Leitsatz (amtlich)

Die Frage, ob das ZA eine nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AbsichG rechtmäßig gewährte Einfuhrvergütung für die wieder ausgeführte Ware zurückfordern darf, kann nur bejaht werden, wenn der Tatbestand einer Gesetzesvorschrift erfüllt ist, die eine solche Rechtsfolge vorsieht. Als eine derartige Vorschrift kommt nur § 4 Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 Nr. 2 StAnpG in Betracht.

 

Normenkette

AbsichG § 1 Abs. 1 S. 1; GG Art. 2 Abs. 2 S. 3, Art. 20 Abs. 3; StAnpG § 4; ZG § 40; AZO § 80; UStG 1967 § 21 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ließ im Juni 1969 in das Zollgebiet eingeführte Waren zum freien Verkehr abfertigen. Das Zollamt (ZA) erhob Zoll und Einfuhrumsatzsteuer und gewährte der Klägerin gem. § 1 Abs. 1 des Absicherungsgesetzes (AbsichG) vom 29. November 1968 (Bundesgesetzbl. I 1968 S. 1255 – BGBl I 1968, 1255 –, Bundeszollblatt 1958 S. 1259 – BZBl 1968, 1259 –) eine Einfuhrvergütung.

Im Oktober 1969 beantragte die Klägerin für einen Teil der Waren, den sie wegen eines Sachmangels beanstandet und an die Lieferfirma zurückgeschickt hatte, die Erstattung der Eingangsabgaben gem. § 40 des Zollgesetzes (ZG) und / 80 der Allgemeinen Zollordnung (AZO). Das ZA erstattete nur einen Zollbetrag, nicht aber auch Einfuhrumsatzsteuer, da die Klägerin zum Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes – Mehrwertsteuer – (UStG 1967) berechtigt war. Durch einen weiteren Bescheid vom 2. Juli 1970 forderte es den auf die wieder ausgeführte Ware entfallenden Teil der Einfuhrvergütung zurück. Die Klage, mit der geltend gemacht wurde, eine Rückzahlung der nach dem Absicherungsgesetz gezahlten Einfuhrvergütung sei gesetzlich nicht vorgesehen und deshalb nicht zulässig, hatte keinen Erfolg.

Mit der Revision trägt die Klägerin vor:

Der Gesetzgeber habe im Absicherungsgesetz die Rückforderung der gewährten Einfuhrvergütung bewußt und mit gutem Grund nicht gergelt. Bei Wiederausfuhren nach § 40 ZG, § 80 AZO habe er für vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmen in § 31 Abs. 2 Satz 2 UStG 1967 ausdrücklich die sinngemäße Anwendung der Zollvorschriften auf die Einfuhrumsatzsteuer ausgeschlossen. In diesen Fällen werde daher der bei der früheren Abfertigung zum freien Verkehr erhobene Zoll für die wieder ausgeführte Ware erstattet, die Einfuhrumsatzsteuer dagegen nicht. Deshalb hätten die Zollstellen zunächst auch keine Einfuhrvergütung zurückgefordert. Das habe der ursprünglichen Auffassung des Bundesministers der Finanzen (BdF) entsprochen, die dieser in einem Erlaß vom 17. Juli 1969 vertreten und durch einen weiteren Erlaß vom 25. September 1969 wieder aufgehoben habe. Das Finanzgericht (FG) habe seine Entscheidung lediglich auf § 40 ZG gestützt. Es sei bedenklich, die in dieser Vorschrift dem BdF erteilte Ermächtigung zur Gewährung von Zollvergünstigungen als Rechtsgrundlage für die Rückforderung einer zu Recht gewährten Einfuhrvergütung bei der Rücksendung einer Ware an den ausländischen Lieferer heranzuziehen.

Die Klägerin hat beantragt, das FG-Urteil und den Rückforderungsbescheid vom 2. Juli 1970 aufzuheben. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Hauptzollamt – HZA –) hat beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Der Gesetzgeber hat in § 1 Abs. 1 Satz 1 AbsichG bestimmt:

„Entsteht in der Zeit vom 20. November 1968 bis 31. März 1970 eine Einfuhrumsatzsteuerschuld, so wird dem Schuldner bei der Entrichtung der Steuer eine Vergütung gewährt.”

Als die Klägerin am 12. Juni 1969 die eingeführte Ware zum freien Verkehr abfertigen ließ, entstanden nach § 36 Abs. 3 Satz 2 ZG und § 21 Abs. 2 Satz 1 UStG 1967 eine Zoll- und eine Einfuhrumsatzsteuerschuld. In bezug auf die Entstehung dieser letzteren Steuerschuld war damit zugleich der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 AbsichG erfüllt, so daß der Klägerin bei der Entrichtung dieser Steuerschuld zu Recht eine Vergütung gewährt wurde.

Die der Klägerin für die Wiederausfuhr eines Teiles der Ware gewährte Erstattung des Zolls beruhte auf § 40 Nr. 1 ZG i. d. F. des Neunten Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes vom 13. Dezember 1967 (BGBl I 1967, 1205, BZBl 1967, 1342) und § 80 Abs. 1 Satz 1 AZO i. d. F. der Elften Verordnung zur Änderung der Allgemeinen Zollordnung vom 18. Dezember 1967 (BGBl I 1967, 1226, BZBl 1967, 1348).

Die grundsätzliche Regelung des § 21 Abs. 2 Satz 1 UStG 1967, daß für die Einfuhrumsatzsteuer die Vorschriften für Zölle sinngemäß gelten, wird durch § 21 Abs. 2 Satz 2 UStG 1967 in bezug auf § 40 ZG für den hier vorliegenden Fall, daß die Klägerin hinsichtlich der wieder ausgeführten Ware im vollen Umfang nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1967 zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, ausgeschlossen. Hieraus erklärt sich die Verweigerung einer Erstattung der Einfuhrumsatzsteuer.

Die auf den Zweck des Absicherungsgesetzes gestützte Auffassung des FG, für den wieder ausgeführten Teil der Ware seien durch entsprechende Anwendung des § 40 ZG und des § 80 AZO die Folgen der Einfuhr rückgängig zu machen und somit die der Klägerin gewährte Vergütung zurückzufordern, kann der Senat nicht teilen. Die Klägerin hat auf Grund der Erfüllung von Tatbestandsmerkmalen, die in einer Gesetzesvorschrift ausdrücklich festgelegt sind, einen Anspruch auf Vergütung erworben und somit die ihr gewährte Vergütung rechtmäßig erlangt. Die Rückforderung der Vergütung stellt daher einen Eingriff in die Rechte der Klägerin dar. Sie unterliegt, wie die Erhebung der Steuer, dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit, ist also nur zulässig, wenn das Gesetz sie an einen Tatbestand geknüpft hat und dieser erfüllt ist (vgl. Art. 2 Abs. 2 Satz 3, Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes – GG –; Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Dezember 1965 1 BvR 571/60, BVerfGE 19, 253 [267]; Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 6. Aufl., vor §§ 150159 AO, Rdnr. 15). Es ist daher nicht zulässig, einen solchen Eingriff mit dem Zweck des Absicherungsgesetzes und einer entsprechenden Anwendung von Vorschriften des Zollgesetzes und der Allgemeinen Zollordnung zu rechtfertigen, die über eine Rückforderung der Vergütung nichts aussagen.

Die Frage, ob das ZA von der Klägerin die ihr rechtmäßig gewährte Vergütung in bezug auf den wieder ausgeführten Teil der Ware zurückfordern darf, kann daher nur bejaht werden, wenn der Tatbestand einer Gesetzesvorschrift erfüllt ist, die eine solche Rechtsfolge vorsieht. Als eine derartige Vorschrift kommt nur § 4 Abs. 2 i. V. mit Abs. 3 Nr. 2 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) in Betracht. Nach § 4 Abs. 2 StAnpG führt der durch den Eintritt einer Bedingung verursachte Wegfall einer Steuervergünstigung dazu, daß bisher unterbliebene Steuerfestsetzungen nachzuholen sind. Nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 StAnpG „gilt Entsprechendes”, wenn ein Merkmal, dessen Vorliegen das Gesetz für eine Steuervergünstigung fordert, nachträglich mit Wirkung für die Vergangenheit weggefallen ist. Ein solches „Merkmal” ist nicht das abstrakte Tatbestandsmerkmal eines Steuergesetzes selbst, sondern das konkrete Sachverhaltsmerkmal im Sinne eines rein tatsächlichen Lebensvorganges (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 4. März 1964 II 162/62 U, BFHE 79, 210, BStBl III 1964, 308; Tipke-Kruse, a.a.O., § 4 StAnpG, Rdnr. 4; Spanner in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 4 StAnpG, Rdnr. 5).

Der tatsächliche Lebensvorgang, auf Grund dessen das ZA der Klägerin nach § 1 Abs. 1 AbsichG die Vergütung gewährt hatte, bestand darin, daß die Ware in das Zollgebiet mit der Bestimmung eingeführt wurde, in dessen Wirtschaft überzugehen, und daß sie deshalb zum freien Verkehr abgefertigt wurde. Für einen Teil der Ware ist infolge der Feststellung des Sachmangels jene ursprüngliche Bestimmung und somit ein konkretes Sachverhaltsmerkmal nachträglich mit Wirkung für die Vergangenheit weggefallen. Die Wirkung für die Vergangenheit ergibt sich daraus, daß die Ware tatsächlich und rechtlich so behandelt wurde, als ob sie nicht eingeführt und nicht zum freien Verkehr abgefertigt worden wäre. Es wurde also tatsächlich und rechtlich der Zustand wieder hergestellt, der vor der Entstehung der Einfuhrumsatzsteuerschuld bestanden hatte und daher eine Vergütung nach § 1 Abs. 1 AbsichG nicht auslösen konnte.

Der nachträgliche rückwirkende Wegfall der Bestimmung der Ware, in die Wirtschaft des Zollgebiets übergeführt und zum freien Verkehr abgefertigt zu werden, hat den sachlichen Grund dafür beseitigt, daß die Klägerin nach § 1 Abs. 1 AbsichG eine Einfuhrumsatzsteuervergütung erhalten hat. Die vom Gesetzgeber in § 4 Abs. 3 Nr. 2 StAnpG für einen solchen Fall angeordnete „entsprechende” Geltung des § 4 Abs. 2 StAnpG ist darin zu sehen, daß die Gewährung der Vergütung zurückzunehmen und die Festsetzung eines entsprechenden Steuerbetrages nachzuholen ist. Der mit der Klage angefochtene Bescheid vom 2. Juli 1970 war demnach rechtmäßig.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI514733

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