Leitsatz (amtlich)

Der Sonderausgabenpauschbetrag des § 10c Nr. 1 EStG von 936 DM steht einem Steuerpflichtigen nicht zu, wenn seine Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit im Kalenderjahr 100 DM nicht überstiegen haben. Arbeitsentgelte bis zu diesem Betrag sind steuerfrei und bleiben bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit außer Ansatz.

 

Normenkette

EStG 1965 § 3 Nr. 17, § 10c Nr. 1

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Steuerpflichtigen) wurden für das Jahr 1966 gemäß § 26, § 26b EStG zusammenveranlagt. Die Eheleute hatten einen zusätzlichen Pauschbetrag für Sonderausgaben von 936 DM nach § 10c EStG auch für die Ehefrau begehrt, weil diese im Oktober des Streitjahres Einnahmen aus einer Aushilfstätigkeit in Höhe von 100 DM gehabt hatte. Das FA war der Auffassung, daß die Einnahmen der Ehefrau durch den Weihnachtsfreibetrag nach § 3 Nr. 17 EStG aufgezehrt worden seien, so daß bei ihr in die Einkunftsart "aus nicht selbständiger Arbeit" keine Einnahmen hätten eingereiht werden können. Es lehnte deshalb die Berücksichtigung eines zusätzlichen Pauschbetrages für die Ehefrau ab.

Die Klage der Steuerpflichtigen hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das FG, auf dessen in EFG 1969, 167 veröffentlichtes Urteil Bezug genommen wird, war der Auffassung, daß der Sonderausgabenpauschbetrag von 936 DM nicht abgesetzt werden könne, wenn die Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit den Weihnachtsfreibetrag nicht überstiegen hätten. Die gesamten Bezüge der Ehefrau seien gemäß § 3 Nr. 17 EStG vorweg steuerfrei. Unter ihren Einkünften hätten sich keine Einnahmen aus nichtselbsländiger Arbeit befunden, wie dies § 10c Nr. 1 EStG voraussetze. Steuerfreie Einnahmen blieben bei der Besteuerung außer Ansatz.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügen die Steuerpflichtigen Verletzung geltenden Rechts, weil die vom FG vertretene Auffassung im Gesetz keine Stütze finde. Sie machen erneut geltend, daß nach dem eindeutigen Wortlaut des § 3 Nr. 17 Satz 1 EStG nur ein Betrag von 100 DM derjenigen Bezüge steuerfrei sei, die dem Arbeitnehmer aus einem Dienstverhältnis im Monat Dezember zugeflossen seien. Das sei der entscheidende Satz, nicht aber der zweite Satz dieser Vorschrift, wonach der Weihnachtsfreibetrag bei einer Veranlagung zur Einkommensteuer und beim Lohnsteuer-Jahresausgleich zu berücksichtigen sei. Folge man aus dem Bestreben, dem zweiten Satz einen tieferen Sinn zuzuweisen, der Auslegung des FG und lege das Schwergewicht auf den zweiten Satz, so würde der erste Satz völlig überflüssig. Die Interpretation des FG würde den Weihnachtsfreibetrag zu einem zweiten Arbeitnehmerfreibetrag machen. Man dürfe dem Gesetzgeber wohl zutrauen, daß er dies am rechten Ort, nämlich durch Änderung des § 19 Abs. 2 EStG geregelt hätte, wenn eine solche Aufstockung des Arbeitnehmerfreibetrages beabsichtigt gewesen sei. Der Weihnachtsfreibetrag sei etwas anderes als ein allgemeiner Arbeitnehmerfreibetrag. Damit werde auch das Gewicht der Sätze 1 und 2 in § 3 Nr. 17 EStG gegeneinander abgegrenzt. Die entscheidende materielle Regelung enthalte Satz 1; Satz 2 habe dagegen im wesentlichen nur deklaratorische Bedeutung. Daraus werde verständlich, daß der Weihnachtsfreibetrag nur für solche Bezüge in Frage komme, die dem Lohnsteuerabzugsverfahren unterlägen. Eine andere Auslegung würde eine Korrektur des Gesetzgebers durch die Rechtsprechung bedeuten, die rechtsstaatlich unzulässig wäre. Auch die Erwägung des FG bezüglich einer steuerlichen Schlechterstellung der Arbeitnehmer, die im Dezember in keinem Arbeitsverhältnis stünden, könne nicht durchgreifen. Ein echter Weihnachtsfreibetrag könne naturgemäß nur demjenigen gewährt werden, der um die Weihnachtszeit tatsächlich in Arbeit gestanden habe. Es treffe zu, daß Abschn. 6 Nr. 11 EStR, der den Weihnachtsfreibetrag praktisch zu einem zweiten allgemeinen Arbeitnehmerfreibetrag mache, im Regelfall zu einer steuerlichen Besserstellung des Steuerpflichtigen gegenüber der Gesetzeslage führe oder doch wenigstens zu keiner Schlechterstellung. Im Streitfall bedeute diese Verwaltungsvorschrift im steuerlichen Ergebnis aber eine zu Lasten der Steuerpflichtigen vom Gesetz abweichende Regelung. Der angezogene Vergleich mit einer Kriegsbeschädigten-Rente gehe fehl. Nach § 10c EStG komme es allein darauf an, ob der Steuerpflichtige Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit bezogen habe. Das sei hier bei der Ehefrau auch dann der Fall gewesen, wenn ihre Einnahmen nach § 3 Nr. 17 EStG steuerfrei gewesen sein sollten. Bei der im Steuerrecht geltenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise sei es ein erheblicher Unterschied, ob Bezüge ihrer Art nach völlig steuerfrei seien oder ob nur ein gesetzlich bestimmter Betrag - und dies noch unter gewissen Kautelen - steuerfrei bleibe, während die überschießende Summe voll der Steuer unterliege. Fehl gingen die Hinweise auf § 7 JAV und auf § 2 Abs. 4 Nr. 2 EStG. Für ihre Auffassung spräche auch das in Abschn. 114 EStR enthaltene und in den Erläuterungen der Einkommensteuererklärung 1966 wiedergegebene Beispiel, wonach, wenn sowohl der Ehemann als auch die Ehefrau Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit bezogen hätten, bei der Zusammenveranlagung zwei Sonderausgabenpauschbeträge zustünden, wobei die Summe der Einkünfte, die nicht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit seien, ohne Bedeutung sei. Die Ansicht des FG, ein Arbeitnehmer, der 100 DM Arbeitslohn im Kalenderjahr bezogen habe, habe nach Berücksichtigung des Weihnachtsfreibetrages keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit mehr und deshalb stehe ihm das Sonderausgabenpauschale nicht zu, würde bedeuten, daß dieser Arbeitnehmer bei Zusammenveranlagung mit seinem Ehegatten nach Einführung des Weihnachtsfreibetrages steuerlich schlechter gestellt sei als zuvor; denn zuvor habe er das Sonderausgabenpauschale erhalten, das ihm jetzt versagt sein solle.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Der Revision mußte der Erfolg versagt bleiben.

Das Urteil des FG steht mit dem geltenden Recht im Einklang. Es hat im Streitfall bei den gemäß § 26b EStG zusammenveranlagten Steuerpflichtigen den Sonderausgabenpauschbetrag des § 10c Nr. 1 EStG mit Recht nur einmal zum Abzug zugelassen.

Bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten zur Einkommensteuer werden die Einkünfte der Ehegatten zwar getrennt ermittelt. Ihre Sonderausgaben bilden aber eine Einheit (vgl. das Urteil des Senats VI 352/65 vom 11. November 1966, BFH 87, 301, BStBl III 1967, 114), so daß es gleichgültig ist, von welchem Ehegatten die Sonderausgaben getragen wurden.

Werden keine Sonderausgaben geltend gemacht, sind vielmehr die Sonderausgabenpauschbeträge des § 10c Abs. 1 EStG anzusetzen, so wird nach § 10 Abs. 3 EStG grundsätzlich jedem Ehegatten der für ihn in Betracht kommende Pauschbetrag gewährt. Danach kann jedem Ehegatten der Pauschbetrag von 936 DM gewährt werden, wenn in den Einkünften eines jeden Ehegatten "Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit" (§ 10c Nr. 1 EStG) enthalten sind. Diese Voraussetzung ist im Streitfall für die Ehefrau nicht erfüllt.

Der von den Steuerpflichtigen auch in der Revision vertretenen Rechtsauffassung, es reiche aus, daß die Ehefrau im Veranlagungszeitraum, nämlich im Oktober 1966, Einnahmen von 100 DM aus nichtselbständiger Arbeit gehabt habe, kann nicht gefolgt werden. Die Meinung der Steuerpflichtigen, daß nur bei im Weihnachtsmonat Dezember zugeflossenen Lohneinnahmen 100 DM steuerfrei seien, entspricht nicht der Rechtslage. Wie das FG unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des § 3 Nr. 17 EStG 1965 zutreffend dargelegt hat, ist im Gegensatz zu der früher geltenden Regelung, die nur die Weihnachtszuwendungen als solche begünstigte, durch die mit dem Änderungsgesetz vom 27. Dezember 1960 (BGBl I, 1077) in Kraft getretene Neuregelung des § 3 Nr. 17 EStG die Steuerfreiheit nicht mehr an eine Weihnachtszuwendung gebunden. Wenngleich § 3 Nr. 17 Satz 1 EStG, wie den Steuerpflichtigen zuzugeben ist, auf "im Dezember zufließende" Bezüge abstellt, wird Satz 2 dieser Vorschrift doch dahin verstanden, daß sie die Vergünstigung bei der Veranlagung und beim Lohnsteuer-Jahresausgleich allen Arbeitnehmern ohne Rücksicht darauf gewährt, ob im Dezember Arbeitslohn bezogen wurde (vgl. Abschn. 6 Nr. 11 EStR 1969; Hartz-Over, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort "Weihnachtsfreibetrag"; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 9. Aufl., Randnr. 50 zu § 3 EStG, und Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl., Anm. 16 zu § 3). Wie die Steuerpflichtigen mit Recht feststellen, hat der Weihnachtsfreibetrag heute also die Wirkung eines allgemein gewährten Freibetrags. Aus Gründen der Gleichbehandlung soll er allen Arbeitnehmern zugute kommen, sofern sie überhaupt entsprechende Einnahmen haben.

Mit dem FG geht auch der Senat davon aus, daß der Weihnachtsfreibetrag nach dem eindeutigen Wortlaut des § 3 EStG zur Steuerfreiheit der entsprechenden Bezüge führt. Haben diese wie im Streitfall nur 100 DM betragen, so handelt es sich um Einnahmen, die kraft Gesetzes steuerfrei und deshalb bei der Besteuerung außer Ansatz bleiben müssen. Der Begriff der Einkünfte ergibt sich aus § 2 Abs. 3 und 4 EStG. Bei den steuerpflichtigen Einkünften in diesem Sinn können keine Einnahmen angesetzt werden, die entweder unter keine Einkunftsart fallen oder aber auf Grund besonderer gesetzlicher Vorschriften als steuerfrei behandelt werden. Bezüge, die unter die Befreiungsvorschriften des § 3 EStG fallen, gehören nicht zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 EStG (vgl. hierzu Würdinger in StuW 1966 Sp. 678 ff.). Wegen des Weihnachtsfreibetrags rechnet also der Arbeitslohn eines Kalenderjahres bis zu 100 DM zu den steuerfreien Einnahmen, die bei keiner Einkunftsart angesetzt werden. Der Weihnachtsfreibetrag unterscheidet sich dadurch in der Tat von dem Arbeitnehmerfreibetrag des § 19 Abs. 2 EStG, der nicht schon die Einnahmen als solche bis zu einem Betrag von 240 DM außer Ansatz läßt, sondern erst "bei der Ermittlung der Einkünfte", wenn auch "vor Abzug der Werbungskosten" zu berücksichtigen ist. Den Steuerpflichtigen ist zuzugeben, daß sich der Weihnachtsfreibetrag bei ihnen ungünstig auswirkt, weil nunmehr bei der Ehefrau keine Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gegeben sind, in ihrer Person also die Voraussetzung des § 10c Nr. 1 EStG nicht erfüllt ist. Das kann aber nicht dazu führen, den sich in aller Regel günstig auswirkenden Weihnachtsfreibetrag hier anders anzuwenden als sonst.

Aus der JAV kann für die Beurteilung des Streitfalls nichts hergeleitet werden. Sie ist eine Rechtsverordnung, die keine eigenes Recht setzen kann, sondern ihre Rechtsgrundlage in § 42 EStG hat. Auch diese Vorschrift geht aber in Abs. 2 Nr. 4 für den gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleich von Ehegatten davon aus, daß beide Ehegatten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen haben. Auch hiernach ist also ein solcher Lohnsteuer-Jahresausgleich nicht zulässig, wenn ein Ehegatte nur steuerfreie Einkünfte hatte, die bei der Besteuerung außer Ansatz bleiben müssen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413102

BStBl II 1972, 341

BFHE 1972, 345

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