Leitsatz (amtlich)

Ist der Steuerpflichtige, nicht aber dessen Prozeßbevollmächtigter, vom FG zur mündlichen Verhandlung geladen, so stellt dies einen wesentlichen Mangel des Verfahrens dar, der die zulassungsfreie Revision eröffnet. Der Mangel führt dazu, daß das Urteil stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen ist.

 

Normenkette

FGO § 116 Abs. 1 Nr. 3, § 119 Nr. 4, § 62 Abs. 3 S. 3; VwZG § 8 Abs. 4

 

Tatbestand

Gegen das dem Prozeßbevollmächtigten des Revisionsklägers (Steuerpflichtiger) am 2. Februar 1967 zugestellte Urteil des FG vom 2. Januar 1967 hat dieser namens des Steuerpflichtigen mit Schriftsatz vom 23. Februar 1967, eingegangen am 24. Februar 1967, Revision eingelegt.

Mit dieser wird gerügt, daß der Steuerpflichtige in der mündlichen Verhandlung vom 2. Januar 1967 vor dem FG gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten gewesen sei. Zur Begründung dieser Rüge wird ausgeführt:

Nach der bei den Akten befindlichen Vollmacht sei er Prozeßbevollmächtigter für den Steuerpflichtigen gewesen. Das FG habe ihn auch entsprechend behandelt. Er sei jedoch zur mündlichen Verhandlung am 2. Januar 1967 vor dem FG nicht geladen worden. Aus welchen Gründen, sei ihm unbekannt. Der Steuerpflichtige habe bei Erhalt der für ihn bestimmten Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 2. Januar 1967 annehmen dürfen, daß auch er als Prozeßbevollmächtigter eine Terminsladung erhalten habe. Der Steuerpflichtige habe sich daher mit ihm nicht ins Benehmen gesetzt. Er sei daher als Prozeßbevollmächtigter von der mündlichen Verhandlung vom 2. Januar 1967 nicht unterrichtet gewesen. Er habe deswegen den Termin für den Steuerpflichtigen nicht wahrnehmen können und hätte ihn auch nicht wahrgenommen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und auch begründet worden. Sie ist ferner statthaft, da sie auf einen Verfahrensmangel gestützt wird, welcher nach § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO die Revision ohne Zulassung eröffnet. Die Revision führt zum Erfolg.

Aus den Akten des FG ergibt sich, daß zu dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 2. Januar 1967 nur der Steuerpflichtige, nicht aber dessen Prozeßbevollmächtigter geladen worden ist (Bl. 38 FG-Akte). Aus den Akten ergibt sich ferner, daß der Steuerpflichtige dem Steuerbevollmächtigten X Vollmacht erteilt hat und daß das FG, wie sich aus der Zustellung des Beschlusses vom 2. Dezember 1966 und der Zustellung der Urteilsausfertigung, Protokollabschrift und Urteilsabschrift ergibt, diesen als Prozeßbevollmächtigten des Steuerpflichtigen nicht nur angesehen, sondern auch tatsächlich behandelt hat.

Ungeachtet dessen hat das FG den Prozeßbevollmächtigten nicht zum Termin zur mündlichen Verhandlung, wie es nach den gesetzlichen Vorschriften notwendig gewesen wäre, geladen. Es muß daher davon ausgegangen werden, daß der Prozeßbevollmächtigte von dem in der Streitsache bestimmten Termin zur mündlichen Verhandlung keine Kenntnis erlangt und ihn aus diesem Grunde auch nicht wahrgenommen hat. Dem steht auch nicht entgegen, daß der Steuerpflichtige zu dem Termin am 2. Januar 1967 eine Ladung erhalten hatte. Er konnte sich nach dem bisherigen Verfahrensverlauf darauf verlassen, worauf die Revision zutreffend hinweist, daß sein Prozeßbevollmächtigter vom FG gleichfalls eine Ladung erhalten und dieser den Termin für ihn wahrnehmen würde. Der Prozeßbevollmächtigte hat insoweit glaubhaft dargetan, daß sich der Steuerpflichtige mit ihm über diesen Termin nicht ins Benehmen gesetzt hat, er von dem Verhandlungstermin vom 2. Januar 1971 nicht unterrichtet war und diesen daher auch nicht wahrnehmen konnte. Der Steuerpflichtige selbst war nicht verpflichtet, zu diesem Termin zu erscheinen, weil er durch Bestellung eines Prozeßbevollmächtigten für seine ordnungsgemäße Vertretung gesorgt hatte.

Der gegebene Sachverhalt rechtfertigt die Annahme eines Verfahrensmangels im Sinne von § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO. Ist ein Beteiligter im Verfahren nicht nach der Vorschrift des Gesetzes vertreten, hat er nicht ausdrücklich oder stillschweigend der Prozeßführung zugestimmt, so liegt hierin nicht nur ein absoluter Zulässigkeitsgrund in dem Sinne, daß das Rechtsmittel der Revision auch ohne besondere Zulassung statthaft ist (vgl. § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO), sondern es liegt gleichzeitig ein sogenannter absoluter Revisionsgrund vor (vgl. § 119 Nr. 4 FGO), d. h. die Entscheidung ist aufzuheben, wenn der Mangel als solcher festgestellt wird, ohne daß noch geprüft zu werden braucht, ob die Entscheidung auf diesem Mangel beruht und ob ohne diesen Verfahrensmangel ein anderes Ergebnis zu erwarten gewesen wäre. Die Voraussetzungen für diese beiden angeführten Vorschriften sind nach dem vorliegenden Sachverhalt im Streitfall erfüllt.

Die Frage, ob von einem Nichtvertretensein im Sinne der genannten Vorschriften dann gesprochen werden kann, wenn wie im Streitfall eine Partei im Rechtsstreit tatsächlich nicht vertreten ist, also niemand für sie auftritt, weil sie nicht geladen worden ist, hat der BGH in seinem zu § 41p Abs. 3 Nr. 3 des Bundespatentgesetzes ergangenen Beschluß I a ZB 3/64 vom 16. Juli 1965 (NJW 1965, 2252) bejaht. Der BGH hält diese Auslegung in einem derartigen Fall um so mehr für geboten, als der Weg der zulassungsfreien Revision nicht durch die Rüge eröffnet werden könne, den Verfahrensbeteiligten sei das rechtliche Gehör nicht ausreichend gewährt worden.

Die Rücksicht auf die Einheitlichkeit der Rechtsordnung gebietet es, diese Auslegung auf die etwa gleichgestalteten Vorschriften der FGO (§§ 116, 119) auch im Hinblick darauf anzuwenden, daß in § 116 FGO die zulassungsfreie Revision nicht für den Fall vorgesehen ist, daß einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war. Diese Grundsätze gelten für den Streitfall mit der Maßgabe, daß ein Beteiligter im Verfahren nach Vorschrift des Gesetzes auch dann nicht vertreten gewesen ist, wenn er selbst, nicht aber sein Prozeßbevollmächtigter zu dem vom FG bestimmten Termin zur mündlichen Verhandlung geladen worden ist und dieser aus diesem Grunde den Termin nicht wahrnehmen konnte. Eine Pflicht des Steuerpflichtigen selbst, den Termin wahrzunehmen oder einen Prozeßbevollmächtigten von der an ihn ergangenen Ladung Mitteilung zu machen, besteht nicht. § 62 Abs. 3 Satz 3 FGO und § 8 Abs. 4 VwZG sehen vor, daß Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an den Prozeßbevollmächtigten des Steuerpflichtigen gerichtet werden müssen. Der Steuerpflichtige konnte sich daher mit Recht darauf verlassen, daß sein Prozeßbevollmächtigter die Terminladung gleichfalls erhalten und auf Grund dieser den Termin wahrnehmen würde. Der Steuerpflichtige selbst war jedenfalls auch nicht dazu verpflichtet, an dem Termin zur mündlichen Verhandlung teilzunehmen, weil er für seine ordnungsgemäße Vertretung durch Bestellung des Prozeßbevollmächtigten gesorgt hatte.

Danach bedarf es einer Zulassung zur Revision nicht, weil der Steuerpflichtige nicht nach Maßgabe der Gesetze im finanzgerichtlichen Verfahren vertreten war, er der Prozeßführung auch nicht ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat. Aus dem gleichen Grunde war das Urteil als auf einer Verletzung von Bundesrecht beruhend nach § 119 Nr. 4 FGO aufzuheben. Die Sache geht daher an die Vorinstanz zur erneuten Entscheidung zurück, ohne daß der Senat in eine rechtliche Nachprüfung der Vorentscheidung einzutreten braucht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 425934

BStBl II 1972, 424

BFHE 1972, 491

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