Entscheidungsstichwort (Thema)

Verweigerung des Vorsteuerabzuges unter Berufung auf unzureichende Leistungsbeschreibung

 

Leitsatz (NV)

1. Im Falle einer auf die Verletzung von § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO gestützten Verfahrensrüge ist ggf. gemäß § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO schlüssig darzulegen, daß die Revisionsklägerin nicht durch ihr Verhalten in der Vorinstanz das Recht auf die Geltendmachung der Rüge eingebüßt hat.

2. Die Rüge eines Verstoßes gegen § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO kann begründet sein, wenn das FG seiner auf unzureichende Leistungsbeschreibung in den Rechnungen gestützten Verweigerung des Vorsteuerabzugs für einzelne Streitjahre einen bestimmten Rechnungsinhalt zugrunde gelegt hat, ohne die Rechnungen zu kennen, wenn ferner dem angefochtenen Urteil nicht -- nachvollziehbar -- zu entnehmen ist, weswegen das FG zu entsprechenden Feststellungen gelangt ist, und wenn sich nicht ausschließen läßt, daß die Rechnungen einen anderen als den durch das FG angenommenen Inhalt haben.

3. Die -- abschlägige -- Bescheidung eines Antrages, die Verhandlung gemäß § 74 FGO auszusetzen, im angefochtenen Urteil, statt durch einen gesonderten Beschluß, stellt keinen Verfahrensmangel dar.

4. Die Abhängigkeit von der Feststellung einer Verwaltungsbehörde (§ 74 FGO) erfordert keine rechtliche Bindung; es genügt schon ein geringerer Einfluß auf den Ausgang des gerichtlichen Verfahrens.

5. Die gerichtliche Anordnung gemäß § 74 FGO wie deren Verweigerung stellen Ermessensentscheidungen dar.

6. Eine Entscheidung i. S. von § 163 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 ist ein Akt der Steuerfestsetzung.

7. Eine nach Festsetzung der Steuer ausgesprochene Gewährung von Billigkeitsmaßnahmen (§ 163 Abs. 1 Satz 1 AO 1977) ist als Grundlagenbescheid i. S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 anzusehen.

8. Bei der Prüfung eines gerügten Verfahrensmangels ist von der materiell-rechtlichen Auffassung der Vorinstanz auszugehen. Dies kann dazu führen, daß der Antritt des Zeugenbeweises zur Ergänzung der Leistungsbeschreibung in einer dem Vorsteuerabzug zugrundeliegenden Rechnung revisionsrechtlich so zu behandeln ist, wie wenn die unterbliebene Verwendung eines unzulässigen oder schlechthin untauglichen Beweismittels vorläge.

9. § 118 Abs. 2 FGO verbietet grundsätzlich auch die Berücksichtigung solcher Tatsachen, die erst während des Revisionsverfahrens entstanden sind und dementsprechend einer Feststellung durch das FG gar nicht zugänglich waren.

10. Zu den Anforderungen an die Leistungsbeschreibung in Rechnungen, derentwegen Vorsteuer geltend gemacht wird, und zur diesbezüglichen revisionsrechtlichen Überprüfung der Vorentscheidung.

 

Normenkette

AO 1977 § 163 Abs. 1 S. 1, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; FGO §§ 74, 76 Abs. 1 S. 1, § 118 Abs. 2, § 126 Abs. 2, 3 Nr. 2; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20, 103 Abs. 1; UStG 1967 § 15 Abs. 3-5; UStG 1973 §§ 14, 15 Abs. 3-5; UStG 1980 § 14 Abs. 4, § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1

 

Tatbestand

1. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die inzwischen ihre gewerbliche Tätigkeit eingestellt hat und sich in Liquidation befindet, betrieb in den Streitjahren (1976 bis 1982) ein ... unternehmen. Sie war ausschließlich als Auftragnehmerin der Firma A-GmbH auf dem Werksgelände der Firma B tätig. Nach ihren Angaben setzte sie einen Subunternehmer namens C, Inhaber D, ein. Aus den entsprechenden Rechnungen macht die Klägerin den Abzug von Vorsteuerbeträgen geltend.

2. Im Oktober 1982 wurde bei der Klägerin mit einer Außenprüfung begonnen, in deren Verlauf Zweifel an der Existenz der Firma C aufkamen, so daß die Steuerfahndung eingeschaltet wurde. Diese gelangte zu dem Ergebnis, daß die Firma C nicht existiere und daß eine Person namens D sich nicht ermitteln lasse, so daß die in den Subunternehmerrechnungen offen ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge nicht als Vorsteuer abgezogen werden dürften.

3. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) setzte daraufhin durch Bescheide vom 14. Juli 1983 die Umsatzsteuer für die Streitjahre entsprechend fest. Die die Jahre 1976 bis 1981 betreffenden Festsetzungen wurden durch gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderte Bescheide vorgenommen, die Festsetzung für das Jahr 1982 durch einen erstmaligen Bescheid.

4. Im Einspruchsverfahren ermäßigte das FA aus anderen als den erörterten Gründen die Umsatzsteuerfestsetzung 1982 durch einen nach § 164 Abs. 2 AO 1977 geänderten Bescheid vom 9. Februar 1984 auf ... DM. Im übrigen wies das FA die Einsprüche als unbegründet zurück.

5. Die Klage wurde vom Finanzgericht (FG) mit der Begründung abgewiesen, der umstrittene Vorsteuerabzug scheitere daran, daß die Rechnungen der Firma C keine ausreichende Leistungsbeschreibung enthielten. Die Rechnungen seien nach ein und demselben Muster erstellt, in dem es -- wie in der Rechnung vom 1. Februar 1982 -- zur Beschreibung der Leistungen heiße:

Betr.: Baustelle ... Ich berechne Ihnen für bereits erledigte Arbeiten aus ob. Baustelle wie gesehen und besichtigt vereinbarte Pauschale:

Hieraus lasse sich nicht einmal entnehmen, ob über eine Werklieferung, eine Werkleistung oder statt dessen über sonstige Leistungen in Gestalt von Arbeitnehmerüber lassungen abgerechnet worden sei. Auch der Leistungszeitpunkt bzw. -zeitraum sei nicht konkretisiert.

Dem Antrag der Klägerin, den Geschäftsleiter ihrer Komplementär-GmbH im Rahmen einer Ortsbesichtigung auf dem Gelände zu vernehmen, auf dem die ... arbeiten geleistet worden seien, werde nicht gefolgt; denn hierdurch würde die unzureichende Leistungsbeschreibung nicht behoben werden können. Es widerspräche dem den §§ 14 und 15 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1973 und 1980) zu entnehmenden Urkundsprinzip, wenn die Konkretisierung der Leistungsbeschreibung als unbedingt notwendiger Inhalt der Abrechnungsurkunde durch mündliche Erklärungen ersetzt werden dürfte.

Dem Antrag der Klägerin auf Aussetzung der Verhandlung gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit Rücksicht auf ein von ihr eingeleitetes Verwaltungsverfahren gemäß § 163 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 werde nicht entsprochen, weil insoweit kein vorgreifliches Rechtsverhältnis gegeben sei. Im übrigen wäre eine Verfahrensaussetzung auch unzweckmäßig, da sie voraussichtlich zu einer erheblichen Verzögerung des Abschlusses des Rechtsstreits führen würde, zumal die Klägerin Billigkeitsmaßnahmen erst kürzlich beantragt habe. Überdies sei es zweckmäßig, daß zunächst im anhängigen Rechtsstreit die Rechtsfrage nach den Anforderungen an den Inhalt eines Abrechnungspapieres beantwortet werde, bevor eine Entscheidung zur eventuellen sachlichen Unbilligkeit der gesetzlichen Regelung ergehe.

6. Mit der Revision beantragt die Klägerin, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Umsatzsteuer niedriger festzusetzen, hilfs weise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Die Klägerin hat -- bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist -- Verletzung der §§ 74, 76, 96 Abs. 1 und 2 FGO, der Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1, 20 und 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) sowie der §§ 14 und 15 UStG 1973/1980 gerügt und hat zur Begründung folgendes geltend gemacht:

a) Das FG habe die Klageabweisung für sämtliche Streitjahre auf die Annahme gestützt, daß die in den Rechnungen enthaltenen Leistungsbeschreibungen nicht den gesetzlichen Anforderungen genügten. Diese Beurteilung beruhe auf einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht aus § 76 FGO. Das FG habe zwar den Inhalt der das Jahr 1982 betreffenden Rechnungen gekannt, aus denen die in der Vorentscheidung als Muster angeführten Angaben zur Leistungsbeschreibung entnommen seien. Das FG habe sich aber keine Kenntnis vom Inhalt der Rechnungen für die Jahre 1976 bis 1981 verschafft, obwohl ihm spätestens 1985 bekannt gewesen sei, daß die Rechnungen für sämtliche Streitjahre beschlagnahmt worden seien und bei welcher Finanzbehörde sich die Rechnungen seinerzeit befunden hätten. Dennoch habe das FG es unterlassen, die Rechnungen beizuziehen. Es habe mit seiner Entscheidung noch nicht einmal das Ergebnis ihrer, der Klägerin, Bemühungen abgewartet, Rechnungskopien zu erhalten, um diese einzureichen.

Mit letzterem habe es folgende Bewandtnis. Der dem Revisionsverfahren zugrundeliegende Streitstoff sei bis zur Verbindung durch das FG in der mündlichen Verhandlung in drei getrennten Verfahren anhängig gewesen. In der Sache ... (betr. 1982) habe sie, die Klägerin, auf gerichtliche Aufklärungsverfügungen hin Kopien der das Jahr 1982 betreffenden Rechnungen beschafft und diese dem FG vorgelegt. Mit gerichtlicher Verfügung vom 24. April 1985 zum Aktenzeichen ... (betr. 1982) sei sie sodann unter Fristsetzung zum 15. Mai 1985 aufgefordert worden mitzuteilen, ob ihre das Streitjahr 1982 betreffenden Ausführungen auch für die Streitjahre 1976 bis 1981 gälten und ob für diesen Zeitraum Rechnungen vorlägen, wie sie für das Jahr 1982 eingereicht worden seien. Die erste Frage habe sie alsbald bejaht. Auf Grund der zweiten Frage habe sie sich bemüht, weitere Rechnungskopien zu erlangen, um auch insoweit reagieren zu können. Die Kopien habe sie mit Schreiben vom 20. Juni 1985 erhalten. Das FG habe deren Eingang jedoch nicht abgewartet, sondern bereits am 5. Juni 1985 mündlich verhandelt und das angefochtene Urteil erlassen.

Erst auf Grund des schriftlichen Urteils und der inzwischen vorliegenden Rechnungskopien habe ihr Prozeßbevollmächtigter erkannt, daß nicht sämtliche Rechnungen die in der Vorentscheidung angeführte Leistungsbeschreibung enthielten, wie das FG unzutreffend angenommen habe. Vielmehr wichen zehn der zwölf Rechnungen des Jahres 1976 und 20 der 21 Rechnungen des Jahres 1977 bei der Leistungsbeschreibung von dem im angefochtenen Urteil angeführten Muster wesentlich ab. Außerdem sei das FG im Anschluß an das FA von unzutreffenden umstrittenen Vorsteuersummen für die Jahre 1976 und 1977 ausgegangen; diese betrügen nicht ... DM bzw. ... DM, sondern ... DM bzw. ... DM.

b) Eine Verletzung des § 74 FGO liege darin, daß das FG die Verhandlung nicht ausgesetzt habe, um ihr, der Klägerin, Gelegenheit zu geben, die gerichtliche Anfrage vom 24. April 1985 bezüglich der die Jahre 1976 bis 1981 betreffenden Rechnungen zu beantworten. Hierin liege ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Vor dem FG hätten die angeführten Rechtsverletzungen nicht gerügt werden können. Denn diese seien zur Zeit der mündlichen Verhandlung ihrem Prozeßbevollmächtigten ebensowenig bewußt gewesen wie dem FG.

c) Die in der Vorentscheidung enthaltene pauschale Feststellung, daß sämtliche die Streitjahre betreffenden Rechnungen denselben Wortlaut wie das vom FG angeführte Muster hätten, stelle einen Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO dar. Denn das FG habe die diesbezügliche Überzeugung weder aus dem Beteiligtenvorbringen noch aus eigenen Ermittlungen schöpfen können oder aus dem Vortrag des wesentlichen Akteninhalts durch den Berichterstatter in der mündlichen Verhandlung. Die Akten ergäben nichts anderes als das, was mit der Revisionsbegründung vorgetragen werde.Ü

berdies habe das FG § 96 Abs. 2 FGO verletzt. Die eben gerügte Feststellung sei erstmals im angefochtenen Urteil zum Ausdruck gekommen, so daß sie, die Klägerin, sich zu dieser nicht früher als mit dem Antrag vom 8. Juli 1985 auf Berichtigung des Tatbestandes habe äußern können.

d) Eine Verletzung des § 76 Abs. 1 FGO liege darin, daß das FG ihrem Antrag nicht entsprochen habe, ihren Geschäftsleiter bei einer Augenscheineinnahme des Geländes, auf dem die ... arbeiten ausgeführt worden seien, als Zeugen zu vernehmen. Hierdurch seien Feststellungen unterblieben, die die gerichtliche Annahme verhindert haben würden, die Leistungsbeschreibungen in den Rechnungen seien unzureichend.

e) Die erst in den Gründen der Vorentscheidung ausgesprochene Ablehnung des Antrages, gemäß § 74 FGO die Verhandlung bis zur Entscheidung der zuständigen Finanzbehörde über das Begehren i. S. des § 163 AO 1977 auszusetzen, werde von den durch das FG hierzu angeführten Erwägungen nicht getragen und sei dementsprechend rechtswidrig.

f) Das FG habe ferner die §§ 14 und 15 UStG 1973/1980 verletzt, indem es von zu strengen Anforderungen an die Leistungsbeschreibung ausgegangen sei. Es sei nicht gerechtfertigt, zwar bei unzureichender Leistungsbeschreibung die Berücksichtigung auch solcher Umstände zuzulassen, auf die in der Rechnung nicht hingewiesen sei, aber auf Grund des Urkundsprinzips zu verlangen, daß die entsprechenden Umstände schriftlich festgehalten sein müßten.

g) Das FG habe schließlich gegen Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 und 20 GG verstoßen, indem es zur Festsetzung von Steuern in einer solchen Höhe beigetragen habe, die sie, die Klägerin, sowie die hinter ihr stehenden Gesellschafter außerstande setzten, den Beruf des Unternehmers weiterhin auszuüben.

7. Das FA ist der Revision entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist bezüglich der Streitjahre 1976 bis 1981 begründet; sie führt insoweit zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das FG ist in dieser Hinsicht seiner Ermittlungspflicht nicht ausreichend nachgekommen.

In Beziehung auf das Streitjahr 1982 ist die Revision unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 FGO). Insoweit hält die Vorentscheidung den verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen Revisionsangriffen der Klägerin stand.

1. Hinsichtlich der Streitjahre 1976 bis 1981 hat die Rüge, das FG sei seiner Pflicht nicht genügend nachgekommen, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), Erfolg.

a) Das FG hat die Klage für sämtliche Streitjahre mit der Begründung abgewiesen, der von der Klägerin geltend gemachte Vorsteuerabzug scheitere daran, daß die vorgelegten Abrechnungspapiere keine hinreichende Leistungsbeschreibung enthielten, weil die entsprechenden Angaben die durch die Klägerin in Anspruch genommenen Leistungen weder nach Art und Umfang noch nach Leistungszeitpunkt bzw. -zeitraum genügend konkretisierten. Hierbei ist das FG davon ausgegangen, daß auch die sich auf die Streitjahre 1976 bis 1981 beziehenden Abrechnungsurkunden sämtlich genau dieselben Angaben zur Leistungsbeschreibung aufweisen wie die in der Vorentscheidung beispielhaft angeführte, das Streitjahr 1982 betreffende Rechnung vom 1. Februar 1982.

b) Mit der auf § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO gestützten Rüge macht die Klägerin geltend, die Annahme des FG, daß sämtliche Rechnungen zur Beschreibung der bezogenen Leistung ein und denselben Text enthielten, nämlich den des in der Vorentscheidung angeführten Musters (Rechnung vom 1. Februar 1982), sei unrichtig und beruhe auf einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht.

Hierzu führt die Klägerin aus, dem FG hätten ausschließlich die das Jahr 1982 betreffenden Rechnungen zur Verfügung gestanden. Das FG habe sodann (mit Verfügung vom 24. April 1985) bei ihr, der Klägerin, angefragt, ob für die Streitjahre 1976 bis 1981 ebensolche Rechnungen vorlägen wie die für 1982 eingereichten. Sie habe die Anfrage zunächst nicht beantworten können, da sämtliche Rechnungen beschlagnahmt gewesen seien und entsprechende Kopien erst hätten beschafft werden müssen. Das FG habe den Eingang der Kopien jedoch nicht abgewartet, sondern die mündliche Verhandlung anberaumt und das angefochtene Urteil erlassen. Wäre dies nicht geschehen und hätte das FG statt dessen den Verfahrensabschluß bis zur Einreichung der weiteren Rechnungskopien zurückgestellt, so würde es zu dem Ergebnis gekommen sein, daß deren Leistungsbeschreibungen konkreter abgefaßt seien als die Leistungsbeschreibung des in der Vorentscheidung angeführten Musters (Rechnung vom 1. Februar 1982) und daß die Leistungsbeschreibungen in den die Streitjahre 1976 bis 1981 betreffenden Rechnungen auch bei der strengen Auslegung der §§ 14 und 15 UStG 1973/1980 durch das FG den umstrittenen Vorsteuerabzug rechtfertigten.

c) Die auf § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO gestützte Verfahrensrüge der Klägerin ist zulässig.

aa) Die Revisionsbegründung erfüllt bezüglich der Streitjahre 1976 bis 1981 die bei einer derartigen Rüge regelmäßig zu beachtenden Voraussetzungen aus § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO, wonach bei einem gerügten Verfahrensmangel die Tatsachen zu bezeichnen sind, die den Mangel ergeben (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 120 Anm. 37 ff.). Dies gilt insbesondere hinsichtlich der erforderlichen Darlegung dessen, was voraussichtlich das Ergebnis der unterlassenen Feststellungen gewesen wäre und weshalb das Urteil auf dem gerügten Verfahrensfehler beruhen könne (vgl. Gräber/Ruban, a. a. O., § 120 Anm. 40).

bb) Die Klägerin ist mit ihrer Revisionsbegründung darüber hinaus der im vorliegenden Fall in Betracht kommenden Erwägung schlüssig entgegengetreten, daß sie durch ihr Verhalten in der Vorinstanz das Recht auf die jetzt geltend gemachte Rüge eingebüßt haben könnte (vgl. hierzu Gräber/Ruban, a. a. O., § 120 Anm. 38 i. V. m. § 115 Anm. 37 f.). Insoweit hat die Klägerin ausgeführt, sie habe vor dem FG weder die Möglichkeit noch einen Anlaß gehabt, darauf hinzuweisen, daß die die Streitjahre 1976 bis 1981 betreffenden Rechnungen hinsichtlich der Leistungsbeschreibung mit der in der Vorentscheidung beispielhaft angeführten Rechnung vom 1. Februar 1982 nicht übereinstimmten. Ihrem für sie in der mündlichen Verhandlung aufgetretenen Prozeßbevollmächtigten sei seinerzeit mangels Kenntnis vom Inhalt der die Streitjahre 1976 bis 1981 betreffenden Rechnungen ebensowenig wie dem FG die fehlende Übereinstimmung bewußt gewesen. Außerdem habe der Prozeßbevollmächtigte nicht anzunehmen brauchen, auch nicht auf Grund des Vortrages des wesentlichen Akteninhalts durch den Berichterstatter (§ 92 Abs. 2 FGO), daß das FG von bestehender Überzeugung ausgehen würde.

d) Die Rüge ist auch begründet. Eine Verweigerung des Abzugs geltend gemachter Vorsteuerbeträge unter Berufung darauf, daß die entsprechenden Abrechnungspapiere keine zureichende Leistungsbeschreibung enthielten (vgl. § 15 Abs. 1 UStG 1973 bzw. § 15 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 4 UStG 1980), setzt voraus, daß sich das FG Kenntnis vom Inhalt der Leistungsbeschreibungen verschafft. Dies ist vom FG zunächst nicht übersehen worden, wie die an die Klägerin gerichtete Anfrage vom 24. April 1985 des Inhalts belegt, ob die den übrigen Streitzeitraum betreffenden Rechnungen den für 1982 vorgelegten entsprächen. Das FG hat allerdings sodann von weiteren Ermittlungen abgesehen und ist zu der in der Vorentscheidung zum Ausdruck gebrachten Überzeugung gelangt, daß sämtliche den Streitzeitraum betreffenden Rechnungen zur Leistungsbeschreibung denselben Text enthielten wie die in der Vorentscheidung beispielhaft angeführte Rechnung vom 1. Februar 1982.

Die hierbei für das FG maßgebenden Gründe sind nicht erkennbar. Die Vorentscheidung enthält keine diesbezüglichen Ausführungen. Der Umstand, daß die gerichtliche Anfrage vom 24. April 1985 bei der Klägerin mit einer -- nicht gewahrten -- einfachen (nicht ausschließenden) Fristsetzung (zum 15. Mai 1985) verbunden war, rechtfertigt es nicht, von einer sinngemäßen Bejahung der Frage durch die Klägerin oder davon auszugehen, daß die Amts ermittlungspflicht des FG weggefallen sei oder nur noch eingeschränkt fortbestanden habe. Es ist ferner nicht erkennbar, weswegen das FG in der mündlichen Verhandlung nicht einmal den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin unter Hinweis auf die Mitwirkungspflicht der Beteiligten (vgl. § 76 Abs. 1 Satz 2 FGO) darauf angesprochen hat, daß die gerichtliche Anfrage von der Klägerin nicht beantwortet worden sei. Wäre dies geschehen, so würden wahrscheinlich die Beschlagnahme der Rechnungen zur Sprache gekommen sein sowie der Umstand, daß die Klägerin wegen der noch nicht erlangten Rechnungskopien bisher keine zuverlässigen Angaben über den Inhalt der Leistungsbeschreibungen in den die Streitjahre 1976 bis 1981 betreffenden Rechnungen habe machen können. Dies hätte vermutlich dazu geführt, daß der Erlaß des angefochtenen Urteils aufgeschoben worden wäre, bis das FG den Inhalt der die Streitjahre 1976 bis 1981 betreffenden Rechnungen hätte feststellen können.

In Anbetracht dessen ist revisionsrechtlich davon auszugehen, daß das FG gegen seine Ermittlungspflicht verstoßen hat. Im Hinblick auf den Inhalt der von der Klägerin im Revisionsverfahren vorgelegten Rechnungskopien für die Jahre 1976 und 1977, die offenbar als Beispiele für den gesamten Streitabschnitt 1976 bis 1981 gelten sollen, ist ferner nicht auszuschließen, daß bei einwandfreier Erfüllung der Pflicht des FG, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, ein Urteil anderen Inhalts ergangen wäre. Dementsprechend war die Vorentscheidung hinsichtlich der Streitjahre 1976 bis 1981 aufzuheben und die Sache insoweit zurückzuverweisen, weil sie mangels Feststellungen zum Rechnungsinhalt noch nicht entscheidungsreif ist.

2. Hinsichtlich des Streitjahres 1982 hält die Vorentscheidung der Revision der Klägerin stand, und zwar sowohl in Beziehung auf die verfahrensrechtlichen als auch auf die materiellrechtlichen Rügen.

a) Von den mit Verfahrensmängeln begründeten Revisionsangriffen der Klägerin lassen sich auf das Streitjahr 1982 lediglich die Rügen beziehen, das FG habe zu Unrecht den Antrag abgelehnt, die Verhandlung gemäß § 74 FGO auszusetzen, sowie den weiteren Antrag, ihren Geschäftsleiter als Zeugen bei einem Ortstermin auf dem Gelände zu vernehmen, auf dem die ... arbeiten ausgeführt worden seien.

aa) Die auf Verletzung des § 74 FGO gestützte Rüge kann keinen Erfolg haben.

Die Klägerin hatte in der Vorinstanz beantragt, die Verhandlung bis zur Entscheidung der zuständigen Finanzbehörde über ihren Antrag gemäß § 163 Abs. 1 AO 1977 vom 3. Juni 1985 auszusetzen, mit dem sie letztlich erreichen will, daß die Umsatzsteuer u. a. für das Streitjahr 1982 in einer Höhe festgesetzt werde, die bei einwandfreien Rechnungen, insbesondere bei zureichenden Leistungsbeschreibungen, gerechtfertigt sei ("der Klägerin ... eine der Vorschrift des § 14 Abs. 1 Ziff. 3 UStG genügende Leistungsbeschreibung sowie außerdem etwa fehlende für die Gewährung des VSt-Abzuges unerläßliche Merkmale in den Rechnungen ... zu erlassen.").

Der Aussetzungsantrag ist vom FG nicht durch gesonderten Beschluß abschlägig beschieden worden, sondern im angefochtenen Urteil, und zwar mit der Begründung, die Voraussetzungen des § 74 FGO lägen nicht vor. Das von der Klägerin eingeleitete Verfahren, betr. abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 Abs. 1 Satz 1 AO 1977, habe kein vorgreifliches Rechtsverhältnis i. S. von § 74 FGO zum Gegenstand. Beide Verfahren könnten nebeneinander betrieben werden, ohne daß sich durch deren Beendigung zu unterschiedlichen Zeitpunkten für die Klägerin Nachteile ergeben würden. Im übrigen wäre eine Verfahrensaussetzung im Streitfall sogar unzweckmäßig, weil sie voraussichtlich zu einer erheblichen Verzögerung des Abschlusses des vorliegenden Rechtsstreits führen würde, zumal die Klägerin die Billigkeitsmaßnahmen erst kürzlich beantragt habe. Unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten erscheine es im Gegenteil angebracht, von einer Aussetzung abzusehen, so daß das Problem, welche Anforderungen § 15 Abs. 1 UStG 1980 an Abrechnungsurkunden stelle, im vorliegenden Verfahren gelöst werden könne, bevor über eine etwaige sachliche Unbilligkeit der gesetzlichen Regelung befunden werde.

Die Bescheidung des Aussetzungsantrages, statt durch gesonderten Beschluß, im angefochtenen Urteil stellt entgegen der Annahme der Klägerin keinen Verfahrensmangel dar. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) bereits mit Beschluß vom 13. Oktober 1967 VI B 43/67 (BFHE 90, 393, BStBl II 1968, 118; vgl. auch Gräber/Koch, a. a. O., § 74 Anm. 18; siehe dagegen Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 74 FGO Tz. 3) unter Berufung auf die Entstehungsgeschichte des § 74 FGO für den Fall der Ablehnung des Aussetzungsbegehrens entschieden. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an.

Hinsichtlich der weiteren § 74 FGO betreffenden Rügen kann letztlich dahingestellt bleiben, ob der erkennende Senat dem FG darin zu folgen vermöchte, daß die zitierte Vorschrift nicht einschlägig sei, weil die auf § 163 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 beruhende rechtliche Beziehung zwischen der Klägerin und der betreffenden Finanzbehörde kein vorrangiges, von einer Verwaltungsbehörde festzustellendes Rechtsverhältnis sei. Gegen die Ansicht des FG spricht zum einen, daß die in § 74 FGO vorausgesetzte Feststellung durch die Verwaltungsbehörde für die Entscheidung des gerichtlichen Verfahrens, um dessen Aussetzung es geht, nicht rechtlich bindend sein muß, sondern daß schon ein geringerer Einfluß auf den Ausgang des gerichtlichen Verfahrens genügt (vgl. BFH-Beschluß vom 9. Oktober 1991 II B 115/91, unter 2., BFH/NV 1992, 125). Zum andern läßt sich anführen, daß es sich bei einer Entscheidung i. S. von § 163 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 um einen Akt der Steuerfestsetzung handelt und daß die Gewährung von Billigkeitsmaßnahmen, sofern sie nach der Steuerfestsetzung verfügt wird, als Grundlagenbescheid i. S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 angesehen wird (vgl. Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 4. Aufl., § 163 Anm. 10 a; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung, 16. Aufl., § 163 Anm. 1 und 3).

Der angesprochenen Frage braucht allerdings nicht weiter nachgegangen zu werden, weil ein Verstoß gegen § 74 FGO auch dann nicht vorläge, wenn der Beantwortung der Frage durch das FG nicht gefolgt würde. Denn das FG hat es nicht damit bewenden lassen, das Vorhandensein eines vorgreiflichen Rechtsverhältnisses zu verneinen, sondern hat zusätzlich ausgeführt, daß im übrigen Zweckmäßigkeitserwägungen nicht für, sondern gegen die Aus setzung sprächen. Insoweit enthält die Vorentscheidung nicht nur beiläufige Bemerkungen, sondern -- wie Zusammenhang und Inhalt der diesbezüglichen Äußerungen ergeben -- die Darlegung von Er messenserwägungen auf der Grundlage der Annahme, daß ein vorgreifliches Rechtsverhältnis gegeben ist. Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

Die gerichtliche Anordnung i. S. des § 74 FGO sowie deren Verweigerung stellen nach ständiger Rechtsprechung des BFH Ermessensentscheidungen dar (vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 10. Oktober 1989 IV B 135/88, unter 1., BFH/NV 1990, 485), bei denen insbesondere prozeßökonomische Gesichtspunkte und die Interessen der Beteiligten abzuwägen sind (vgl. Gräber/Koch, a. a. O., § 74 Anm. 7). Im Einzelfall kann der Spielraum für die Ermessensausübung auf Null reduziert sein (vgl. BFH- Beschlüsse in BFH/NV 1992, 125, unter 3., und in BFH/NV 1990, 485, unter 1.).

Anhaltspunkte dafür, daß das FG von seinem Ermessen einen fehlerhaften Gebrauch gemacht hätte, liegen nicht vor, insbesondere nicht in der Hinsicht, daß etwa wegen einer Reduzierung des für die Ermessensausübung offenstehenden Bereiches die Entscheidung des FG nur auf Anordnung der Verhandlungsaussetzung hätte lauten dürfen. Nichts Gegenteiliges ergibt sich aus dem von der Klägerin angeführten Senatsurteil vom 14. Februar 1980 V R 49/74 (unter 2., BFHE 130, 107, BStBl II 1980, 533).

In der zitierten Entscheidung heißt es in Beziehung auf das in den einleitenden Worten von § 15 Abs. 4 UStG 1967/73 geregelte Verwaltungsverfahren (Antrag des Unternehmers, finanzamtliche Entscheidung über die Gestattung), daß im Falle eines erst während des Klageverfahrens gestellten Antrages das die Steuerfestsetzung betreffende gerichtliche Verfahren gemäß § 74 FGO bis zum Abschluß des Antragsverfahrens auszusetzen sei; dies läßt sich in dem Sinne verstehen, daß das Gericht in einem solchen Falle bei einer Entscheidung auf Grund von § 74 FGO keinerlei Ermessensspielraum habe. Hieraus ist jedoch nicht zu folgern, daß bei einem Antrag gemäß § 163 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 nichts anderes gelten könne.

Abgesehen davon, daß es sich bei der wiedergegebenen Aussage des Senats um eine beiläufige Bemerkung handelt, ist eine Gleichstellung beider Verwaltungsverfahren in Beziehung auf § 74 FGO trotz der vorhandenen Gemeinsamkeit (Zugehörigkeit zu den Zwischenverfahren im Rahmen der Steuerfestsetzung) nicht gerechtfertigt, weil gewichtige Unterschiede bestehen. Bei der finanzamtlichen Gestattung i. S. des § 15 Abs. 4 UStG 1967/73 geht es -- wie beim entsprechenden, einen Antrag nicht voraussetzenden finanzamtlichen Bestimmungsrecht gemäß § 15 Abs. 5 UStG 1967/73 -- ausschließlich darum, welche materiell-rechtlichen Regelungen der Vorsteueraufteilung im Einzelfall maßgebend sein sollen, die der Regelaufteilungsmethode (§ 15 Abs. 3 UStG 1967/73) oder die einer der beiden Methoden aus § 15 Abs. 4 UStG 1967/73. Der hierdurch geprägte Zweck solcher Verwaltungsverfahren kann es grundsätzlich gebieten, ein die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung betreffendes gerichtliches Verfahren gemäß § 74 FGO auszusetzen, bis das Verwaltungsverfahren zu einem bestandskräftigen bzw. rechtskräftigen Abschluß geführt hat; erst dann steht das für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung maßgebende materielle Umsatzsteuerrecht fest. Dementsprechend wird in derartigen Fällen für eine gerichtliche Entscheidung nach § 74 FGO regelmäßig kein Ermessensspielraum verbleiben.

Anders sind die Verhältnisse bei Billigkeitsmaßnahmen gemäß § 163 Abs. 1 Satz 1 AO 1977. Die entsprechenden Verfahren gehören zwar ebenfalls zum Bereich der Steuerfestsetzung (siehe oben). Sie sind jedoch nicht zwangsläufig darauf ausgerichtet, das im Einzelfall maßgebende materielle Steuerrecht erst festzulegen, selbst wenn der entsprechende Antrag des Steuerpflichtigen in einem solchen Sinne abgefaßt ist. Z. B. wäre einem Antrag, bestimmte steuerbare und steuerpflichtige Umsätze unbesteuert zu lassen, gleichwohl stattgegeben worden, wenn die Verwaltungsentscheidung nicht die beantragte Freistellung von der Besteuerung ausspräche, sondern statt dessen verfügte, daß die Umsatzsteuer um einen bezifferten, dem Antrag im vollen Umfange stattgebenden Betrag niedriger festzusetzen sei. Angesichts dessen läßt sich in Beziehung auf Verwaltungsverfahren wegen einer Gewährung von Billigkeitsmaßnahmen gemäß § 163 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 nicht schlechthin die Aussage rechtfertigen, daß für eine Entscheidung nach § 74 FGO der Ermessensspielraum auf Null reduziert sei und eine Aus setzung des Verfahrens stets stattfinden müsse. Vielmehr kommt es insoweit auf die Umstände des einzelnen Falles an.

Bei seiner -- mithin nicht eingeschränkten -- Verpflichtung zur Ermessensausübung hat das FG darauf Bedacht genommen, daß sowohl der vorliegende, seinerzeit bei ihm anhängige Rechtsstreit als auch das § 163 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 betreffende Verwaltungsverfahren möglichst prozeßökonomisch abgewickelt werden. In diesem Zusammenhang durfte das FG entgegen der Annahme der Klägerin u. a. den unterschiedlichen Grad an Entscheidungsreife des gerichtlichen Verfahrens einerseits und des Verwaltungsverfahrens andererseits berücksichtigen, zumal das FG den mindestens vertretbaren Gedanken berücksichtigt hat, daß es zweckmäßig sei, den vor liegenden Rechtsstreit zum Abschluß zu bringen, bevor über eine etwaige sachliche Unbilligkeit der gesetzlichen Regelung befunden wird.

Angesichts dessen ist es nicht zu beanstanden, daß das FG den nur wenige Tage zurückliegenden Zeitpunkt der Antragstellung gemäß § 163 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 durch die Klägerin berücksichtigt hat. Schließlich ist dem FG nicht anzulasten, sich über die Interessen der Klägerin hinweggesetzt zu haben. Wie die Vorentscheidung ergibt, ist das FG vielmehr der Frage nachgegangen, ob eine Verweigerung der Aussetzung etwa dann für die Klägerin von Nachteil wäre, wenn der vorliegende Rechtsstreit früher als das Verwaltungsverfahren gemäß § 163 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 -- ersterer mit negativem, letzteres mit positivem Ausgang für die Klägerin -- abgeschlossen würde, und hat dies zutreffend verneint.

bb) Der Revision ist ebenfalls der Erfolg zu versagen, soweit die Klägerin rügt, das FG hätte dem darauf gerichteten Beweisantrag stattgeben müssen, zum Zwecke einer Verdeutlichung der Leistungsbeschreibungen in den umstrittenen Rechnungen bzw. zum Zwecke entsprechender Ergänzungen ihren Geschäftsleiter als Zeugen im Rahmen einer Besichtigung des Geländes zu vernehmen, auf dem die ... arbeiten ausgeführt worden sind.

Zur Ablehnung dieses Beweisantrages ist in der Vorentscheidung ausgeführt, dem Antrag werde nicht gefolgt, weil die unzureichende Leistungsbeschreibung in den Abrechnungsurkunden durch die beantragte Beweisaufnahme sich nicht beheben lassen würde. Es widerspräche dem den §§ 14 und 15 UStG 1973/1980 zu entnehmenden Urkundsprinzip, daß der unbedingt notwendige Inhalt der Abrechnungsurkunden, nämlich die ausreichende Konkretisierung der erbrachten Leistungen, durch mündliche Erklärung ersetzt würde.

Demzufolge ist die Verfahrensrüge nicht begründet. Bei der Prüfung eines gerügten Verfahrensmangels ist von der materiell- rechtlichen Auffassung der Vorinstanz auszugehen (vgl. BFH-Urteile vom 29. Januar 1986 I R 197/81, BFH/NV 1987, 250, und vom 7. Juli 1976 I R 218/74, BFHE 119, 274, BStBl II 1976, 621; Gräber/Ruban, a. a. O., § 120 Anm. 39; Tipke/Kruse, a. a. O., § 120 FGO Tz. 60). Das FG hat in materiell-rechtlicher Hinsicht angenommen, daß § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i. V. m. § 14 Abs. 4 UStG 1980 für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug eine genauere Beschreibung der den Abrechnungsgegenstand darstellenden Leistungen fordere, als die das Streitjahr 1982 betreffenden Rechnungen aufweisen, und daß eine insoweit bestehende unzureichende Konkretisierung nicht durch mündliche Erläuterungen oder Ergänzungen behoben werden kann. Von diesem Standpunkt aus ist es unerheblich, welche Angaben der Geschäftsleiter der Klägerin im Falle seiner Vernehmung als Zeuge zu den einzelnen abgerechneten Leistungen gemacht haben würde. Dementsprechend ist die Rüge revisionsrechtlich so zu behandeln, wie wenn die Klägerin die unterbliebene Verwendung eines unzulässigen oder schlechthin untauglichen Beweismittels (vgl. hierzu Gräber/von Groll, a. a. O., § 76 Anm. 24; Tipke/Kruse, a. a. O., § 81 FGO Tz. 8) gerügt haben würde, was zur Erfolglosigkeit der Rüge hätte führen müssen.

b) Die Vorentscheidung hält schließlich den materiell-rechtlichen Rügen stand.

aa) Soweit sich die Klägerin darauf beruft, daß sie während des Revisionsverfahrens mit Zustimmung des Rechnungsausstellers die Leistungsbeschreibungen u. a. in den das Streitjahr 1982 betreffenden Rechnungen den Anforderungen des FG an die Leistungsbeschreibung entsprechend ergänzt habe, ist die Rüge schon im Hinblick auf § 118 Abs. 2 FGO unbegründet. Insoweit braucht weder auf die Frage eingegangen zu werden, ob überhaupt umsatzsteuerrechtlich beachtliche Änderungen vorliegen, noch bejahendenfalls darauf, ob die Änderungen für den Veranlagungszeitraum 1982 von Bedeutung sind.

Nach der zitierten Vorschrift ist der BFH an die im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, daß in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind. Diese Regelung betrifft in erster Linie Tatsachen, die bereits beim Erlaß des angefochtenen Urteils vorhanden waren. Sie verbietet jedoch darüber hinaus grundsätzlich auch die Berücksichtigung solcher Tatsachen, die erst während des Revisionsverfahrens entstanden sind und dementsprechend einer Feststellung durch das FG gar nicht zugänglich waren (vgl. Tipke/Kruse, a. a. O., § 118 FGO Tz. 37). Ein Fall, in dem derartige neue Tatsachen ausnahmsweise berücksichtigt werden können (vgl. Tipke/Kruse, a. a. O., § 118 FGO Tz. 37 i. V. m. Tz. 50 f. und 53 f.), liegt hier nicht vor.

bb) Ebenfalls nicht begründet ist die Rüge der Klägerin, das FG sei bei der Auslegung des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i. V. m. § 14 Abs. 4 UStG 1980 und bei der Anwendung dieser Vorschriften auf die das Streitjahr 1982 betreffenden Rechnungen -- in deren ursprünglicher Fassung (siehe oben) -- von zu strengen Anforderungen ausgegangen.

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980 hat der zwischen den Beteiligten umstrittene Vorsteuerabzug u. a. zur Voraussetzung, daß die geltend gemachten Vorsteuerbeträge die in Rechnungen i. S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für durch andere Unternehmer ausgeführte Leistungen darstellen. Hierzu hat der Senat in seinen beiden Urteilen vom 24. September 1987 V R 50/85 (BFHE 153, 65, BStBl II 1988, 688) und V R 125/86 (BFHE 153, 77, BStBl II 1988, 694, jeweils unter 5.) dahin erkannt, daß damit ein Belegnachweis mittels eines Abrechnungspapieres (Rechnung bzw. Gutschrift) gefordert werde und daß das Abrechnungspapier Angaben tatsächlicher Art enthalten müsse, welche die Identifizierung der abgerechneten Leistungen ermöglichen. Der Senat hat ferner ausgesprochen (vgl. die beiden zitierten Senatsurteile, jeweils unter 9.), daß der geforderte urkundenmäßige Nachweis scheitern könne, wenn die Angaben tatsächlicher Art in der Rechnung zum Gegenstand der Leistung unrichtig seien oder so ungenau, daß sie eine Identifizierung des Leistungsgegenstandes nicht zuließen. Schließlich hat der Senat ausgeführt (vgl. die beiden zitierten Senatsurteile, jeweils unter 7.), daß die ausdrücklich oder sinngemäß zu machenden Angaben tatsächlicher Art über den Leistungsgegenstand von Fall zu Fall verschieden sein werden, so daß generell geltende Erfordernisse nicht abschließend festgelegt werden können.

Diese Auslegung des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i. V. m. § 14 Abs. 4 und 5 UStG 1980 führt nicht etwa zu einem Ergebnis, dessentwegen angenommen werden könnte, der innerstaatliche Gesetzgeber sei den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben aus der 6. EG-Richtlinie nicht nachgekommen. Wie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in seinem Urteil vom 14. Juli 1988 Rs. 123, 330/87, Abs. 17 ff. -- Amtl. Slg. 1988, 4537; Steuerrechtsprechung in Karteiform (StRK), 6. Umsatzsteuer-Richtlinie (EWG) Art. 18, Rechtsspruch 1 -- entschieden hat, gestatten die einschlägigen Regelungen der 6. EG-Richtlinie den Mitgliedstaaten, die Ausübung des Rechts zum Vorsteuerabzug vom Besitz einer Rechnung mit bestimmten Angaben abhängig zu machen, die erforderlich sind, um die Erhebung der Mehrwertsteuer und ihre Überprüfung durch die Finanzverwaltung zu sichern. Solche Angaben dürfen jedoch nicht durch ihre Zahl oder ihre technische Kompliziertheit die Ausübung des Rechts zum Vorsteuerabzug praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren. Hierbei ist es Sache des innerstaatlichen Gerichts zu beurteilen, ob die geforderten Angaben mit den erwähnten Kriterien in Einklang stehen.

Mit diesen Grundsätzen sind die wiedergegebenen Ausführungen des Senats (siehe oben) vereinbar. Der Senat hat insbesondere der Rücksichtnahme auf die praktischen Bedürfnisse des wirtschaftlichen Verkehrs den gebotenen Rang eingeräumt (vgl. Senatsurteile in BFHE 153, 65, BStBl II 1988, 688, und in BFHE 153, 77, BStBl II 1988, 694, jeweils unter 9 b zweiter Absatz).

Das FG hat mithin die den Anforderungen an die Leistungsbeschreibung gesetzten Grenzen nicht verkannt. Es konnte demnach zu dem Ergebnis kommen, daß die Leistungsbeschreibung in den das Streitjahr 1982 betreffenden Rechnungen dem § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i. V. m. § 14 Abs. 4 UStG 1980 nicht gerecht wird, ohne in einen Widerspruch zu den beiden zitierten Senatsurteilen (in BFHE 153, 65, BStBl II 1988, 688, und in BFHE 153, 77, BStBl II 1988, 694) zu geraten. Das FG hat zwar den Begriff der Identifizierbarkeit nicht verwendet, aber das entsprechende Tatbestandsmerkmal gleichwohl berücksichtigt. Dies ergibt sich aus den Bemerkungen des FG zu dem aus § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 abgeleiteten Urkundsprinzip. Dort hat das FG ausgeführt, der Gesetzgeber sei mit diesem Prinzip das Risiko eingegangen, daß Vorsteuer aus unrichtigen oder gefälschten Abrechnungsbelegen geltend gemacht werde. Dieses Risiko lasse sich nur dann sachgerecht begrenzen, wenn zumindest der Leistungsbezug konkretisiert und damit eine Überprüfung dieser Tatbestandsvoraussetzung ermöglicht werde. Aus der gedanklichen Verknüpfung von Konkretisierung und Überprüfung geht hervor, daß es dem FG besonders darauf ankam, die abgerechnete Leistung identifizieren zu können.

In den Rechnungen tragen zur Konkretisierung der abgerechneten Leistungen lediglich folgende Bestandteile bei: die Benennung einer in ... gelegenen Baustelle unter Beifügung eines eine Firma kennzeichnenden Kürzels, worin ein gewisser Hinweis auf den Leistungsort gesehen werden kann; die Angabe daß "Arbeiten" ausgeführt worden seien, was darauf hindeutet, daß die Leistung nicht in einer Lieferung bestanden hat; das Rechnungsdatum i. V. m. der Bemerkung, daß es sich um "erledigte" Arbeiten handelt, womit nichts Genaueres als das Ende der in Betracht kommenden Leistungszeit angegeben ist.

Angesichts dessen ist weder in rechtlicher (siehe oben) noch in tatsächlicher Hinsicht die Würdigung durch das FG zu beanstanden, daß die Leistungsbeschreibung eine Identifizierung der den Abrechnungsgegenstand darstellenden Leistungen nicht zuläßt. Soweit es bei der Frage nach der Identifizierbarkeit um die vom FG seiner Entscheidung zugrunde gelegten Schlußfolgerungen tatsächlicher Art geht, ist zu berücksichtigen, daß in dieser Beziehung die revisionsrechtliche Überprüfung auf das Vorliegen von Verstößen gegen Denkgesetze und gegen allgemeine Erfahrungssätze beschränkt ist, während es nicht darauf ankommt, ob die Schlußfolgerungen zwingend sind, sofern sie jedenfalls möglich erscheinen (vgl. Gräber/Ruban, a. a. O., § 118 Anm. 29 und 40).

Mit der Revision sind keine durchschlagenden Einwendungen gegen die Beachtung der Denkgesetze und allgemeiner Erfahrungssätze seitens des FG geltend gemacht worden, insbesondere nicht mit dem Hinweis der Klägerin darauf, daß in ihrem Betätigungsbereich, nämlich dem eines ... unternehmens, eine Identifizierung in Anspruch genommener Leistungen so gut wie ausgeschlossen sei, weil die Leistungen gerade in der Beseitigung vorhandener Sachen beständen.

Die Klägerin hat mit ihrem Hinweis verkannt, daß bei der Frage nach der Identi fizierbarkeit bezogener Leistungen nicht allein der Bereich der körperlichen Gegenstände (Sachen) eine Rolle spielt, d. h. daß es nicht bloß darauf ankommt, ob mit Hilfe einer Leistungsbeschreibung festgestellt werden kann, inwieweit infolge der in Anspruch genommenen Leistung Sachen geschaffen, verändert oder ggf. auch beseitigt worden seien. Die Identifizierbarkeit ist darüber hinaus für das Kostenrechnungs- und Abrechnungswesen beim Leistungsempfänger von Bedeutung, und zwar im Hinblick auf die wirtschaftliche Zuordnung der Vorbezüge zu den vom Leistungsempfänger bewirkten Umsätzen (vgl. Senatsurteil vom 30. November 1989 V R 85/84, BFHE 159, 272, BStBl II 1990, 345, betr. sog. Fehlmaßnahmen).

Aber selbst insoweit, als die Identifizierbarkeit ausschließlich auf den Bereich körperlicher Gegenstände bezogen wird, ist der Vorinstanz nicht etwa ein Denkfehler unterlaufen, indem diese unbeachtet gelassen hätte, daß die von ihr vermißte Identifizierbarkeit gar nicht zu erreichen gewesen wäre. Die Klägerin irrt bei ihrer Annahme, daß im erörterten Zusammenhang ein prinzipieller Unterschied zwischen der Herstellung bzw. Veränderung einer Sache einerseits und deren Beseitigung andererseits bestehe. Vielmehr ist im einen wie im anderen Falle der Zustand vor der Leistungs bewirkung mit demjenigen danach zu vergleichen. Im übrigen wäre der von der Klägerin geltend gemachte Einwand sogar geeignet, sich gegen die Klägerin selbst zu kehren. Denn im Hinblick darauf, daß die Leistungsbeschreibung der Identifizierung der Leistung dienen soll, werden die Anforderungen an die Konkretisierung in der Leistungsbeschreibung um so strenger sein müssen, je schwieriger die Identifizierung ist.

cc) Die Klägerin kann sich schließlich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß die Verweigerung des umstrittenen Vorsteuerabzuges für das Streitjahr 1982 einen Verstoß gegen verfassungsrechtliche Grundsätze darstelle (Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1, 20 und 103 Abs. 1 GG).

Soweit sich die Klägerin auf Art. 103 Abs. 1 GG beruft, wonach vor Gericht jedermann einen Anspruch auf rechtliches Gehör hat, kann eine Verletzung des Verfassungsrechts schon im Hinblick darauf nicht vorliegen, daß der gegen das FG erhobene Vorwurf der Klägerin, nicht vor Erlaß des angefochtenen Urteils die Ein reichung weiterer Rechnungskopien abgewartet zu haben, gerade nicht das hier erörterte Jahr 1982 betrifft, sondern die übrigen Streitjahre (1976 bis 1981), derentwegen die Revision nicht erfolglos, sondern begründet ist.

Ebenfalls keinen Erfolg kann die Klägerin mit der weiteren Rüge haben, sie bzw. die hinter ihr stehenden natürlichen Personen würden u. a. durch die Verweigerung des umstrittenen Vorsteuerabzuges für 1982 daran gehindert, den Beruf des Unternehmers auszuüben. Hiervon kann im Hinblick darauf keine Rede sein, daß die Klägerin das Fehlen zureichender Abrechnungspapiere selbst zu verantworten hat. Wie vom FG mit Bindung für den Senat (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt worden ist, wäre es angesichts des Inhalts der Abrechnungen der Klägerin gegenüber ihrer Auftraggeberin ohne weiteres möglich gewesen, in den Abrechnungspapieren für die Leistungsbezüge der Klägerin genauere Angaben zu machen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418595

BFH/NV 1995, 836

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