Leitsatz (amtlich)

Werden nicht dieselben Sachverhalte zum Gegenstand der Besteuerung gemacht, so rechtfertigt die lediglich materiell-rechtliche Verknüpfung der rechtlichen Qualifikation nicht ein auf § 174 Abs. 4 AO 1977 gestütztes Änderungsbegehren eines Dritten.

 

Normenkette

AO 1977 § 174 Abs. 4-5; UStG 1951 § 7

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Bis Ende 1964 betrieb die Klägerin neben dem Einund Verkauf von unbearbeitet gelassenen Druckfertig-Erzeugnissen eine Druckerei, in der sie den größten Teil der verkauften Druckerzeugnisse selbst herstellte. Ab 1. Januar 1965 verpachtete sie die Druckerei an die M KG, an der sie nicht beteiligt war. Die Klägerin ließ von da an ihre Druckerzeugnisse von der M KG drukken. Diese sah die Lieferung der Druckerzeugnisse als Werklieferung an. Die Klägerin versteuerte den Verkauf der Druckerzeugnisse als Großhandelslieferungen mit dem begünstigten Steuersatz von 1 v. H. nach § 7 Abs. 3 UStG 1951.

Nach einer Betriebsprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, die Lohndruckarbeiten der M KG seien wegen Papierbeistellung durch die Klägerin dieser als Be- und Verarbeitung zuzurechnen; die Großhandelsvergünstigung entfalle deshalb. Bei der M KG sei dementsprechend der nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c UStG 1951 auf 1 1/2 v. H. ermäßigte Steuersatz für die Lieferung von Verlagserzeugnissen nicht mehr anzuwenden.

Entsprechend veranlagte das Finanzamt die M KG für die Jahre 1965 bis 1967 mit Sammelbescheid vom 16. Juni 1972 und die Klägerin für die Jahre 1965 bis 1967 mit Sammelberichtigungsbescheid vom 30. Oktober 1972 zur Umsatzsteuer. Gleichzeitig setzte es gegen die Klägerin mit Erstbescheid die Umsatzsteuer 1968 fest. Sowohl die M KG als auch die Klägerin legten Einspruch ein. Der Einspruch der Klägerin gegen den Umsatzsteuerbescheid 1968 betraf vor dem 1. Januar 1968 bewirkte Umsätze, die nach § 27 Abs. 2 UStG 1967 nach dem Umsatzsteuergesetz 1961 zu besteuern waren.

Die Einsprüche der Klägerin wurden zurückgewiesen. Die bei dem Finanzgericht erhobene Klage ist wegen Versäumung der Klagefrist als unzulässig abgewiesen worden. Diese Entscheidung des Finanzgerichts ist durch Urteil des Bundesfinanzhofs vom 26. Mai 1977 V R 139/73 (BFHE 122, 251, BStBl II 1977, 643 ) bestätigt worden. Nach Abschluß dieses Revisionsverfahrens gab das Finanzamt den Einsprüchen der M KG im wesentlichen statt.

Nunmehr beantragt die Klägerin, auch die gegen sie ergangenen Umsatzsteuerfestsetzungen 1965 bis 1968 nach § 174 Abs. 4 und 5 AO 1977 zu ändern. Das Finanzamt hat die Änderung abgelehnt.

Mit der nach erfolgloser Durchführung des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens erhobenen Klage hat die Klägerin begehrt, das Finanzamt zum Erlaß von Änderungsbescheiden zu verpflichten. Das Finanzgericht hat die Klage abgewiesen. Der von der Klägerin behauptete Änderungsanspruch bestehe nicht, weil sie nicht zu dem Verfahren betreffend die M KG hinzugezogen worden sei.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Sie rügt Verletzung des § 174 AO 1977.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

Die Vorschrift des § 174 AO 1977 betrifft ausschließlich die Durchbrechung der Bestandskraft von Steuerbescheiden und diesen gleichgestellten Bescheiden, die denselben Sachverhalt betreffen, der entweder mehrfach berücksichtigt oder mehrfach nicht berücksichtigt wurde oder dessen Berücksichtigung in einem Steuerbescheid sich nachträglich als rechtsirrig erweist. Im vorliegenden Fall besteht zwar zwischen der rechtlichen Qualifikation der durch die M KG an die Klägerin getätigten Umsätze und der Besteuerung der von dieser getätigten Umsätze eine rechtslogische Verknüpfung; doch sind bei der M KG einerseits und der Klägerin andererseits nicht dieselben Sachverhalte zum Gegenstand der Besteuerung gemacht worden. Soweit hier von Bedeutung, betreffen die Umsatzsteuerbescheide gegen die M KG deren Lieferungen oder Leistungen an die Klägerin, während die Steuerbescheide, deren Änderung die Klägerin begehrt, deren Lieferungen an Dritte erfassen. Die der Steuer unterliegenden Sachverhalte sind hinsichtlich der erfüllten Tatbestände nicht deckungsgleich; das Änderungsbegehren scheitert schon an der Nichterfüllbarkeit der Tatbestandsvoraussetzungen des § 174 AO 1977.

Zutreffend hat das Finanzgericht einen aus einer sonstigen Vorschrift herleitbaren Anspruch der Klägerin auf Änderung der Umsatzsteuerbescheide 1965 bis 1968 verneint.

 

Fundstellen

Haufe-Index 426119

BStBl II 1985, 282

BFHE 1985, 9

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