Leitsatz (amtlich)

Ein Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat eines Unternehmens kann Zuwendungen zugunsten der Belegschaft oder von Belegschaftsmitgliedern auch bei einer vor der Wahl eingegangenen rechtlichen Verpflichtung nicht als Betriebsausgaben bei der Ermittlung seiner Einkünfte aus der Aufsichtsratstätigkeit absetzen.

 

Normenkette

EStG 1965 § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 30.07.1970; Aktenzeichen 1 BvR 329/70)

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige und Revisionsbeklagte ist Angestellter. Als Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat einer AG waren ihm im Streitjahr 1965 Aufsichtsratsvergütungen in Höhe von 30 222,24 DM zugeflossen. Seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit betrugen 14 142 DM.

Streitig ist noch, ob der Steuerpflichtige Zuwendungen an die Belegschaft in Höhe von 5 805 DM als Betriebsausgaben bei seinen Einnahmen aus Aufsichtsratsvergütungen absetzen durfte. Das FA lehnte das ab und wies auch den Einspruch des Steuerpflichtigen im Streitpunkt ab.

Mit seiner Klage hatte der Steuerpflichtige Erfolg. Das FG führte im wesentlichen aus, die Entscheidungen des BFH IV 35/65 S vom 29. April 1965 (BFH 82, 541, BStBl III 1965, 443) und IV 334/65 vom 3. März 1966 (BFH 85, 416, BStBl III 1966, 450), auf die sich das FA berufen habe, könnten nicht überzeugen. Zwar träfen die in den Urteilen geäußerten Erwägungen zu, daß der Arbeitnehmervertreter, wenn er einen Teil seiner Aufsichtsratsvergütung sozialen Zwecken zuführe, dies nicht tue, um Einnahmen zu erzielen oder sich zu erhalten. Für den Begriff der Betriebsausgaben im Sinne des § 4 Abs. 4 EStG sei aber nicht erforderlich, daß die Aufwendungen der Einnahmeerzielung dienten. Es genüge, daß die Tätigkeit, aus der die Einkünfte herrührten, ursächlich für die Aufwendungen gewesen sei. Auch die Finanzverwaltung habe inzwischen, z. B. im Erlaß des Niedersächsischen Finanzministeriums vom 8. Mai 1968 - S 2144-7-311 (Der Betriebs-Berater 1968 S. 617 - BB 1968, 617 -) anerkannt, daß Arbeitnehmeraufsichtsratsvertreter die an soziale Einrichtungen geleisteten Beträge jedenfalls dann als Betriebsausgaben abziehen könnten, wenn die Abführung auf einer rechtlichen Verpflichtung beruhe, die der Arbeitnehmer vor seiner Wahl habe eingehen müssen, um als Kandidat aufgestellt zu werden. Im Streitfall sei dies allerdings nicht der Fall. Der erkennende Senat halte dies auch nicht für erforderlich. Unter § 12 Nr. 1 EStG fielen diese Aufwendungen nicht. Denn mit der eigenen Lebensführung des Steuerpflichtigen hätten die Aufwendungen nichts zu tun. Da sie jedoch die Lebensführung anderer Personen berührt hätten, könnten sie nur im Rahmen des § 4 Abs. 5 und 6 EStG abgezogen werden. Das treffe zu für die Aufwendungen für die Vorweihnachtsfeier am 10. Dezember 1965 (3 404,55 DM), für die der Steuerpflichtige Einzelaufzeichnungen und Belege dem Gericht vorgelegt habe und die angemessen gewesen seien, für weitere Beträge zur Ausgestaltung von Betriebsfeiern und für die Zahlung an den Betriebsrat.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage des Steuerpflichtigen.

Die allgemein von der Vorinstanz gegebene Bestimmung der Betriebsausgaben im Sinn des § 4 Abs. 4 EStG ist zutreffend. Der dort verwendete Begriff der Veranlassung der Aufwendungen durch den Betrieb kann sowohl kausal als auch final verstanden werden. Die Vorentscheidung hat deshalb recht, wenn sie meint, einer Ausgabe könne nicht allein deshalb der Charakter als Betriebsausgabe abgesprochen werden, weil sie nicht unter dem Gesichtspunkt der Finalität zu sehen sei.

1. Unter dem letzten Gesichtspunkt (Finalität) scheidet die Abzugsfähigkeit schon aus den folgenden Gründen aus. Das Wesen des von dem Steuerpflichtigen bekleideten Amtes legt es nahe, ähnliche Grundsätze anzuwenden, die in der Entscheidung VI R 130/66 vom 4. August 1967 (BFH 90, 18, BStBl III 1967, 772).zur Versagung der Abzugsfähigkeit von Wahlkampfkosten eines Kommunalpolitikers geführt haben. Dort legte der BFH dar, daß alle mit einer Wahl zusammenhängenden Vorgänge einkommensteuerrechtlich grundsätzlich in den Bereich der Lebenshaltung gehören. Das gilt für die Wahlvorbereitungen und für alles, was zur Durchführung der Wahl erforderlich ist, ungeachtet des Umstandes, daß dabei materielle Interessen des Wahlkandidaten eine erhebliche Rolle spielen können. Diesem Gedanken kommt allgemeine Bedeutung zu, wenn es um die einkommensteuerrechtliche Beurteilung von Aufwendungen im Zusammenhang mit demokratischen Wahlen geht. Zwar handelt es sich bei den nach Maßgabe der betriebsverfassungsrechtlichen Vorschriften durchgeführten Wahlen nicht um parteipolitische Vorgänge - solche brauchen übrigens auch bei Kommunalwahlen nicht vorzuliegen -, jedoch in gleicher Weise um demokratische Mandate (Betriebsdemokratie). Es widerspräche dem Sinn der betriebsdemokratischen Institutionen anzuerkennen, daß jemand zugunsten der Belegschaft Aufwendungen gemacht habe, um gewählt oder wiedergewählt zu werden. Das Amt eines Betriebsratsmitgliedes ist ein Ehrenamt (§ 37 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes), das unentgeltlich zu führen ist, während dem Arbeitnehmervertreter wie dem Aktionärvertreter im Aufsichtsrat ein aktienrechtlicher Vergütungsanspruch zusteht (§ 113 des Aktiengesetzes; vgl. Dietz, Betriebsverfassungsgesetz, 4. Aufl. 1967, Rdnr. 11 zu § 76). Gleichwohl darf das Amt des letzteren nicht kommerziell betrachtet werden. So wird es mit Recht im Schrifttum (vgl. Dietz, a. a. O.) als bedenklich angesehen, wenn vor der Wahl versprochen wird, die Vergütung zugunsten der Belegschaft zu verwenden.

Der Senat kommt deshalb zu dem Ergebnis, daß es mit dem Wesen des Aufsichtsratsmandats eines Arbeitnehmers nicht vereinbar ist, Ausgaben, die ein Bewerber um das Amt eines Arbeitnehmervertreters im Aufsichtsrat oder als Inhaber eines solchen Amtes - dann zur Erhaltung des Amtes - zugunsten von Belegschaftsmitgliedern des Unternehmens oder verbundener Unternehmen leistet, als Betriebsausgaben bei der Ermittlung der Einkünfte aus der Aufsichtsratstätigkeit zum Abzug zuzulassen. Es braucht also im Streitfall nicht geprüft zu werden, ob sich der Steuerpflichtige rechtlich verpflichtet hatte, einen Teil seiner Aufsichtsratsvergütung der Belegschaft zukommen zu lassen. Selbst wenn der Steuerpflichtige, was er in seiner Revisionserwiderung zu prüfen begehrt, eine solche Verpflichtungserklärung vor seiner Wahl abgegeben hätte, stünde sie der Versagung des Abzugs nicht entgegen. Die von dem Steuerpflichtigen erhobene Rüge der mangelnden Sachaufklärung ist deshalb nicht begründet.

2. Auch bei kausaler Betrachtung stellen die Aufwendungen des Steuerpflichtigen keine Betriebsausgaben dar. Der Vorinstanz kann nicht darin gefolgt werden, daß die von ihr zitierten Entscheidungen des erkennenden Senats den Abzug der sozialen Aufwendungen eines Arbeitnehmeraufsichtsratsvertreters allein unter dem Gesichtspunkt abgelehnt hätten, Betriebsausgaben lägen deshalb nicht vor, weil die Ausgaben nicht dem Zweck einer Einnahmeerzielung oder iher Erhaltung dienten. Die Entscheidung IV 35/65 S spricht klar aus, daß der Vorsteher des FA darauf hingewiesen habe, daß es sich bei der vom Steuerpflichtigen nach der Wahl gemachten Zuwendung nicht um einen unmittelbar tätigkeitsbedingten Aufwand handle, daß diese Zuwendung vielmehr in erster Linie Ausfluß seiner gesellschaftlichen Stellung als Mitglied des Aufsichtsrats sei.

Die Aufwendungen des Steuerpflichtigen stellen Einkommensverwendung dar. Sie sind Lebenshaltungskosten im Sinne des § 12 EStG, allerdings nicht unter dem Gesichtspunkt der Freiwilligkeit von Zuwendungen nach § 12 Nr. 2 EStG, da der Steuerpflichtige sich den Ausgaben aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen konnte. Sie fallen vielmehr unter § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG.

Die Vorinstanz legt diese Vorschrift zu eng aus. Aufwendungen für die Lebensführung eines Steuerpflichtigen können auch Ausgaben sein, die ihm keine materiellen, sondern lediglich ideelle Vorteile, einen guten gesellschaftlichen Ruf, den Ruf besonderer Noblesse, Anständigkeit, Hilfsbereitschaft, Aufmerksamkeit, Kameradschaft und Kollegialität usw. verschaffen. Hierum handelt es sich weitgehend bei den Ausgaben eines Arbeitnehmervertreters des Aufsichtsrats für soziale Belange der Belegschaft, seiner Arbeitskollegen. § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG bestimmt für solche Sonderfälle ausdrücklich, daß hier ein Abzug auch dann nicht, und zwar auch nicht teilweise, in Betracht kommt, wenn diese Aufwendungen zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen gemacht werden. Jedenfalls kann der Vorinstanz darin nicht gefolgt werden, daß sie die Ausgaben schon allein deshalb als Betriebsausgaben anerkennen will, weil der Steuerpflichtige durch seine Aufsichtsratstätigkeit überhaupt in die Lage versetzt worden sei, derartige Aufwendungen bei seinem sonst nicht sehr hohen Jahresgehalt zu machen. In einem zwar nicht völlig gleichliegenden, dennoch vergleichbaren Fall entschied der erkennende Senat bereits im Urteil IV 23/53 U vom 14. Januar 1954 (BFH 58, 439, BStBl III 1954, 79) für einen höheren Angestellten, der unter anderem auch Zuwendungen zu Hochzeiten, Geburtstagen und Sterbefällen von Kollegen als Werbungskosten geltend machen wollte, daß es sich hierbei um nicht abziehbare Repräsentationsaufwendungen im Sinne von § 12 Nr. 1 EStG handele. Es bestehen eben sowohl bei Angestellten mit höheren Gehältern als auch bei Arbeitnehmer-Aufsichtsratsvertretern mit hohen Aufsichtsratsvergütungen gewisse Repäsentationspflichten, deren Erfüllung nur nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG beurteilt werden kann und nicht zu Betriebsausgaben oder Werbungskosten führt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68956

BStBl II 1970, 379

BFHE 1970, 343

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