Leitsatz (amtlich)

1. Die Gewinnverteilung einer typischen stillen Gesellschaft zwischen Familienangehörigen ist grundsätzlich angemessen, wenn der Gewinnverteilungsschlüssel im Zeitpunkt seiner Vereinbarung angemessen war.

2. Stammt die Kapitaleinlage des stillen Gesellschafters nicht aus einer Schenkung des Unternehmers, so ist in der Regel eine Gewinnverteilungsabrede angemessen, die im Zeitpunkt der Vereinbarung bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung eine durchschnittliche Rendite von bis zu 25 v. H. der Einlage erwarten läßt.

 

Normenkette

StAnpG § 1 Abs. 3; EStG § 4 Abs. 4

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war aufgrund Erbvertrages Rechtsnachfolgerin ihres im Jahre 1953 verstorbenen Ehemannes. Das Vormundschaftsgericht bestellte für die Tochter, das einzige Kind, einen Pfleger und verlangte Sicherstellung des der Tochter zustehenden Pflichtteilsanspruchs. Am 17. Dezember 1960 schloß deshalb die Klägerin mit ihrer Tochter, diese vertreten durch den Pfleger, einen Vertrag, durch den die Tochter als stille Gesellschafterin an der zum Nachlaß gehörenden Baustoffhandlung der Klägerin beteiligt wurde. Die Klägerin übertrug der Tochter aus ihrem Kapitalkonto mit Wirkung ab 1. Januar 1960 einen Betrag von rund 35 000 DM durch Umbuchung. Das Vormundschaftsgericht hatte den Pflichtteilsanspruch auf rund 32 000 DM geschätzt. Der Vertrag sollte bis 31. Dezember 1964 laufen. Im Jahre 1964 wurde die Tochter volljährig. Die Geschäftsführung lag bei der Klägerin. Die Tochter erhielt vom jährlichen Reingewinn eine Beteiligung von 15 v. H. Die Anteile sollten einem Privatkonto gutgeschrieben werden, von dem die Tochter bis zu 80 v. H. entnehmen durfte. Das jeweilige Guthaben war mit 5 v. H zu verzinsen. Die Tochter sollte nicht am Verlust beteiligt sein. Bei einer Auseinandersetzung beschränkten sich ihre Ansprüche auf die Einlage und das Guthaben des Privatkontos.

Bei den Einkommensteuerveranlagungen 1961 bis 1964 berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das FA) entsprechend den Steuererklärungen jährlich jeweils rund 20 000 DM als Gewinnanteile der Tochter. Aufgrund des Ergebnisses einer Betriebsprüfung erkannte das FA die Gewinnverteilung nur noch insoweit an, als es der Tochter eine jährliche Gewinnbeteiligung von 10 000 DM zugestand. Es bezog sich auf die Grundsätze des Urteils des BFH vom 7. November 1963 IV 335/61 U (BFHE 78, 155, BStBl III 1964, 61). Dementsprechend erklärte das FA die zunächst vorläufige Einkommensteuerveranlagung 1961 für endgültig und berichtigte es die Einkommensteuerbescheide für die Veranlagungszeiträume 1962 bis 1964 nach § 222 AO. Die Einsprüche blieben ohne Erfolg.

Das FG gab der Klage statt. Es ging davon aus, daß der Gesellschaftsvertrag zivilrechtlich wirksam geschlossen und steuerrechtlich anzuerkennen sei. Dies gelte auch für die Gewinnverteilungsabrede. Es liege keine mißbräuchliche Gestaltung im Sinne des § 6 Abs. 1 StAnpG vor. Im Streitfall handle es sich nicht um die sonst übliche schenkweise Übertragung eines Kapitalanteils auf den aufzunehmenden Gesellschafter. Die Klägerin habe vielmehr vor der Wahl gestanden, das betriebliche Eigenkapital um den an die Tochter auszuzahlenden Pflichtteil zu schwächen oder aber - wie geschehen - es dem Betrieb durch Aufnahme der Tochter als Gesellschafterin voll zu erhalten. Die Tochter habe sich deshalb von vornherein in einer starken Position befunden. Die vertragliche Gestaltung habe der wirtschaftlichen Situation entsprochen. Es müsse berücksichtigt werden, daß, wie die Klägerin mit Recht hervorgehoben habe, die Vertragsteile sich beinahe wie Fremde gegenübergestanden hätten. Die Tochter habe aufgrund ihrer starken Stellung, nachdem sie dem Betrieb mehr als 20 v. H. des vorhandenen Nominalkapitals in Gestalt ihres Pflichtteils zur Verfügung gestellt habe, Beteiligungsforderungen stellen können. Die Angemessenheit der Gewinnverteilungsabrede werde durch Kontrollrechnungen bestätigt. Zwar handle es sich im Streitfall um eine sehr gute Verzinsung des eingesetzten Kapitals. Es müsse aber die wesensnotwendige Gewinnabhängigkeit der Bezüge des stillen Gesellschafters berücksichtigt werden (vgl. BFH-Urteil vom 9. Juli 1969 I R 188/67, BFHE 96, 397, BStBl II 1969, 690).

In seiner Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Es rügt Verletzung sachlichen Rechts (§ 1 Abs. 2 StAnpG, § 12 EStG). Die vom FA anerkannte Verzinsung der Einlage mit rund 28,5 v. H. liege bereits an der äußersten Grenze des Vertretbaren. Die von dem FG angestellte Kontrollrechnung werde den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht. Das FG habe bei der Angemessenheitsprüfung nicht beachtet, daß die Tochter nur mit dem Nennbetrag ihrer Einlage beteiligt sei, während auf der Seite der Klägerin der volle (reale) Wert des Unternehmens - abzüglich der Guthaben der stillen Gesellschafterin - zu veranschlagen sei. Die Aufteilung hätte deshalb richtigerweise im Verhältnis der realen Werte der Gesellschaftsanteile von Mutter und Tochter vorgenommen werden müssen. Es wäre im übrigen der Klägerin möglich gewesen, einen Betrag in Höhe des Pflichtteils dem Betriebsvermögen zu entziehen oder durch Inanspruchnahme wesentlich zinsbilligerer Fremdmittel abzulösen. Bei lediglich kapitalmäßig beteiligten Gesellschaftern einer Familiengesellschaft erscheine nur ein Gewinnanteil von 20 v. H. des Kapitalanteils als angemessen. Über diesen Satz hinausgehende Zuwendungen müßten als auf außerbetrieblichen familiären Beziehungen beruhend angesehen werden (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 15. Oktober 1970 IV R 134/70, BFHE 101, 229, BStBl II 1971, 262).

Die Klägerin beantragt Abweisung der Revision. Sie wendet sich in ihrer Revisionserwiderung im wesentlichen gegen die vom FA vorgetragene Kontrollrechnung zur Angemessenheit der Gewinnverteilung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

1. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH, daß bei der Prüfung der Angemessenheit der Gewinnverteilung auf Grund von Gesellschaftsverträgen zwischen nahestehenden Personen als Maßstab eine unter fremden Personen übliche Gestaltung anzusehen ist (vgl. BFH-Urteile vom 25. Juli 1963 IV 421/62 U, BFHE 78, 3, BStBl III 1964, 3; vom 15. November 1967 IV R 139/67, BFHE 90, 399, BStBl II 1968, 152; vom 25. April 1968 VI R 279/66, BFHE 93, 130, BStBl II 1968, 741; BFH-Beschluß vom 29. Mai 1972 Gr. S. 4/71, BFHE 106, 504, BStBl II 1973, 5, unter Abschn. IV 2b aa). Dieses Kriterium hat zwar der Große Senat in seinem zuletzt angeführten Beschluß nicht angewendet. Dies geschah aber nur deshalb nicht, weil, wie dort an der bezeichneten Stelle ausgeführt ist, die Aufnahme nicht im Betriebe mitarbeitender Kinder als Gesellschafter unter Schenkung der Kapitalanteile nicht mit Gestaltungen verglichen werden könne, die unter Fremden vorkämen. Der Streitfall unterscheidet sich aber von solchen Schenkungsfällen dadurch, daß hier eine Gesellschafterstellung zur Abgeltung eines Pflichtteilsanspruches eingeräumt wurde. Es handelte sich nicht um eine Schenkung, sondern um die Umwandlung einer Gläubigerstellung in die Rechtsposition eines am Gewinn beteiligten Gesellschafters. Insofern hat die Vorinstanz zutreffend einen Vergleich mit Gestaltungen unter Fremden für angebracht gehalten und der Tochter eine "starke Position" zugesprochen. Ob diese Vergleichbarkeit auch bei Fällen wechselseitiger Schenkung besteht, braucht der Senat nicht zu entscheiden.

Das FG hat indessen verkannt, daß die Ausgestaltung der Rechtsstellung der Tochter, wie die Gewinnverteilung zeigt, nicht mit dieser durch die Gläubigerstellung gekennzeichneten Ausgangslage allein erklärt werden kann. Denn eine Gewinnverteilungsabrede, auf Grund deren sich bei einer Kapitaleinlage von 35 000 DM ein jährlicher Gewinnanteil von rund 20 000 DM ergibt, ohne daß auch das Verlustrisiko geteilt wird, wäre unter Fremden unwahrscheinlich. Der Senat braucht auf Einzelheiten der vom FG vorgenommenen und von den Beteiligten mit stark unterschiedlichen Ergebnissen vertieften Kontrollrechnung nicht einzugehen. Denn nur unter ungewöhnlichen Umständen wäre es denkbar, daß ein Einzelunternehmer einen stillen Gesellschafter mit einer Einlage der hier vorliegenden Größe gegen eine risikolose jährliche Verzinsung zu rund 57 v. H. aufnehmen würde. Das FG hat keine Feststellungen getroffen, aus denen sich eine solche Ausnahmesituation erkennen ließe.

Für die Entscheidung des Streitfalles ist deshalb, ohne daß es auf eine Prüfung unter dem Gesichtspunkt des § 6 StAnpG ankäme, davon auszugehen, daß die Gewinnverteilungsabrede nicht nur auf der ursprünglichen Gläubigerstellung der Tochter beruhte, sondern daß sie zu einem wesentlichen Teil nur mit den weiterbestehenden familiären, engeren persönlichen Beziehungen der Beteiligten erklärt werden kann (§ 1 Abs. 3 StAnpG). Es ist zu unterscheiden zwischen den Gewinnbezügen der Tochter, die durch ihre Gesellschafterstellung dergestalt bedingt waren, daß sie auch unter Fremden möglich wären, und den darüber hinausgehenden Zuwendungen der Klägerin. Nur die ersteren sind als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) abzugsfähig. Die übrigen Zuwendungen gehören zu dem Bereich der bei der Gewinnermittlung nicht zu berücksichtigenden Einkommensverwendung (§ 12 Nr. 2 EStG).

2. Für die Prüfung, welcher Gewinnanteil als angemessen und dementsprechend als abzugsfähige Betriebsausgabe anzusehen ist, hält der Senat die folgenden Gesichtspunkte für wesentlich.

a) Eine Kapitalverzinsung im Sinne eines festen Vomhundertsatzes des Kapitalanteils kommt nicht in Betracht, weil dies mit der notwendigen Gewinnabhängigkeit der an einen stillen Gesellschafter zu leistenden Vergütung nicht vereinbar wäre (vgl. BFH-Urteil I R 188/67). Gleichwohl muß zwischen der Kapitaleinlage des stillen Gesellschafters und der Höhe seines Gewinnanteils ein innerer Zusammenhang bestehen. Es treffen hier die gleichen Erwägungen zu, die der Große Senat in dem erwähnten Beschluß, der die Angemessenheit des Gewinnanteils des Kommanditisten einer Familiengesellschaft betraf, dargelegt hat. Danach ist grundsätzlich maßgebend, ob die Gewinnverteilungsabrede in dem Zeitpunkt, in welchem sie getroffen wurde, angemessen war (vgl. Entscheidung Gr. S. 4/71, Abschn. IV 2d cc). Dies ist zu bejahen, wenn auf Grund der Abrede nach den Erfahrungen der vorausgegangenen Jahre und vernünftiger kaufmännischer Beurteilung der Zukunftsaussichten eine angemessene durchschnittliche Rendite der Kapitaleinlage zu erwarten war.

b) Was die Höhe dieser angemessenen Rendite der Einlage eines echten (typischen) stillen Gesellschafters betrifft, so ist folgendes zu erwägen:

Nach der Entscheidung Gr. S. 4/71 ist im Falle der Schenkung eines Kommanditanteils oder der Einlage eines atypischen stillen Gesellschafters eine Gewinnverteilungsabrede in der Regel nicht zu beanstanden, wenn die sich aus ihr ergebende nachhaltig erzielbare Durchschnittsrendite einen Satz von 15 v. H. des (realen) Wertes des Gesellschaftsanteils nicht übersteigt. Der erkennende Senat braucht nicht auf die Frage einzugehen, ob dieser Satz auch für Fälle der Schenkung der Einlage eines typischen stillen Gesellschafters aus Mitteln des Unternehmens maßgebend ist. Denn im Streifall handelt es sich, wie bemerkt, nicht um einen solchen Schenkungsvorgang.

Fälle der vorliegenden Art sind wirtschaftlich vergleichbar solchen, bei denen dem Betrieb Kapital zugeführt wird. Sie erlauben einen Vergleich mit Vertragsgestaltungen fremder Personen. Deshalb ist ein anderer Maßstab z. B. dann geboten, wenn durch die Einlage betriebsnotwendiges Kapital zugeführt wird (vgl. Beschluß Gr. S. 4/71, Abschn. IV 2 c, cc). Der erkennende Senat hat diesen Gesichtspunkt bereits in seinem Urteil vom 9. Juli 1969 I R 78/67 (BFHE 96, 351, BStBl II 1969, 649) betont, Die Entscheidung betraf die Gewinnbeteiligung eines partiarischen Darlehnsgebers. Die Angemessenheit wurde bis zur Höhe von 25 v. H. der Darlehnssumme bejaht. Dem Umstande, daß es sich um die Zuführung neuen Kapitals handelte, hat der erkennende Senat auch in dem Urteil I R 188/67 Bedeutung beigemessen und deshalb die vom FG vorgenommene Gewinnverteilung (vgl. EFG 1968, 273) gebilligt. Nichts anderes kann gelten, wenn der mit einem Gläubiger geschlossene Gesellschaftsvertrag den Zweck hat, zu verhindern, daß dem Betriebe Kapital entzogen wird. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob der Gläubiger, dessen Guthaben in eine Gesellschaftereinlage umgewandelt wird, ein Geschäftsgläubiger oder - wie im Streitfall - ein Privatgläubiger des Unternehmers ist.

Der Senat hat nicht allgemein zu der Frage Stellung zu nehmen, welche Rendite bei Einlagen typischer stiller Gesellschafter als angemessen anzusehen ist, da im Streitfall der stille Gesellschafter am Verlust nicht teilnahm. Bei bloßer Gewinnbeteiligung hält der Senat in Fällen, die einen Vergleich mit Vertragsgestaltungen zwischen fremden Personen zulassen, in der Regel eine Gewinnverteilungsabrede für angemessen, die im Zeitpunkt der Vereinbarung bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung eine durchschnittliche Rendite in Höhe von bis zu 25 v. H. der Kapitaleinlage erwarten läßt. Ist die Abrede hiernach angemessen, so ist dieser Gewinnverteilungsschlüssel auch dann der Besteuerung zugrunde zu legen, wenn sich später die Ertragslage wesentlich günstiger oder ungünstiger als erwartet gestaltet und sich deshalb für das einzelne Jahr eine den Satz von 25 v. H. der Kapitaleinlage erheblich über- oder unterschreitende Gewinnbeteiligung ergibt.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Der Senat kann auf Grund der Feststellungen des FG, die unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten getroffen wurden, nicht abschließend beurteilen, ob die Gewinnverteilungsabrede im Zeitpunkt des Vertragsschlusses unangemessen war und welche Gewinnanteile sich für die einzelnen Jahre ergeben, wenn ein Aufteilungsschlüssel zugrunde gelegt wird, der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses angemessen war. Das FG wird deshalb die für diese Prüfung erforderlichen Feststellungen noch zu treffen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70375

BStBl II 1973, 395

BFHE 1973, 527

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