 m) zu errichten. Die Klägerin hatte die Bauunterlagen der Grundstückseigentümerin zur Einsicht und Genehmigung vorzulegen, bevor sie den Antrag auf Baugenehmigung stellte. Der Mietvertrag enthielt eine Reihe zusätzlicher Auflagen, die die äußere Gestaltung des Grundstücks betrafen und störende Einwirkungen auf Nachbargrundstücke verhindern sollten. So war das Grundstück nach Ablauf des Vertrags von der Klägerin in eingeebnetem Zustand an die Grundstückseigentümerin zu übergeben; alle Gebäude, Anlagen und Einrichtungen (auch unterirdische) sollte die Klägerin auf ihre Kosten beseitigen. Die Grundstückseigentümerin konnte aber auch verlangen, daß das Grundstück einschließlich aller Gebäude, Anlagen und Einrichtungen zu dann noch zu vereinbarenden Bedingungen an sie übergeben werde. Der der Klägerin gebührende Wertersatz sollte an den Baukosten nach Abzug von jährlich mindestens 5 v. H. Wertverschleiß bemessen werden (gerechnet ab 1. Januar 1969). Weiterhin war vereinbart, daß die Grundstückseigentümerin bei Verstoß der Klägerin gegen die Auflagen ein Recht zur vorzeitigen Kündigung des Vertrages und bei mehrmaliger nicht fristgerechter Mietzahlung ein sofortiges Kündigungsrecht hatte. Untervermietung war der Klägerin nicht gestattet.

Im Januar 1970 begann die Klägerin mit den Bauarbeiten für eine Halle, deren Abmessungen größer waren als ursprünglich vereinbart und deren Pläne der Grundstückseigentümerin noch nicht zur Genehmigung vorgelegt worden waren. Diese Planung der Klägerin setzte auch die Anmietung einer größeren Grundstücksfläche voraus als ursprünglich vereinbart war. Mit Schreiben vom 29. Januar 1970 stimmte die Grundstückseigentümerin der nun bereits verwirklichten Planung der Klägerin zu und stellte ihr die gewünschte Grundstücksfläche von 2 100 qm zur Verfügung. Die Herstellungskosten für das Werkstattgebäude betrugen 169 213 DM. In diesem nahm die Klägerin am 1. Juli 1970 ihre Tätigkeit als Autoreparaturwerkstatt auf. Mit Zustimmung der Grundstückseigentümerin verkaufte die Klägerin durch Vertrag vom 14. August 1974 ihr Reparaturunternehmen mit Werkstatthalle und allen Einrichtungen.

In der Umsatzsteuererklärung 1970 machte die Klägerin den Abzug der ihr für die Errichtung des Werkstattgebäudes in Rechnung gestellten Umsatzsteuer gemäß § 15 Abs. 1 UStG 1967 geltend. Im übrigen ist die Klägerin davon ausgegangen, daß das Gebäude in das Eigentum der Grundstückseigentümerin gefallen sei. Dementsprechend aktivierte sie das Nutzungsrecht am Grundstück in Höhe der angefallenen Herstellungskosten als immaterielles - nicht unter § 30 Abs. 2 UStG 1967 fallendes - Wirtschaftsgut, für das sie eine jährliche Abschreibung nach Maßgabe der vereinbarten Mietdauer errechnete.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) hat bei der Umsatzsteuerfestsetzung 1970 durch Bescheid vom 19. Juni 1972 den Abzug der der Klägerin in Rechnung gestellten Umsatzsteuer nach § 15 Abs. 1 UStG 1967 als rechtlich zutreffend erachtet, jedoch die von der Klägerin auf fremdem Grund und Boden errichtete Werkstatthalle als selbständiges körperliches Wirtschaftsgut beurteilt und die Klägerin deswegen mit den Herstellungskosten als Bemessungsgrundlage zur Selbstverbrauchsteuer herangezogen. Die entsprechende Umsatzsteuerfestsetzung führte zu einer Mehrsteuer von 10 152,72 DM. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos.

Die Klage, mit der die Klägerin gegen die Heranziehung zur Selbstverbrauchsteuer vorgeht, hat das FG abgewiesen. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 15. Mai 1953 IV 519/52 U, BFHE 57, 515, BStBl III 1953, 198; vom 30. Oktober 1964 IV 47/63 U, BFHE 81, 347, BStBl III 1965, 125) hat es zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, daß die Werkstatthalle nach den maßgeblichen einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen ein selbständiges körperliches Wirtschaftsgut sei, das im wirtschaftlichen Eigentum der Klägerin stehe. Diese Beurteilung ergebe sich auch aus § 94 BewG 1965.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der Revision. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts (§ 30 UStG 1967) und führt zur Begründung aus: Die Werkstatthalle sei wesentlicher Grundstücksbestandteil geworden und damit in das Eigentum der Grundstückseigentümerin übergegangen. Die Voraussetzungen des § 95 BGB lägen nicht vor. Wirtschaftliche Eigentümerin wäre sie (die Klägerin) nur, wenn der Herausgabeanspruch der Grundstückseigentümerin bei Beendigung des Mietvertrages keine wirtschaftliche Bedeutung habe. Dies sei nicht der Fall, da die Halle auch nach Ablauf des Nutzungsverhältnisses durch die Grundstückseigentümerin noch genutzt werden könne. Ihr stehe somit lediglich ein Recht zur Nutzung des Grundstücks zu. Aus Bilanzierungsvorschriften des Aktienrechts (§ 151 Abs. 1 AktG) könne im vorliegenden Fall eine Beurteilung der Halle als - ihr zuzuordnende - Sachanlage nicht gerechtfertigt werden.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und entsprechend ihrem Klagebegehren zu entscheiden.

Das FA tritt der Revision entgegen. Es schließt sich im Ergebnis der Vorentscheidung an. Nach seiner Auffassung ist die Klägerin gemäß § 95 BGB Eigentümerin des Werkstattgebäudes geworden. Dafür spreche, daß sie dieses Gebäude im eigenen Namen weiterveräußert habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Selbstverbrauch im Sinne von § 30 Abs. 2 UStG 1967 liegt vor, wenn - neben anderen, hier erfüllten Voraussetzungen - ein selbständiges körperliches Wirtschaftsgut der Verwendung oder Nutzung als Anlagevermögen zugeführt wird. Mit der Ingebrauchnahme der von ihr auf fremdem Grundstück errichteten Werkstatthalle hat die Klägerin ein von ihr geschaffenes selbständiges körperliches Wirtschaftsgut der Verwendung in ihrem Anlagevermögen zugeführt und damit die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt.

Die auf dem Mietgrundstück errichtete Werkstatthalle stand im Zeitpunkt der Zuführung im Eigentum der Klägerin.

Das FG ist rechtsirrig davon ausgegangen, daß das Werkstattgebäude im Zuge der Errichtung gemäß §§ 946, 94 BGB zu einem wesentlichen Bestandteil des Grundstücks geworden ist. In der höchstrichterlichen Zivilrechtsprechung ist seit langem anerkannt, daß bei Errichtung eines Gebäudes auf einem Mietgrundstück regelmäßig vermutet wird, daß der errichtende Mieter dabei nur in seinem Interesse und nicht zugleich in der Absicht handelt, daß das Gebäude nach Beendigung des Mietverhältnisses dem Grundstückseigentümer zufallen solle, und daß diese Vermutung selbst dann gilt, wenn ein massives Gebäude errichtet wird, das nur unter Zerstörung entfernt werden kann. Wenn diese Vermutung zugunsten des Mieters eingreift, ist das von ihm errichtete Gebäude nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grundstück verbunden (§ 95 Abs. 1 BGB) und verbleibt in seinem Eigentum. Eine hiervon abweichende Beurteilung greift nur ein, wenn der Mieter - dessen Wille maßgeblich ist (vgl. die Entscheidungen des OGH vom 30. September 1948 II CS 11/48, OGHZ 1, 168 [170], und des BGH vom 31. Oktober 1952 V ZR 36/51, BGHZ 8, 1 [5], und vom 3. Dezember 1954 V ZR 155/52, BB 1955, 335) - die unbedingte Absicht hat, das Gebäude nach Beendigung des Mietvertrages (gegen Vergütung) auf dem Grundstück zu belassen. Dieser Wille wäre mit dem äußeren Sachverhalt auch vereinbar (vgl. Erman, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 5. Aufl., § 95 Rdnr. 1 mit Nachweisen), wenn es zu einer entsprechenden Absprache gekommen ist.

So liegt der Fall hier aber nicht. Die Klägerin ist in erster Linie vertraglich verpflichtet, das Werkstattgebäude nach Beendigung des Mietvertrages abzureißen. Es ist vom FG in diesem Zusammenhang festgestellt, daß die Mietdauer zeitlich mit der bei der Errichtung des Gebäudes von der Klägerin angesetzten betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von 20 Jahren und der Vergütungsklausel bei Gebäudeüberlassung (jährlicher Wertverzehr von 5 v. H.) übereinstimmt. Hieraus läßt sich schließen, daß die Klägerin das Gebäude in ihrem Interesse erstellt hat (vgl. das BGH-Urteil vom 10. Juli 1953 V ZR 22/52, BGHZ 10, 171). Dem widerspricht die Übernahmeklausel nicht. Geht diese Klausel allein auf den Willen des Vermieters zurück, so ändert sich an der Beurteilung nichts. Sollte die Klausel, was in tatsächlicher Hinsicht nicht festgestellt ist, auch dem Willen der Klägerin entsprechen, so bliebe das Gebäude gleichfalls in ihrem Interesse errichtet. Maßgeblich hierfür ist einmal, daß die Klägerin bei Vertragsabschluß davon ausgeht, daß das Gebäude nach Ablauf des Mietvertrages für sie wirtschaftlich verbraucht ist. Zum anderen ist eine eventuelle Überlassung des Gebäudes bei Vertragsbeendigung nur als subsidiäre Regelung gedacht; nach den gesamten Umständen des Falles steht der Wille, im eigenen Interesse zu handeln, eindeutig im Vordergrund (vgl. auch die Urteile des BGH V ZR 36/51 und vom 29. Juni 1971 VI ZR 255/69, Wertpapier-Mitteilungen 1971 S. 1086). Die im Zeitpunkt der Errichtung des Werkstattgebäudes begründete Eigenschaft als Scheinbestandteil des Mietgrundstücks entfiele dann auch nicht mit der zu einem späteren Zeitpunkt getroffenen Entscheidung der Klägerin (bzw. ihrer Rechtsnachfolger), das Gebäude der Grundstückseigentümerin zufallen zu lassen. Zu einer Änderung der dinglichen Rechtslage bedarf es vielmehr noch der (hier fehlenden, im Zeitpunkt des Einbaus zu treffenden) Einigung zwischen Sacheigentümer und Grundstückseigentümer über den Übergang des Eigentums (vgl. das BGH-Urteil vom 21. Dezember 1956 V ZR 245/55, BGHZ 23, 57).

 

Fundstellen

Haufe-Index 72503

BStBl II 1977, 886

BFHE 1978, 218

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