Leitsatz (amtlich)

1. Abschöpfungen sind Steuern im Sinne von § 1 Abs. 1 AO.

2. Ist als Nachweis des Ursprungs einer Ware die Bestätigung der zuständigen ausländischen Behörde vorgeschrieben, so kann diese nicht durch Feststellungen der inländischen Zollstelle oder des FG ersetzt werden. Das FG hat lediglich zu prüfen und festzustellen, ob der Ursprungsnachweis in der vorgeschriebenen Form erbracht ist oder nicht und welche abgabenrechtlichen Folgen sich daraus ergeben.

3. Wird eine Ware auf Grund einer ordnungsgemäßen Warenverkehrsbescheinigung zu einem in Gesetz oder Verordnung bei Vorliegen eines bestimmten Tatbestandes vorgesehenen niedrigeren Abgabensatz abgefertigt, stellt die Abfertigung keine begünstigende Verfügung im Sinne von § 96 AO dar.

 

Normenkette

AO § 1 Abs. 1, § 94 Abs. 1, § 96; ZG § 36 Abs. 3 S. 2; AbG §§ 1, 2 Abs. 1; AZO § 22 Abs. 2; EWGVtr Art. 43 Abs. 2, Art. 155 S. 4; EWGV Art. 177; EWGVtr Art. 189 Abs. 4; EWGV 19/62 vom 4. April 1962 Art. 15 Abs. 4, Art. 26; EWGV 86/62 vom 25. Juli 1962; Entscheidung der EWG-Kommission vom 17. Juli 1962; EWGV 19/62; FGO § 76 Abs. 1 S. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin ließ 1963 Mais, den sie als „italienischen Mais, lose geschüttet”, mit Ursprungsland Italien anmeldete, mit dem innergemeinschaftlichen Abschöpfungssatz zum freien Verkehr abfertigen. In Teil A der vorgelegten Warenverkehrsbescheinigungen (WVB) D. D. 4 hatte die italienische Lieferfirma erklärt, daß es sich um ein italienisches Erzeugnis handle, was in Teil B der WVB von der italienischen Handelskammer in V. und in Teil C vom italienischen Zollamt (ZA) F. bestätigt war. Im Rahmen der Ermittlungen der Zollfahndungsstelle X teilte das italienische Finanzministerium als Ergebnis der von ihm durchgeführten Nachprüfung mit, daß die Ausstellung der WVB vom italienischen Ausführer durch Abgabe falscher Erklärungen erschlichen worden sei. Es handle sich um Mais mit Ursprung in Jugoslawien, UdSSR und Nordamerika. Das italienische ZA F. hat das Ergebnis dieser Nachprüfung, daß der Mais nicht italienischen Ursprungs ist, auf der Rückseite der WVB in dem dafür vorgesehenen Abschnitt vermerkt. Daraufhin forderte die Zollstelle die Abschöpfung auf der Grundlage des Drittlandabschöpfungssatzes nach.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte keinen Erfolg.

Mit der Revision rügt die Klägerin, daß das Finanzgericht (FG) die §§ 96 Abs. 1 und 2, 76 und 81 FGO und Art. 103 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) verletzt habe. Es habe sich allein auf zwei Schreiben des italienischen Finanzministeriums gestützt. Dessen Ermittlungen hätten aber keine Tatbestandswirkung.

Die Klägerin regt die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EGH) über die Frage an, ob Art. 1 der VO (EWG) Nr. 86 der Kommission vom 25. Juli 1962 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften S. 1894 – ABlEG S. 1894 –) durch Art. 15 Abs. 4 der VO (EWG) Nr. 19/62 vom 4. April 1962, (ABlEG S. 933, BZBl 1962, 618) gedeckt sei. Eine aus einem Drittland eingeführte Ware, für die in einem Mitgliedstaat die Drittlandsabschöpfung erhoben sei, gelte nach sämtlichen Marktordnungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) als nationalisiert, so daß sie, wenn sie in einen anderen Mitgliedstaat weitergeliefert werde, der innergemeinschaftlichen Abschöpfung unterliege. Bei dem zusätzlichen Erfordernis, daß die Ware in dem Ursprungsland geerntet sein müsse, um lediglich der innergemeinschaftlichen Abschöpfung zu unterliegen, sei nicht ersichtlich, warum bis zu seinem Wegfall ab 1. Juli 1967 durch die VO (EWG) Nr. 120/67 vom 13. Juni 1967 (ABlEG S. 2269) eine unerwünschte Verkehrsverlagerung dann noch möglich gewesen sei, wenn das Drittlandsgetreide durch Erhebung der Drittlandsabschöpfung an das inländische Preisniveau des einführenden ersten Mitgliedstaates herangeführt sei, obgleich das bei anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen der EWG-Marktordnungen und auch für Drittlandsgetreide nach dem 1. Juli 1967 nicht der Fall sei.

Die WVB D. D. 4 sei kein gewöhnliches, jederzeit widerlegbares Beweismittel, sondern eine öffentliche Urkunde des EWG-Rechts mit demselben Rang einer inländischen öffentlichen Urkunde. Die Entscheidung der EWG-Kommission vom 17. Juli 1962 (ABlEG S. 2140, BZBl 1962, 658) sei so auszulegen, daß die WVB D. D. 4, die von der zuständigen Zollstelle des Ausfuhrstaates ausgestellt ist, einen besonderen Rechtsschein hervorrufe, verbunden mit einer Schutzfunktion für den Einführer. Dann komme es nicht mehr darauf an, ob die Ware Drittlands- oder EWG-Eigenschaft habe. Kraft des erzeugten Rechtsscheins handle es sich endgültig um eine EWG-Ware. Auch zu dieser Frage regt die Klägerin die Einholung einer Vorabentscheidung des EGH an.

Das FG habe die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben deshalb verneint, weil die Behörde der Klägerin gegenüber keine Erklärung abgegeben habe. Hätte nicht das italienische ZA, sondern eine deutsche Zollstelle die WVB D. D. 4 ausgestellt, so würde das FG den Grundsatz gelten lassen. Im Rahmen des EWG-Rechts seien aber deutsche und italienische Zollstellen als Einheit anzusehen. Außerdem liege in dem Erlaß des Bundesministers der Finanzen (BdF) vom 13. Juli 1962 (BZBl 1962, 660) in Verbindung mit § 22 Abs. 2 der Allgemeinen Zollordnung (AZO) auch eine deutsche Erklärung vor, nach der der Nachweis über die Ursprungseigenschaft nur durch Vorlage einer WVB D. D. 4 geführt werden könne und daß deren Vorlage genüge. Der Grundsatz von Treu und Glauben müsse hier aber auch deshalb eingreifen, weil eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) keinen Schutz dafür gewähre, ob ein einzuführendes Getreide den Ursprung in einem Mitgliedstaat habe oder nicht, die Schutzfunktion vielmehr allein durch die WVB D. D. 4 erfüllt werden könne.

Auch das Prinzip der Verhältnismäßigkeit stehe der Nachforderung der Abschöpfung entgegen. Diese diene als Abgabe des Marktlenkungsrechtes nicht der Deckung des Finanzbedarfs. Der Bundesrepublik sei dadurch, daß die Klägerin anstelle italienischen Maises Drittlandsmais eingeführt habe, kein „Schaden” im finanzrechtlichen Sinne zugefügt worden. Nur zur Verhinderung von Verkehrsverlagerungen sei gefordert worden, daß das Getreide in einem Mitgliedstaat geerntet worden sein müsse. Eine solche Verkehrsverlagerung könne nicht rückwirkend dadurch beseitigt werden, daß die erhebliche Differenz zwischen innergemeinschaftlicher und Drittlandsabschöpfung nachträglich erhoben werde. Auf der anderen Seite werde dem unschuldigen deutschen Einführer ein unzumutbarer, nicht abwälzbarer und auch nicht wieder gutzumachender Schaden zugefügt.

Der dem Verfahren beigetretene BdF führt aus, daß es sich bei den Abschöpfungen um ein Preisregulierungssystem handle, durch das die Preisunterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten durch die Erhebung der Abschöpfung bei der Einfuhr habe ausgeglichen werden können. Um im Hinblick auf die Ausfuhrerstattungen die jeweilige Marktordnungsbehörde einzuschalten, sei die WVB D. D. 4 eingeführt worden, die auch zur Vermeidung von Verkehrsverlagerungen die Erntebescheinigung nach der VO (EWG) Nr. 86/62 habe enthalten müssen. Zur Sicherung gegen sich unvermeidlich ergebende Fehler bei der Ausstellung der WVB hätten die Zollstellen trotz des Vorliegens von WVB als Beweismittel zusätzliche Erklärungen vom Einführer verlangen bzw. die Vorzugsbehandlung verweigern und auch eine nachträgliche Prüfung durch die ausstellende Zollstelle des ausführenden Mitgliedstaates verlangen können. Im Rahmen der verwaltungsmäßigen Zusammenarbeit könne sich die Zollstelle auf das in dem anderen Mitgliedstaat festgestellte Prüfungsergebnis verlassen, ohne zu erwägen, ob die Ermittlungsbehörden des anderen Mitgliedstaats zutreffend ermittelt haben oder ob diese Ermittlungen falsch sein könnten. Durch die WVB werde nicht erga omnes die EWG-Eigenschaft der Ware dokumentiert, sondern es werde im Rahmen der verwaltungsmäßigen Zusammenarbeit der EWG-Zollverwaltungen dem Ausführer auf seinen Antrag ein Zolldokument zur Verfügung gestellt, damit er bzw. sein Geschäftspartner bei der Einfuhr die Vergünstigungen des EWG-Vertrags in Anspruch nehmen könne. Habe sich ein Einführer gutgläubig auf die Echtheit und Richtigkeit der WVB verlassen und stelle sich diese später als formell oder materiell unrichtig heraus, so könne er lediglich seinen Geschäftspartner für den ihm durch die Nachforderung entstandenen Schaden zivilrechtlich in Anspruch nehmen. Das FG habe über die in Italien durchgeführten Untersuchungen keinen Beweis erheben müssen. Davon abgesehen, daß dies meist nicht möglich sei, sei im Rahmen des WVB-Systems lediglich auf die Äußerung der Zollverwaltung des anderen Mitgliedstaats abgestellt worden. Erkläre diese durch Ausstellung der WVB, daß es sich um ein EWG-Erzeugnis handle, so würden regelmäßig – ohne daß dies obligatorisch wäre – die Binnenzollsätze zugrunde gelegt. Stelle die ausstellende Zollstelle nachträglich fest, daß sie sich geirrt habe oder daß sie getäuscht worden sei, so könne die abfertigende Zollstelle davon ausgehen und die höhere Drittlandbelastung nachfordern. Auf die von der Klägerin geforderten Erwägungen, ob die Feststellungen der italienischen Behörden glaubwürdig seien oder ob dem italienischen Staat durch die Erklärung ein Vorteil erwachse oder nicht, komme es nicht an. Habe die italienische Verwaltung ermessensmißbräuchlich die materielle Richtigkeit der Bescheinigung zu Unrecht verneint, so sei es Sache des Ausführers in Italien, dagegen vorzugehen und den Regreßanspruch des Einführers abzuwenden. Das FG habe zutreffend die einzige Tatsache, daß es sich nämlich bei den mit den betreffenden WVB versandten Waren nicht um EWG-Waren gehandelt habe, festgestellt.

Die VO (EWG) Nr. 86/62 habe aufgrund von Art. 15 Abs. 4 der VO (EWG) Nr. 19/62 Verkehrsverlagerungen bei der Einfuhr von Getreide aus Drittländern für den Fall vermeiden sollen, daß bei der Wiederausfuhr solchen Getreides in einen anderen Mitgliedstaat mit höheren Preisen die Mitgliedlandsabschöpfung erhoben werde, bei der der sogenannte Pauschbetrag abgesetzt und der Unterschied der Frachtraten berücksichtigt werde (Art. 2 und 9 der VO – EWG – Nr. 19/62). Daß dies nur für Getreide gelte, habe seinen Grund in der Ermächtigung des Ministerrats in Art. 15 Abs. 4 der VO (EWG) Nr. 19/62. Die VO (EWG) Nr. 120/67 sei mit der VO (EWG) Nr. 19/62 nicht vergleichbar, weil sie infolge der Einführung gemeinsamer Getreidepreise keine Mitgliedlandsabschöpfung kenne.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

1. Mais der Tarifnr. 10.05 unterliegt gemäß Art. 1 Buchstabe a der VO (EWG) Nr. 19/62 in Verbindung mit § 1 AbG der Abschöpfung. Ob der innergemeinschaftliche Abschöpfungsbetrag oder die Drittlandsabschöpfung zu erheben ist, hängt davon ab, ob der Präferenznachweis für die innergemeinschaftlichen Abschöpfungen erbracht ist oder nicht. Das einzig zugelassene Nachweismittel hierzu war seinerzeit die durch die EWG-Abschöpfungsbestimmungen 1962 (BAnz. Nr. 141 vom 28. Juli 1962, BZBl 1962, 660) in Verbindung mit § 22 Abs. 2 AZO vorgeschriebene WVB D. D. 4 (siehe Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH – VII 37/65 vom 23. Juli 1968, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 93, 362 – BFH 93, 362 –; VII 112/65 vom 22. Oktober 1968, BFH 94, 175, BZBl 1969, 272). Durch die VO (EWG) Nr. 86/62 war außerdem die Präferenzbehandlung von der Vorlage einer WVB D. D. 4 abhängig gemacht worden, die in Teil A eine Erklärung des Ausführers des Inhalts, daß das betreffende Getreide im ausführenden Mitgliedstaat geerntet worden ist, und in Teil B einen Sichtvermerk der zuständigen Behörde des ausführenden Mitgliedstaates enthält, mit dem auf Grund einer Nachprüfung die Richtigkeit der Erklärung des Ausführers bestätigt wird.

Die Klägerin bezweifelt die Gültigkeit des Art. 1 der VO (EWG) Nr. 86/62, weil Drittlandsgetreide durch die Erhebung der Drittlandsabschöpfung nationalisiert und auch der Preis an das inländische Preisniveau angeglichen worden sei, so daß unerwünschte Verkehrsverlagerungen durch das Verlangen einer Erntebescheinigung nicht bekämpft werden könnten. Wie der BdF hierzu zutreffend ausführt, war die VO (EWG) Nr. 86/62 geeignet, entsprechend der in Art. 15 Abs. 4 VO (EWG) Nr. 19/62 enthaltenen Ermächtigung, Verkehrsverlagerungen zu vermeiden, die sich aus unterschiedlichen Abschöpfungsbeträgen zwischen den Mitgliedstaaten oder zwischen Mitgliedstaaten und dritten Ländern ergeben könnten. Denn beim innergemeinschaftlichen Abschöpfungsbetrag ist ein Pauschbetrag gemäß Art. 2 und 9 der VO (EWG) Nr. 19/62 abgesetzt. Würde die Erntebescheinigung in der WVB D. D. 4 nicht verlangt, so könnten sich Drittlandseinfuhren infolge dieses Pauschbetrags nach anderen Mitgliedstaaten verlagern (vgl. die Präambel zur VO [EWG] Nr. 86/62). Nach Art. 155 Satz 4 in Verbindung mit Art. 189 Abs. 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) war die Kommission auch befugt, die ihr vom Ministerrat erteilte Aufgabe, nämlich Bestimmungen zur Vermeidung von Verkehrsverlagerungen zu erlassen, nach dem Verfahren des Art. 26 der VO (EWG) Nr. 19/62 im Wege einer Verordnung zu erfüllen. Aus der Präambel der VO (EWG) Nr. 86/62 ist zu ersehen, daß sie dieses Verfahren eingehalten hat, indem sie vorher den Verwaltungsausschuß gehört hatte. Hat aber der Rat der Kommission diese Befugnis erteilt und hält sich die Verordnung der Kommission im Rahmen der Ermächtigung, so kann die Verordnung auch nicht gegen Art. 43 Abs. 2 Unterabs. 3 EWGV verstoßen, nach dem nur der Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung der Versammlung Verordnungen zur gemeinsamen Agrarmarktorganisation erlassen kann. Denn eine solche grundlegende Verordnung hat der Rat für Getreide mit der VO (EWG) Nr. 19/62 erlassen. Hat er darin der Kommission den Erlaß von Einzelbestimmungen übertragen, so werden auch diese von Art. 43 Abs. 2 Unterabs. 3 EWGV gedeckt, sofern sie dessen Rahmen nicht überschreiten. Da dies offensichtlich nicht der Fall ist, und auch in Rechtsprechung und Schrifttum keine ernsthaften Zweifel an der Gültigkeit der VO (EWG) Nr. 86/62 aufgetreten sind, hält der erkennende Senat es nicht für geboten, auf Grund von Art. 177 Abs. 2, 3 EWGV eine Vorabentscheidung des EGH einzuholen.

2. Die Rügen der Klägerin, daß das FG keine hinreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen habe, greifen nicht durch. Im Streitfall geht es darum, ob der Präferenznachweis durch die WVB D. D. 4 von der Klägerin erbracht war. Da diese WVB, wie bereits ausgeführt wurde, das einzig zugelassene Mittel für den Nachweis der für die Anwendung des innergemeinschaftlichen Abschöpfungssatzes erforderlichen Umstände ist, kann sie nicht durch andere Feststellungen der inländischen Zollstelle oder des FG ersetzt werden. Der erforderliche Ursprungsnachweis wird durch die Bescheinigung der Behörden des ausführenden Mitgliedstaats in Teil B und C der WVB, daß die in Teil A enthaltene Erklärung des Ausführers über die Bezeichnung und den Ursprung der Ware richtig ist, erbracht. Wird der Zollstelle des einführenden Mitgliedstaats eine der Form nach ordnungsgemäße WVB vorgelegt, so muß sie nicht etwa noch von sich aus ermitteln, ob die eingeführten Waren tatsächlich in dem ausführenden Mitgliedstaat geerntet worden sind. Denn dies fällt in den alleinigen Zuständigkeitsbereich der dafür bestimmten Behörden des ausführenden Mitgliedstaats, wie sich aus der Gestaltung der WVB und der darin vorgesehenen Bescheinigungen ergibt. Außer den in Teil B und Teil C vorgesehenen Bestätigungen ist auf der Rückseite des Formulars ein besonderes Nachprüfungsverfahren vorgesehen, insbesondere wenn die Zollstelle des einführenden Mitgliedstaats Zweifel an der Echtheit der WVB oder an der Richtigkeit der in ihr enthaltenen Angaben hat. Sie kann demnach den durch die WVB zu erbringenden Nachweis nicht auf Grund eigener Feststellungen außer Betracht lassen, sondern ist bei vorhandenen Zweifeln gehalten, die zuständigen ausländischen Behörden um Nachprüfung zu ersuchen. Bestätigen diese ihre frühere Bescheinigung und damit die Richtigkeit der Angaben des Ausführers, so ist eine weitere Nachprüfung nicht vorgesehen. Vermerken sie auf Grund ihrer Nachprüfung in dem dafür vorgesehenen Abschnitt des WVB-Formulars, daß die Angaben des Ausführers falsch waren, so ist der Zollstelle des einführenden Mitgliedstaats gegenüber der Präferenznachweis nicht erbracht und damit die Voraussetzung der Abgabenbegünstigung nicht gegeben, ohne daß es der Zollstelle obläge, von sich aus weitere Ermittlungen anzustellen, ob nicht doch die Voraussetzungen der Präferenzbehandlung vorlägen.

Der Umstand, daß die Zollstelle bei der Abfertigung der eingeführten Waren auf Grund des Abschnitts IV der WVB weitere Beweismittel verlangen kann, steht dieser Auffassung nicht entgegen. Denn wenn sich irgendwelche Zweifel an der Echtheit oder Richtigkeit der WVB ergeben sollten, muß die Zollstelle ihnen nachgehen können, um dadurch entweder die Gewißheit zu erlangen, daß die Zweifel nicht berechtigt sind, oder aber eine Unterlage dafür zu gewinnen, daß Anlaß vorhanden ist, ein Nachprüfungsersuchen, wie es für solche Fälle vorgesehen ist, an die ausländische Behörde zu richten. Zwar wird sich der Grund für ein solches Ersuchen im allgemeinen schon bei der Abfertigung der Waren ergeben. Doch schließt der Wortlaut und auch der Zusammenhang der auf der Rückseite des WVB-Formulars wiedergegebenen Bestimmungen ein nachträgliches Ersuchen nicht aus. Denn es leuchtet ein, daß der inländischen Zollstelle (oder einer anderen Zollbehörde) auf Grund ihr später bekanntgewordener Umstände erst nachträglich Zweifel an der Echtheit der WVB oder an der Richtigkeit der in ihr enthaltenen Angaben kommen können, wie dies gerade der Streitfall zeigt. In solchen Fällen scheiden auch vorläufige Abgabenbescheide aus, weil im Zeitpunkt der Abfertigung für die Zollstelle noch keine Ungewißheit über die Voraussetzungen der Abgabenbegünstigung besteht.

Kann demnach die Zollstelle nicht entgegen den in der WVB bescheinigten Angaben des Ausführers eigene abweichende Feststellungen der Abgabenerhebung zugrunde legen, so ergeben sich daraus auch Grenzen für die Aufklärungspflicht des FG. Auch dieses hat nicht die Aufgabe, nachzuprüfen, ob die Ware aus dem Ausfuhrlande stammt oder nicht und unabhängig von den Erklärungen der ausländischen Behörden Präferenzen zuzugestehen oder zu verweigern. Abgesehen davon, daß dem FG Feststellungen im Ausland kaum möglich und auch gegenüber den zuständigen Behörden des Mitgliedstaates untunlich wären, hat das FG nur nachzuprüfen und festzustellen, ob der Präferenznachweis in der vorgesehenen Form erbracht ist oder nicht und welche abgabenrechtlichen Folgen sich daraus ergeben. Die von der Klägerin an die Ermittlungspflicht des FG gestellten Forderungen sind daher nicht gerechtfertigt.

3. Die Klägerin ist auch zu Unrecht der Ansicht, daß der Rechtsgedanke des § 96 AO auf die WVB D. D. 4 bzw. auf die Anerkennung der WVB D. D. 4 durch die Zollstelle bei der Abfertigung zutreffe. Die in Teil B und Teil C der WVB D. D. 4 enthaltenen Bescheinigungen stellen Erklärungen der zuständigen Behörden des ausführenden Mitgliedstaats dar, mit denen die Richtigkeit bestimmter Angaben des Ausführers zum Nachweis für eine Präferenzbehandlung bescheinigt wird. Sie beinhalten daher keine Verfügung, durch die eine Rechtslage gestaltet wird (vgl. Becker-Riewald-Koch, Reichsabgabenordnung, Kommentar, Vorbemerkung Anm. 1 vor § 91). Ist die bescheinigende Behörde über die betreffenden Angaben getäuscht worden oder hat sie sich hierüber im Irrtum befunden, so ist kein Grund dafür ersichtlich, warum sie ihre Bescheinigung nicht berichtigen dürfte. Vielmehr muß die Bestätigung der Richtigkeit von Angaben, wenn die Angaben sich als unrichtig herausstellen, ihrem Zweck entsprechend berichtigt werden können. Auch die Zollabfertigung, die auf Grund einer vorgelegten WVB D. D. 4 erfolgt, stellt keine begünstigende Verfügung im Sinn von § 96 AO dar. Der Abfertigungsbefund ist nur von deklaratorischer Bedeutung (s. BFH-Entscheidung VII R 38/66 vom 24. Juni 1969, BFH 96, 243), und die Abgabenschuld entsteht mit der Bekanntgabe des Abgabenbescheids anläßlich der Abfertigung in der richtigen Höhe, im Streitfalle also auf der Grundlage des Drittlandsabschöpfungssatzes (§ 2 Abs. 1 AbG in Verbindung mit § 36 Abs. 3 Satz 2 ZG). Die Abfertigung zu einem in Gesetz oder Verordnung bei Vorliegen eines bestimmten Tatbestandes vorgesehenen niedrigeren Abgabensatz wirkt daher nicht konstitutiv, sondern stellt nur die vermeintlich zutreffende Abgabenschuld fest. Da die für Zölle geltenden Vorschriften für die Erhebung der Abschöpfung Anwendung finden (§ 2 Abs. 1 AbG), gilt auch die für Zölle anzuwendende Vorschrift des § 94 Abs. 1 AO. Danach konnte das ZA die auf Grund der vorgelegten WVB D. D. 4 ergangenen Abgabenbescheide ändern.

Die im Gesetz vorgesehene Anwendung der Zollvorschriften scheidet nicht etwa sinngemäß insoweit aus, als die Abschöpfungen marktlenkende Funktionen haben, wie die Klägerin geltend macht. Sie sind vielmehr nach dem klaren Wortlaut des § 2 Abs. 1 AbG unmittelbar anzuwenden, soweit nicht die jeweilige EWG-Vorschrift oder das AbG selbst etwas anderes bestimmen. Dies ist aber hier nicht der Fall. Auch kommt in keiner der in Betracht kommenden EWG-Vorschriften zum Ausdruck, daß die Abschöpfung wegen ihrer marktlenkenden Funktionen verfahrensmäßig anders als Zölle zu behandeln seien. Im Gegenteil gelten nach § 80 a ZG die Vorschriften des ZG auch für Eingangsabgaben auf Grund von EWG-Verordnungen. Abgesehen davon, daß auch den zum Schutz der inländischen Wirtschaft erhobenen Zöllen marktlenkende Funktionen nicht abzusprechen sind, ist Abschöpfungen und Zöllen gemeinsam, daß sie für den allgemeinen Finanzbedarf des Staates verwendet, zur Erzielung von Einkünften allen auferlegt werden und nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen. Daher sind sie Steuern im Sinn von § 1 AO (s. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 18 S. 315, 328 – BVerfGE 18, 315, 328 –; Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bd. 6 S. 134, 138 – BVerwGE 6, 134, 138 –). Für das Verfahren der Erhebung der Abschöpfung durch die Zollstellen gilt auch der dem § 94 Abs. 1 AO für die Änderung von Zollbescheiden zugrunde liegende Gedanke, daß die Abfertigung nur summarischen Charakter hat und ohne individuelle Prüfung erfolgt, weshalb sie unbeschränkt nachprüfbar sein muß (vgl. BFH-Entscheidung VII 245/63 U vom 29. September 1964, BFH 80, 492, BZBl 1965, 16). Gerade weil die inländische Abfertigungszollstelle die Richtigkeit der für die Abgabenvergünstigung maßgebenden Tatsachen nicht selbst eingehend nachprüfen und im Verdachtsfall nur durch Einschaltung der die Erntebescheinigung ausstellenden ausländischen Behörden prüfen lassen kann, muß ihr auch die Möglichkeit der späteren Änderung des Abgabenbescheids gemäß § 94 Abs. 1 AO gegeben sein. Ob in anderen Mitgliedstaaten der Abfertigung auf der Grundlage von WVB eine stärkere Schutzwirkung etwa im Sinne des § 96 AO zugebilligt wird, kann hier dahinstehen. Abgesehen davon, daß insoweit das Verfahrensrecht bei der Erhebung der Abschöpfungen noch nicht harmonisiert ist, spricht für die Klägerin auch nicht das von ihr angeführte Urteil des EGH in der Rs 40/69. Dieses hatte die Auslegung eines Warenbegriffs des Gemeinsamen Zolltarifs zum Gegenstand, wobei es um die Befugnis der Mitgliedstaaten ging, eigene rechtsverbindliche Erläuterungsvorschriften zu erlassen. Diese Befugnis hatte der EGH verneint, weil die Mitgliedstaaten insoweit ihre Rechtsetzungsbefugnisse auf die Gemeinschaft übertragen haben, um ein richtiges Funktionieren des gemeinsamen Marktes zu gewährleisten. Zur Anerkennung der WVB D. D. 4 als Nachweis sind die Mitgliedstaaten zwar gemäß Art. 189 Abs. 4 EWGV an die Entscheidung der Kommission vom 17. Juli 1962 über die besonderen Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen für die Anwendung der innergemeinschaftlichen Abschöpfung usw. verpflichtet gewesen. Dadurch, daß in der WVB aber selbst die Nachprüfung und gegebenenfalls die Berichtigung der in ihr enthaltenen Angaben vorgesehen war, kommt zum Ausdruck, daß auch eine Berichtigung der darauf gegründeten Abgabenbescheide möglich sein muß. Denn nur so können die einheitliche Anwendung dieses dem Nachweis bestimmter Umstände dienenden Verfahrens innerhalb der Gemeinschaft und die Vermeidung von Verkehrsverlagerungen gewährleistet werden. Der Senat vermag daher einen zur Vorlage an den EGH nötigen Widerspruch zwischen EWG-Recht und § 94 Abs. 1 AO nicht zu erkennen.

Die WVB D. D. 4 stellt keine öffentliche Urkunde im Sinne der §§ 415, 418 ZPO dar. Denn in ihr wird nicht die Abgabe einer Erklärung oder ein anderer Vorgang beurkundet, sondern die Richtigkeit einer Erklärung über eine bestimmte Wareneigenschaft bestätigt. Da in dem Formblatt ausdrücklich die etwaige Nachprüfung u. a. der Richtigkeit der vom Ausführer gemachten Angaben vorgesehen ist, kann durch die Bestätigung der ausländischen Behörden kein Rechtsschein in dem Sinne begründet werden, daß es sich bei der betreffenden Ware tatsächlich um eine EWG-Ware handle.

Die der Einrichtung der WVB D. D. 4 zugrunde liegende Entscheidung der Kommission vom 17. Juli 1962 richtet sich an die Mitgliedstaaten und ist daher unmittelbar nur für diese verbindlich. Das ergibt sich aus Art. 189 Abs. 4 EWGV. Da sich demnach die rechtliche Bedeutung der WVB D. D. 4 für die Abgabenerhebung nicht unmittelbar aus einer Gemeinschaftsnorm ergibt, sondern durch das durch die EWG-Abschöpfungsbestimmungen 1962 in Verbindung mit § 22 Abs. 2 AZO in das deutsche Recht übernommene, dafür vorgesehene Formular bestimmt ist, und sich auch sonst keine Auslegungsfragen im Sinne des Art. 177 EWGV ergeben, ist der erkennende Senat zur Einholung einer Vorabentscheidung des EGH nicht verpflichtet (s. BFH-Entscheidung VII 37/65, a. a. O.).

4. Auch der auf das Gebot der Verhältnismäßigkeit gestützte Einwand der Klägerin, eine Verkehrsverlagerung könne nicht rückwirkend dadurch beseitigt werden, daß die erhebliche Differenz zwischen innergemeinschaftlicher und Drittlandsabschöpfung nachträglich erhoben werde, greift nicht durch. Ziel der Ermächtigung in Art. 15 Abs. 4 der VO (EWG) Nr. 19/62 wie der VO (EWG) 86/62 war es nicht, erfolgte Verkehrsverlagerungen zu beseitigen, sondern solche zu vermeiden. Wird hierzu die Präferenzbehandlung von einer Erntebescheinigung in der WVB D. D. 4 abhängig gemacht, so ist es Sache des Einführers, ob er Drittlandsgetreide unmittelbar aus dem Drittland oder über einen Mitgliedstaat einführen will. Kann er den Präferenznachweis nicht erbringen, so bildet die Erhebung der Drittlandsabschöpfung nicht ein Mittel zur Verhinderung von Verkehrsverlagerungen, sondern die notwendige Folge des fehlenden Erntenachweises. Würde in einem solchen Fall die gesetzlich vorgesehene Abschöpfung nicht erhoben, so würde dies gegen den Gleichheitssatz verstoßen. Auf die Frage, ob die Abschöpfung der Deckung des Finanzbedarfs dient oder nicht, kommt es hierbei nicht an.

5. Gegenüber den Nachforderungen auf Grund der berichtigten WVB steht der Klägerin auch nicht der Schutz von Treu und Glauben zur Seite. Infolge des Vorbehalts der Nachprüfung besteht, wie bereits ausgeführt wurde, kein Rechtsschein zugunsten des Einführers. Verläßt er sich auf die Richtigkeit der vom Ausführer gemachten Angaben und der sie bestätigenden behördlichen Bescheinigungen in der WVB, so geht er damit ein gewisses Wagnis ein. Stellen sich die Angaben und Bestätigungen nachträglich als falsch heraus, so können hierfür die Zollstellen des Einfuhrlandes nicht verantwortlich gemacht werden. Dadurch, daß sie sich – vorbehaltlich späterer Nachprüfung und Berichtigung – auf die Bescheinigungen der zuständigen ausländischen Behörden verlassen haben, ist dem Einführer gegenüber kein Vertrauenstatbestand begründet worden, der einer Nachforderung entgegenstehen würde. Denn die Zollstellen haben sich auf die vom Einführer selbst beschafften Nachweise verlassen. Der Klägerin mag zugegeben werden, daß ein Regreß oder auch eine Absicherung gegenüber dem Ausführer im Internationalen Getreidehandel kaum zu verwirklichen ist. Dennoch kann ihr das Wagnis der Wahl ihres Geschäftspartners vom Einfuhrland nicht dadurch abgenommen werden, daß dieses zu Lasten der Allgemeinheit auf die gesetzlich angefallenen Abgaben verzichtet. Die Klägerin kann auch ein ähnlicher Schutz, wie er durch die Einholung einer vZTA gegenüber Nachforderungen besteht, nicht zukommen. Denn durch eine vZTA würde sie auch nicht geschützt, wenn eine andere als die durch sie erfaßte Ware eingeführt wird; folglich kann sie dementsprechend auch nicht geschützt werden, wenn infolge einer Täuschungshandlung des Ausführers eine Ware mit anderen als den durch die WVB D. D. 4 bescheinigten besonderen Eigenarten zur Abfertigung gestellt wird.

Da nach allem die Vorentscheidung zutreffend ist, war die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 514762

BFHE 1971, 279

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