Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Abgrenzung zwischen Lieferung und sonstiger Leistung. Hier: Überlassung von Matern, Klischees und Abzügen als sonstige Leistung.

 

Normenkette

UStG 1967 § 3 Abs. 1, 8

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Kapitalgesellschaft mit Sitz im Ausland, vertreibt Matern, Klischees und Abzüge von Witzbildern, Bildgeschichten und ähnlichen Zeitungsillustrationen zur Veröffentlichung in Zeitungen und Zeitschriften. Die Verträge mit ihren Vertragspartnern kamen auf der Grundlage von Bestellungen nach folgendem Muster zustande:

"Wir bestellen bei ... für Publikation in: (Zeitung) mit Alleinrecht für den Ausgabeort und:

(weitere Orte).

Die Serie: (Name der Serie)

Publikation: (täglich, wöchentlich, monatlich)

Lieferung in Matern/Klischees/Abzügen: (Matern)

Farben:

Manuskript: (deutsch)

Abonnementspreis per (Monat) DM und Porto oder Stück zum Preis von:

Die Publikation beginnt: (Datum)

Sondervereinbarungen:

Das Abonnement kann nach Veröffentlichung von sechs Monaten mit einmonatlicher Frist gekündigt werden. Das Publikationsrecht der Serie erlischt einen Monat nach Beendigung des Abonnements. Alle übrigen Publikationsrechte in Buchform/Reklame gehören ..."

Die Matern, Klischees und Abzüge wurden vom Ausland aus an die Kunden in der Bundesrepublik Deutschland versandt; diese konnten die ihnen überlassenen Vorlagen sofort ohne weitere Vorbereitungen zum Abdruck in ihren Zeitungen und Zeitschriften verwenden. Der Abonnementspreis wurde nach den Feststellungen des FG nach der Auflagenhöhe der Zeitung oder Zeitschrift, in der die Vorlagen veröffentlicht wurden, erhoben.

Die Klägerin sah in diesen Vorgängen Lieferungen (§ 3 Abs. 1 UStG 1967) der genannten Gegenstände, die gemäß § 3 Abs. 7 UStG 1967 im Ausland bewirkt worden und daher nicht steuerbar sind. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) war dagegen der Auffassung, es lägen im Inland bewirkte sonstige Leistungen (Duldung der Veröffentlichung des überlassenen Materials) - § 3 Abs. 8 i. V. mit Abs. 10 UStG 1967 - vor und zog die Klägerin für das Jahr 1968 wegen dieser Leistungen mit dem Steuersatz von 5 bzw. 5,5 v. H. (§ 12 Abs. 2 Nr. 7d UStG 1967) zur Umsatzsteuer heran.

Mit der gegen die Steuerfestsetzung eingelegten Sprungklage hatte die Klägerin keinen Erfolg. Das FG sah aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung der Vorgänge, des Wortlauts der zwischen der Klägerin und ihren Kunden abgeschlossenen Verträge sowie insbesondere aufgrund der Vereinbarung eines Entgelts entsprechend der Häufigkeit der Veröffentlichung den wesentlichen Inhalt des Leistungsaustausches in der Einräumung der Verwertungsrechte.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Verletzung von Verfahrensrecht sowie materiellen Rechts rügt und im wesentlichen folgendes ausführt:

Das vorinstanzliche Urteil beruhe "maßgeblich auf der Ansicht des erkennenden Senats, das vereinbarte Entgelt habe sich 'ausschließlich nach der Häufigkeit der Publikationen (täglich, wöchentlich oder monatlich), nach der Größe des Verbreitungsgebietes und nach der Auflagenzahl der von den Kunden herausgegebenen Zeitungen bzw. Zeitschriften' gerichtet". Hierzu habe aber das FG weder Feststellungen getroffen noch treffen können, da insoweit Ermittlungen nicht angestellt worden seien. Das FG habe damit gegen seine Verpflichtung verstoßen, den Sachverhalt - gegebenenfalls unabhängig von dem Vorbringen der Beteiligten - aufzuklären (§ 76 FGO). Diese Aufklärung sei um so mehr geboten gewesen, als die Ansicht des FG im Widerspruch zu der unwidersprochenen Sachdarstellung der Klägerin stehe, daß von den Gesamtkosten der Herstellung der Matern, Klischees und Abzüge 2/3 auf die Herstellung und 1/3 auf den Erwerb der Urheberrechte an den Bildserien entfielen. Das Urteil beruhe daher auf einem Denkfehler.

Zur materiellen Rechtslage weist die Klägerin unter anderem unter Bezugnahme auf die Urteile des BFH vom 13. Oktober 1960 V 299/58 U (BFHE 72, 69, BStBl III 1961, 26) und vom 31. Januar 1957 V 17/56 U (BFHE 64, 320, BStBl III 1957, 120) darauf hin, daß es ihren Kunden in erster Linie auf die körperliche Beschaffenheit des überlassenen Materials und seine unmittelbare Eignung zum Abdruck angekommen sei.

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin insbesondere noch folgendes ausgeführt:

Im Hinblick auf die Systematik des UStG, das die "sonstige Leistung" als Leistung definiert, die keine Lieferung ist (§ 3 Abs. 8 UStG 1967), und die Tatsache, daß im vorliegenden Fall Eigentum und Besitz an den Matern auf die Abnehmer übergegangen seien, sei kein Raum mehr für Erwägungen, ob die Elemente von Lieferung oder sonstiger Leistung überwögen, weil in jedem Falle Lieferungen vorlägen. Auch zollrechtlich gehöre der Wert des Vervielfältigungsrechtes nicht zum Zollwert der eingeführten Waren. Schließlich sei die Umsatzsteuer falsch berechnet worden, da der Berechnung die Entgelte einschließlich Umsatzsteuer zugrunde gelegt worden seien.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil sowie den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid ersatzlos aufzuheben,

hilfsweise,

die Umsatzsteuer für 1968 auf ... DM festzusetzen.

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Es ist der Auffassung, die Tatsache, daß der Abonnementspreis sich nicht nach der Zahl der überlassenen Matern, sondern nach anderen Kriterien gerichtet habe, sei zwischen den Beteiligten unstreitig gewesen.

In materieller Hinsicht teilt das FA im wesentlichen die Auffassung des FG.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Ein Verstoß des FG gegen seine Verpflichtung zur Erforschung des Sachverhalts (§ 76 FGO) in bezug auf die Bemessung des Preises für die überlassenen Matern, Klischees und Abzüge liegt nicht vor, da diese Feststellungen dem eigenen Vortrag der Klägerin in erster Instanz entsprechen. Das FG hatte über dieselbe Rechtsfrage zwischen den Beteiligten bereits für die Veranlagungszeiträume 1959 bis 1964 zu entscheiden und ist in dem rechtskräftigen Urteil vom 5. November 1969 - ebenso wie im vorliegenden Fall - zu dem Ergebnis gekommen, daß es sich bei den in Rede stehenden Vorgängen um im Inland ausgeführte sonstige Leistungen der Klägerin handele. In diesem Urteil, auf das die Vorinstanz Bezug genommen hat, ist festgestellt: "Für die einzelnen Serien bestand kein fester Abonnementspreis. Dieser wurde vielmehr nach der Auflagenhöhe der Zeitung oder Zeitschrift des Kunden, in der die Serien veröffentlicht wurden, bemessen. Dieselbe Serie konnte daher an eine große Tageszeitung zum vielfachen des Preises, der einer kleinen Zeitung berechnet wurde, verkauft werden." Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin unter Bezugnahme auf das vorbezeichnete Urteil in ihrer Klageschrift ausgeführt: "Da der Sachverhalt geklärt ist und in keiner Weise von dem Sachverhalt des vorstehend genannten Finanzrechtstreits abweicht, ist ein Einspruchsverfahren überflüssig, weshalb diese Klage als Sprungklage gemäß § 45 FGO erhoben wird." Wenn das vorinstanzliche Urteil daher dieselbe Feststellung enthält wie das Urteil vom 5. November 1969, so entspricht dies dem eigenen, unbestrittenen Vortrag der Klägerin.

Wenn bei dieser Sachlage das FG dem weiteren Vortrag der Klägerin, daß von der Kostenseite das Schwergewicht bei der technischen Herstellung der Matern, Klischees und Abzüge gelegen habe, keine entscheidende Bedeutung beigemessen hat, so liegt darin auch kein Widerspruch in der Sachverhaltsdarstellung und kein Verstoß gegen die Denkgesetze.

Auch in materieller Hinsicht ist das vorinstanzliche Urteil nicht zu beanstanden.

Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß in solchen Fällen, in denen die zu beurteilenden Vorgänge sowohl Lieferungselemente (Übereignung des Materials) als auch Elemente einer sontigen Leistung (Übertragung von Veröffentlichungsrechten) enthalten, die Frage, ob die Vorgänge als Lieferungen oder sonstige Leistungen zu beurteilen sind, davon abhängig ist, welche dieser Elemente unter Berücksichtigung des Willens der Vertragspartner tatsächlich den wirtschaftlichen Gehalt der Geschäfte bedingen (vgl. hierzu auch Hartmann-Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, 5. Auflage, § 3 Tz. 11 ff.). In dieser Betrachtung liegt kein Verstoß gegen die Systematik des § 3 UStG 1967. Denn bei der Frage nach der Qualifikation einer Leistung muß jener Teil der Leistung den Ausschlag geben, der im Rahmen des Leistungsaustausches ihren wirtschaftlichen Gehalt bestimmt, für den also die Gegenleistung erbracht (das Entgelt gezahlt) wird. So wird z. B. auch bei der Überlassung von Konstruktionszeichnungen und Manuskripten Besitz und Eigentum übertragen; dennoch liegen in diesen Fällen in der Regel sonstige Leistungen vor (vgl. Urteil des BFH vom 18. Mai 1956 V 276/55 U, BFHE 63, 14, BStBl III 1956, 198, und vom 28. April 1960 V 86/57 U, BFHE 71, 83, BStBl III 1960, 278). Mit Recht hat das FG den zwischen der Klägerin und ihren Kunden zustande gekommenen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Durchführung entnommen, daß im vorliegenden Falle - anders als im Falle des Urteils des BFH V 299/58 U - der wirtschaftliche Gehalt vorwiegend durch Elemente einer sonstigen Leistung gekennzeichnet werde. Den Kunden der Klägerin wird vertraglich ausdrücklich nur ein örtlich und zeitlich begrenztes Publikationsrecht an bestimmten Witzbildern, Bildgeschichten und ähnlichen Zeitungsillustrationen für bestimmte Zeitungen und Zeitschriften überlassen. Nicht sämtliche Veröffentlichungsrechte gehen auf die Kunden über; die nicht ausdrücklich überlassenen Publikationsrechte (z. B. in Buchform oder für Reklamezwecke) verbleiben bei der Klägerin. Unabhängig von der Tatsache, daß die den Kunden überlassenen Bildgeschichten usw. bereits durch die Klägerin in die Form von Matern, Klischees und Abzüge gekleidet sind und unbeschadet des Umstandes, daß Besitz und Eigentum an diesen Gegenständen auf die Kunden übertragen werden und bei diesen verbleiben, erlöschen die Publikationsrechte zu einem bestimmten (vereinbarten) Zeitpunkt. Gerade hieraus in Verbindung mit der Tatsache, daß der Abonnementspreis nicht durch den objektiven Wert der Gegenstände, sondern durch das Interesse der Kunden an der Publikation (Auflagehöhe der Zeitung usw.) entscheidend beeinflußt wird, ergibt sich - wie auch das FG zutreffend ausgeführt hat -, daß der wirtschaftliche Gehalt der Vorgänge im wesentlichen die Übertragung der Veröffentlichungsrechte gewesen ist.

Sicherlich wurde die Veröffentlichung den Kunden der Klägerin dadurch erleichtert, daß der zur Veröffentlichung bestimmte Inhalt bereits in eine Form gekleidet war, die die Kunden der Klägerin in die Lage versetzte, die Bildgeschichten usw. unmittelbar in ihren Zeitungen abzudrucken. Wenn daher der Übertragung des Gegenständlichen im vorliegenden Fall auch nicht jede Bedeutung abgesprochen werden kann, so tritt diese doch, wie das FG mit Recht ausgeführt hat, hinter der Rechtsübertragung entscheidend zurück.

Ebenso zutreffend hat die Vorinstanz auf die Unterschiedlichkeit der vorliegenden Sachverhalte gegenüber den in den Urteilen des Senats vom 31. Januar 1957 V 226/55 S, V 17/66 und V 75/56 U (BFHE 64, 317, 320, 322 BStBl III 1957, 119, 120, 121) behandelten, die Filmproduktion betreffenden Sachverhalten hingewiesen, in denen die Preise gerade in erster Linie nach den Produktionskosten bemessen waren und der Rechtsübertragung nur geringe Bedeutung zukam.

Die zollrechtliche Beurteilung der Berechnung des Zollwertes ist für die hier zu entscheidende Frage ohne Bedeutung.

Das FG hat daher mit Recht den vorliegenden Sachverhalt in seinem wirtschaftlichen Gehalt als ein Dulden der Vervielfältigung und Verbreitung im Inland angesehen und der Umsatzsteuer unterworfen.

Soweit die Klägerin auf die Unrichtigkeit der Berechnungsgrundlagen hinweist, handelt es sich um neues tatsächlisches Vorbringen, das im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden kann. Als Aufklärungsrüge kann das Vorbringen ebenfalls nicht berücksichtigt werden, da sie nicht innerhalb der Frist des § 120 FGO erhoben wurde.

Die Revision war daher als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70797

BStBl II 1974, 261

BFHE 1974, 379

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