Leitsatz (amtlich)

Zur Geltendmachung von Aufwendungen eines Arbeitnehmers zur Beseitigung von Schäden, die durch einen Unfall während einer beruflich veranlaßten Fahrt mit dem eigenen Kraftfahrzeug des Arbeitnehmers entstanden sind, als Werbungskosten, wenn während dieser Fahrt eine dritte Person das Kraftfahrzeug gefahren hat.

 

Normenkette

EStG § 9

 

Tatbestand

Der Revisionskläger (Steuerpflichtiger) erlitt im Mai 1965 mit seinem PKW auf der Fahrt von der Wohnung zur Arbeitsstätte einen Unfall. Der Unfall wurde dadurch verursacht, daß die Ehefrau des Steuerpflichtigen, die den PKW steuerte, die Vorfahrt nicht beachtete. Die Ehefrau ist deswegen vom Amtsgericht zu einer Geldstrafe von 80 DM verurteilt worden. Bei dem Unfall wurde der PKW des Steuerpflichtigen total beschädigt.

Das FA lehnte es ab, den Verlust des PKW als Werbungskosten anzuerkennen. Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Das FG ging von dem Urteil des erkennenden Senats VI 79/60 S vom 2. März 1962 (BFH 74, 513, BStBl III 1962, 192) aus, nach dem bei einem Totalschaden bei einem Kraftfahrzeug der Wertverlust zu den Werbungskosten gehört, soweit der Arbeitnehmer nicht von dritter Seite Ersatz erhält. Es führte aus, es sei allerdings bedenklich, daß nach den Ausführungen in diesem Urteil den Finanzbehörden und den Steuergerichten eine Prüfungspflicht auferlegt werde, ob der Kraftfahrzeuglenker den Unfall grob fahrlässig oder nur leicht fahrlässig verursacht habe. Eine solche Unterscheidung werde im Strafrecht nicht gemacht. Die Finanzbehörden und Steuergerichte seien daher in vielen Fällen überfordert, wenn ihnen auferlegt werde, eine solche Unterscheidung zu treffen. Es wäre daher sinnvoller, an das Vorgehen der zur Ahndung von Verkehrsdelikten berufenen Stellen anzuschließen und den Abzug der Unfallkosten stets zu versagen, wenn eine gerichtliche Bestrafung durch Strafbefehl oder Urteil erfolgt sei, ihn aber immer zuzulassen, wenn hinsichtlich des betreffenden Unfalls lediglich eine polizeiliche Verwarnung oder überhaupt keine Maßnahme erfolgt sei. Unter diesem Gesichtspunkt beständen im vorliegenden Fall keine Bedenken gegen die Annahme einer groben Fahrlässigkeit, da die Ehefrau des Steuerpflichtigen gerichtlich mit einer Geldstrafe von 80 DM belegt worden sei. Aber auch wenn man davon ausgehe, das FG habe das Vorliegen einer groben Fahrlässigkeit selbst zu prüfen, so sei diese hier zu bejahen. Eine Vorfahrtsverletzung sei ein so schwerwiegender Verstoß gegen die Verkehrsbestimmungen, daß sie immer als grobe Fahrlässigkeit zu werten sei. Dem Vorbringen des Steuerpflichtigen, infolge der in den letzten Jahren erheblich gestiegenen Verkehrsdichte sei die Nichtbeachtung des Vorfahrtsrechts nicht als grobe Fahrlässigkeit zu werten, könne nicht gefolgt werden. Gerade die Tatsache der gesteigerten Verkehrsdichte lasse vielmehr eine peinliche Beobachtung der Vorfahrtsbestimmungen dringender geboten erscheinen denn je. Die Anforderungen an die Sorgfalt des Kraftfahrers seien in dieser Hinsicht durch den stärker gewordenen Verkehr besonders gesteigert.

Nach Zulassung der Revision auf die Beschwerde des Steuerpflichtigen legte der Steuerpflichtige Revision ein. Er rügte die Verletzung der §§ 9 und 19 EStG und beantragte, das FA zu verurteilen, einen berichtigten Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich 1965 zu erteilen, in dem der Wertverlust als Werbungskosten berücksichtigt werde, weil der Unfall dem Bereich der Einkünfte zuzurechnen sei und auch der Tatbestand der groben Fahrlässigkeit in seinem Fall nicht anzunehmen sei. Er beantragte ferner zu erkennen, daß für das Vorverfahren die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Er ist der Ansicht, der Verlust des PKW auf einer Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte müsse in jedem Fall ohne Rücksicht auf die von dem Arbeitnehmer zur Zeit des Unfalls beobachtete Sorgfalt zu den Werbungskosten gerechnet werden. Aber auch wenn in dieser Hinsicht Unterscheidungen zu treffen seien, müßten diese nach leicht abgrenzbaren Gesichtspunkten getroffen werden. Die Würdigung des FA sei in jedem Falle zu beanstanden. Das FG habe grobe Fahrlässigkeit deswegen angenommen, weil eine Strafe in Höhe von 80 DM verhängt worden sei und nicht nach den Umständen, die zu dem Unfall geführt hätten. Für eine Bestrafung mit einer Geldstrafe genüge nach § 3150 Abs. 3 StGB aber leichte Fahrlässigkeit.

Das FA beantragt Zurückverweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist begründet.

Der erkennende Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß die Kosten für die Beseitigung von Schäden an dem Kraftfahrzeug eines Arbeitnehmers, die auf einer Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entstanden sind, und ebenso der durch den Totalverlust des Fahrzeugs entstandene Schaden Werbungskosten sein können (Urteile des BFH VI 79/60 S, a. a. O.; VI 75/63 vom 28. August 1964, HFR 1965, 21; VI R 113/66 vom 21. Februar 1969, BFH 95, 104, BStBl II 1969, 316, und VI R 182/67 vom 22. November 1968, BFH 94, 325, BStBl II 1969, 160). Diese Entscheidung beruht auf dem Gedanken, daß durch die Benutzung des Kraftfahrzeugs für Fahrten der bezeichneten Art der für die Anerkennung von Werbungskosten erforderliche Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis hergestellt ist. Wie in dem Urteil VI R 254/68 vom 16. Februar 1970 (BFH 99, 300, BStBl II 1970, 662) ausgeführt, kann aber der Zusammenhang dadurch unterbrochen sein, daß der Unfall auf einem Verhalten des Arbeitnehmers beruht, das mit dem Arbeitsverhältnis nichts zu tun hat. Hat eine dritte Person das Kraftfahrzeug gefahren, so kann es sein, daß schon aus diesem Grunde - von der Frage des Schadensersatzanspruchs ganz abgesehen - der Zusammenhang der Fahrt mit dem Dienstverhältnis derart in den Hintergrund tritt, daß eine Berücksichtigung von Unfallkosten ausscheidet. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn ein Angehöriger des Arbeitnehmers das Kraftfahrzeug gefahren hat und hierfür Gründe vorliegen, die mit der dienstlichen Veranlassung nichts zu tun haben. So wird der Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis zwar z. B. zu bejahen sein, wenn der Arbeitnehmer wegen einer Krankheit oder einer Verletzung (z. B. Augenverletzung) das Kraftfahrzeug nicht fahren konnte. Ein Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis scheidet aber z. B. aus, wenn der Angehörige das Kraftfahrzeug allein deshalb gefahren hat, weil er das Kraftfahrzeug aus mit dem Arbeitsverhältnis nicht zusammenhängenden Gründen benutzen wollte (z. B. zu einer Einkaufsfahrt) und der Arbeitnehmer nur deswegen mitgenommen wurde, weil der Weg ohnehin über die Arbeitsstätte führte.

Das FG hat die Frage, welche Bedeutung der Tatsache zukommt, daß die Ehefrau des Steuerpflichtigen das Kraftfahrzeug gesteuert hat, überhaupt nicht untersucht. Das angefochtene Urteil war danach aufzuheben. Die Sache war, weil nicht spruchreif, zur nochmaligen Prüfung an das FG zurückzuverweisen.

Das FG wird nunmehr zu untersuchen haben, aus welchen Gründen die Ehefrau des Steuerpflichtigen den PKW des Steuerpflichtigen auf dem Weg zur Arbeitsstätte gefahren hat. Liegen hierfür anzuerkennende Gründe im Sinne der vorstehenden Ausführungen nicht vor, so scheidet eine Berücksichtigung des Unfallschadens als Werbungskosten von vornherein aus.

Sind dagegen anzuerkennende Gründe anzunehmen, so hat das FG zu prüfen, ob nach der Rechtsprechung des Senats eine Berücksichtigung des Unfallschadens als Werbungskosten in Betracht kommen kann. Hierzu wird - sieht man zunächst einmal davon ab, daß nicht der Steuerpflichtige, sondern dessen Ehefrau den Wagen gefahren hat - auf das bereits angeführte Urteil VI R 254/68 vom 16. Februar 1970 verwiesen. Danach sind Aufwendungen eines Arbeitnehmers zur Beseitigung von Schäden, die durch einen Unfall während einer beruflich veranlaßten Fahrt mit dem eigenen PKW entstanden sind, vom Abzug als Werbungskosten jedenfalls dann nicht ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer den Unfall durch einen nur leicht fahrlässigen Verstoß gegen Verkehrsvorschriften verursacht hat. Darauf, ob der Arbeitnehmer wegen des Unfalls bestraft worden ist oder nicht, kommt es entgegen der Ansicht des FG nicht an. Das FG wird also den Unfallhergang prüfen und hiernach entscheiden müssen, ob ein Grund für den Ausschluß der Berücksichtigung des Unfallschadens als Werbungskosten vorliegt oder nicht. Eine Vorfahrtverletzung braucht nicht in jedem Fall ein Verstoß zu sein, der den Werbungskostenabzug ausschließt. Es kann allerdings auch der Ansicht des Steuerpflichtigen, infolge der in den letzten Jahren erheblich gestiegenen Verkehrsdichte sei die Nichtbeachtung der Vorfahrt stets nur als leichte Fahrlässigkeit zu werten, nicht beigepflichtet werden, die Annahme eines schwereren Verstoßes (bewußt grob fahrlässiges Verhalten) scheidet bei einer Vorfahrtverletzung nicht schon von vornherein aus.

Ähnlich wie bei einer Unfallverursachung durch Dritte kann nun allerdings auch in Fällen der vorliegenden Art aus dem Verschulden der Ehefrau zunächst nichts gegen die berufliche Veranlassung des Unfalls des Steuerpflichtigen hergeleitet werden. Trifft den Steuerpflichtigen nicht etwa schon ein Verschulden bei der Auswahl, so kann es durchaus so liegen, daß der durch die Ehefrau verschuldete Unfall für den Steuerpflichtigen ein beruflich veranlaßter Unfall ist und bleibt, auch wenn die berufliche Veranlassung, hätte der Steuerpflichtige unter den gleichen Umständen den Unfall selbst verschuldet, zu verneinen wäre. Es bestünden dann zwar keine Bedenken gegen die Geltendmachung des Schadens als Werbungskosten. Zu prüfen wäre aber, ob dem Steuerpflichtigen nicht ein Schadensersatzanspruch zusteht und dieser nur deswegen nicht erhoben wird, weil er gegen die Ehefrau gerichtet ist. Würde aus rein persönlichen Gründen von der Erhebung des Schadensersatzanspruchs abgesehen, so würde das - nicht anders, als wenn der Steuerpflichtige tatsächlich Schadensersatz erhalten hätte - der Berücksichtigung des durch den Anspruch gedeckten Schadens als Werbungskosten entgegenstehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69129

BStBl II 1970, 765

BFHE 1971, 44

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