Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Gewerbesteuerpflicht der Bezirksstellenleiter des Nordwest-Lotto.

 

Normenkette

EStG § 15 Nr. 1, § 19/1; GewStG § 2 Abs. 1; GewStDV § 1 Abs. 1; EStG § 18 Abs. 1 Nr. 2; GewStDV § 13

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Bg. als Bezirksstellenleiter des Nordwest-Lotto der Gewerbesteuer unterliegt. Der Bg. hat durch einen mit dem Nordwest-Lotto abgeschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinne des § 675 BGB mit Wirkung ab 1. Oktober 1956 die Leitung einer Bezirksstelle übertragen erhalten. Im Eingang des Vertrages heißt es: "Er ist selbständiger Gewerbetreibender. Ein Angestelltenverhältnis wird durch den Abschluß dieses Vertrages nicht begründet". Die Vergütung des Bg. besteht in einem Hundertsatz der Spielumsätze des Bezirks. Hiervon hat er einen Teil für Zwecke der Werbung aufzuwenden (§§ 2 und 3 des Vertrages). Einen Vertragsbestandteil bildet die Allgemeine Geschäftsanweisung für Bezirksstellenleiter, und zwar nach dem unbestrittenen Vortrag des Bg. bereits von Anfang an in der zum 1. Januar 1957 schriftlich niedergelegten neuen Fassung.

Das Finanzamt hat den Bg. auf Grund einer Anweisung in einem Runderlaß des Landesfinanzministers als gewerbesteuerpflichtig behandelt und deshalb für die Zeit ab 1. Oktober 1956 für Zwecke der Gewerbesteuervorauszahlungen einen einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag festgesetzt. Auf die Beschwerde hat die Oberfinanzdirektion die Gewerbesteuerpflicht dem Grunde nach bejaht und lediglich den Steuermeßbetrag unter Berichtigung eines Rechenfehlers herabgesetzt. Mit der Berufung hat der Bg. seinen Antrag, ihn von der Gewerbesteuer freizustellen, wiederholt. Seine frühere Auffassung, seine Tätigkeit sei eine freiberufliche, hat er nicht mehr aufrechterhalten. Er hat nunmehr zur Begründung seines Antrages ausgeführt, wegen der engen Verbindung zu den Annahmestellen könne er gegebenenfalls als staatlicher Lotteriehaupteinnehmer angesehen werden und sei dann nach § 13 GewStDV 1955 in jedem Falle gewerbesteuerfrei. Darüber hinaus kennzeichne sich seine wirkliche Tätigkeit, entgegen der Bezeichnung in dem Anstellungsvertrag, als eine unselbständige innerbetriebliche Verwaltungstätigkeit. Neben der kontrollierenden Tätigkeit bereiteten die Bezirksstellen die den Landesgeschäftsstellen obliegende Auswertungsarbeit vor. Weiter hätten sie nach genauen Weisungen das Losmaterial zu verwalten und an die Annahmestellen zum Zwecke des Verkaufs an die Kunden zu verteilen. Ferner hätten sie die von den Annahmestellen vereinnahmten Kundengelder anzunehmen und das hereingenommene Losscheinmaterial mit dem eingebrachten Geld nach Prüfung an die Landesgeschäftsstellen abzuführen. Schließlich obliege ihnen die Auszahlung der Gewinne dritten und vierten Ranges für Rechnung des Unternehmens.

Das Finanzgericht hat der Berufung stattgegeben. Die Tätigkeit des Bg. sei zwar nicht, so hat es ausgeführt, zu den freien Berufen im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG zu rechnen, weil zu ihrer Ausübung in der Hauptsache kaufmännische Kenntnisse erforderlich seien und keine ähnlichkeit mit einem dort aufgeführten Beruf vorliege. Der Bg. übe auch nicht im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 2 EStG in Verbindung mit § 13 GewStDV die von der Gewerbesteuer befreite Tätigkeit eines Einnehmers einer staatlichen Lotterie aus, weil er nicht unmittelbar Lotterielose oder ähnliche Belege an das Publikum absetze und das dafür zu leistende Entgelt vereinnahme. Die Berufung sei jedoch begründet, soweit sie auf die Unselbständigkeit gegenüber dem Nordwest-Lotto gestützt sei. Maßgebend sei nicht die Bezeichnung in dem Vertrag, sondern die dem Bg. tatsächlich eingeräumte Stellung. Betrachte man das Gesamtbild aller Tätigkeitsmerkmale des Bg., so ergebe sich, daß er nicht nur allgemeinen Richtlinien und damit sachlichen Bindungen unterworfen sei, sondern an so genaue und bis ins einzelne gehende Anweisungen gebunden sei, daß dadurch ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis gegenüber seinem Auftraggeber hergestellt werde. Die Art der Wochenabrechnung, die überweisungen an die Landesgeschäftsstellen, die Weiterleitung der Gewinnlisten, die Rückgabe der Gewinnlisten mit der Gewinnabrechnung, die Buchführung und die Ausgestaltung der Werbung seien ihm genau vorgeschrieben. Es handle sich um eine echte Verwaltungsarbeit, die der Bg. für das Nordwest-Lotto ausübe, die also die Leitung des Unternehmens geschäftsführend selbst besorgen müßte, wenn sie nicht dafür neben den Landesgeschäftstellen Bezirksstellen eingesetzt hätte.

Der Bg. schulde bei der Vornahme der Verwaltungsarbeiten dem Nordwest-Lotto keinen Erfolg, sondern seine volle Arbeitskraft. Er könne keine Annahmestellen einrichten, er habe keinen Einfluß auf den Losvertrieb der Annahmestellen, keine eigenen Wetteinnahmen, keine Verantwortung für die Geschäftsführung der Annahmestellen. Er könne seine Einkünfte nicht im Sinne eines Erfolges steigern. Seine Provision stelle sich unter diesen Umständen nicht als eine Vertriebsgebühr dar, sondern als Vergütung für die Arbeitsleistung. Was insbesondere die Werbung betreffe, so ergebe sich aus der Allgemeinen Geschäftsanweisung nicht die Verpflichtung, auf eigene Kosten für eine zugkräftige Werbung zu sorgen. Werbemaßnahmen könnten zwar vom Nordwest-Lotto vorgeschrieben werden. Sie seien dann aus der Vergütung des Bg. mit einem bestimmten Hundertsatz der Spielumsätze zu bestreiten. Hieraus könne aber nicht geschlossen werden, diese Aufwendungen seien zur Erzielung von gewerblichen Gewinnen gemacht. Vielmehr bleibe zu beachten, daß die Werbung in der Hand der Lotteriedirektion und der Landesgeschäftsstellen liege. Wenn sie im Einzelfall von den Bezirksstellenleitern durchgeführt werde, so geschehe dies im Auftrag und nach den Richtlinien des Nordwest-Lottos. Auch hier gelte, daß die Werbung von der Direktion des Unternehmens geschäftsleitend besorgt werden müßte, wenn nicht ein Beauftragter eingesetzt wäre.

Das Gesamtbild werde auch nicht entscheidend durch die Merkmale verändert, die in der Beschwerdeentscheidung als für die Selbständigkeit sprechend gewertet würden. Zwar treffe es zu, daß der Bezirksstellenleiter über das für den Betrieb einer Bezirksstelle erforderliche Betriebskapital verfügen müsse und Hilfskräfte selbst zu wählen und einzustellen habe. Auch habe er die Kosten der Weiterleitung von Material und Belegen von und zu den Annahmestellen und Landesgeschäftsstellen zu tragen. Das Vorhandensein von Kapital und der sachliche Apparat an Betriebsanlagen und Einrichtungen stellten jedoch noch keinen Gewerbebetrieb dar. Vielmehr müßten diese einem Gewerbebetrieb, also der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit, dienen. Dies treffe hier nicht zu. Es handle sich vielmehr um Einrichtungen und Aufwendungen, die die Erfüllung der dem Bg. innerdienstlich obliegenden Maßnahmen, mithin den sachgerechten Einsatz seiner Arbeitskraft, ermöglichen sollten.

Entscheidend sei schließlich, daß der Bg. nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnehme. Die Bezirksstellen brächten im Gegensatz zu den Annahmestellen, mit denen sie in keinem Vertragsverhältnis stünden, keine eigenen Leistungen gegen Vergütung an den Markt. Sie würden dem Kundenkreis des Lottos nicht als Unternehmen, mit denen diese zu tun haben wollten, irgendwie erkennbar. Für die Kunden des Lottos kämen als gewerbliche Unternehmer allein die Annahmestellen in Betracht.

Mit der Rb. wendet sich die Oberfinanzdirektion gegen die Annahme des Finanzgerichts, daß der Bg. eine nichtselbständige Tätigkeit ausübe. Die unter Mitwirkung juristischer Fachleute zustande gekommene Vertragsfassung müsse mindestens als ein Beweisanzeichen gewertet werden. Der Geschäftsbesorgungsvertrag könne ein Dienst- oder ein Werkvertrag sein. Hier komme die erstere Vertragsart in Betracht; denn es sei zuzugeben, daß der Bg. keinen Erfolg, sondern seine Arbeitskraft schulde. Ein Dienstvertrag könne jedoch dem Verpflichteten sehr wohl rechtliche Selbständigkeit gewähren. Auch die Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse müsse zur Erkenntnis der Selbständigkeit des Bg. führen. Trotz der genauen Regelung des Verlaufes der Vorbereitung, Durchführung, Abwicklung und Kontrolle der Spiele bleibe dem Bezirksstellenleiter noch ein weites Feld, auf dem er seine Initiative und seine besonderen Fähigkeiten einsetzen und verwirklichen könne. So hänge die Art, wie er die ihm übertragenen organisatorischen Aufgaben löse, insbesondere wie er die ihm anheimgegebene Werbetätigkeit gestalte und die ihm auferlegte Kontrollpflicht erfülle, ganz von ihm ab. Die Werbemittel besorge er zum Teil aus eigener Initiative für eigene Rechnung. Auch könne er das Rechnungswesen der Bezirksstelle nach seinen eigenen Vorstellungen einrichten. Er sei auch nicht an die Einhaltung von Dienststunden gebunden. Bei Verhinderung könne er seinen Vertreter selbst aussuchen und bestellen. Hinsichtlich der Einrichtung von Annahmestellen habe er ein Vorschlagsrecht; es sei kaum denkbar, daß man seinem begründeten Vorschlag nicht folgen werde. Er habe ein bedeutendes Geschäftsrisiko zu tragen; insbesondere hafte er auch für seine Angestellten als seine Erfüllungsgehilfen. Schließlich liege in der Feststellung des Finanzgerichts, der Bg. beteilige sich nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, ein Verstoß gegen den klaren Akteninhalt. So trete der Bg. als Arbeitgeber auf. Er bediene sich beispielsweise an den jeweiligen Wochenenden regelmäßig einer Anzahl ungelernter Hilfskräfte. Er müsse diese auf dem Arbeitsmarkt werben, mit ihnen Arbeitsverträge schließen und dergleichen. Er müsse seine Geschäftsräume mieten oder selbst erstellen und sie einrichten. Auch durch seine Werbetätigkeit trete er nach außen hervor.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:

Zuzustimmen ist zunächst der Auffassung des Finanzgerichts, daß der Bg. weder einen freien Beruf nach § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG ausübt noch Einnehmer einer staatlichen Lotterie im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 2 EStG ist, so daß auf ihn auch nicht die Befreiungsvorschrift des § 13 GewStDV 1955 Anwendung findet. Für die Frage, ob der Bg. selbständig oder nicht selbständig ist, hat das Finanzgericht zutreffend auf das Gesamtbild der Tätigkeitsmerkmale des Bg. abgestellt. Wenn es hiernach zur Annahme der Nichtselbständigkeit des Bg. gekommen ist, so ist hierbei kein Rechtsirrtum zu erkennen. Jedenfalls konnte das Finanzgericht zu diesem Ergebnis gelangen, wobei es mit Recht auf zwei entscheidend für die Nichtselbständigkeit sprechende Umstände besonderes Gewicht gelegt hat, nämlich einmal darauf, daß der Bg., wie auch in der Rb. zugegeben wird, keinen Arbeitserfolg, sondern seine Arbeitskraft schuldet, ferner darauf, daß die Tätigkeit des Bg. ihrer Art nach eine Verwaltungsarbeit darstellt. Seine Stellung ist hiernach der eines Generalagenten einer Versicherungsgesellschaft vergleichbar, der, soweit er nicht selbst Versicherungen vermittelt oder abschließt, in der Rechtsprechung als nichtselbständig behandelt wird (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V A 114/33 vom 15. Dezember 1933, RStBl 1934, S. 1208, Slg. Bd. 35 S. 214).

Aber auch wenn man die Selbständigkeit des Bg. bejahen wollte, so ist jedenfalls der Auffassung des Finanzgerichts beizutreten, daß es an einem anderen Merkmal des Gewerbebetriebes, nämlich der Beteiligung des Bg. am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, fehlt (ß 1 Abs. 1 GewStDV 1955). Das Finanzgericht hat zutreffend die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darin gesehen, daß eigene Leistungen gegen Entgelt an den Markt gebracht werden (Vgl. Blümich-Boyens-Steinbring-Klein, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 6. Auflage, Anmerkung 37 zu § 2, und Lenski-Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, Anmerkung 25 zu § 2), und diese Voraussetzung bei den Lottobezirksstellen mit Recht nicht für gegeben erachtet. Die in der Rb. hervorgehobenen Umstände können nicht als eine Beteiligung des Bg. am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr gewertet werden; es muß sich vielmehr um eine Tätigkeit handeln, die unmittelbar einem Leistungsaustausch dient. Hiernach kann von dem in der Rb. gerügten Verstoß des Finanzgerichts gegen den klaren Akteninhalt keine Rede sein.

Da somit dem Ergebnis der Vorentscheidung zuzustimmen ist, war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409724

BStBl III 1960, 349

BFHE 1961, 270

BFHE 71, 270

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