Entscheidungsstichwort (Thema)

Investitionszulage für Modernisierungsmaßnahmen an Hotels oder Gaststätten

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Begriff der Modernisierungsmaßnahmen an in Berlin (West) belegenen Gebäuden, die in einem Betrieb des Hotel- oder Gaststättengewerbes überwiegend der Beherbergung dienen.

 

Orientierungssatz

Einbauten können beim Mieter/Pächter eines Gebäudes zu einem selbständig aktivierungspflichtigen Wirtschaftsgut führen, und zwar unter dem Gesichtspunkt des wirtschaftlichen Eigentums, der Betriebsvorrichtung, des Scheinbestandteils oder des einheitlichen Nutzungszusammenhangs und Funktionszusammenhangs des Einbaus mit dem in dem gemieteten Gebäude unterhaltenen Betrieb (vgl. BFH-Rechtsprechung). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so fehlt es an (investitionszulagefähigen) Herstellungskosten; die Aufwendungen sind in diesem Fall wie Erhaltungsaufwand sofort abziehbare Betriebsausgaben (Literatur).

 

Normenkette

BerlinFG § 14 Abs. 4 Fassung: 1979-04-20, § 19 Fassung: 1979-04-20

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt seit 1974 in Berlin, A.... Nrn.2/4, als Pächter die Gaststätte B. Auf dem Grundstück A.... Nr.2 befanden sich außer verschiedenen Nebengebäuden die Gaststättengebäude. Auf dem Grundstück A.... Nr.4 befand sich unter anderem ein altes Haus, das als Wohngebäude bewertet war. Backstube, Lager, Plättkammer, zwei Dachgeschoß-Giebelzimmer und Trockenboden dieses Gebäudes nutzte der Kläger für den Gaststättenbetrieb; vier weitere Räume im Dachgeschoß zur Straßenseite hin hatte der Kläger Dauermietern überlassen.

In den Jahren 1978/1979 ließ der Kläger zur Schaffung von Appartements mit Bad und Toilette das Erdgeschoß des Gebäudes A.... Nr.4 umbauen (durch Einbau nichttragender Wände sowie einer Heizung, einer Wasserversorgungsanlage, elektrischer und sanitärer Anlagen), das Dachgeschoß ausbauen (durch Einziehen einer Zwischendecke, Ausbau zweier Dachgauben, Einbau einer Wärmeisolierung, nichttragender Trennwände sowie einer Heizung, einer Wasserversorgungsanlage und elektrischer und sanitärer Anlagen) und das Gebäude an die Be- und Entwässerung anschließen. Seitdem nutzt der Kläger das Gebäude als Hotel.

Nachdem der Kläger für das Kalenderjahr 1978 zunächst eine Investitionszulage nach § 19 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) für Teilherstellungskosten dieses Gebäudes beantragt hatte, begehrte er mit seinem Antrag für das Streitjahr 1979 die Investitionszulage für die gesamten Aufwendungen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte die begehrte Investitionszulage mit der Begründung ab, der in § 19 Abs.2 i.V.m. § 14 Abs.4 BerlinFG enthaltene Begriff der Modernisierung setze voraus, daß die Baumaßnahmen --anders als im Streitfall-- an einem bereits bestehenden Gebäude des Hotel- oder Gaststättengewerbes vorzunehmen seien.

Nach erfolglosem Vorverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit der Begründung statt, der Kläger habe Herstellungskosten für Modernisierungsmaßnahmen an einem Gebäude des Gaststättengewerbes aufgewendet.

Dagegen richtet sich die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision, zu deren Begründung das FA vorträgt: Aus dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck der Regelungen in § 19 Abs.2 Satz 4 Nr.2 b und § 14 Abs.4 BerlinFG ergebe sich, daß nur solche nachträglichen Herstellungskosten, die Modernisierungsmaßnahmen darstellten, nicht aber Ausbauten oder Erweiterungen begünstigt seien. Letztere seien ebensowenig begünstigt wie Hotelneubauten. Da das Gesetz der Erweiterung der Beherbergungskapazität in Berlin (West) diene, setze der Begriff der Modernisierung außerdem voraus, daß die Modernisierungsmaßnahmen an einem bestehenden Gebäude des Hotel- oder Gaststättengewerbes vorgenommen würden; das Gebäude müsse daher bereits vor Durchführung der Baumaßnahmen den begünstigten Zwecken gedient haben.

Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Nach § 19 Abs.1 BerlinFG in der für das Streitjahr geltenden Fassung können Steuerpflichtige, die in Berlin (West) einen Betrieb haben, u.a. auch für Ausbauten, Erweiterungen und andere nachträgliche Herstellungsarbeiten an abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens eine Investitionszulage in Höhe von 15 v.H. der Herstellungskosten erhalten (§ 19 Abs.1 Satz 3 Nr.2 BerlinFG); zu den weiteren tatbestandlichen Erfordernissen gehört nach § 19 Abs.2 Satz 4 BerlinFG, daß die unbeweglichen Anlagegüter in Berlin (West) liegen und im übrigen die Voraussetzungen des § 14 Abs.4 BerlinFG erfüllt sind. Diese Vorschrift begünstigt nachträgliche Herstellungskosten, die für Modernisierungsmaßnahmen an in Berlin (West) belegenen Gebäuden aufgewendet werden, wenn die Gebäude in einem Betrieb des Hotel- oder Gaststättengewerbes mindestens drei Jahre nach Beendigung der nachträglichen Herstellungsarbeiten überwiegend der Beherbergung dienen. Modernisierungsmaßnahmen in diesem Sinne sind alle Baumaßnahmen, durch die die im Gesetz im einzelnen aufgeführten Anlagen und Einrichtungen geschaffen oder umgestaltet werden.

2. Mit der Vorentscheidung ist der erkennende Senat der Auffassung, daß der Kläger Modernisierungsmaßnahmen an einem Gebäude in einem Betrieb des Hotel- und Gaststättengewerbes getroffen hat.

a) Ob auch Modernisierungsmaßnahmen an einem bislang nicht dem Betrieb des Hotel- oder Gaststättengewerbes dienenden Gebäude begünstigungsfähig sind, ist zweifelhaft. Der Wortlaut des § 14 Abs.4 Satz 1 BerlinFG läßt eine solche Auslegung zu. Nach der Absicht des Gesetzgebers sollte indessen mit der Änderung des § 14 BerlinFG durch das Gesetz zur Änderung des Investitionszulagengesetzes und anderer Gesetze vom 30.Oktober 1978 (BGBl I, 1693) die Förderung auf bestimmte Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen ausgedehnt werden, die in Berlin (West) an Gebäuden des Hotel- oder Gaststättengewerbes vorgenommen werden (BTDrucks 8/1781 S.7); in dieser Weise hat sich auch der Bundesminister der Finanzen (BMF) geäußert und aus dem Begriff der Modernisierung hergeleitet, daß die Maßnahmen ein bereits bestehendes Gebäude des Hotel- und Gaststättengewerbes betreffen müßten (Schreiben vom 31.Dezember 1986, BStBl I 1987, 51, 72 zu Tz.168).

b) Im Streitfall kann die Entscheidung der Frage dahinstehen, ob diese gesetzgeberische Absicht in der Gesetzesfassung hinreichend zum Ausdruck gekommen ist, oder ob im Hinblick auf den Förderungszweck einer Erweiterung der Beherbergungskapazität in Berlin (BTDrucks, a.a.O.) der Auslegung nach dem Wortsinn der Vorzug zu geben ist. Das FG hat nämlich für den Senat bindend festgestellt, daß das Gebäude vor der Modernisierung bereits dem Betrieb des Gaststättengewerbes gedient hatte, und hieraus zutreffend gefolgert, daß die Voraussetzung der Modernisierung eines Gebäudes des Hotel- oder Gaststättengewerbes im Streitfall erfüllt ist. Denn sollen nach dem Gesetz Baumaßnahmen an einem Gebäude des Hotel- oder Gaststättengewerbes begünstigt sein, so wird auch die Umwandlung eines Gaststättengebäudes in ein Hotelgebäude von dem Tatbestand des § 14 Abs.4 BerlinFG erfaßt. Auch auf diese Weise wird der Gesetzeszweck einer Erweiterung der Beherbergungskapazität erfüllt.

Der hiergegen mit der Revision vorgetragenen Auffassung, Modernisierungsmaßnahmen in Gestalt von Ausbauten oder Erweiterungen seien nach § 14 Abs.4 BerlinFG nicht zulagefähig, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen "Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen" begünstigt sein (BTDrucks, a.a.O.); als Umbau in diesem Sinne gilt aber auch der Ausbau eines bestehenden Gebäudes (vgl. etwa § 17 Abs.1 Satz 2 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes --II.WoBauG--). Die Entscheidung der Frage, ob § 14 Abs.4 BerlinFG auch Erweiterungen im Hotel- oder Gaststättengewerbe begünstigt und damit dem Regelungszweck einer Erweiterung der Beherbergungskapazität in besonderer Weise gerecht wird, kann im Streitfall ebenfalls dahinstehen; denn der Kläger hat nach den Feststellungen des FG weder durch Aufstockung des Gebäudes noch durch Anbau an das Gebäude neuen Raum geschaffen (vgl. § 17 Abs.2 II.WoBauG). Mit seiner einschränkenden Auslegung des Begriffs der Modernisierungsmaßnahmen befindet sich das FA nicht zuletzt im Widerspruch zu dem Schreiben des BMF vom 31.Dezember 1986 (a.a.O.), der Ausbauten und Erweiterungen ausdrücklich für zulagefähig hält.

3. Das FG ist im übrigen zwar zutreffend davon ausgegangen, daß eine Förderung der Maßnahmen des Klägers nur unter dem Gesichtspunkt von Mietereinbauten in Betracht kommt, denn nur solche führen zu Herstellungskosten, wie sie § 14 Abs.4 BerlinFG voraussetzt; das FG hat jedoch den Begriff der Herstellungskosten bei Mietereinbauten verkannt.

a) Herstellungskosten sind dem Kläger als Pächter nur dann entstanden, wenn die Aufwendungen für seine Modernisierungsmaßnahmen aktivierungspflichtig waren; das ist der Fall, wenn es sich bei den Einbauten um Wirtschaftsgüter oder um solche Maßnahmen handelt, die nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) wie materielle Wirtschaftsgüter behandelt werden (vgl. Urteile vom 26.Februar 1975 I R 32/73, BFHE 115, 238, BStBl II 1975, 443, und I R 184/73, BFHE 115, 250, BStBl II 1975, 443, sowie vom 31.Oktober 1978 VIII R 146/75, BFHE 127, 501, BStBl II 1979, 507, alle im Anschluß an die Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 26.November 1973 GrS 5/71, BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132).

Nach dieser Rechtsprechung können Einbauten beim Mieter zu einem selbständig aktivierungspflichtigen Wirtschaftsgut führen, und zwar unter dem Gesichtspunkt des wirtschaftlichen Eigentums, der Betriebsvorrichtung, des Scheinbestandteils oder des einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhangs des Einbaus mit dem in dem gemieteten Gebäude unterhaltenen Betrieb (Senatsurteil vom 11.Dezember 1987 III R 191/85, BFHE 151, 573, BStBl II 1988, 300). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so fehlt es an investitionszulagefähigen Herstellungskosten; die Aufwendungen sind in diesem Fall wie Erhaltungsaufwand sofort abziehbare Betriebsausgaben (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 5 Anm.1256).

b) Das FG hat in den Modernisierungsmaßnahmen zutreffend weder die Schaffung von Scheinbestandteilen noch die von Betriebsvorrichtungen gesehen. Bei Anwendung der vorgenannten Grundsätze konnte es jedoch nicht ohne weiteres davon ausgehen, daß die Baumaßnahmen des Klägers zu einem Mietereinbau unter dem Gesichtspunkt des einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhangs mit dem Betrieb des Klägers geführt haben; das FG durfte es auch nicht dahingestellt sein lassen, wie die Maßnahme beim Grundstückseigentümer steuerlich zu behandeln wäre.

Zwar hatte der BFH mit Urteil vom 4.Juli 1968 IV 298/63 (BFHE 93, 66, BStBl III 1968, 681) entschieden, daß einmalige, größere Aufwendungen, die ein Mieter zu dem Zweck macht, die gemieteten Räume für seine betrieblichen Belange herzurichten, und die sich aus den laufenden Aufwendungen für den Betrieb deutlich herausheben, auch dann als Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts zu aktivieren sind, wenn sie als Aufwand des Eigentümers des Gebäudes Erhaltungsaufwand wären. Diese Auffassung, von der die Vorentscheidung ausgeht, ist jedoch durch die neuere Rechtsprechung des BFH im Anschluß an die Entscheidung des Großen Senats des BFH in BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132 überholt (vgl. BFH-Urteil vom 21.Februar 1978 VIII R 148/73, BFHE 124, 454, 456, BStBl II 1978, 345).

4. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist. Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob und in welchem Umfang die vom Kläger vorgenommenen Modernisierungsmaßnahmen zu Herstellungskosten für ein unbewegliches abnutzbares Wirtschaftsgut geführt haben, das dem Kläger zuzurechnen ist.

Bei der erneuten Verhandlung wird das FG daher zu prüfen haben, ob die Aufwendungen, hätte sie der Gebäudeeigentümer erbracht, zu Herstellungsaufwand geführt haben. Das ist dann zu bejahen, wenn das Gebäude durch die Baumaßnahmen wesentlich in seiner Substanz vermehrt, in seinem Wesen verändert oder --von der üblichen Modernisierung abgesehen-- über seinen bisherigen Zustand hinaus deutlich verbessert worden ist (ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Beschluß des Großen Senats vom 22.August 1966 GrS 2/66, BFHE 86, 792, BStBl III 1966, 672; Urteil vom 24.Juli 1979 VIII R 162/78, BFHE 128, 385, BStBl II 1980, 7; vgl. auch die Zusammenstellung von Einzelfällen im Senatsurteil vom 19.Juli 1985 III R 170/80, BFH/NV 1986, 24). Kommt das FG danach zur Annahme von Herstellungskosten, so wird es weiter zu prüfen haben, ob alle vom Kläger getroffenen Baumaßnahmen auch von der abschließenden Aufzählung in § 14 Abs.4 BerlinFG erfaßt werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62923

BFH/NV 1990, 34

BStBl II 1990, 450

BFHE 160, 291

BFHE 1991, 291

BB 1990, 1049

BB 1990, 1049-1050 (LT)

DB 1990, 2570 (S)

HFR 1990, 370 (LT)

StE 1990, 147 (K)

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge