Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang der Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 3 Nr. 8 GrEStG NW

 

Leitsatz (NV)

1. Steuerschuldner können nur die am Erwerbsvorgang beteiligten Vertragsteile und nicht unbeteiligte Dritte sein. Dritte werden auch nicht deshalb Vertragsbeteiligte und damit Steuerschuldner, weil Leistungen von diesen oder an diese nach § 11 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG NW (= § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG 1983) zur Gegenleistung gehören.

2. Die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 8 GrEStG NW nimmt nur die Bestellung des - bloßen - Erbbaurechts, nicht aber den mit der Bestellung wegen § 12 Abs. 1 S. 2 ErbbauV verbundene Übergang des Eigentums an einem auf dem Grundstück vorhandenen Gebäude auf den Erbbauberechtigten von der GrESt aus.

 

Normenkette

GrEStG NW § 3 Nr. 8; GrEStG NW § 2 Abs. 2 Nr. 1; GrEStG NW § 15 Nr. 1; GrEStG NW § 11 Abs. 3 Nr. 2 (= GrEStG 1983 § 9 Abs. 2 Nr. 4; GrEStG NW § 13 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 31. Mai 1979 wurde der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) an einem in Nordrhein-Westfalen gelegenen Grundstück, das mit einem überwiegend gewerblich genutzten Gebäude bebaut ist, ein auf 50 Jahre befristetes Erbbaurecht bestellt. Neben der Zahlung eines jährlichen Erbbauzinses in Höhe von . . . DM verpflichtete sich die Klägerin zur Zahlung eines Einmalbetrages in Höhe von . . . DM an die Grundstückseigentümerin. Sie beantragte Befreiung von der Grunderwerbsteuer nach § 3 Nr. 8 des bis zum Inkrafttreten des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1983) in Nordrhein-Westfalen geltenden Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG NW).

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom selben Tage kaufte die minderjährige Tochter C der Klägerin, vertreten durch ihre Eltern als gesetzliche Vertreter, von der Grundstückseigentümerin das Grundstück, für das das Erbbaurecht bestellt werden sollte, zum Kaufpreis von . . . DM. Wegen dieses Erwerbs setzte das beklagte Finanzamt (FA) gegen die Tochter der Klägerin bestandskräftig Grunderwerbsteuer fest.

Das FA sah wegen der Bestellung des Erbbaurechts für die Klägerin die Voraussetzungen für die beantragte Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 8 GrEStG NW nicht als erfüllt an und setzte durch Bescheid vom 8. Januar 1980 nach einer Bemessungsgrundlage von . . . DM (Einmalbetrag zuzüglich kapitalisierter Erbbauzins) gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von . . . DM fest.

Die nach erfolglos gebliebenem Einspruch erhobene Klage hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat die Steuer auf . . . DM herabgesetzt. Der Einmalbetrag von . . . DM sei in den nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG NW steuerbaren Erwerb der Tochter der Klägerin einzubeziehen. Die Klägerin habe die Leistung gewährt ,,als Gegenleistung dafür, daß der Veräußerer dem Erwerber (Tochter) das Grundstück überlassen habe" (vgl. § 11 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG NW) und sie habe insoweit auch als Vertragsteil (§ 15 Nr. 1 GrEStG NW) an diesem grunderwerbsteuerbaren Vorgang mitgewirkt. Hinsichtlich des kapitalisierten Erbbauzinses in Höhe von . . . DM sei die Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 8 GrEStG NW anzuwenden.

Das FG hat die Revision zugelassen.

Mit der Revision beantragt die Klägerin sinngemäß,

1. den Grunderwerbsteuerbescheid, die Einspruchsentscheidung und das Urteil des FG aufzuheben,

2. die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Sie rügt fehlerhafte Anwendung des § 3 Nr. 8 GrEStG NW durch das FG. Auch hinsichtlich des Einmalbetrages von . . . DM müsse die Steuerbefreiung gewährt werden. Es gebe keine Veranlassung zu einer Korrektur der vertraglich festgelegten Leistungsbeziehung, wie sie vom FG vorgenommen worden sei.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat hinsichtlich des von der Klägerin zu zahlenden Einmalbetrages von . . . DM - im Ergebnis zutreffend - die Steuerfestsetzung des FA für rechtmäßig gehalten, insbesondere die Voraussetzungen der Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 8 GrEStG NW für nicht gegeben angesehen. Die Revision ist deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2, Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Steuerbarer Erwerbsvorgang ist gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG NW die Bestellung des Erbbaurechts für die Klägerin (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. November 1967 II R 37/66, BFHE 91, 191, BStBl II 1968, 223, und vom 11. Januar 1984 II R 187/81, BFHE 140, 312, BStBl II 1984, 327, 328).

Entgegen der Auffassung des FG läßt sich die Steuerpflicht jedoch nicht mit der Einbeziehung des von der Klägerin zu zahlenden Einmalbetrages als Gegenleistung in den Erwerbsvorgang ihrer Tochter begründen. Denn Streitgegenstand des Klageverfahrens ist der gegen die Klägerin gerichtete Bescheid vom 8. Januar 1980, der den Erbbaurechtserwerb der Klägerin und nicht den im übrigen bestandskräftig besteuerten Eigentumserwerb ihrer Tochter betrifft. Der Austausch des Besteuerungsgegenstandes ist dem FG verwehrt.

Das FG hat im übrigen auch verkannt, daß Steuerschuldner stets nur die am Erwerbsvorgang beteiligten Vertragsteile und nicht unbeteiligte Dritte sein können (vgl. § 15 Nr. 1 GrEStG NW = § 13 Nr. 1 GrEStG 1983). Dritte werden auch nicht deshalb Vertragsbeteiligte und damit Steuerschuldner, weil Leistungen von diesen oder an diese nach § 11 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG NW (= § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG 1983) zur Gegenleistung gehören. Die Klägerin konnte deshalb auch nicht als Steuerschuldnerin wegen des Grunderwerbs ihrer Tochter in Anspruch genommen werden.

2. Die Bestellung des Erbbaurechts zugunsten der Klägerin ist nicht gemäß § 3 Nr. 8 GrEStG NW steuerfrei. Nach dieser Vorschrift ist zwar u. a. die Bestellung eines Erbbaurechts von der Besteuerung ausgenommen. Der BFH hat aber mit Urteil in BFHE 140, 312, BStBl II 1984, 327 entschieden, daß diese Vorschrift bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung nur die Bestellung des - bloßen - Erbbaurechts, nicht aber den mit der Bestellung wegen § 12 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung über das Erbbaurecht (ErbbauV) verbundenen Übergang des Eigentums an einem auf dem Grundstück vorhandenen Gebäude auf den Erbbauberechtigten von der Grunderwerbsteuer ausnimmt. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die zitierte Senatsentscheidung Bezug genommen.

Da zugunsten der Klägerin nicht nur ein - bloßes - Erbbaurecht bestellt wurde, sondern mit der Bestellung des Erbbaurechts das Eigentum an dem auf dem Grundstück befindlichen Gebäude überging, kommt eine Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 8 GrEStG NW hier nicht in Betracht.

3. Die Einbeziehung der Einmalzahlung von . . . DM in die Besteuerungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer unterliegt im Hinblick auf die §§ 10 Abs. 1 und 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG NW keinen rechtlichen Bedenken. Dieser Betrag ist von der Klägerin wegen der Bestellung des Erbbaurechts und wegen des mit der Bestellung verbundenen Übergangs des Eigentums an dem aufstehenden Gebäude gezahlt worden. Denn das auf dem Grundstück stehende Gebäude gilt mit der Bestellung des Erbbaurechts als wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 2 ErbbauV).

Nicht zu entscheiden war, ob auch der kapitalisierte Erbbauzins zur Gegenleistung hinzuzurechnen war und ob der Senat insoweit der Vorentscheidung folgen könnte (vgl. insoweit Urteil in BFHE 140, 312, BStBl II 1984, 327). Denn die revisionsgerichtliche Prüfung des angefochtenen Urteils ist durch das Revisionsbegehren, den Antrag der Revisionsklägerin, begrenzt (vgl. §§ 121, 96 Abs. 1 Satz 2 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 416172

BFH/NV 1990, 321

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge