Entscheidungsstichwort (Thema)

Bis zur Änderung des § 9 UStG 1980 praktizierte gewerbliche Zwischenvermietung von Wohnungen grundsätzlich mißbräuchlich

 

Leitsatz (amtlich)

Die bis zur Änderung des § 9 UStG 1980 praktizierte Einschaltung eines gewerblichen Zwischenmieters in die Vermietung von Wohnungen aufgrund eines von vornherein vereinbarten Gesamtkonzepts ist grundsätzlich mißbräuchlich und der Umsatzbesteuerung nicht zugrunde zu legen.

 

Normenkette

AO 1977 § 42; UStG 1980 § 4 Nr. 12a, §§ 9, 15 Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG Köln (Entscheidung vom 27.10.1987; Aktenzeichen 5 K 283/83)

 

Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) errichteten in Gesellschaft bürgerlichen Rechts in den Jahren 1981 und 1982 mit einem Aufwand von rund 1 Mio DM ein Haus mit acht Mietwohnungen. Sie vermieteten die Wohnungen jeweils nach Bezugsfertigkeit mit gesonderten Mietverträgen an die Firma O-Immobilien, die sie jeweils am gleichen oder am nächsten Tag an die Endmieter vermietete.

Die Kläger verzichteten gemäß § 9 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 auf die Steuerfreiheit der Vermietungsumsätze (§ 4 Nr.12 Satz 1 Buchst.a UStG 1980) und erklärten für das Streitjahr 1981 sowie das dritte und vierte Quartal 1982 negative Umsatzsteuer.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ließ die von den Klägern geltend gemachten Vorsteuerbeträge nicht zum Abzug zu und setzte in der Einspruchsentscheidung vom 29.Juni 1983 die Umsatzsteuer für 1981 sowie das dritte und vierte Quartal 1982 jeweils auf 0 DM fest.

Die Klage begründeten die Kläger im wesentlichen wie folgt: Dem wirtschaftlichen Gehalt nach hätten sie mit der Firma O- Immobilien Mietverträge und nicht nur einen Verwaltervertrag geschlossen. Schon lange vor Bezugsfertigkeit der Wohnungen sei mit dieser Firma ein Generalmietvertrag zustande gekommen. Sie hätten die Zwischenvermietung aus wirtschaftlichen, rechtlichen und persönlichen Gründen gewählt (Abwälzung der mit der Vermietung verbundenen Arbeiten, Ausschaltung des Mietausfallrisikos, Verringerung der Prozeßrisiken, günstigere Ausgangsposition im Mietrecht als bei Vermietung an Endmieter, bessere Bonität des Zwischenmieters als der Endmieter, Verzicht auf einen Makler bei der Suche von Mietern, dadurch günstigere Gesamtmietkonditionen und verbesserte Wettbewerbslage auf dem Wohnungsmarkt, Ausschluß von Differenzen unter den Klägern bei der Auswahl der Mieter und deren Behandlung bei Streitigkeiten). Nähere Ausführungen und Beweisangebote machten die Kläger nicht. Angesichts der Umsatzsteuerpflicht der Vermietungsumsätze ergebe sich, so legten die Kläger weiter dar, aus dem Vorsteuerabzug kein wesentlicher wirtschaftlicher Vorteil, zumal die Marge der Zwischenmieterin von 6 v.H. zu berücksichtigen sei.

Die Klage hatte im wesentlichen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) setzte mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1988, 90 veröffentlichten Urteil die Umsatzsteuer antragsgemäß fest. Zur Begründung führte das FG u.a. aus: Zwischen den Klägern und der Firma O-Immobilien seien Mietverträge zustande gekommen. Ihnen stehe umsatzsteuerrechtlich § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht entgegen. Die Zwischenvermietung von Wohnraum sei nicht ungewöhnlich und widerspreche nicht der Wertung des § 9 UStG 1980 in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung.

Das FA hat die Revision auf das Streitjahr 1981 beschränkt. Es rügt Verletzung des § 42 AO 1977. Wegen der Beschränkung der Revision verweist das FA darauf, daß für das Jahr 1982 inzwischen ein Umsatzsteuerjahresbescheid ergangen sei.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid für 1981 abzuweisen.

Die Kläger sind der Revision entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt für das Streitjahr 1981 zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Der Vorsteuerabzug kann wegen Mißbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts nicht zugelassen werden (§ 42 AO 1977).

1. Nach § 42 AO 1977 kann durch Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Liegt ein Mißbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

Ein Mißbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne dieser Vorschrift ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des erstrebten Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19.Juni 1991 IX R 134/86, BFHE 164, 498, BStBl II 1991, 904; vom 21.November 1991 V R 20/87, BFHE 166, 506, BStBl II 1992, 446; vom 16.Januar 1992 V R 1/91, BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541).

2. Der Tatbestand des Mißbrauchs von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 Satz 1 AO 1977) ist erfüllt, wenn der Wohnungseigentümer statt einer Vermietung an den Endmieter einen Zwischenmieter einschaltet, d.h. eine Person, die das Mietverhältnis nur eingeht, um die gemietete Wohnung an Dritte weiterzuvermieten und hierfür wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen (ständige Rechtsprechung seit Senatsurteil vom 15.Dezember 1983 V R 169/75, BFHE 140, 354, BStBl II 1984, 388).

Das Umsatzsteuergesetz 1980 geht bei der Besteuerung der Vermietung von Wohnraum davon aus, der wirtschaftliche Sachverhalt der Wohnungsvermietung werde dadurch gestaltet, daß die Wohnung demjenigen vermietet wird, der sie bewohnen will (vgl. z.B. Senatsbeschluß vom 4.August 1987 V B 16/87, BFHE 150, 478, BStBl II 1987, 756). Diese Vermietungsleistung ist steuerfrei (§ 4 Nr.12 Satz 1 Buchst.a UStG 1980); sie schließt den Vorsteuerabzug aus (§ 15 Abs.2 Satz 1 Nr.1 UStG 1980). Rechtliche Gestaltungen, die diese Rechtsfolgen vermeiden, sind an der Wertung des Gesetzgebers zu messen, wenn sie der steuerlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden sollen. Maßgebend für die Anerkennung einer abweichenden Gestaltung können nur Gründe des (den Vorsteuerabzug begehrenden) leistenden Unternehmers (Eigentümer-Vermieter) im Zeitpunkt der Eingehung des Zwischenmietverhältnisses sein, die Wohnungsvermietung abweichend von der gesetzlichen Wertung durchzuführen (Senatsurteil vom 22.Juni 1989 V R 34/87, BFHE 158, 152, BStBl II 1989, 1007).

Folgende, von Steuerpflichtigen wiederholt als Rechtfertigung für die Zwischenvermietung angeführte Gründe wurden vom Senat bisher nicht als tragfähige Begründung anerkannt:

- Überwälzung des Erstvermietungs- und Mietausfallrisikos (vgl. z.B. Senatsurteil vom 15.Dezember 1983 V R 112/76, BFHE 140, 375, BStBl II 1984, 398; Senatsbeschluß vom 29.Oktober 1987 V B 61/87, BFHE 151, 251, BStBl II 1988, 45);

- Arbeitsvereinfachung (vgl. Senatsbeschluß vom 29.Oktober 1987 V B 109/86, BFHE 151, 247, BStBl II 1988, 96; für den Fall der Vermietung mehrerer Wohnungen Senatsurteil vom 29.November 1984 V R 38/78, BFHE 142, 519, BStBl II 1985, 269);

- Renditeerwägungen (Senatsbeschlüsse vom 29.Juni 1990 V B 135/89, BFH/NV 1991, 278; vom 11.November 1991 V B 54, 55/91, BFH/NV 1992, 347);

- Verkürzung des Mieterschutzes (Senatsbeschluß in BFHE 150, 478, BStBl II 1987, 756; vgl. nunmehr Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 11.Juni 1991 1 BvR 538/90, Neue Juristische Wochenschrift 1991, 2272; Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 20.März 1991 VIII ARZ 6/90, BGHZ 114, 96).

In allen Fällen, in denen der Senat über gewerbliche Zwischenvermietungen, die im Rahmen eines Gesamtkonzepts (insbesondere bei "Bauherrenmodellen") von vornherein eingeplant waren, zu befinden hatte, waren die Gründe, die von den Steuerpflichtigen zur Rechtfertigung der gewählten Gestaltung angeführt wurden, entweder nicht hinreichend substantiiert dargelegt und nachgewiesen oder nicht genügend gewichtig, um die Gestaltung als angemessen beurteilen zu können. Solche Gestaltungen schließen schon vom Ansatz her eigene ernsthafte Vermietungsbemühungen des Wohnungsinhabers aus, wie sie zum Nachweis eines konkreten Erstvermietungs- oder Mietausfallrisikos erforderlich wären.

Ausnahmen können sich bei Vermietung an einen Unternehmer zur Vermietung an dessen Arbeitnehmer ergeben (Senatsurteile vom 26.November 1987 V R 29/83, BFHE 152, 170, BStBl II 1988, 387, und vom 5.März 1992 V R 36/87, nicht veröffentlicht). Je nach den konkreten Umständen kann jedoch auch bei solchen Fällen Rechtsmißbrauch vorliegen (vgl. Senatsurteil vom 14.Mai 1992 V R 29/88, nicht veröffentlicht).

Andere Gestaltungen von sog. Zwischenvermietungsfällen, soweit solche bis zur Änderung des § 9 UStG 1980 mit Wirkung für vor dem 1.April 1985 hergestellte (Wohn-) Gebäude noch in Betracht kamen, hatte der Senat trotz der zahlreichen Eingänge zu dieser Frage nicht zu entscheiden. Soweit er im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes ernstliche Zweifel an der Annahme eines Mißbrauchs angenommen und weitere Prüfungen für geboten gehalten hatte (Beschluß vom 9.Oktober 1986 V S 18/84, BFH/NV 1987, 130), hielt er diese Zweifel im zwischenzeitlich abgeschlossenen Hauptsacheverfahren nicht für durchgreifend und bestätigte auch für diesen Fall die Annahme eines Rechtsmißbrauchs.

Der Senat hat somit in ständiger Rechtsprechung zu den bis 1985 möglichen Gestaltungen in einer Vielzahl von Fällen entschieden, daß Zwischenvermietungen jedenfalls im Rahmen von Gesamtkonzepten grundsätzlich i.S. von § 42 AO 1977 unangemessen sind.

3. Aus der historischen Entwicklung des § 9 UStG 1980 ergibt sich nichts anderes, wie der Senat mehrfach dargelegt hat (Senatsurteil in BFHE 158, 152, BStBl II 1989, 1007, m.w.N.).

4. Ein Erstvermietungs- und Mietausfallrisiko erheblichen Gewichts und erfolglos gebliebene eigene konkrete Vermietungsbemühungen vor Abschluß des Zwischenmietvertrags haben die Kläger vor FA und FG weder detailliert vorgebracht noch haben sie hierfür Beweismittel benannt. Da die Vermietung an die Zwischenmieterin und die Vermietung an den jeweiligen Endmieter am selben Tag oder nur einen Tag später erfolgte, sind Vermietungsrisiken auch nicht ersichtlich. Den ersparten Maklerkosten steht die Marge der Zwischenmieterin gegenüber. Bloße mögliche Differenzen unter den Klägern bei der Auswahl der Mieter und deren Behandlung bei Streitigkeiten sind nicht so bedeutsam, daß sie eine vom Normalbild, wie es der Gesetzgeber voraussetzt, abweichende Gestaltung rechtfertigen könnten, zumal die Auswahl der Mieter einem Hausverwalter hätte überlassen werden können. Durch Beauftragung eines Hausverwalters hätte sich auch der Arbeitsaufwand in nahezu gleichem Umfang wie bei der Zwischenvermietung vermindern lassen.

5. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 135 Abs.1 FGO. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens waren nach § 136 Abs.1 Satz 1 FGO zu teilen. Die Kläger haben insoweit nur die Kosten zu tragen, die auf das Streitjahr 1981 entfallen, weil die Vorentscheidung im übrigen aufgrund der Beschränkung der Revision des FA rechtskräftig wurde. Der Streitwert hinsichtlich der mit der Klage angefochtenen Vorauszahlungsbescheide für das dritte und vierte Quartal 1982 war nach dem vollen strittigen Betrag zu bemessen (BFH- Beschluß vom 14.Dezember 1970 IV B 87/70, BFHE 101, 41, BStBl II 1971, 206; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14.Aufl., vor § 135 FGO Tz.103 "Vorauszahlungen", je m.w.N.).

 

Fundstellen

BFH/NV 1992, 66

BStBl II 1992, 931

BFHE 168, 468

BFHE 1993, 468

BB 1992, 1786 (L)

DB 1992, 2122 (L)

DStR 1992, 1319 (KT)

HFR 1992, 649 (LT)

StE 1992, 500 (K)

WPg 1992, 698-699 (S)

StRK, R.12 (LT)

NWB 1993, 4298

UVR 1992, 391 (L)

UStR 1992, 302 (KT)

WiR 1992, Nr 10, VIII (L)

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