Entscheidungsstichwort (Thema)

Eigengesellschaften öffentlich-rechtlicher Körperschaften

 

Leitsatz (amtlich)

Die Zusammenfassung unterschiedlicher Betriebe gewerblicher Art einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft in der Organisationsform einer Kapitalgesellschaft ist grundsätzlich als zulässige Handlungsform anzuerkennen.

 

Normenkette

KStG 1995 §§ 4, 8 Abs. 3 S. 2; AO 1977 § 42; KStR 1995 Abschn. 5 Abs. 11a, 9

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG (Entscheidung vom 20.11.2001; Aktenzeichen 6 K 81/98; EFG 2002, 727)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, ist 1993 durch Umwandlung des Regiebetriebes "Parkhaus" der Stadt W errichtet worden. Unternehmensgegenstand war im Streitjahr 1996 die Errichtung, der Erwerb und der Betrieb von wirtschaftlichen Unternehmen im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge, insbesondere Einrichtungen des ruhenden Verkehrs, Sport- und Freizeiteinrichtungen und der Betrieb von Ver- und Entsorgungseinrichtungen für die Stadt W, sowie der Erwerb und die Verwaltung von Beteiligungen. Zum Betriebsvermögen der Klägerin gehörte eine Beteiligung von 74 % an der Stadtwerke W GmbH und eine weitere von 10,4 % an der Kraftverkehrsgesellschaft mbH B. Alleinige Gesellschafterin der Klägerin war die Stadt W. Mit Wirkung vom 1. Januar 1996 brachte diese ihren bisher als Eigenbetrieb geführten Bäderbetrieb in die Klägerin ein. Der darauf von der Klägerin erklärte Jahresüberschuss (von ./. 2 089 000 DM) setzte sich im Streitjahr 1996 wie folgt zusammen:

Bäderbetrieb

./. 2 100 000 DM.

Parkhaus

./. 200 000 DM,

Beteiligungserträge

211 000 DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA― ) rechnete dem von der Klägerin so erklärten Jahresfehlbetrag den Verlustanteil aus dem Bäderbetrieb wieder hinzu und setzte deren Körperschaftsteuer 1996 entsprechend fest. Die Zusammenfassung der verschiedenen Eigenbetriebe der Stadt im Betriebsvermögen der Klägerin verstoße gegen Abschn. 5 Abs. 11 a i.V.m. Abs. 9 der Körperschaftsteuer-Richtlinien 1995 (KStR 1995) und sei somit als Gestaltungsmissbrauch anzusehen.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, das FA habe bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens der Klägerin den auf den Bäderbetrieb entfallenden (negativen) Anteil an den Einkünften zu Unrecht ausgeschieden.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung von § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) i.V.m. Abschn. 5 Abs. 11 a KStR 1995. Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).

Zwar hat das FG zu Recht das Vorliegen eines Gestaltungsmissbrauchs i.S. des § 42 AO 1977 verneint. Es hat indessen nicht geprüft, ob im Streitfall die Voraussetzungen für die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) vorliegen.

1. a) Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Von einer Umgehung ist auszugehen, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die ―gemessen an dem erstrebten Ziel― unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 29. November 1982 GrS 1/81, BFHE 137, 433, BStBl II 1983, 272; BFH-Urteil vom 18. Juli 2001 I R 48/97, BFHE 196, 128, m.w.N.). Eine rechtliche Gestaltung ist unangemessen, wenn der Steuerpflichtige nicht die vom Gesetzgeber vorgegebene typische Gestaltung zur Erreichung bestimmter wirtschaftlicher Ziele gebraucht, sondern hierfür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel, Steuern zu sparen, nicht erreichbar sein soll (BFH-Urteile vom 16. Januar 1992 V R 1/91, BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541; in BFHE 196, 128, m.w.N.). Dies tritt insbesondere zutage, wenn die Rechtsgestaltung keinem wirtschaftlichen Zweck dient (Senatsurteil vom 19. August 1999 I R 77/96, BFHE 189, 342, BStBl II 2001, 43; BFH-Urteil vom 17. Januar 1991 IV R 132/85, BFHE 163, 449, BStBl II 1991, 607). Dient die Gestaltung hingegen wirtschaftlichen Zwecken, darf das Verhalten der Beteiligten nicht auf seine Angemessenheit beurteilt werden (BFH-Urteile vom 30. November 1989 IV R 97/86, BFH/NV 1991, 432; in BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541; in BFHE 196, 128).

b) Es entspricht der ständigen Rechtsprechung und der herrschenden Auffassung, dass eine Körperschaft öffentlichen Rechts es in der Hand hat, die organisatorischen Maßnahmen bei der Konzeption nicht nur ihrer Hoheitsbetriebe, sondern auch ihrer Betriebe gewerblicher Art (BgA) i.S. von § 4 KStG im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften so zu treffen, wie sie es für zweckmäßig hält (vgl. BFH-Urteil vom 10. Mai 1955 I 131/53 U, BFHE 61, 32, BStBl III 1955, 210). Davon ausgehend ist auch die Zusammenfassung verschiedener BgA einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft in der Organisationsform privatrechtlicher Kapitalgesellschaften grundsätzlich als zulässige Handlungsform anzusehen (vgl. Felder in Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, 2004, § 4 KStG n.F. Rz. 60; Erhard in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 4 KStG Rz. 51; Streck, Körperschaftsteuergesetz, 2003, 6. Aufl., § 4 Anm. 16; Sauter in Erle/Sauter, Heidelberger Kommentar zum Körperschaftsteuergesetz, 2003, § 4 KStG Rz. 32; Schöberle/Hofmeister, Körperschaftsteuergesetz, 2001, § 4 Rz. 38; Hofmeister in Raupach/Uelner, Ertragsbesteuerung, Festschrift für Ludwig Schmidt, 1993, 691, 702). Eine andere Beurteilung kann nur gerechtfertigt sein, wenn die Zusammenfassung ausschließlich oder zumindest überwiegend zum Zwecke der Steuervermeidung erfolgt (Erhard in Blümich, a.a.O.).

Nach diesen Grundsätzen stellt auch die vorliegend zu beurteilende Zusammenfassung zweier Eigenbetriebe der Stadt W in Form des Parkhauses und des Bäderbetriebes in einer Kapitalgesellschaft als solche keine Gestaltung dar, die zur Erreichung des damit angestrebten wirtschaftlichen Ziels als unangemessen angesehen werden könnte. Die Klägerin hat im Klageverfahren ―unbestritten― auf die organisatorischen Vorteile und Synergieeffekte hingewiesen, die eine Zusammenfassung in einer privatrechtlichen Organisationsform mit sich bringt, insbesondere indem sie eine ineffiziente Zergliederung von Entscheidungsbefugnissen vermeidet (vgl. dazu allgemein Storg/Vierbach, Betriebsberater ―BB― 2003, 2098, 2101 f.). Für die grundsätzliche Anerkennung dieser Zusammenfassung spricht im Streitfall nicht zuletzt, dass es sich bei dem Parkhaus- und dem Bäderbetrieb um Betriebe handelt, die jeweils der Daseinsvorsorge dienen. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich insoweit ausschließlich um Versorgungsbetriebe i.S. des § 4 Abs. 3 KStG handelt und ob zwischen ihnen eine technisch-wirtschaftliche Verflechtung gegeben ist (vgl. zu den Voraussetzungen der Zusammenfassung zu einem BgA Senatsurteil vom 4. Dezember 1991 I R 74/89, BFHE 166, 342, BStBl II 1992, 432).

Auch in der Einbringung von Beteiligungen in eine Eigengesellschaft einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft ist jedenfalls dann keine missbräuchliche Gestaltung zu erblicken, wenn Letztere wie vorliegend außer der Beteiligungsverwaltung auch andere wirtschaftliche Ziele verfolgt (vgl. dazu u.a. die Verfügung der Oberfinanzdirektion ―OFD― Frankfurt vom 11. April 1997 S 2706 A-16-St II 12, juris; Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/ Witt, a.a.O.).

c) Diesen Grundsätzen folgt auch die Finanzverwaltung. Nach Abschn. 5 Abs. 11 a Satz 1 KStR 1995 ist die Zusammenfassung mehrerer BgA einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft im Rahmen von Kapitalgesellschaften grundsätzlich anzuerkennen. Dabei müssen nicht die Voraussetzungen des Abschn. 5 Abs. 9 KStR 1995 vorliegen, die für die Zusammenfassung verschiedener BgA zu einem Betrieb gelten; bei Vorliegen letzterer Voraussetzungen soll nach Abschn. 5 Abs. 11 a Satz 3 KStR 1995 auch im Falle eines Verlustausgleichs ein Missbrauch ausgeschlossen sein (vgl. auch Felder in Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, a.a.O.). Lediglich in den anderen Fällen soll sich bei Zusammenfassung von Verlust- und Gewinnbetrieben die "Frage eines Gestaltungsmissbrauchs stellen" (Abschn. 5 Abs. 11 a Satz 2 KStR 1995; kritisch dazu Hofmeister, a.a.O.).

Der Senat kann ―mit der Vorentscheidung― offen lassen, ob er der einschränkenden Regelung in Abschn. 5 Abs. 11 a Satz 2 KStR 1995 folgt (kritisch Storg/Vierbach, a.a.O.). Denn der Fall eines Verlustausgleichs ist im Streitfall nicht zu beurteilen. Ein solcher würde den Ausgleich von positiven Ergebnissen eines BgA mit dem negativen Ergebnis eines anderen BgA voraussetzen. Vorliegend weisen hingegen sowohl der Parkhaus- als auch der Bäderbetrieb jeweils Jahresfehlbeträge auf.

Entgegen der Ansicht des FA sind die Erträge der Klägerin aus den Beteiligungen nicht dem verlustbringenden Parkhausbetrieb mit der Folge zuzurechnen, dass es sich insoweit um einen "Gewinnbetrieb" i.S. des Abschn. 5 Abs. 11 a Satz 2 KStR 1995 handeln würde. Unabhängig davon, dass sich dabei ein positives Ergebnis von lediglich 11 TDM ergeben würde, was die Annahme eines "Gewinnbetriebes" bereits zweifelhaft erscheinen lässt, ist ein sachlicher Grund für diese Zuordnung nicht zu erkennen. Die Beteiligungen der Klägerin an den Stadtwerken W und der Kraftverkehrsgesellschaft mbH B bilden als solche Betriebsvermögen, da sie dazu bestimmt und objektiv geeignet sind, dem Unternehmen allgemein zu dienen (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 19. Februar 1997 XI R 1/96, BFHE 182, 567, BStBl II 1997, 399, m.w.N.), indem sie dessen Kapital und Ertragslage verstärken. Ein darüber hinausreichender sachlich-funktionaler Zusammenhang mit dem Parkhausbetrieb oder einer damit verbundenen betrieblichen Betätigung ist nicht erkennbar. Vielmehr wäre es der Klägerin, worauf das FG zu Recht hinweist, unbenommen gewesen, den Betrieb "Parkhaus" aus der Eigengesellschaft auszugliedern und lediglich die Bäder und Beteiligungen in ihrem Betriebsvermögen zu belassen. In diesem Fall würde die Regelung des Abschn. 5 Abs. 11 a Satz 2 KStR 1995, die auf den Verlustausgleich zwischen "Betrieben" abstellt, einer Verrechnung der Einnahmen aus den Beteiligungen mit den Verlusten aus dem Bäderbetrieb nicht entgegenstehen. Ferner könnten die Beteiligungen und die daraus fließenden Erträge unschwer auf beide Verlustbetriebe aufgeteilt werden, ohne dass dies einen Missbrauch von Gestaltungsformen des Rechts darstellen würde. Schließlich kann die Berücksichtigung von Verlusten, worauf die Klägerin hinweist, nicht vom chronologischen Ablauf der Eingliederung von BgA in eine Kapitalgesellschaft abhängig sein. Wären nämlich die Beteiligungen zeitlich erst nach der Eingliederung des Bäderbetriebes in die Klägerin eingelegt worden, würde sich bei wortgetreuer Anwendung der Regelung des Abschn. 5 Abs. 11 a Satz 2 KStR 1995 aus der Verrechnung der summierten Verluste der zuvor zusammengefassten Parkhaus- und Bäderbetriebe mit den Beteiligungserträgen die Frage des Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § 42 AO 1977 nicht stellen.

2. Das FG hat indessen nicht geprüft, ob im Streitfall die Voraussetzungen einer vGA der Klägerin an die Stadt W vorliegen, die das Einkommen der Klägerin nicht mindert (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG). Nach der Senatsentscheidung vom 15. Mai 2002 I R 92/00 (BFHE 199, 217, m.w.N. aus der Rechtsprechung des Senats), auf die im Einzelnen verwiesen wird, kann eine vGA vorliegen, wenn eine Kapitalgesellschaft ohne angemessenes Entgelt Geschäfte tätigt, die im privaten Interesse ihrer Gesellschafter liegen und bei der Gesellschaft selbst zu Verlusten führen. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen sind die von der Gesellschaft erzielten Verluste außerbilanziell um die angefallenen Verlustbeträge sowie einen angemessenen Gewinnaufschlag zu erhöhen. Ein gedachter ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter, an dessen Verhalten sich auch die Klägerin messen lassen muss, würde nicht bereit sein, eine fortdauernde Kostenunterdeckung aus Dienstleistungen hinzunehmen, die an sich ihrem Gesellschafter ―wie hier der Stadt W (vgl. auch z.B. Senatsurteil vom 27. Juni 2001 I R 82-85/00, BFHE 195, 572, BStBl II 2001, 773 bezogen auf einen nichtselbständigen Betrieb gewerblicher Art)― obliegen.

Zur Frage des Vorliegens dieser Voraussetzungen einer vGA fehlen bislang tatsächliche Feststellungen. Daher war die Sache zurückzuverweisen, damit das FG die noch erforderlichen Feststellungen trifft und den Streitfall auf deren Grundlage erneut entscheidet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1252094

BFH/NV 2004, 1689

BFHE 2005, 142

BFHE 207, 142

BB 2004, 2566

DB 2004, 2564

DStR 2004, 2052

DStRE 2005, 64

DStZ 2004, 853

HFR 2005, 148

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