Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Körperschaftsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Das Ermessen des Kaufmanns bei der Bewertung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens findet seine Grenzen in den objektiven Verhältnissen des Betriebes, die der Kaufmann auf Verlangen dem Finanzamt darzulegen hat.

Gewährt das Lieferwerk einem Zentralersatzteillager für den Verkauf von Ersatzteilen an nachgeordnete Händler und Werkstätten einen Bonus, den dieses zur Hälfte an den Abnehmer weitergeben muß, so liegt hierin ein Verkaufsrabatt, der beim Weiterverkauf entsteht und die Anschaffungskosten der Ersatzteile nicht mindert; ein Abschlag auf den Warenbestand ist nicht gerechtfertigt.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Ziff. 2, § 6/1/3; KStG § 6

 

Tatbestand

Die Bfin. handelt mit Kraftfahrzeugen und Ersatzteilen und unterhält eine Reparaturwerkstatt. Aus Anlaß einer Betriebsprüfung wurden unter anderem folgende Fragen streitig:

I. Die Bfin. ist Verpflichtet, ständig ein Lager von Original- Ersatzteilen der im Verkehr befindlichen Kraftfahrzeugtypen zu unterhalten. Aus dem Lager werden auch die nachgeordneten Händler und Werkstätten versorgt. Der Vorrat muß mindestens einem Dreimonatsbedarf des Vertragsgebiets entsprechen. Ab 1954 ging die Bfin. dazu über, die Vorräte allgemein pauschal mit 25 v. H. wertzuberichtigen. Zum 31. Dezember 1957 wurden in dieses Pauschale auch die Schonbezüge sowie das Sattlerei- und Lackmaterial einbezogen. Das Finanzamt hat diese Wertberichtigungen zwar nicht beanstandet, aber die Steuer für die Streitjahre jeweils vorläufig festgesetzt. Bei der Betriebsprüfung wurde festgestellt, daß zum 31. Dezember 1957 der Bestand an Ersatzteilen im Hauptlager zu

96,6 v. H. aus dem IV. Kalendervierteljahr und später, 1,8 v. H. aus dem III. Kalendervierteljahr und später, 0,4 v. H. aus dem II. Kalendervierteljahr und später, 0,2 v. H. aus dem I. Kalendervierteljahr und später und

1,0 v. H. aus den Vorjahren stamme und daß die Schrottabgänge der letzten fünf Jahre (1954 bis 1958) insgesamt nur 8 506 DM betragen haben. Demzufolge sah das Finanzamt für die Ersatzteile eine Wertberichtigung von 10 v. H. und für eine weniger gängige Wagentype eine solche von 15 v. H. als angemessen an. Die Wertberichtigung für die übrigen Vorräte ließ es unverändert.

Die Bfin. trägt vor, die Höhe der vom Finanzamt angesetzten Wertberichtigungen sei sachlich nicht gerechtfertigt, weil bei anderen Kraftfahrzeughändlern von den verschiedensten Finanzämtern erheblich höhere Wertberichtigungen zugelassen und auch bei Verkäufen die Werte der Ersatzteillager durchweg mit Abschlägen von mehr als 25 v. H. angesetzt worden seien.

Die Vorinstanz hat der Berufung der Bfin. nicht stattgegeben. Ladenhüter infolge modischer oder technischer Veralterung könnten sich kaum bilden, die Ersatzteile fänden regelmäßig für Wagentypen bestimmter Baujahre Verwendung und seien, solange sich der Typ im Verkehr befinde, einer Veralterung kaum unterworfen. Auch die Absatzfähigkeit älterer Ersatzteile werde nur selten beeinträchtigt, weil ältere Wagentypen erfahrungsgemäß erhöht instandsetzungsbedürftig seien. Das Lager sei so sortiert, daß der Großteil des Bestandes an den jeweiligen Bilanzstichtagen stets nur wenige Monate alt sei und mit einem baldigen Absatz gerechnet werden könne. Hinzu komme, daß der Handel mit Neu- und Gebrauchtwagen ständig ansteige und auch künftig mit einem weiteren Anwachsen zu rechnen sei.

Hierdurch werde die Gängigkeit der meisten Ersatzteile günstig beeinflußt. Daraus folge, daß der Wert von Ersatzteilen regelmäßig nicht von den Schwankungen und Minderungen beeinträchtigt werde wie dies bei anderen Handelswaren der Fall sei. Als wertmindernde Umstände blieben im wesentlichen die verminderte Brauchbarkeit durch Lagerung und etwaige Absatzerschwernisse wegen Einführung von Ersatzteilen, die für neue Fahrzeugmodelle und die älteren Wagentypen gleichzeitig verwendbar seien. Der geringe Schrottabgang beweise aber, daß auch diese Umstände den Wert der Ersatzteile nicht erheblich beeinflußten. Unter Berücksichtigung der im Betrieb gegebenen besonderen Umstände genügten die vom Finanzamt auf Grund der Betriebsprüfung zugestandenen Wertberichtigungen.

Mit der Rb. wird vorgetragen, das Finanzgericht gehe bei seiner Entscheidung von falschen theoretischen überlegungen aus. Die Feststellung, es könnten sich kaum Ladenhüter bilden, entbehre der Ernsthaftigkeit. Kein Fahrzeugtyp in der Bundesrepublik sei in den letzten zehn Jahren in so vielen Einzelheiten änderungen unterworfen gewesen, wie die hier in Rede stehenden Kraftfahrzeugtype. Die Höhe des Schrottabgangs sei überhaupt kein Kriterium für den Wert eines Warenlagers. Die Bfin. liege mit ihrer 25 - v. H. - Wertberichtigung im Rahmen der vom Lieferwerk als angemessen erachteten Wertberichtigung. Das Finanzgericht habe die Verkehrsauffassung des Kraftfahrzeughandels weder durch die angebotenen Zeugen berücksichtigt, noch die mehrfachen Erklärungen und Begründungen des Lieferwerks als wesentlich angesehen. Die Richtigkeit der Bewertung werde durch zahlreiche Beispiele aus der Praxis anläßlich von Betriebsveräußerungen bzw. Teilhaber- oder Erbauseinandersetzungen erhärtet. Aber auch die Finanzverwaltung akzeptiere bei anderen Händlern Wertberichtigungen in der von der Bfin. beanspruchten Höhe. Mit Littmann, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Anm. 85 zu § 6 EStG, sei davon auszugehen, daß die Schätzung des Kaufmanns der Besteuerung zugrunde zu legen sei, sofern sie sich im objektiven Schätzungsrahmen bewege. Der objektive Schätzungsrahmen werde von der Bfin. durch eine Anzahl praktischer Fälle nachgewiesen und von der Finanzverwaltung durch eigene Einschätzungen hinreichend abgesteckt. Selbst dann, wenn die Schätzung des Kaufmanns von der des Finanzamts abweiche, ginge die des Kaufmanns vor, wenn beide Schätzungen im Rahmen der Sorgfalt blieben. Ein Wertberichtigungssatz von 10 v. H. liege außerhalb der kaufmännischen Sorgfaltspflicht. Der Satz von 25 v. H. sei unangreifbar. Die Bilanzierung sei nicht nur mit der Finanzverwaltung vereinbart gewesen, sie sei auch angemessen und richtig.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, weil das Finanzgericht entgegen den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs I 181/60 S vom 17. Oktober 1961 ( BStBl 1962 III S. 57, Slg. Bd. 74 S.151 ) ohne hinreichenden Grund den Antrag auf mündliche Verhandlung abgelehnt hat. Zu den Rechtsfragen wird - vorbehaltlich weiterer Ausführungen der Beteiligten nach der Zurückverweisung - nach dem bisherigen Akteninhalt Stellung genommen.

Die Vorentscheidungen gehen von der unbestrittenen Tatsache aus, daß von den Lagerbeständen am Stichtag etwa 97 v. H. im letzten Vierteljahr eingegangen oder nachbestellt worden sind. Das Lager bestand also, wie das Finanzamt mit Recht hervorhebt, zu 97 v. H. aus Ersatzteilen, die ständig gebraucht wurden, für die am Stichtag keine Absatzschwierigkeiten bestanden, die aller Voraussicht nach zum Listenpreis abgesetzt werden konnten und die nachweisbar zum Listenpreis abgesetzt worden sind.

Es ist richtig, daß die Rechtsprechung dem Kaufmann bei der Bewertung einen gewissen Spielraum einräumt. Er, der die Verhältnisse seines Betriebes am besten übersieht, ist in erster Linie berufen, die Teilwerte zu schätzen. Seine Schätzung ist auch für die Finanzbehörden maßgebend, solange sie vertretbar ist und in den objektiv nachprüfbaren Verhältnissen des Betriebs eine Grundlage hat. Das Ermessen findet seine Grenzen in den objektiven Verhältnissen des Betriebs, die der Kaufmann auf Verlangen des Finanzamts darzulegen hat. Entsteht Streit über die Höhe der Abschläge, die zum Ermittlung des Teilwerts von den Anschaffungskosten der Waren zu machen sind, so ist es Sache des Kaufmanns, in geeigneter Weise durch betriebliche Unterlagen, insbesondere durch Nachweise der tatsächlich erzielten Verkaufspreise in einer größeren Zahl von Fällen, die Angemessenheit seiner Abschläge zu belegen (vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 137/59 U vom 29. November 1960, BStBl 1961 III S. 154, Slg. Bd. 72 S. 416).

Die Bfin. hat gegen die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanzen keine Einwendungen erhoben. Sie stützt ihr Verlangen nach einem 25 v. H. pauschalen Wertabschlag auf die bei anderen Betrieben zugebilligten Sätze und auf die Auffassung der beteiligten Wirtschaftskreise. Darauf aber, daß andere Finanzämter oder Finanzgerichte Unternehmen der gleichen Branche höhere Abschläge zugestanden haben, kann sich die Bfin. nicht berufen, weil die Verhältnisse dieser Betriebe nicht bekannt sind, eine etwaige unrichtige Beurteilung durch andere Finanzämter oder Finanzgerichte aber auch keine Bindung für die Entscheidung der vorliegenden Sache herbeiführen könnte. Zu beurteilen ist ausschließlich das Unternehmen der Bfin. Für die Bfin. aber ist festgestellt, daß 97 v. H. des Ersatzteillagerbestandes ohne Preiseinbußen abgesetzt werden konnten. Nur davon ist bei der Bewertung auszugehen. Es bestehen an sich Bedenken, Pauschalabschläge für solche Waren zuzulassen, bei denen in keinem Falle mit Verlusten zu rechnen ist. Dieses Verfahren führt dazu, daß stille Reserven in einem den gesetzlichen Bestimmungen zuwiderlaufenden Umfange gelegt werden. Ist davon auszugehen, daß 97 v. H. der Ersatzteile ohne nennenswerte Verluste abgesetzt werden konnten, so ist der objektive Rahmen, innerhalb dessen die Abschläge bemessen werden können, hinreichend abgesteckt. Die vom Finanzgericht zugestandenen pauschalen Abschläge von 10 v. H. bzw. 15 v. H. für Ersatzteile bewegen sich in diesem Rahmen und liegen eher an der obersten denn an der untersten Grenze. Der von der Bfin. begehrte 25 v. H. Bewertungsabschlag überschreitet den zugebilligten Ermessensrahmen und steht mit den im Streitfalle objektiv gegebenen Tatsachen im Widerspruch.

II. Das Lieferwerk gewährt über die festgelegten Einkaufsrabatte hinaus für alle an die nachgeordneten Händler und Werkstätten verkauften Ersatzteile der Gruppe 1 a einen Treuebonus, der teils auch als Organisationsbeitrag bezeichnet wird. Er betrug von 1955 bis 1956 5 v. H. und von da an 10 v. H.; seit Gewährung der erhöhten Boni hat die Bfin. 5 v. H. an die nachgeordneten Abnehmer weiterzugeben.

Wegen dieser Regelung nahm die Bfin. auf die einzelnen Stichtage einen Abschlag vom Warenbestand vor. Sie ist der Auffassung, hinsichtlich der Pflicht zur Weitergabe der Boni läge ein nicht verwirklichter Verlust vor, den sie ausweisen dürfe, während sie die Ansprüche gegen das Lieferwerk als nicht realisierte Gewinne nicht auszuweisen brauche. Das Finanzamt dagegen hat die Waren ohne Berücksichtigung der Bonusansprüche mit den Anschaffungskosten bewertet.

Das Finanzgericht führte aus, der Anspruch der Bfin. gegen das Lieferwerk auf den Treuebonus vermindere nicht die Anschaffungskosten. Er sei kein durch oder beim Einkauf entstehender Preisnachlaß; er entstehe vielmehr erst beim Weiterverkauf. Beim Treuebonus handle es sich also um einen Verkaufsrabatt. Er berühre die Anschaffungskosten nicht. Auch von einem Ausweis noch nicht realisierter Verluste könne im Zusammenhang mit dem Treuebonus nicht gesprochen werden. Derartige Verluste seien bei schwebenden Geschäften denkbar. Es müsse sich dabei um ganz bestimmte Geschäfte handeln, die sich konkret auf den Verkauf der Waren mit Treuebonus beziehen. Solche, ein schwebendes Geschäft begründende Beziehungen, bestünden jedoch an den einzelnen Bilanzstichtagen nicht. Schwebende, also noch nicht realisierte Verluste, seien deshalb nicht denkbar.

Die Bfin. trägt vor, in dem Augenblick, in dem durch jahrelange übung mit absoluter Sicherheit die Erfüllung der Bedingung des Weiterverkaufs unmittelbar bevorstehe, handele es sich um nichts anderes als um einen zusätzlichen Einkaufsrabatt. Die Pflicht zur Absetzung ergebe sich aus dem Niederstwertprinzip. Der Ausweis der Gegenforderung an das Lieferwerk verbiete sich, weil nicht realisierte Gewinne nicht ausgewiesen werden dürften. Bei der Bedeutung, die das Finanzgericht dem Weiterverkauf beimesse, hätte es prüfen müssen, ob am 31. Dezember 1957 Händler- und Werkstättenbestellungen vorlagen. Im übrigen sei zu überlegen, ob die verbesserte Einsicht am Bilanzerstellungstag nicht für die übung der Bfin. spreche. Am Bilanzerstellungstag seien auf alle Fälle die Bedingungen eingetreten gewesen, die bereits schwelend am Bilanzstichtag vorlagen.

Den Ausführungen der Vorentscheidungen wird beigetreten. Die Bfin. kann auch mit ihrem erstmals in der Rb. gestellten Antrag, den Bonus wenigstens insoweit zu berücksichtigen, als am Stichtag Händler- und Werkstättenbestellungen vorlagen, nicht durchdringen. Hinsichtlich dieser Bestellungen liegen schwebende Geschäfte vor. Die Rechtsprechung hat es bisher nicht zugelassen, daß Verluste aus schwebenden Geschäften passiviert werden, wenn sonst bei einem einheitlich zu beurteilenden Vorgang ein wirtschaftlich falsches Ergebnis erzielt werden würde (vgl. Littmann, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 7. Aufl., Anm. 203 und 204 zu §§ 4,5 EStG; Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 318/42 vom 24. März 1943, RStBl 1943 S. 449; Entscheidungen des Bundesfinanzhofs I 79/53 U vom 21. Juli 1953, BStBl 1953 III S. 247, Slg. Bd. 57 S. 646; I 207/58 U vom 17. März 1959, BStBl 1959 III S. 320, Slg. Bd. 69 S. 153, und die dort zitierte Rechtsprechung). An den Grundsätzen der vorgenannten Entscheidungen hält der erkennende Senat fest. Schwebende Geschäfte sind bilanzmäßig entweder überhaupt nicht, oder voll zu erfassen. Das Begehren der Bfin. läuft aber auf die Auflösung schwebender Geschäfte in ihre einzelnen Bestandteile hinaus, was nicht gebilligt werden kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410830

BStBl III 1963, 503

BFHE 1964, 499

BFHE 77, 499

BB 1963, 1006

DB 1963, 1205

DStR 1962/63, 662

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