Leitsatz (amtlich)

Für die Errichtung eines ausschließlich eigengewerblich genutzten Gebäudeteils kann eine Investitionszulage auch dann gewährt werden, wenn das Gebäude im übrigen fremdgewerblich und zu fremden Wohnzwecken genutzt wird. Unerheblich ist dabei, welchen Anteil der eigengewerblich genutzte Gebäudeteil am Gesamtgebäude ausmacht, und daß er in der Bilanz nicht getrennt von den übrigen Gebäudeteilen ausgewiesen ist.

 

Normenkette

InvZulG 1975 § 1

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt einen Einzelhandel. In den Jahren 1975/76 errichtete er ein Wohn- und Geschäftsgebäude, das auch vier Ferienwohnungen enthält. Er hat einen Gewerbebetrieb "Vermietung von Ferienwohnungen" angemeldet, dessen Gewinn er durch Vermögensvergleich ermittelt. Von der Gesamtfläche des insgesamt als Anlagevermögen aktivierten Gebäudes (430,67 qm) entfallen 187, 18 qm auf die vier Ferienwohnungen; der Rest ist an eine Bankfiliale und anderweitig zu Wohnzwecken vermietet.

Das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft hat für die Vermietung der Ferienwohnungen die Bescheinigung gemäß § 2 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) erteilt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) lehnte den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Investitionszulage gemäß § 1 InvZulG 1975 für das Gesamtobjekt mit der Begründung ab, das Gebäude werde nicht zu mindestens 90 v. H. zu eigengewerblichen Zwecken verwendet.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) bezieht sich die 90-v. H.-Grenze des § 1 Abs. 3 Nr. 2 InvZulG 1975 dem Wortlaut nach auf das jeweilige Wirtschaftsgut. Es reiche daher zwar für die Begünstigung aus, wenn ein im Betriebsvermögen geführter Gebäudeteil zu mindestens 90 v. H. eigenbetrieblichen Zwecken diene. Behandele der Gewerbetreibende jedoch das ganze (teils eigenbetrieblich, teils fremdbetrieblich, teils privat) genutzte Gebäude als Betriebsvermögen, so sei nicht mehr für einen zum Anlagevermögen gehörenden Gebäudeteil, sondern für das Gebäude im ganzen zu prüfen, ob das Bindungserfordernis erfüllt sei.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 1 InvZulG. Nach seiner Auffassung kann es keinen Unterschied machen, ob das Gebäude insgesamt bilanziert ist oder nur teilweise. Die Vorentscheidung führe zu einer ungerechtfertigten steuerlichen Behandlung. Ein Steuerpflichtiger, der nur einen Gebäudeteil bilanziert habe, werde günstiger behandelt als derjenige, der alle Teile in die Bilanz übernommen habe.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung insoweit aufzuheben, als für den eigengewerblich genutzten Teil des Gebäudes eine Investitionszulage nicht gewährt worden ist, und die beantragte Investitionszulage insoweit zu gewähren.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung insoweit, als das FG eine Investitionszulage für den vom Kläger eigengewerblich genutzten Gebäudeteil versagt hat.

1. Nach § 1 Abs. 1 des im Streitfall maßgeblichen InvZulG 1975 (BGBl I 1975, 528, BStBl I 1975, 205) wird Steuerpflichtigen i. S. des Einkommensteuergesetzes (EStG), die in einem förderungsbedürftigen Gebiet eine gewerbliche Betriebsstätte errichten, bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen für die im Zusammenhang mit der Errichtung der Betriebsstätte vorgenommenen Investitionen eine Investitionszulage gewährt. Investitionen in diesem Sinn sind u. a. die Herstellung von abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens und zum Anlagevermögen gehörenden Gebäudeteilen. Begünstigt ist damit das jeweilige Einzelwirtschaftsgut, nicht das Bauvorhaben in seiner Gesamtheit. Wie sich aus § 1 Abs. 3 Nr. 2 InvZulG 1975 ergibt, ist die Zulage aber nur zu gewähren, wenn das jeweilige unbewegliche Wirtschaftsgut bzw. der jeweilige Gebäudeteil für sich gesehen vom Steuerpflichtigen zu mindestens 90 v. H. zu eigenbetrieblichen Zwecken verwendet wird.

2. Bei der Umschreibung des Begriffs "Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens" hat der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung (vgl. insbesondere Urteil vom 20. Mai 1977 III R 135/74, BFHE 122, 382, BStBl II 1977, 734) grundsätzlich an die Auslegung des EStG angeknüpft.

Wie der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) in seinem Beschluß vom 26. November 1973 GrS 5/71 (BFHE 111, 242, 252, BStBl II 1974, 132, 136) ausgesprochen hat, sind bei einem Gebäude, das teils eigenbetrieblich, teils fremdbetrieblich, teils zu Wohnzwecken durch Vermietung oder Eigengebrauch genutzt wird, die einzelnen Gebäudeteile gesondert zu behandeln. Dient also beispielsweise ein zu einem Betriebsvermögen gehörendes Gebäude sowohl eigenbetrieblichen wie fremdbetrieblichen Zwecken und wird es zu fremden Wohnzwecken genutzt, so liegen drei unbewegliche Wirtschaftsgüter vor. Unerheblich ist dabei, daß der eigengewerblich genutzte Gebäudeteil in der Bilanz nicht getrennt von den übrigen Gebäudeteilen ausgewiesen ist. Die Eigenschaft einzelner Gebäudeteile als selbständige Wirtschaftsgüter i. S. des BFH-Beschlusses in BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132, wird dadurch nicht berührt. Soweit sich das FG zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung auf Herrmann/Heuer/Raupach (Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 1 InvZulG n. F. Rdnr. 28) beruft, übersieht es, daß die entsprechenden Ausführungen noch nicht die genannte Entscheidung des Großen Senats des BFH berücksichtigt haben. Für die Auffassung des FG spricht ferner auch nicht die 90-v. H.-Grenze in § 1 Abs. 3 Nr. 2 InvZulG 1975; denn diese ist durch die Rechtsprechung des Großen Senats des BFH gegenstandslos geworden (vgl. BT-Drucks. 8/1781, S. 4; Kreile, Deutsche Steuer-Zeitung/Ausgabe A 1978, 419; Söffing, Neue Wirtschafts-Briefe F 3, S. 4545).

Im Streitfall wird das Gebäude, soweit es an die Bank verpachtet ist, fremdbetrieblich genutzt; soweit es an einen Dritten als Wohnung vermietet ist, wird es zu fremden Wohnzwecken genutzt. Bezüglich der vier Ferienwohnungen wird das Gebäude als selbständiges Wirtschaftsgut in vollem Umfang eigenbetrieblich genutzt, so daß der Kläger für deren Errichtung Anspruch auf Investitionszulage gemäß § 1 InvZulG 1975 hat.

3. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Seine Entscheidung war daher im Umfang des Revisionsantrags aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat -- von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend -- keine Feststellungen darüber getroffen, welcher Teil der Herstellungskosten auf die zu eigenbetrieblichen Zwecken genutzten Ferienwohnungen entfällt. Das FG wird die noch erforderlichen Feststellungen im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74729

BStBl II 1983, 689

BFHE 1984, 116

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