Leitsatz (amtlich)

Fährt der Steuerpflichtige für die Fahrt zur 6 km entfernten Arbeitsstätte einen 20 km langen Umweg, um aus Gefälligkeit einen Arbeitskollegen zur selben Arbeitsstätte mitzunehmen, so sind Aufwendungen wegen eines auf der Umwegstrecke eingetretenen Verkehrsunfalls entgegen den Anweisungen in Abschn.24 Abs.3 Satz 6 LStR 1984 Kosten der allgemeinen Lebensführung nach § 12 Nr.1 EStG.

 

Orientierungssatz

Der BFH muß Normen des Steuerrechts in erster Linie aus sich heraus auslegen und anwenden. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Zielsetzungen der RVO und des BeamtVG kann er Vorschriften auf diesen Rechtsgebieten bei der Entscheidung steuerrechtlicher Fragen mithin nur ergänzend heranziehen, soweit dies dem System der maßgeblichen steuerrechtlichen Normen nicht widerspricht. Hier: Keine Heranziehung der §§ 550 Abs. 2 Nr. 2 RVO (Wegeunfall) und 31 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG (Dienstunfall) zur Entscheidung der Frage, ob Aufwendungen wegen eines Unfalls bei einer einseitigen auf Gefälligkeit beruhenden Fahrgemeinschaft als Werbungskosten abziehbar sind.

 

Normenkette

EStG 1979 § 9 Abs. 1 Nr. 4, § 12 Nr. 1; LStR 1984 Abschn. 24 Abs. 3 S. 6; RVO § 550 Abs. 2 Nr. 2; BeamtVG § 31 Abs. 2 Nr. 1

 

Tatbestand

Der klagende Ehemann (Kläger und Revisionskläger --Kläger--) wohnt in B-X, während sich seine Arbeitsstätte in der Innenstadt von B befindet. Die Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte beträgt 6 km. Im Oktober des Streitjahres 1980 holte er mit seinem Pkw arbeitstäglich zwei Wochen lang seinen Arbeitskollegen P, der in B-Y wohnt, von dessen Wohnung ab, fuhr mit ihm zur gemeinsamen Arbeitsstätte und brachte ihn abends nach Hause zurück. Hierdurch ergab sich für den Kläger ein Umweg von ca. 20 km. Ein Entgelt für die Mitnahme erhielt er nicht. Auf der Umwegstrecke erlitt der Kläger am 31.Oktober 1979 einen Verkehrsunfall, der ihm im Jahre 1980 Kosten von 1 952 DM verursachte. Diese Aufwendungen machte er im gemeinsamen Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1980 als Werbungskosten geltend. Dies wurde vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) abgelehnt. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte unter anderem aus:

Die Unfallkosten seien im Streitfall nicht durch den Beruf des Klägers veranlaßt worden, da sie nicht auf einer beruflich veranlaßten Fahrt entstanden seien. Der Unfall habe sich auf einem Umweg ereignet, den der Kläger nicht aus beruflichen, sondern aus privaten Gründen genommen habe. Er sei weder gegenüber seinem Arbeitgeber noch gegenüber seinem Arbeitskollegen verpflichtet gewesen, den Umweg zu fahren. Die Mitnahme des Kollegen habe auf Gefälligkeit beruht, die dem Bereich der privaten Lebensführung im Sinne des § 12 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zuzurechnen sei. Es sei nicht darauf abzustellen, wie der Unfall im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung behandelt werde.

Die Kläger rügen sinngemäß die unzutreffende Anwendung des § 9 Abs.1 Satz 1 EStG. Sie beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und die Verkehrsunfallkosten in Höhe von 1 951,83 DM als Werbungskosten anzuerkennen sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für die erste Instanz für notwendig zu erklären.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist auf Aufforderung des Senats dem Verfahren beigetreten. Er ist der Ansicht, die Unfallaufwendungen seien im Streitfall als Werbungskosten nach § 9 Abs.1 Satz 1 EStG zu berücksichtigen. Er führte hierzu u.a. aus:

Bei einer Umwegfahrt wegen Mitnahme eines Arbeitskollegen werde die berufliche Veranlassung der Fahrt zwischen der Wohnung des Klägers und seiner Arbeitsstätte nicht in einem so bedeutenden Maße unterbrochen, daß die Unfallkosten steuerlich der privaten Lebensführung des Steuerpflichtigen zuzurechnen seien. Die Entwicklung des Kraftfahrzeugs vom Luxusgegenstand zum Gebrauchsgegenstand, die Häufigkeit von Fahrgemeinschaften aller Art, die unter wirtschaftlichen und vor allem energiepolitischen Gründen erwünscht seien, rechtfertigen es, den Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis durch eine Umwegfahrt im Rahmen einer Fahrgemeinschaft nicht als so gelockert anzusehen, daß die Aufwendungen für Unfallschäden keine Werbungskosten mehr seien. Ähnliche Überlegungen hätten den Großen Senat des BFH im Beschluß vom 28.November 1977 GrS 2-3/77 (BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105) dazu geführt, die Kosten eines Verkehrsunfalls selbst dann als Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn der Unfall darauf beruhe, daß der Steuerpflichtige bewußt und leichtfertig gegen Verkehrsvorschriften verstoßen habe. Bei der beruflichen Veranlassung habe der Große Senat auf die ähnliche Problematik und ähnliche Vorschriften in der gesetzlichen Unfallversicherung hingewiesen. Wegen der Regelungen im § 550 Abs.2 Nr.2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und § 31 Abs.2 Nr.1 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) und im Hinblick auf den Gedanken der Einheit der Rechtsordnung sei auch hier die berufliche Veranlassung bei fahrgemeinschaftsbedingten Umwegfahrten zu bejahen. In der erstgenannten Vorschrift habe die gesetzliche Unfallversicherung auch den Umweg eingeschlossen, den der Versicherte wegen der gemeinsamen Benutzung eines Fahrzeugs mit anderen Berufstätigen und versicherten Personen zum Ort der Tätigkeit fahre. Unter diesen Voraussetzungen gelte das Zurücklegen des Umwegs auch nach § 31 Abs.2 Nr.1 BeamtVG als "Dienst".

Nach Abschn.24 Abs.3 Satz 6 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1984 werde deshalb der auf einer Umwegstrecke entstandene Unfallschaden unabhängig von der Gestaltung der Fahrgemeinschaft als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt. Die infolge einer Fahrgemeinschaft entstandenen Unfallkosten würden daher bei allen Arten von Fahrgemeinschaften steuerlich gleichbehandelt. Dieser Gesichtspunkt der steuerlichen Gleichbehandlung der Unfallkosten, der sich aus den Regelungen in der RVO und dem BeamtVG ableite, sei so gewichtig, daß er eine teilweise Abweichung von dem Grundsatz rechtfertige, daß die Unfallkosten regelmäßig das rechtliche Schicksal der Fahrtkosten zu teilen hätten. Es würde sonst die kaum einsehbare Folge eintreten, daß Unfallkosten bei Mitgliedern von abwechselnden Fahrgemeinschaften unabhängig von einem finanziellen Spitzenausgleich abziehbar wären, aber bei einer einseitigen Fahrgemeinschaft gegen Entgelt ebenso wie Mehraufwendungen für den Umweg als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften nach § 22 Nr.3 EStG anzusehen wären mit der Folge, daß sich die Unfallkosten wegen des Ausgleichsverbots in § 22 Nr.3 Satz 3 EStG regelmäßig steuerlich nicht auswirken würden. Bei den weiteren Fallgruppen der einseitigen Fahrgemeinschaft ohne Entgelt oder bei gelegentlicher Mitnahme ohne Entgelt --wie im Streitfall-- wären die Unfallkosten sonst mangels Einkunftserzielungsabsicht bzw. wegen der Gefälligkeitsabrede dem Bereich der privaten Lebensführung zuzuordnen und unterfielen dem Abzugsverbot des § 12 Nr.1 EStG. Das könne nicht Rechtens sein.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Denn das FG hat zu Recht die streitbefangenen Unfallkosten als Aufwendungen der allgemeinen Lebensführung nach § 12 Nr.1 EStG angesehen.

1. Nach § 9 Abs.1 Nr.4 Satz 1 EStG sind Werbungskosten auch Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Diese Kosten werden bei Fahrten mit dem eigenen Kraftfahrzeug nach Satz 2 dieser Vorschrift nur mit den dort genannten Pauschbeträgen als Werbungskosten berücksichtigt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) wird durch diese Pauschbetragsregelung jedoch der Abzug außergewöhnlicher Ausgaben, wie insbesondere der durch einen Verkehrsunfall entstandenen Kosten, nicht ausgeschlossen (vgl. z.B. Urteil vom 14.Juli 1978 VI R 158/76, BFHE 125, 553, BStBl II 1978, 595).

Macht ein Steuerpflichtiger auf der Fahrt zur Arbeitsstätte oder zurück zur Wohnung einen Umweg, so kann ein Unfall auch auf einer solchen Umwegstrecke beruflich veranlaßt sein, wenn sie in einem objektiven Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis steht und von der beruflichen Zielvorstellung des Steuerpflichtigen mitgetragen wird. Es muß also auch bezüglich des Umwegs die Absicht zur Förderung des Berufs bei weitem überwiegen und die Umstände der Lebensführung müssen ganz in den Hintergrund treten. Aufgrund dieser Erwägungen hat der Senat z.B. im Urteil vom 11.Juli 1980 VI R 55/79 (BFHE 131, 67, BStBl II 1980, 655) die Leerfahrt zwecks Abholung des Ehegatten von der Arbeitsstätte unter den dort genannten Voraussetzungen ebenso als beruflich veranlaßt gewürdigt wie im Urteil vom 11.Oktober 1984 VI R 48/81 (BFHE 142, 137, BStBl II 1985, 10) einen zum Betanken des Kraftfahrzeugs gewählten Umweg zum Aufsuchen einer Tankstelle. Er hat in beiden Entscheidungen anerkannt, daß Aufwendungen wegen eines Unfalls auf einer solchen Umwegstrecke Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sein können.

Der Umweg, auf dem am 31.Oktober 1979 der Verkehrsunfall eintrat, war nicht durch die Fahrt des Klägers zur Arbeitsstätte, sondern durch die des Arbeitskollegen zur selben Arbeitsstätte bedingt. Die Wegstrecke stand deshalb nicht in einem objektiven Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis des Klägers, sondern mit dem des Kollegen (vgl. auch v. Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, § 9 EStG Rdnr. B 456). Wie das FG festgestellt hat, war die Umwegfahrt auch nicht deshalb beruflich veranlaßt, weil der Kläger sich hierzu gegenüber seinem Arbeitgeber verpflichtet hatte. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß der Kläger seinen Kollegen aus sonstigen beruflichen Gründen von zu Hause abgeholt und abends heimgebracht hat.

Nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG handelte der Kläger vielmehr aus reiner Gefälligkeit gegenüber seinem Arbeitskollegen. Solche Gefälligkeiten und die hieraus entstehenden Aufwendungen sind dem Bereich der allgemeinen Lebensführung nach § 12 Nr.1 Satz 2 EStG auch dann zuzurechnen, wenn hierdurch das Arbeitsverhältnis berührt wird (vgl. auch zu Gefälligkeitsabreden bei wechselseitigen Fahrgemeinschaften Urteil des Senats vom 24.Januar 1975 VI R 147/72, BFHE 115, 52, BStBl II 1975, 561). Die der Gefälligkeitsabrede zugrunde liegenden Kontakte privater Art kommen im Streitfall besonders deutlich dadurch zum Ausdruck, daß der Kläger bei einer normalen Fahrtstrecke von nur 6 km einen Umweg von 20 km fuhr, um den Arbeitskollegen von B-Y, einem Ort mit ohnehin günstigen öffentlichen Verkehrsverbindungen in die Innenstadt von B, abzuholen.

Ist die Umwegstrecke aber --wie im Streitfall-- nicht beruflich veranlaßt, so können Aufwendungen wegen eines Verkehrsunfalls auf der Umwegstrecke nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden. Sie teilen vielmehr das rechtliche Schicksal der Fahrtkosten (vgl. Urteil in BFHE 142, 137, BStBl II 1985, 10), die hier in gleicher Weise wie die Unfallaufwendungen den allgemeinen Lebenshaltungskosten nach § 12 Nr.1 EStG zuzurechnen sind.

Ob von den gleichen Grundsätzen auch bei einer sogenannten wechselseitigen Fahrgemeinschaft auszugehen ist, kann im Streitfall dahingestellt bleiben.

2. Entgegen der Ansicht des BMF kann steuerlich nicht deshalb etwas anderes gelten, weil Unfälle auf Umwegstrecken, die wie hier durch eine Fahrgemeinschaft bedingt sind, als Wegeunfall im Sinne des § 550 Abs.2 Nr.2 RVO und als Dienstunfall im Sinne des § 31 Abs.2 Nr.1 BeamtVG gelten.

Nach § 550 Abs.1 RVO besteht ein gesetzlicher Versicherungsschutz auch bei einem sog. Wegeunfall. Dieser gilt als "Arbeitsunfall", wenn er auf einem mit einer in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit eingetreten ist. Nach Abs.2 Nr.2 dieser Vorschrift wird der Versicherungsschutz nicht ausgeschlossen, wenn der Versicherte von dem unmittelbaren Weg zwischen der Wohnung und dem Ort der Tätigkeit abweicht, weil er mit anderen berufstätigen oder versicherten Personen gemeinsam ein Fahrzeug für den Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit benutzt.

Die letztgenannte Vorschrift beruht auf dem 17.Rentenanpassungsgesetz (17.RAG) vom 1.April 1974 (BGBl I 1974, 821) und wurde gerade im Hinblick auf Fahrgemeinschaften von Arbeitskollegen geschaffen. Nach dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 4.Februar 1974 (BTDrucks 7/1642, S.4) ist bei der Regelung zwar in erster Linie an regelmäßige Fahrgemeinschaften gedacht worden. Der Gesetzgeber wollte jedoch den Versicherungsschutz bei gelegentlicher Mitnahme von versicherten oder berufstätigen Personen nicht ausschließen. Die Vorschrift des § 550 Abs.2 Nr.2 RVO wurde geschaffen, weil nach der bis zum 31.Dezember 1973 gültigen Rechtslage Umwege, die ein Beschäftigter zurücklegte, um einen Arbeitskollegen von oder nach dem Ort der Tätigkeit mitzunehmen, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nur dann unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fielen, wenn die Fahrgemeinschaft vom Betrieb geregelt oder wenigstens erwünscht war (vgl. Gitter in Dersch/Knoll/Brockhoff/Schieckel/Schröter/Völker, Reichsversicherungsordnung --Gesamtkommentar--, § 550 Anm.13).

Entsprechende Bestimmungen enthält § 31 BeamtVG. Nach Abs.1 dieser Vorschrift ist ein für die Beamtenversorgung maßgebender Dienstunfall ein dort näher bestimmtes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des "Dienstes" eingetreten ist. Als "Dienst" gilt nach Abs.2 Nr.1 dieser Vorschrift auch das Zurücklegen des mit dem Dienst zusammenhängenden Weges nach und von der Dienststelle, wobei der Zusammenhang mit dem Dienst als nicht unterbrochen gilt, wenn der Beamte von dem unmittelbaren Weg zwischen der Wohnung und der Dienststelle in vertretbarem Umfang abweicht, weil er mit anderen Berufstätigen oder in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Personen gemeinsam ein Fahrzeug für den Weg nach und von der Dienststelle benutzt. Diese Bestimmung wurde dem § 550 Abs.2 Nr.2 RVO nachgebildet (vgl. Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Kommentar zum Beamtenversorgungsgesetz, § 31 Erl.13).

Diese Vorschriften veranlassen den Senat auch im Hinblick auf den von den Klägern und vom BMF geäußerten Gedanken der Einheit der Rechtsordnung nicht zu einer anderen steuerrechtlichen Würdigung der Pkw-Unfallkosten. Der BFH hat zwar wiederholt bei der steuerrechtlichen Würdigung eines Sachverhalts auch deren Beurteilung auf anderen Rechtsgebieten mit herangezogen. Der BMF weist in diesem Zusammenhang zu Recht auf die Entscheidung des BFH in BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105 hin, wo der Große Senat unter anderem zur Beurteilung der Frage, ob Kosten eines Unfalls steuerlich berücksichtigt werden können, auch § 550 RVO in der Fassung des Gesetzes vom 30.April 1963 (BGBl I 1963, 241) und die hierzu ergangene Literatur und Rechtsprechung des BSG mit herangezogen hat. In gleicher Weise hat der erkennende Senat z.B. im Urteil vom 18.Dezember 1981 VI R 201/78 (BFHE 135, 70, BStBl II 1982, 261) auf die Rechtsprechung des BSG bei der Entscheidung der Frage Bezug genommen, ob Unfallkosten als Werbungskosten abziehbar sind, wenn ein Arbeitnehmer auf der Fahrt mit dem eigenen Pkw von einer Baustelle, auf der er beschäftigt ist und bei der die Möglichkeit der Einnahme warmer Mahlzeiten fehlt, zu einer nahegelegenen und zumutbaren Gaststätte einen Unfall erleidet.

Der BFH muß jedoch Normen des Steuerrechts in erster Linie aus sich heraus auslegen und anwenden. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Zielsetzungen der RVO und des BeamtVG kann er Vorschriften auf diesen Rechtsgebieten bei der Entscheidung steuerrechtlicher Fragen mithin nur ergänzend heranziehen, soweit dies dem System der maßgeblichen steuerrechtlichen Normen nicht widerspricht. Dies wäre hier jedoch bezüglich der steuerlichen Beurteilung der Kosten eines Verkehrsunfalls auf einem aus Gefälligkeit gegenüber einem Arbeitskollegen eingeschlagenen Umweg der Fall, da § 9 EStG keine dem § 550 Abs.2 Nr.2 RVO, § 31 Abs.2 Nr.1 BeamtVG entsprechende Ausnahmeregelung enthält. Das BSG hat sich vor der Neuregelung des § 550 Abs.2 Nr.2 RVO durch das 17.RAG ebenfalls nicht in der Lage gesehen, derartige Unfälle ohne Vorliegen einer konkreten betrieblichen Veranlassung für einen solchen Umweg dem gesetzlichen Versicherungsschutz zu unterwerfen. Der erkennende Senat kann dies ohne eine entsprechende Änderung des § 9 EStG bezüglich des Abzugs von Unfallkosten als Werbungskosten ebenfalls nicht tun. Er muß es der Entscheidung des Gesetzgebers überlassen, ob dieser eine dem § 550 Abs.2 Nr.2 RVO, § 31 Abs.2 Nr.1 BeamtVG entsprechende Regelung auch für das Gebiet der Werbungskosten einführen will. Die Notwendigkeit, solche Fragen für das Gebiet des Arbeitsunfalls und des Dienstunfalls zu regeln, war für den Gesetzgeber jedenfalls größer als bei der Berücksichtigung von Unfallkosten als Werbungskosten, weil von der Regelung im § 550 Abs.2 Nr.2 RVO und § 31 Abs.2 Nr.1 BeamtVG für viele vom Unfall Betroffenen die Gewährung einer lebenslänglichen Renten- bzw. Beamtenversorgung abhängen kann.

Im übrigen wäre der Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung gerade zur Entscheidung des Streitfalls, in dem der Kläger anstelle einer Fahrtstrecke von 6 km einen Umweg von 20 km fuhr, wenig geeignet. Während es nämlich nach der zu § 550 Abs.2 Nr.2 RVO ergangenen Rechtsprechung des BSG nicht darauf ankommt, wie groß der durch die Fahrgemeinschaft zurückgelegte Umweg ist und in welchem Verhältnis dieser Umweg zu der vom Kläger sonst zurückzulegenden Strecke gewesen wäre (vgl. z.B. BSG-Urteil vom 28.Juni 1984 2 RU 13/83, Sozialrecht, Gruppe 2000, Sozialversicherung 2200 --RVO--, § 550, Entscheidung Nr.64), besteht entsprechend dem etwas abweichenden Wortlaut des § 31 Abs.2 Nr.1 BeamtVG nach dem Kommentar von Stegmüller/Schmalhofer/Bauer (a.a.O., Erl.13 zu § 31) ein beamtenrechtlicher Versorgungsanspruch nur dann, wenn der Umweg in einem angemessenen Verhältnis zum unmittelbaren Weg zur Dienststelle steht. Gerade dies könnte im Streitfall zweifelhaft sein.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61170

BStBl II 1987, 275

BFHE 148, 310

BFHE 1987, 310

BB 1987, 252

BB 1987, 252-253 (ST)

DB 1987, 308-309 (ST)

DStZ 1987, 414-416 (ST)

HFR 1987, 186-187 (ST)

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