Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerblicher Grundstückshandel; Beteiligtenfähigkeit einer GbR

 

Leitsatz (NV)

  1. Für eine Klage gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid ist eine GbR nicht klagebefugt, wenn sie bereits vor Klageerhebung vollbeendet war.
  2. Auch bei Veräußerung von weniger als 4 Objekten kann ein gewerblicher Grundstückshandel anzunehmen sein, wenn die besonderen Umstände des Einzelfalls den Schluss auf eine die private Vermögensverwaltung überschreitende (gewerbliche) Betätigung zulassen (Anschluss an BFH-Beschluss GrS 1/98 in BStBl II 2002, 291).
 

Normenkette

FGO § 57; EStG § 15 Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG Mecklenburg-Vorpommern (EFG 1998, 1685)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ―die A-KG (KG)― wurde am … März 1992 gegründet. An ihr war als Komplementärin Frau A (Einlage 99 000 DM) sowie als Kommanditistin Frau B (Einlage 1 000 DM) beteiligt. Gegenstand des Unternehmens war der Erwerb von Grundstücken, die Errichtung von Gebäuden und deren Verwaltung (§ 2 des Gesellschaftsvertrags).

Mit notariellem Kaufvertrag vom 7. April 1992 erwarb die Klägerin von der Gemeinde Z eine 7 000 qm große Teilfläche der Flurstücke X und Y. Sie verpflichtete sich, auf diesem Grundstück bis zum 31. Mai 1994 ein Betriebsgebäude entsprechend Anlage 2 zum Kaufvertrag zu errichten, das entweder von der Klägerin selbst oder von der A-GmbH, deren alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer Herr A ―der Ehemann von Frau A― war, dauernd für gewerbliche Zwecke genutzt werden musste. Die Anlage enthält den Grundriss für ein Betriebsgebäude zur Aufnahme eines Estrichherstellungs- und Bodenverlegeunternehmens, verbunden mit der Erläuterung, dass die Planung noch nicht rechtsverbindlich sei und es noch ausführlicher Gespräche mit dem Architekten sowie evtl. der Baugenehmigungsbehörde bedürfe.

Zur Finanzierung von Grundstück und Gebäude (insgesamt rd. … DM) hat die KG ein öffentlich gefördertes und von der A-GmbH besichertes Darlehen über … DM aufgenommen. Mit der Gebäudeerrichtung wurde ein Generalunternehmen (X-GmbH) beauftragt. Bei den Vergabegesprächen wurde die Klägerin von Herrn A vertreten. Bereits mit Schreiben vom 20. Februar 1992 hatte der frühere Prozessbevollmächtigte die Fördermöglichkeiten für die Gebäudeerrichtung sowie deren steuerliche Behandlung gegenüber der A-GmbH (Herrn A) dargelegt und hierbei nicht nur die "Variante 1" (Investition durch die A-GmbH) erörtert, sondern auch darauf hingewiesen, dass im Falle der Anschaffung/Herstellung durch Frau A sowie der Veräußerung an die A-GmbH bis Ende 1994 Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz (FördG) sowohl von der Verkäuferin als auch der Käuferin in Anspruch genommen werden könnten ("Variante 2").

Das am 1. April 1993 fertiggestellte Gebäude wurde zum weit überwiegenden Teil zunächst an die A-GmbH bis 31. Dezember 1999 vermietet und im Dezember 1994 an die Mieterin zum Kaufpreis von … DM (inkl. Umsatzsteuer) veräußert.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) folgte zunächst den Erklärungen der KG und erließ unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 der AbgabenordnungAO 1977―) für die Jahre 1992 und 1993 Bescheide zur Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Im Anschluss an eine ―nach Mitteilung der Liquidation der A-KG durchgeführte― Betriebsprüfung (April 1996) änderte das FA seine Auffassung und stellte mit Bescheiden vom 9. Oktober 1996 für die Jahre 1992 bis 1994 Einkünfte aus Gewerbebetrieb fest. Hierbei erfasste es im Jahre 1994 einen Gewinn aus dem Grundstücksverkauf in Höhe von rd. … DM.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1998, 1685).

Mit der vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision beantragt die Klägerin sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz, die Gewinnfeststellungsbescheide 1992 bis 1994 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Streitjahr 1992 in Höhe von … DM, für das Streitjahr 1993 in Höhe von … DM sowie für das Streitjahr 1994 in Höhe von … DM festzustellen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Das Urteil der Vorinstanz ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).

1. Der erkennende Senat kann aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des FG nicht beurteilen, ob ―was in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen ist― die Klägerin im Zeitpunkt der Erhebung der Klage beteiligtenfähig war (§ 57 FGO).

a) Hieran bestehen deshalb erhebliche Zweifel, weil ―wie dem vorinstanzlichen Urteil zu entnehmen― dem FA bereits vor Durchführung der Betriebsprüfung (April 1996) die Liquidation der A-KG mitgeteilt wurde. Sofern hiermit die Vollbeendigung der KG (vgl. hierzu Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 12. Dezember 1995 VIII R 59/92, BFHE 179, 335, BStBl II 1996, 219) vor Klageerhebung (17. Mai 1997) verbunden war, wäre die Klage durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen. Eine Auslegung (oder Umdeutung) der Klage als eine solche der ehemaligen Komplementärin (Frau A) käme nicht in Betracht, da die A-KG von einem Angehörigen der steuer- und rechtsberatenden Berufe vertreten wurde und sowohl der Klageschrift als auch der erteilten Prozessvollmacht zweifelsfrei zu entnehmen ist, dass die Klage für die KG erhoben werden sollte (vgl. zu allem Senatsurteil vom 28. März 2000 VIII R 6/99, BFH/NV 2000, 1074, m.w.N.).

b) Der Senat sieht davon ab, den Sachverhalt im Hinblick auf die Beteiligtenfähigkeit der A-KG zu ermitteln (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 18. Dezember 1986 I R 49/83, BFHE 149, 104, BStBl II 1987, 408, zu Abschn. 3.6.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 118 Rz. 45, m.w.N.). Dies ist im Streitfall nicht angezeigt, weil auch dann, wenn über die Klage nicht durch Prozessurteil zu entscheiden sein sollte, die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage danach, ob die Klägerin einen Gewerbebetrieb unterhalten hat, auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz in der Revisionsinstanz nicht abschließend beurteilt werden könnte.

2. Zu Letzterem bemerkt der Senat ohne Bindungswirkung für den zweiten Rechtsgang:

a) Den materiellen Ausführungen des FG kann insoweit nicht beigepflichtet werden, als es mit der Handelsregistereintragung der A-KG die Vermutung für das Vorliegen eines steuerrechtlichen Gewerbebetriebs verbunden hat (vgl. dazu u.a. BFH-Urteil vom 6. Oktober 1977 IV R 176/74, BFHE 123, 470, BStBl II 1978, 54). Die Vorinstanz hat hierbei nicht nur außer Acht gelassen, dass Gegenstand des Unternehmens der KG nach § 2 des Gesellschaftsvertrags nicht die Veräußerung unbebauter oder von ihr bebauter Grundstücke, sondern lediglich der Grundstückserwerb, die Errichtung von Gebäuden und deren Verwaltung war (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 10. April 1986 IV R 200/83, BFH/NV 1988, 154). Das FG hat vor allem unberücksichtigt gelassen, dass dem Handelsrecht nach den §§ 1, 2 des Handelsgesetzbuches i.d.F. vor In-Kraft-Treten des Handelsrechtsreformgesetzes vom 22. Juni 1998 ―HGB a.F.― (BGBl I 1998, 1474) eine allgemeine Abgrenzung des Gewerbebetriebs von der Vermögensverwaltung fremd und demgemäß ein Handelsgewerbe i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 HGB a.F. anzunehmen war, wenn die Vermögensverwaltung berufsmäßig ausgeübt wurde und einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb verlangte, während dies ―wie nachfolgend dargelegt― für die Begründung eines Gewerbebetriebs i.S. des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht ausreichend ist (BFH-Urteile vom 12. März 1964 IV 136/61 S, BFHE 79, 366, BStBl III 1964, 364; in BFH/NV 1988, 154; zur umstr. Rechtslage nach §§ 1, 2, 105 Abs. 2 HGB n.F. vgl. Kindler in Ebenroth/Boujong/Joost, Handelsgesetzbuch, Bd. 1, 2001, § 1 Rz. 31 ff., sowie Boujong, § 105 Rz. 20 ff.; Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 30. Aufl., § 1 Rdnr. 13, § 105 Rdnr. 13).

b) Nach § 15 Abs. 2 EStG ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Darüber hinaus hat die Rechtsprechung das negative Erfordernis aufgestellt, dass es sich bei der Tätigkeit nicht um private Vermögensverwaltung handeln darf. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH wird die Grenze von der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Grundbesitz im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund tritt (Beschluss des Großen Senats vom 3. Juli 1995 GrS 1/93, BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617). Die zur Konkretisierung dieser Unterscheidung eingeführte sog. Drei-Objekt-Grenze ist als gewichtiges Indiz grundsätzlich unabhängig davon zu beachten, ob der Steuerpflichtige die veräußerten Objekte lediglich angeschafft oder ob er sie errichtet hat (Beschluss des Großen Senats vom 10. Dezember 2001 GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C. III. 3.). Der Große Senat ist somit den Erwägungen des BFH-Urteils vom 24. Januar 1996 X R 255/93 (BFHE 180, 51, BStBl II 1996, 303), auf das sich auch das vorinstanzliche Urteil stützte, nicht gefolgt.

c) Andererseits hat der Große Senat (in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, Abschn. C. III. 5.) entschieden, dass auch bei der Veräußerung von weniger als 4 Objekten, d.h. unabhängig von der Anzahl der Verkäufe, die besonderen Umstände des Einzelfalls den Schluss auf eine die private Vermögensverwaltung überschreitende gewerbliche Betätigung zulassen können. Anzeichen dieser Art liegen beispielsweise vor, wenn das erworbene Grundstück vor seiner Bebauung veräußert oder von vornherein auf Rechnung des Erwerbers oder nach dessen Wünschen bebaut wird. Demgemäß wird das FG ―sollte eine Sachentscheidung zu treffen sein― im zweiten Rechtsgang insbesondere der Frage nachzugehen haben, ob und in welchem Umfang die A-GmbH, deren Geschäftsführer jedenfalls bei Vergabe des Generalunternehmervertrags für die A-KG auftrat, auf die Gebäudegestaltung Einfluss nahm.

d) Soweit hiernach eine gewerbliche Betätigung der Klägerin nicht an das Überschreiten der Drei-Objekt-Grenze gebunden ist, bedarf es zum einen im Streitfall keiner Entscheidung dazu, ob Gleiches auch im Falle der Errichtung und Veräußerung eines sog. Großobjekts gilt und ob das von der KG erstellte Betriebsgebäude als ein solches (Groß-)Objekt qualifiziert werden könnte (vgl. zum Diskussionsstand Kempermann, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 2002, 785, 788).

e) Das Vorliegen eines der zu Abschn. II. 2. c der Entscheidungsgründe genannten "besonderen Umstände" hätte für den Streitfall zum anderen zur Folge, dass die Klage ―ihre Zulässigkeit unterstellt― als unbegründet abzuweisen wäre. Denn nach dem gegenwärtigen Sachstand bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen, dass das FG die weiteren Merkmale des Gewerbebetriebs als erfüllt angesehen hat. Dies betrifft nicht nur die tatsächliche Würdigung der Vorinstanz, die A-KG habe angesichts des ihr vor dem Grundstückserwerb unterbreiteten steuerlichen "Konzepts" sowie aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs von Gebäudeerrichtung und Verkauf in zumindest bedingter Veräußerungsabsicht gehandelt, sowie die Annahme des FG, die Klägerin habe am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 15. Dezember 1999 I R 16/99, BFHE 191, 45, BStBl II 2000, 404; bestätigt durch den Beschluss des Großen Senats in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C. I.). Zudem ist die Klägerin auch nachhaltig tätig geworden. Der Große Senat (in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, Abschn. C. III. 5. a.E.) hat hierzu ausgeführt, dass in den Fällen, in denen die genannten "besonderen Umstände" ein Unterschreiten der Drei-Objekt-Grenze rechtfertigten, das Merkmal der Nachhaltigkeit (§ 15 Abs. 2 Satz 1 EStG) der Annahme eines gewerblichen Grundstückshandels nicht entgegenstehe und die Drei-Objekt-Grenze somit auch keine Mindestgrenze für das Tatbestandsmerkmal der Nachhaltigkeit begründe. Dementsprechend neigt der erkennende Senat zwar dazu, die Vertragsleistungen des Generalunternehmers (vgl. Locher, Privates Baurecht, 6. Aufl., Rz. 389 f.) dem Auftraggeber (hier: KG) auch für die Prüfung der Nachhaltigkeit jeweils gesondert (d.h. als eine Vielzahl wirtschaftlicher Einzelaktivitäten) zuzurechnen (vgl. hierzu BFH-Entscheidungen vom 14. November 1972 VIII R 71/72, BFHE 107, 501, BStBl II 1973, 239; vom 6. Februar 1986 IV R 133/85, BFHE 146, 244, BStBl II 1986, 666; vom 12. Februar 1990 X B 124/88, BFH/NV 1990, 640; vom 20. September 1995 X R 34-35/93, BFH/NV 1996, 302). Auch diese Frage bedarf jedoch mutmaßlich im zweiten Rechtsgang keiner abschließenden Erörterung, da eine nachhaltige Tätigkeit im Zusammenhang mit der Errichtung des veräußerten Gebäudes jedenfalls dann anzunehmen wäre, wenn ―wovon nach den finanzgerichtlichen Akten auszugehen ist―, die KG (ggf. vertreten durch Herrn A) nicht nur für die Finanzierung der Gesamtinvestition gesorgt, sondern zudem den Generalunternehmervertrag durch eigene detaillierte Bauplanungen sowie entsprechend spezifizierte Vorgaben inhaltlich weitgehend bestimmt hätte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 921383

BFH/NV 2003, 742

DStRE 2003, 917

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