Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertraglich vereinbarte Rentenbezüge der Witwe eines im Innenverhältnis wie ein Angestellter gebundenen persönlich haftenden Gesellschafters

 

Leitsatz (amtlich)

Die Rentenbezüge der Witwe eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Personenhandelsgesellschaft, die sie aufgrund Vertrages nach dessen Tod erhält, unterliegen nicht der Erbschaftsteuer, wenn die Würdigung des Vertrages ergibt, daß der persönlich haftende Gesellschafter im Innenverhältnis wie ein Angestellter gegenüber den die Gesellschaft beherrschenden anderen Gesellschaftern (Kommanditisten) gebunden war (Änderung der Rechtsprechung).

 

Orientierungssatz

1. Zuwendungen an Ehegatten i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG 1959 unterliegen der Erbschaftsteuer auch dann, wenn sie versorgungshalber erfolgen (Festhaltung an BFH-Urteil vom 27.11.1985 II R 148/82). Art. 6 Abs. 1 GG wird dadurch nicht verletzt.

2. Die Verfassungsbeschwerde wurde gemäß §§ 93a, 93b BVerfGG nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG-Beschluß vom 5.5.1994, Az: 2 BvR 397/90).

 

Normenkette

ErbStG § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 18 Abs. 1 Nr. 16; GG Art. 6 Abs. 1

 

Nachgehend

BVerfG (Nichtannahmebeschluss vom 05.05.1994; Aktenzeichen 2 BvR 397/90)

BVerfG (Beschluss vom 05.05.1994; Aktenzeichen 2 BvR 397/90)

 

Tatbestand

Die 1924 geborene Klägerin war die Ehefrau des 1970 verstorbenen Erblassers. Die Ehegatten hatten im Güterstand der Gütertrennung gelebt. Aus der Ehe sind fünf Kinder hervorgegangen.

Der Erblasser war einer der persönlich haftenden geschäftsführenden Gesellschafter einer KG, deren nominelles (unveränderliches) Gesellschaftskapital nach dem Gesellschaftsvertrag 12 Mio DM betrug. An diesem Gesellschaftskapital war der Erblasser nach dem vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommenen Gesellschaftsvertrag vom 8.Februar 1966 mit 1 650 000 DM beteiligt. Für die Geschäftsführung erhielt er eine Vergütung von monatlich 10 000 DM. Außerdem war eine Pensionsregelung vereinbart, aufgrund der der Klägerin 6 000 DM Witwengeld monatlich zustanden.

Die Klägerin war zwar als Erbin berufen. Sie hat die Erbschaft jedoch ausgeschlagen und ist deshalb auch nicht Gesellschafterin der KG geworden.

Neben dem Witwengeld hat die Klägerin noch als Bezugsberechtigte eine Lebensversicherungssumme in Höhe von 18 922,50 DM erworben.

Das beklagte Finanzamt (FA) zog die Klägerin mit der Lebensversicherung und dem Kapitalwert des Witwengeldes (das Vierzehnfache des um 5 000 DM gekürzten Jahreswertes von 72 000 DM) gemäß § 2 Abs.1 Nr.3 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1959 unter Abzug des Ehegattenfreibetrages von 250 000 DM vorläufig zu einer Erbschaftsteuer von 59 450 DM heran.

Die Klägerin legte wegen des Ansatzes des Witwengeldes Einspruch ein und beantragte vorsorglich die Rentenbesteuerung. Das FA erließ daraufhin unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung einen geänderten Steuerbescheid vom 9.November 1977, durch den es die Raten für die Vergangenheit auf insgesamt 25 642 DM und für die Zukunft ab 15.Juli 1978 auf jährlich 5 634,70 DM festsetzte. Im Anschluß daran wies das FA den Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 2.Januar 1978 als unbegründet zurück.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin weiterhin geltend gemacht, daß das Witwengeld nicht der Erbschaftsteuer unterliege. Sie hat beantragt, den Erbschaftsteuerbescheid in der Gestalt des Bescheides vom 9.November 1977 und der Einspruchsentscheidung vom 2.Januar 1978 aufzuheben, hilfsweise die Erbschaftsteuer auf 627 DM festzusetzen.

Das FG hat dem Hilfsantrag stattgegeben. Es hat angenommen, daß das Witwengeld, soweit es eine angemessene Höhe nicht übersteige (45 v.H. der Bezüge des Erblassers), nicht der Erbschaftsteuer unterliege (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1983, 71). Insoweit liege im Verhältnis zwischen dem Erblasser und der Klägerin (im Valutaverhältnis) keine der Erbschaftsteuer unterliegende unentgeltliche Zuwendung vor.

Das FA hat Revision eingelegt und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, daß die Voraussetzungen des § 2 Abs.1 Nr.3 ErbStG 1959 auch hinsichtlich des Witwengeldes in vollem Umfang erfüllt seien.

Der Senat hat der Revision durch Urteil vom 27.November 1985 II R 148/82 (BFHE 145, 443, BStBl II 1986, 265) stattgegeben. Er hat daran festgehalten, daß auch Erwerbe versorgungshalber aufgrund von Verträgen zugunsten Dritter der Erbschaftsteuer unterliegen. Es sei auch nicht zulässig den Erwerb des Witwengeldes durch die Witwe eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Personenhandelsgesellschaft durch einengende Auslegung des § 2 Abs.1 Nr.3 ErbStG 1959 oder entsprechende Anwendung des § 18 Abs.1 Nr.16 ErbStG 1959 von der Erbschaftsteuer freizustellen.

Die Klägerin hat Verfassungsbeschwerde eingelegt und gerügt, sie sei in ihren Grundrechten aus Art.3 und Art.6 des Grundgesetzes (GG) sowie in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt worden.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat durch Beschluß vom 9.November 1988 1 BvR 243/86 (BVerfGE 79, 106, BStBl II 1989, 938) dahin entschieden, daß das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) die Klägerin in ihrem Grundrecht aus Art.3 Abs.1 GG verletze und deshalb aufgehoben werde. Im einzelnen hat es ausgeführt:

Gegen § 2 Abs.1 Nr.3 ErbStG 1959 beständen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Diese Vorschrift ermangele auch nicht der notwendigen Bestimmtheit, die das Rechtsstaatsprinzip (Art.20 Abs.3 GG) besonders bei belastenden Normen verlange. Die Rechtsprechung des BFH zu § 2 Abs.1 Nr.3 ErbStG 1959 überschreite auch nicht die durch Art.2 Abs.1 GG i.V.m. Art.20 Abs.3 GG gezogenen Grenzen richterlicher Gesetzesauslegung. Jedoch verletze das angegriffene Urteil die Klägerin in ihrem Grundrecht aus Art.3 Abs.1 GG.

 

Entscheidungsgründe

Auch die erneute Überprüfung der Revision des FA führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.

1. Der erkennende Senat hält daran fest, daß Zuwendungen an Ehegatten i.S. des § 2 Abs.1 Nr.3 ErbStG 1959 der Erbschaftsteuer auch dann unterliegen, wenn sie versorgungshalber erfolgen. Es gilt nichts anderes als bei anderen Erwerben von Todes wegen, bei denen ebenfalls der Versorgungsgedanke im Vordergrund stehen kann. Im einzelnen verweist der Senat auf sein Urteil in BFHE 145, 443, BStBl II 1986, 265. Art.6 Abs.1 GG wird dadurch nicht verletzt.

Das BVerfG hat gegen das von ihm aufgehobene Urteil des erkennenden Senats keine Einwendungen aus Art.6 Abs.1 GG erhoben. Es hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, daß der Erwerb einer Hinterbliebenenversorgung von Verfassungs wegen (Art.6 Abs.1 GG) nicht zwingend erbschaftsteuerfrei bleiben müsse.

2. Der Senat hat bestimmte Erwerbe i.S. des § 2 Abs.1 Nr.3 ErbStG 1959 aufgrund von Verträgen zugunsten Dritter, die mit dem Tode des Gläubigers eintreten, von der Erbschaftsteuer freigestellt, sei es durch entsprechende Anwendung des § 18 Abs.1 Nr.16 ErbStG 1959, sei es durch einschränkende Auslegung des § 2 Abs.1 Nr.3 ErbStG 1959 (vgl. die Senatsurteile vom 27.November 1974 II 175/64, BFHE 115, 540, BStBl II 1975, 539, und vom 20.Mai 1981 II R 11/81, BFHE 133, 426, 429, unter 4., BStBl II 1981, 715). Er ist davon ausgegangen, daß es nicht dem objektivierten Willen des Gesetzgebers entsprach, die auf einem Arbeits- oder Dienstvertrag beruhenden (aufgrund eines Vertrages zugunsten Dritter) gezahlten Renten an den überlebenden Ehegatten der Erbschaftsteuer zu unterwerfen. Diese vertraglichen Hinterbliebenenbezüge von Arbeitnehmern seien deshalb nicht zur Erbschaftsteuer heranzuziehen. An dieser Auffassung hält der Senat auch nach erneuter Überprüfung fest. Seine Bindung an Gesetz und Recht (Art.20 Abs.3 GG) gibt ihm keine Möglichkeit, Hinterbliebenenbezüge aufgrund von Verträgen zugunsten Dritter auch in den Fällen von der Erbschaftsteuer freizustellen, in denen es sich nicht um Bezüge der Hinterbliebenen früherer Angestellter oder Bediensteter handelt. Deshalb sind steuerpflichtig z.B. die Bezüge aus einer Rentenversicherung oder die Rentenbezüge aufgrund des Verkaufs eines Betriebes oder eines Grundstücks oder aufgrund der Tätigkeit eines als Unternehmer anzusehenden persönlich haftenden Gesellschafters einer Personenhandelsgesellschaft. Denn weder dem § 2 Abs.1 Nr.3 ErbStG 1959 noch dem § 18 Abs.1 Nr.16 ErbStG 1959 läßt sich der objektivierte Wille des Gesetzgebers entnehmen, daß Hinterbliebenenbezüge schlechthin von der Erbschaftsteuer freigestellt werden könnten. Das bedeutet, daß das Witwengeld, das der Witwe des persönlich haftenden Gesellschafters einer KG zusteht, nur dann von der Erbschaftsteuer ausgenommen sein kann, wenn dieser nicht Unternehmer des Betriebs der KG, sondern deren Angestellter oder Bediensteter war.

Der Senat ist nach erneuter Überprüfung der Auffassung, daß der persönlich haftende Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft regelmäßig nicht als Angestellter oder Bediensteter angesehen werden kann. Persönlich haftende Gesellschafter sind nach handelsrechtlichen Grundregeln nicht als abhängig Beschäftigte oder in einer auch nur annähernd vergleichbaren Rechtsstellung tätig, sondern leiten in (notwendiger) Selbstorganschaft den Gewerbebetrieb ihrer Gesellschaft. Die Dienstleistungen, zu denen die persönlich haftenden Gesellschafter aufgrund Gesellschaftsrechts verpflichtet sind, werden in aller Regel einem Unternehmen geleistet, das mit Rücksicht auf die vermögens- und einflußmäßige Verbindung mit den persönlich haftenden Gesellschaftern nach natürlicher Anschauung als ihr eigenes betrachtet wird (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 9.Juni 1980 II ZR 255/78, BGHZ 77, 233, 237).

Etwas anderes gilt nur dann, wenn im Innenverhältnis die Stellung eines persönlich haftenden Gesellschafters der eines Angestellten oder Bediensteten angenähert ist, z.B. weil der persönlich haftende Gesellschafter lediglich im Außenverhältnis als solcher auftritt, im Innenverhältnis aber wie ein Angestellter gegenüber den die Gesellschaft beherrschenden Kommanditisten gebunden ist. Ein Indiz hierfür kann es sein, daß der persönlich haftende Gesellschafter überhaupt nicht oder nur geringfügig am Kapital und/oder am Liquidationserlös beteiligt und ihm im Innenverhältnis von den Kommanditisten die Freistellung von der persönlichen Haftung zugesagt worden ist (vgl. hierzu auch BGHZ 77, 234, 239). So liegen die Verhältnisse im Streitfall nicht. Der Erblasser war zuletzt mit etwa 13 v.H. am Festkapital der KG beteiligt. Die persönlich haftenden Gesellschafter der KG waren auch im Innenverhältnis nicht wie Angestellte gegenüber den Kommanditisten gebunden.

Das BVerfG hat ausgesprochen, daß eine rein schematische Unterscheidung nach der Gesellschaftsform zwischen den Hinterbliebenen von persönlich haftenden Gesellschaftern und von Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH, ohne Rücksicht darauf, welche rechtliche Stellung der Erblasser hatte und welcher Art die Dienste waren, die den Versorgungsanspruch begründet haben, mit dem Gleichheitssatz nicht vereinbar sei. Der erkennende Senat hat deshalb seine Rechtsprechung zur Behandlung der Hinterbliebenenbezüge von Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH durch sein Urteil vom 13.Dezember 1989 II R 23/85 (BFHE 159, 228) geändert. Er stellt nunmehr darauf ab, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer bzw. mehrere Gesellschafter- Geschäftsführer in der GmbH herrscht bzw. herrschen. Er wendet damit das Gesetz entsprechend den Besonderheiten der Stellung des Erblassers ohne Rücksicht auf die Gesellschaftsform an.

3. Dem Senat ist bewußt, daß er nicht in der Lage ist, durch Auslegung die Unterschiede in der Behandlung der verschiedenen der Versorgung des überlebenden Ehegatten dienenden Bezüge zu beseitigen. Auch eine noch weiter gehende Freistellung von der Erbschaftsteuer, die, wie dies die Klägerin will, auch die Hinterbliebenenbezüge der Witwen der unternehmerisch tätigen persönlich haftenden Gesellschafter einer KG einschließt, würde die Unterschiede nicht beseitigen, sondern nur eine andere Grenze ziehen.

Angesichts des Umstandes, daß die nicht der Erbschaftsteuer unterliegenden Hinterbliebenenbezüge weitestgehend gesetzlich festgelegt und nur beschränkt der privatrechtlichen Einflußnahme ausgesetzt sind und angesichts des weiteren Umstandes, daß die Erbschaftsteuer einer gewissen Gestaltung durch die Steuerpflichtigen zugänglich ist, hält der Senat die verbleibenden unterschiedlichen Ergebnisse nicht für gleichheitswidrig. In diesem Zusammenhang ist vor allem auf die Möglichkeiten hinzuweisen, die beim gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch § 6 Abs.1 ErbStG 1959 eröffnet wurden. Der Senat verweist auf sein Urteil vom 22.Dezember 1976 II R 58/67 (BFHE 121, 487, 495, BStBl II 1977, 420, unter 5.).

Daß im vorliegenden Fall § 6 Abs.1 ErbStG 1959 deshalb nicht zum Zuge kommt, weil die Ehegatten im Güterstand der Gütertrennung lebten, macht die Erfassung des Witwengeldes gemäß § 2 Abs.1 Nr.3 ErbStG 1959 nach Auffassung des erkennenden Senats ebensowenig verfassungswidrig, wie die Erfassung des Erwerbs von Kapitalvermögen, das der Versorgung des überlebenden Ehegatten dient.

4. Der Senat kann in der Sache selbst erkennen. Aus dem vom FG in Bezug genommenen Gesellschaftsvertrag der KG ergibt sich eindeutig, daß der Erblasser unternehmerischer Komplementär und nicht angestellter Komplementär war.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62785

BFH/NV 1990, 27

BStBl II 1990, 325

BFHE 159, 223

BFHE 1990, 223

BB 1990, 768

BB 1990, 768-770 (LT)

DB 1990, 717-718 (LT)

DStR 1990, 212 (KT)

HFR 1990, 304 (LT)

StE 1990, 104 (K)

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