Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Unter "beabsichtigten Investitionen" im Sinne der bisherigen Rechtsprechung des Senats ist eine Investitionstätigkeit zu verstehen, die am Stichtag die Bereitstellung oder Verausgabung entsprechender Mittel erfordert.

Zur Behandlung von Sonderabschreibungen bei der Ermittlung des vorhandenen Eigenkapitals.

 

Normenkette

KVStG § 3 Abs. 1-2; AO § 264 Abs. 1, § 244; FGO § 74; AO § 288; FGO § 115

 

Tatbestand

Streitig ist, ob ein Kredit, für den eine Personengesellschaft, an der die Gesellschafter der Bfin. beteiligt sind, Sicherheit geleistet hat, eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzt hat.

Die beiden Gesellschafter der Bfin. sind auch Gesellschafter einer Personengesellschaft, die eine Druckerei unterhält. Die Bfin. nahm durch Vertrag vom 13. September 1951 von einer Sparkasse einen für fünf Jahre tilgungsfreien Kredit von 100.000 DM gegen 7,25 v. H. Zinsen auf. Für dieses Darlehen wurde dadurch Sicherheit geleistet, daß der Sparkasse ein Grundschuldbrief übertragen wurde; dieser Grundschuldbrief war anläßlich der Belastung eines Grundstücks der Personengesellschaft ausgestellt worden. Das Darlehen wurde nach den Feststellungen des Finanzgerichts in voller Höhe dazu verwendet, eine weitere Kommanditbeteiligung der Bfin. an der Personengesellschaft zu erwerben.

Das Finanzamt ging davon aus, daß die Darlehnsgewährung eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzt habe, und forderte, da durch Doppelgesellschafter Sicherheit geleistet worden war, von der Bfin. Gesellschaftsteuer in Höhe von 3.000 DM (= 3 v. H. von 100.000 DM).

Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Das Finanzamt war der Meinung, daß eine Eigenkapitalzuführung erforderlich gewesen sei, da zum 31. Dezember 1951 eine erhebliche Unterdeckung des Anlagevermögens durch Eigenkapital bestanden habe und die Kredite langfristig gewährt worden seien. Das Finanzgericht lehnte die Auffassung der Bfin., das Darlehen sei von ihr als Beteiligung an die Personengesellschaft weitergegeben worden und daher als durchlaufender Posten zu behandeln, ab. Es stellte sich vielmehr auf den Standpunkt, daß die Bfin. durch den Erwerb einer weiteren Kommanditbeteiligung an der Personengesellschaft Anlagevermögen für ihr Unternehmen geschaffen habe, da diese Beteiligung dazu bestimmt gewesen sei, dem Betrieb der Bfin. dauernd zu dienen. Eigenkapital habe für diese Vermehrung des Anlagevermögens nicht zur Verfügung gestanden, so daß der Kredit eine gebotene Kapitalzuführung ersetzt habe. Ferner lehnte das Finanzgericht den Antrag der Bfin. auf Aussetzung der Entscheidung im Urteil ab.

Mit der Rb. rügt der Bfin. Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sie macht geltend, das Finanzgericht habe zu Unrecht über ihren Aussetzungsantrag erst im Urteil entschieden. In materiellrechtlicher Hinsicht trägt sie vor, daß sie zum Stichtag über genügend Eigenkapital verfügt habe, um damit sowohl das vorhandene Anlagevermögen als auch die beabsichtigten Investitionen zu decken.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet.

Soweit die Bfin. ihre Rb. darauf stützt, das Verfahren des Finanzgerichts leide an einem wesentlichen Verfahrensmangel, kann sie allerdings mit dieser Rüge keinen Erfolg haben. Die Entscheidung darüber, ob eine Berufung gemäß § 264 Abs. 1 AO auszusetzen ist, ist eine prozeßleitende Verfügung, gegen die ein Rechtsmittel nicht gegeben ist (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs VI 323/57 U vom 10. Januar 1958, BStBl 1958 III S. 89, Slg. Bd. 66 S. 233; III 135/58 U vom 3. April 1959, BStBl 1959 III S. 311, Slg. Bd. 69 S. 132; IV 301/61 vom 17. Mai 1962, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK - AO § 264 Rechtsspruch 3, und III 123/61 U vom 29. November 1962, BStBl 1963 III S. 157, 158, Slg. Bd. 76 S. 432; vgl. auch Urteil des erkennenden Senats II 194/60 vom 17. Januar 1962, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1963 Nr. 236 S. 241 am Ende) um die das Gericht nach seinem Ermessen treffen kann. Ein wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne des § 288 AO kann daher bei der Ablehnung eines Antrages auf Aussetzung der Entscheidung zwar vorliegen, wenn das Gericht durch seine Entscheidung das ihm eingeräumte Ermessen verletzt. Im Streitfall ist ein Ermessensverstoß des Finanzgerichts nicht festzustellen; das gilt sowohl, soweit die Bfin. ihren Antrag auf Aussetzung auf die damals noch ausstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu § 3 Abs. 1 KVStG stützte, als auch, soweit sie darum bat, das Ergebnis zweier beim Bundesfinanzhof schwebender gleichliegender Streitsachen abzuwarten. Insbesondere ist ihr bloßes Interesse an der Vermeidung von Kosten kein hinreichender Grund, einen Ermessensverstoß des Finanzgerichts anzunehmen.

Dagegen verhelfen die materiellrechtlichen Einwendungen der Bfin. der Rb. zum Erfolg.

Wie der Bundesfinanzhof in zwei ähnlich gelagerten Fällen, die eine Schwestergesellschaft der Bfin. betrafen (Urteil II 216, 217/59 vom 3. Mai 1963, HFR 1963 Nr. 382 S. 400), entschieden hat, ist die mit Hilfe des Kredits erworbene Beteiligung der Bfin. an einer Personengesellschaft als Investition in das Anlagevermögen anzusehen. Die Sicherheitsleistung für diese Darlehnsgewährung begründet damit nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Steuerpflicht, wenn das vorhandene Eigenkapital am Stichtag, also am 13. September 1951, nicht ausgereicht hat, das vorhandene Anlagevermögen und die an diesem Stichtag beabsichtigten Investitionen zu finanzieren. Aus dem Wesen der Gesellschaftsteuer als einer Stichtagssteuer folgt aber, daß im Sinne der bisherigen Rechtsprechung des Senats unter "beabsichtigten Investitionen", die eine die Gesellschaftsteuerpflicht auslösende Finanzierung erfordern, eine Investitionstätigkeit zu verstehen ist, die am Stichtag über die bloße (vor-) Planung hinaus ein Stadium erreicht hat, das die Bereitstellung oder Verausgabung entsprechender Mittel erfordert, z. B. der Abschluß von Kaufverträgen über Investitionsgüter, die übernahme der Verpflichtung, nach Kreditgewährung ein Investitionsgut zu erwerben (herzustellen), der formelle Gesellschafterbeschluß, Investitionsgüter anzuschaffen. Da die Vorentscheidung nur Feststellungen zum 31. Dezember 1951 getroffen und die Verhältnisse zum 13. September 1951 nicht näher untersucht hat, muß die Vorentscheidung wegen mangelnder Sachaufklärung aufgehoben werden.

Die Sache ist auf Grund der dem Senat nunmehr zustehenden freien Beurteilung (§ 296 Abs. 3 AO) spruchreif.

Nach dem ergänzenden Sachvortrag der Bfin., dem der Bg. nicht widersprochen hat, betrugen ihr Aktivvermögen am 1. April 1951 1.142.930,14 DM und ihre echten Verbindlichkeiten 874.069,94 DM. Die Bfin. verfügte somit am 1. April 1951 über ein Eigenkapital von 168.860,20 DM. Dagegen können dem so errechneten Eigenkapital keine Beträge mehr zugerechnet werden, die den Sonderabschreibungen früherer Jahre entsprechen. Soweit in dem Urteil des Bundesfinanzhofs II 156/57 U vom 1. August 1962 (BStBl 1962 III S. 472, Slg. Bd. 75 S. 560) eine andere Ansicht vertreten wurde, wird sie nicht aufrechterhalten. Wird nämlich das Eigenkapital durch Abzug der echten Schulden vom Aktivvermögen aus der Vermögensaufstellung ermittelt, ist kein Raum für den Ansatz von Sonderabschreibungen, da Sonderabschreibungen in einer Vermögensaufstellung nicht auftreten können. Wird das Eigenkapital dagegen aus der Erfolgsbilanz berechnet, ist die Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung von Sonderabschreibungen ohne Einfluß auf die allein maßgebende Höhe der Unter- oder überdeckung, wenn, wie im Streitfall, volle Deckung des Anlagevermögens und der am Stichtag beschlossenen Investitionen gefordert werden muß. Sofern die Erfolgsbilanz unverändert der Berechnung des Eigenkapitals zugrunde gelegt wird, erscheinen Anlagevermögen und Eigenkapital mit einem um die Sonderabschreibungen ermäßigten Betrag; wird die Erfolgsbilanz dagegen der Eigenkapitalberechnung erst zugrunde gelegt, nachdem die Auswirkungen der Sonderabschreibungen beseitigt wurden, werden sowohl das Anlagevermögen als auch das Eigenkapital einen um den Betrag der Sonderabschreibungen erhöhten Stand ausweisen. Der Unterschiedsbetrag zwischen Anlagevermögen und Eigenkapital, auf den es in derartigen Fällen allein ankommt, bleibt dagegen in seiner Höhe unverändert. Mit anderen Worten kann die nach der unveränderten Erfolgsbilanz ermittelte etwaige Unterdeckung nicht dadurch beseitigt werden, daß sie nun auf Grund der "berichtigten" Bilanz ermittelt wird, weil dann nicht nur einseitig der Wert des Eigenkapitals, sondern zugleich der Wert des Anlagevermögens um den gleichen Betrag höher ausgewiesen wird. Anders würde es sich nur verhalten, wenn es nicht darauf ankäme, einen bestimmten Unterschiedsbetrag zwischen Anlagevermögen und Eigenkapital, sondern, wie z. B. in den Fällen der Darlehnsgewährung für den Wohnungs- und Schiffsbau, einen bestimmten Vomhundertsatz des Deckungsverhältnisses zu ermitteln. In einem solchen, hier nicht zu entscheidenden Fall könnten Sonderabschreibungen jedoch ebenfalls nicht berücksichtigt werden, da ein zutreffendes Ergebnis sich nur aus der Vermögensaufstellung gewinnen läßt und in der Vermögensaufstellung ein Posten "Sonderabschreibungen", wie bereits erwähnt, nicht erscheinen kann. Nach alledem betrug das Eigenkapital der Bfin. auch unter gesellschaftsteuerrechtlicher Beurteilung am 1. April 1951 268.860,20 DM. Diesem Eigenkapital stand am 1. April 1951 ein Anlagevermögen von 108.458 DM gegenüber. Das Anlagevermögen war somit an diesem Zeitpunkt voll durch Eigenkapital gedeckt. Darüber hinaus stand der Bfin. noch weiteres Eigenkapital von 160.402,20 DM zur Verfügung. Da sich aus den Akten nicht entnehmen läßt, daß bis zum 13. September 1951, dem hier maßgebenden Stichtag, wesentliche Veränderungen beim Anlagevermögen und beim Eigenkapital eingetreten sind, kann für die Beurteilung am Stichtag von diesen Werten ausgegangen werden. Die Bfin. war somit in der Lage, am Stichtag bereits beschlossene Investitionen bis zu einem Wert von 160.402,20 DM zu finanzieren, ohne daß ein solcher Vorgang Gesellschaftsteuerpflicht begründen würde. Da das Finanzgericht auch hinsichtlich der Investitionsvorhaben zum Stichtag keine Feststellungen getroffen hat und die Akten insoweit nicht eindeutig sind, läßt sich, trotz des insoweit unstreitigen Sachverhalts, nicht einmal mit Sicherheit feststellen, daß die Bfin. mit dem Darlehen vom 13. September 1951 ein Investitionsvorhaben finanziert hat, das soweit gediehen war, daß es die Bereitstellung oder die Verausgabung von Mitteln erforderlich machte. Sollte der Kredit zu anderen Zwecken verwendet worden sein, müßte die Steuerpflicht schon aus diesem Grunde verneint werden. Da die Bfin. aber nicht bestritten hat, die darlehnsweise empfangenen Mittel zur Finanzierung des Erwerbs einer Beteiligung in Höhe von 100.000 DM verwendet zu haben, bestehen keine durchgreifenden Bedenken, diesen Sachverhalt der Beurteilung zugrunde zu legen. Aber auch wenn dies zutrifft, würde ein solcher Rechtsvorgang eine Steuerpflicht nicht begründen können, da die Bfin. am Stichtag über ausreichende Eigenmittel sowohl zur Deckung des Anlagevermögens als auch zur Finanzierung eines Investitionsvorhabens von 100.000 DM verfügte.

Entgegen der Meinung der Vorinstanzen kann die erst am 15. Dezember 1951 beschlossene Erhöhung der Kommanditeinlage auf 2 Mio DM noch nicht in die Betrachtung einbezogen werden, da am Stichtag keine Veranlassung bestand, noch nicht beschlossene Investitionen zu finanzieren, und weder aus dem Vorbringen der Beteiligten noch aus dem sonstigen Akteninhalt hervorgeht, daß die Bfin. schon hochverzinsliche Bankkredite in Anspruch nahm, ehe sie einen Verwendungszweck für diese Gelder hatte. Eine Kreditaufnahme durch einen Kaufmann unter derartigen Umständen würde zudem der Lebenserfahrung widersprechen. Ist der Kredit aber nicht zur Finanzierung der erst drei Monate später beschlossenen wesentlichen Erhöhung der Einlage bei der Personengesellschaft aufgenommen worden, kann die Bfin. wegen dieser Darlehnsaufnahme nicht zur Gesellschaftsteuer herangezogen werden. Nach alledem waren die Vorentscheidungen und der Steuerbescheid aufzuheben und die Bfin. von der angeforderten Gesellschaftsteuer freizustellen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411307

BStBl III 1964, 509

BFHE 1965, 98

BFHE 80, 98

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