Entscheidungsstichwort (Thema)

Schenkungsteuer bei Übergang von Vereinsvermögen im Zuge der Liquidation - Voraussetzung für die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG 1983

 

Leitsatz (amtlich)

Der Übergang von Vereinsvermögen im Zuge der Liquidation auf solche anfallsberechtigte Personen, die keine Vereinsmitglieder sind, unterliegt nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 der Schenkungsteuer. Sind die Vereinsmitglieder selbst entweder nach § 45 Abs. 1 BGB kraft satzungsmäßiger Bestimmung oder aufgrund des § 45 Abs. 3 BGB zu gleichen Teilen anfallsberechtigt, unterliegt der Übergang des Vereinsvermögens auf die Vereinsmitglieder nur unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG 1974 der Schenkungsteuer.

 

Orientierungssatz

Im Rahmen des § 3 Nr. 2 GrEStG 1983 kommt es ausschließlich auf die Steuerbarkeit des Vorgangs, nicht jedoch darauf an, ob und inwieweit Steuer tatsächlich festgesetzt wird.

 

Normenkette

GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 3 Nr. 2; ErbStG 1974 § 7 Abs. 1 Nrn. 1, 9; BGB § 45 Abs. 1, 3

 

Tatbestand

I. Eigentümer eines in Berlin gelegenen, 1 347 qm großen, bebauten Grundstücks war der nach seiner Satzung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dienende Institut A e.V. Dieser befand sich im Jahre 1985 nach seiner Auflösung in Liquidation. Nach der Satzung des A e.V. i.d.F. vom 22. März 1982 sollte das Vereinsvermögen an die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) fallen. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 2. Juli 1985 übertrugen deshalb die Liquidatoren des A e.V. das zum Vereinsvermögen gehörende Grundstück in Berlin auf die Klägerin.

Wegen dieses Grunderwerbs setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) durch Bescheid vom 28. April 1986 unter Ansatz einer Bemessungsgrundlage von 226 240 DM (140 v.H. des Einheitswerts des Grundstücks) Grunderwerbsteuer gegen die Klägerin in Höhe von 4 524 DM fest.

Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 begehrte, weil es sich um eine Grundstücksschenkung unter Lebenden i.S. des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) 1974 handele, blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat die Voraussetzungen für die begehrte Steuerbefreiung verneint, weil kein der Schenkungsteuer unterliegender Erwerbsvorgang vorliege. Nach der die Auflösung eines Vereins betreffenden Vorschrift des § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG 1974 falle Schenkungsteuer nur bei Auflösung solcher Vereine an, deren Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet sei. Diese Voraussetzungen lägen aber beim A e.V. nicht vor, weil "weder behauptet worden, noch sonst ersichtlich sei, daß überhaupt Vermögen für Zwecke von Mitgliedern verwendet werden sollte oder verwendet wurde". Schenkungsteuerpflicht ergebe sich auch nicht aus § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974, denn diese Vorschrift sei im Streitfall nicht anwendbar, weil für Fälle der Auflösung eines Vereins die Spezialvorschrift des § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG 1974 vorgehe. Denn hätte der Gesetzgeber gewollt, daß der Vermögensanfall gemäß § 45 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ganz allgemein als freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 schenkungsteuerbar sei, hätte es der Spezialvorschrift des § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG 1974 für besondere (Vermögens-)Vereine nicht bedurft.

Hiergegen richtet sich die --vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene-- Revision der Klägerin. Diese rügt fehlerhafte Anwendung von § 3 Nr. 2 GrEStG 1983, § 7 Abs. 1 Nrn.1 und 9 ErbStG 1974. Das FG habe § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG 1974 zu eng interpretiert, wenn es annehme, ein Verein mit Zweckbindung des Vermögens liege nur dann vor, wenn Vereinsmitglieder vermögensmäßig davon profitierten. Sollte § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG 1974 nicht einschlägig sein, so sei der Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 gegeben.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG Berlin I 397/89 vom 18 September 1992, den Grunderwerbsteuerbescheid vom 28. April 1986 sowie die Einspruchsentscheidung vom 12. September 1989 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheides und der Einspruchsentscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Die Vorentscheidung ist aufzuheben. Das FG hat zu Unrecht das Vorliegen der Voraussetzungen einer Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG 1983 für die nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG 1983 grunderwerbsteuerbare Übertragung des Grundstücks auf die Klägerin im Rahmen der Liquidation des A e.V. verneint.

Nach § 3 Nr. 2 GrEStG 1983 sind Grundstücksschenkungen unter Lebenden i.S. des ErbStG von der Besteuerung ausgenommen. Ob ein solcher Erwerb vorliegt, bestimmt sich nach § 7 ErbStG 1974. Als Schenkung unter Lebenden gilt nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Freigebig ist dabei die Zuwendung, die objektiv zu einer Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden führt und bei der der Zuwendende sich deren Unentgeltlichkeit bewußt ist. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Denn durch die Grundstücksübertragung wurde die Klägerin auf Kosten des A e.V. bereichert. Die Zuwendung erfolgte auch freigebig, weil die Klägerin, die nicht Mitglied des aufgelösten Vereins A e.V. war, keinen Anspruch auf Übertragung des Vereinsvermögens hatte. Denn das in der Satzung des A e.V. zugunsten der Klägerin vorgesehene Anfallsrecht konnte bis zur Beendigung der Liquidation von den Vereinsmitgliedern (Liquidatoren) ohne Zustimmung der Klägerin jederzeit wieder beseitigt werden. Erst mit dem Ende der Liquidation, d.h. nach der Übertragung des Vereinsvermögens auf den Anfallsberechtigten erlischt der Vorbehalt entgegenstehender, von den Mitgliedern kraft ihrer Herrschaft über den Satzungsinhalt autonom bestimmbarer Vereinsbelange (vgl. hierzu Reuter in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch --MünchKomm--, 3. Aufl., §§ 46, 47 Rdnr.4; Reichert/Dannecker, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 5. Aufl., Rdnr.2189, 2190). Soweit das FG --trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974-- gleichwohl diese Vorschrift mit der Begründung nicht angewandt hat, die Spezialvorschrift des § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG 1974 sei für Vereinsauflösungen allein maßgebend und enthalte für solche Fälle eine abschließende Regelung, vermag dem der Senat nicht zu folgen.

Die hier maßgebliche Alternative des § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG 1974, nach der als Schenkungen unter Lebenden auch dasjenige gilt, was bei Auflösung eines Vereins, dessen Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist, erworben wird, wurde durch das Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts (ErbStRG) 1974 neu in das ErbStG eingefügt. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG 1959 war nur das bei Aufhebung einer Stiftung, nicht auch das bei Auflösung eines Vereins anfallende Vermögen erfaßt worden. Dieser Zustand sollte "aus Gründen der Steuergerechtigkeit" beseitigt, und Vereine, in denen große Vermögen gebunden sind, erbschaft- und schenkungsteuerrechtlich den Stiftungen gleichgestellt werden. Der Gesetzgeber wollte somit erkennbar einen bis zum Inkrafttreten des ErbStG 1974 nicht schenkungsteuerpflichtigen Vorgang der Schenkungsteuer unterwerfen, die Schenkungsteuerpflicht bei Auflösung von Vereinen somit ausweiten und nicht --wie das FG im Ergebnis angenommen hat-- ohnehin bereits z.B. nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 der Schenkungsteuer unterliegende Vorgänge im Zusammenhang mit der Auflösung von Vereinen von der Schenkungsteuerpflicht ausnehmen. Die vom Gesetzgeber angestrebte Gleichstellung der auf Vermögensbindung angelegten Vereine mit Stiftungen kann deshalb nur solche Fälle betreffen die ohne die Neuregelung in § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG 1974 nicht der Schenkungsteuer unterlägen. Hierfür kommen nur die Fälle in Betracht, in denen die Vereinsmitglieder selbst entweder nach § 45 Abs. 1 BGB kraft satzungsmäßiger Bestimmung oder aufgrund der gesetzlichen Regelung in § 45 Abs. 3 BGB zu gleichen Teilen Anfallsberechtigte sind. Denn anders als anfallsberechtigte Dritte erlangen anfallsberechtigte Vereinsmitglieder ein "gläubigerrechtsähnliches Wertrecht" (vgl. Reuter, a.a.O., §§ 46, 47 Tz.4), also einen schuldrechtlichen Anspruch auf Übertragung ihres Anteils am Vereinsvermögen, der die Freigebigkeit der Zuwendung und damit die Schenkungsteuerpflicht des Vorgangs nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 ausschließt (vgl. Troll, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 7 Tz.57). Anders sind hingegen die Fälle zu beurteilen, in denen das Vereinsvermögen an anfallsberechtigte Personen fällt, die als Nichtmitglieder zu keinem Zeitpunkt einen Anspruch darauf haben, daß das Vermögen auf sie übergeht, weil ein entsprechender Satzungsinhalt wegen der Regelung in § 310 BGB keine Rechtswirkung im Verhältnis zu dem anfallsberechtigten Dritten i.S. von § 328 BGB entfaltet (vgl. Reichert/ Dannecker, a.a.O., Rdnr.2190 unter Hinweis auf das Urteil des Reichsgerichts --RG-- vom 30. März 1942 II 96/41 RGZ 169, 65, 82 f.). Diese Vorgänge unterliegen --unabhängig von der Regelung in § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG 1974-- der Schenkungsteuer nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974.

2. Die Sache ist spruchreif.

Die Klage ist begründet. Denn der nach § 1 Abs. 1 GrEStG 1983 der Grunderwerbsteuer unterliegende Erwerbsvorgang der Klägerin ist nach § 3 Nr. 2 GrEStG 1983 von der Grunderwerbsteuer ausgenommen, weil es sich bei dem Vorgang um eine Grundstücksschenkung unter Lebenden i.S. des ErbStG handelt. Die Übertragung des Grundstücks auf die anfallsberechtigte Klägerin im Zuge der Liquidation des A e.V. unterliegt --wie oben dargelegt-- nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 der Schenkungsteuer. Ob und inwieweit dieser Vorgang nach § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG 1974 steuerfrei bleibt, braucht hier nicht entschieden zu werden, da es im Rahmen des § 3 Nr. 2 GrEStG 1983 ausschließlich auf die Steuerbarkeit des Vorgangs, nicht jedoch darauf ankommt, ob und inwieweit Steuer tatsächlich festgesetzt wird.

Da die streitige Grundstücksübertragung von der Grunderwerbsteuer ausgenommen ist, ist die entsprechende Steuerfestsetzung des FA rechtswidrig, so daß der Steuerbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben sind (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 65759

BFH/NV 1995, 76

BStBl II 1995, 609

BFHE 177, 509

BFHE 1996, 509

BB 1995, 1682 (L)

BB 1995, 1731

DB 1995, 1794 (LT)

DStR 1996, 500-501 (KT)

DStZ 1995, 669 (L)

HFR 1995, 593-594 (LT)

StE 1995, 514 (K)

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