Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Die Grunderwerbsteuerbefreiungsvorschrift des schleswig-holsteinischen Gesetzes über die Befreiung von der Grunderwerbsteuer bei Maßnahmen des sozialen Wohnungsbaues und bei Maßnahmen im Rahmen des Schleswig-Holsteinischen Aufbaugesetzes und des Baulandbeschaffungsgesetzes vom 12. August 1954 (GVBl S. 138, BStBl II S. 142) ist auch dann anwendbar, wenn der Erwerber eines Grundstücks, das er im Tausch als Gegenleistung für die nach § 1 Abs. 1 Ziff. 3 GrESWG steuerbefreite Hingabe eines Grundstücks erworben hat, außerdem eine Zuzahlung in bar erhält.

Gesetz über die Befreiung von der Grunderwerbsteuer bei Maßnahmen des sozialen Wohnungsbaues und bei Maßnahmen im Rahmen des Schleswig-Holsteinischen Aufbaugesetzes und des

 

Normenkette

GrESWGSH 1/1/5

 

Tatbestand

I. -

Die Bgin., ein als Organ der staatlichen Wohnungspolitik anerkanntes gemeinnütziges Wohnungsunternehmen, erwarb durch notariell beurkundeten Tauschvertrag vom 20. Februar 1961 von dem Landwirt B fünf Flurstücke von etwa 7 ha, um sie im Rahmen des steuerbegünstigten Wohnungsbaues zu verwenden. Die Bgin. verpflichtete sich, als Gegenleistung zwei in einer anderen Gegend belegene Flurstücke von zusammen 25 ha, die sie am gleichen Tag für 375.000 DM erworben hatte, an B zu übereignen. Außerdem zahlte sie letzterem 330.000 DM in bar.

Das Finanzamt setzte für den übergang der Grundstücke von der Bgin. auf B aus einer anteiligen Gegenleistung eine Grunderwerbsteuer fest, die es von der Bfin. anforderte, die vertraglich eine etwaige Grunderwerbsteuer zu tragen hatte.

Mit der Sprungberufung erstrebte die Bgin. Steuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Ziff. 5 des Gesetzes über die Befreiung von der Grunderwerbsteuer bei Maßnahmen des sozialen Wohnungsbaues und bei Maßnahmen im Rahmen des Schleswig-Holsteinischen Aufbaugesetzes und des Baulandbeschaffungsgesetzes (GrESWG) vom 12. August 1954 (GVBl. S. 138, BStBl II S. 142), da der Erwerber die hier streitigen Flurstücke im Tausch erhalten, sonst aber keine Zuzahlung geleistet habe.

Das Finanzamt bezog sich wie schon im Steuerbescheid auf die ministerielle Ausführungsanweisung zum GrESWG vom 14. Mai 1955 (GVBl Schleswig-Holstein 1955 S. 138, BStBl 1955 II S. 96), Abschn. zu § 1 Ziff. 5. Danach sei der Begriff des Tausches in § 1 Abs. 1 Ziff. 5 GrESWG ebenso wie der des Austausches in § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG zu verstehen, so daß in Anwendung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur letzteren Vorschrift (Urteile des Senats II 165/52 S vom 19. Februar 1953, BStBl 1953 III S. 95, Slg. Bd. 57 S. 239; II 8/55 S vom 23. Februar 1956, BStBl 1956 III S. 130, Slg. Bd. 62 S. 353; II 182/56 U vom 8. Oktober 1958, BStBl 1959 III S. 7, Slg. Bd. 68 S. 15) eine über einen Spitzenbetrag hinausgehende Zuzahlung eines der Vertragspartner zur vollen Steuerpflicht führen müsse.

Das Finanzgericht stellte die Bfin. von der angeforderten Grunderwerbsteuer frei, da es - anders als bei § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG - bei dem insoweit nicht vergleichbaren § 1 Abs. 1 Ziff. 5 GrESWG auf die Frage der Zuzahlung für das andere Grundstück nicht ankomme. Die Vergünstigung sei nach Wortlaut und auch Zweck dieser Vorschrift zu gewähren. Der Gesetzgeber habe die Notwendigkeit der Steuerbefreiung auch der Abfindung mit Ersatzland wegen der in aller Regel stärkeren Verhandlungsposition des Baulandveräußerers bejaht, um die Verteuerung des Bauvorhabens durch eine Abwälzung der auf den Ersatzerwerb entfallenden Grunderwerbsteuer auf den Baulanderwerber zu vermeiden (o. a. Ausführungsanweisung a. a. O.). Diese Notwendigkeit bestehe nicht nur, wenn der Baulandveräußerer ausschließlich mit Land abgefunden werde, sondern ebenso, wenn er noch eine Zuzahlung erhalte.

Mit der Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts im wesentlichen unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens fehlerhafte Anwendung des § 1 Abs. 1 Ziff. 5 GrESWG, der wie die Parallelvorschrift des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG nur den echten Tausch, nicht aber den Erwerb von Bauland zum Zwecke der Errichtung steuerbegünstigter Wohnungen schlechthin befreien wolle. Eine Aufteilung des Vertrags in ein Tauschgeschäft und ein Kaufgeschäft sei nach der o. a. Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG nicht möglich.

 

Entscheidungsgründe

II. -

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts kann keinen Erfolg haben.

Der Senat vermag sich der Meinung des Finanzamts nicht anzuschließen, daß die Frage, ob wegen einer über den sogenannten Spitzenbetrag hinausgehenden Zuzahlung die Steuervergünstigung des § 1 Abs. 1 Ziff. 5 GrESWG zu versagen sei, in gleicher Weise wie bei Anwendung des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG entschieden werden müsse, d. h. also insbesondere ohne Rücksicht darauf, welcher der Tauschpartner diese Zuzahlung bewirkt. Zwischen § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG und § 1 Abs. 1 Ziff. 5 GrESWG bestehen Unterschiede, die insoweit auch eine abweichende Beurteilung geboten erscheinen lassen.

Vor allem ist Gegenstand der Steuervergünstigung des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG der beiderseitige Austausch von Grundstücken selbst (Urteil des Bundesfinanzhofs II 8/55 S vom 23. Februar 1956, a. a. O.); diese Vorschrift umfaßt also die Grundstückserwerbe beider Tauschpartner auch dann, wenn der Tausch nur für einen der Tauschpartner eine bessere Grundstücksgestaltung ergibt (vgl. insoweit z. b. Urteile des Senats II 80/58 U vom 9. März 1960, BStBl 1960 III S. 204, Slg. Bd. 70 S. 547; II 42/58 U vom 30. August 1961, BStBl 1961 III S. 507, Slg. Bd. 73 S. 663). Gerade unter diesen Gesichtspunkten rechtfertigt es sich, daß über den sogenannten Spitzenbetrag hinausgehende Zuzahlungen ohne Rücksicht darauf, ob sie von beiden Tauschpartnern oder nur von einem und von welchem Tauschpartner erbracht werden, die volle Steuerpflicht bewirken, und zwar für alle Erwerbsvorgänge aller Beteiligten (Urteil des Bundesfinanzhofs II 165/52 S vom 19. Februar 1953, a. a. O.). In diesem Sinne hat der Reichsfinanzhof in dem Urteil II A 259/30 vom 14. Mai 1930 (Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz, § 8 Nr. 7 a. F., Rechtsspruch 14 am Ende), auf das der Senat in dem Urteil II 165/52 S vom 19. Februar 1953 (a. a. O.) verwiesen hat, davon gesprochen, daß das Tauschgeschäft im Sinne des § 8 Ziff. 7 GrEStG a. F. (entsprechend § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG 1940; vgl. insoweit Urteil des Bundesfinanzhofs II 153/56 U vom 16. Dezember 1959, BStBl 1960 III S. 271, Slg. Bd. 71 S. 62) "nicht gespalten" werden dürfe. Diese steuerrechtliche Behandlung rechtfertigt sich auch nach dem Sinn des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG, der - entsprechend der Begünstigung der förmlichen Umlegung (ß 4 Abs. 1 Ziff. 3 a GrEStG) - den freiwilligen Grundstücksumsatz dann von der Besteuerung ausnimmt, wenn dessen Hauptzweck nur ein wechselseitiger Austausch, nicht aber eine (einseitige flächen- oder wertmäßige Vermehrung, also) Bestandsveränderung von Grundstücken ist.

Demgegenüber befreit § 1 Abs. 1 Ziff. 5 GrESWG den Erwerb eines Grundstücks im Tausch gegen ein anderes Grundstück; diese Vorschrift umfaßt also nur den Erwerb des sogenannten Ersatzgrundstücks durch den einen Tauschpartner, wenn auch unter der Voraussetzung, daß der Erwerb durch den anderen Tauschpartner nach Ziff. 1 bis 4 a. a. O. (zunächst: auflösend bedingt) steuerbefreit ist. Im übrigen ist die Steuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Ziff. 5 GrESWG auch endgültig, d. h. unabhängig vom Schicksal des hingegebenen Grundstücks, da § 7 insoweit eine Nachversteuerung nicht vorsieht (vgl. auch Begründung zum GrESWG zu Teil I zu § 7 Ziff. 5 und 6, Schleswig-Holsteinischer Landtag 2. Wahlperiode 1950 Drucksache Nr. 603 S. 14). Die im unmittelbaren Interesse des sozialen Wohnungsbaues gewährten Ausnahmen von der Besteuerung sind aber unabhängig von § 1 Abs. 1 Ziff. 5 GrESWG in den besonderen Ziff. 1 bis 4 (a. a. O.) geregelt. Dagegen liegt § 1 Abs. 1 Ziff. 5 GrESWG die Annahme zugrunde, daß der Bauland gegen Ersatzland Abgebende auch seine Grunderwerbsteuer auf den Tauschpartner abwälzen würde, daß aber diese Verteuerung des Bauvorhabens verhindert werden sollte (vgl. o. a. Begründung a. a. O. zu § 1 Ziff. 5 S. 10). Es kommt nach Auffassung des Senats folgerichtig hinzu, daß nach Sinn und Zweck des GrESWG als Erwerb von Ersatzland, das anstelle des für den sozialen Wohnungsbau hingegebenen Landes erworben wird, jedenfalls der Erwerb von Grundstücken in einem Umfang angesehen werden muß, der flächen- oder auch wertmäßig dem hingegebenen Land entspricht, während eine (flächen- oder wertmäßige) Vermehrung des Grundbesitzes im Grundsatz nicht grunderwerbsteuerrechtlich begünstigt werden sollte.

§ 1 Abs. 1 Ziff. 5 GrESWG und § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG sind somit nach Aufbau, Umfang und Zielsetzung hinsichtlich der Tauschpartner verschieden. Bei dem Charakter der Grunderwerbsteuer als einer Steuer auf den einzelnen Erwerbsvorgang muß die Frage, ob bei einem Grundstückstausch die Vergünstigungsvorschriften anwendbar sind, für jeden der beiden Grundstücksumsätze getrennt gewürdigt werden, soweit sich nicht - wie zwar bei § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG, nicht aber bei § 1 Abs. 1 Ziff. 5 GrESWG - aus dem Gesetz etwas anderes ergibt. (Vgl. zur Steuerberechnung entsprechend § 11 Abs. 1 Ziff. 2 GrEStG, durch den die oft schwierige Unterscheidung zwischen Tausch und Doppelkauf nach dem Reichsstempelgesetz insoweit gegenstandslos wurde; siehe Ott, Handbuch des gesamten Grunderwerbsteuerrechts, 4. Aufl., § 16 Anm. 2.)

Unter Berücksichtigung dieser grunderwerbsteuerrechtlichen Besonderheiten - gerade auch des § 1 Abs. 1 Ziff. 5 GrESWG - kann es im Streitfall dahingestellt bleiben, ob in den beiden Rechtsvorgängen bürgerlich-rechtlich ein Tausch mit (steuerunschädlicher) Barzahlung, ein Doppelkauf oder ein Vertrag anderer Art zu erblicken ist. Denn der Senat ist der Auffassung, daß bei Anwendung des § 1 Abs. 1 Ziff. 5 GrESWG in dem Satzgefüge "Erwerb eines Grundstücks im Tausch gegen ein anderes (nach anderer Vorschrift befreites) Grundstück" der Begriff des Tausches aus der Sicht des durch die mögliche Steuerpflicht jeweils betroffenen Grundstückserwerbers unter Berücksichtigung des gerade durch die Befreiungsvorschrift des § 1 GrESWG verfolgten Zweckes verstanden werden muß.

So betrachtet hat aber B schon nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Ziff. 5 GrESWG (außer einer Geldforderung) die von ihm erworbenen Flurstücke ausschließlich gegen die von ihm hingegebenen Flurstücke ausgetauscht; anders ausgedrückt hat B die streitigen Grundstücke wiederum nur gegen seine Grundstücke als unmittelbare Gegenleistung erhalten. Dies zeigt sich übrigens auch darin, daß die Tauschpartner hinsichtlich des in seiner Wirksamkeit nach § 2 des Tauschvertrages wechselseitig bedingten Grundstücksaustauschs keine "Tauschpreise" für die Grundstücke, sondern nur einen Ausgleichsbetrag festgesetzt haben.

Zutreffend hat deshalb das Finanzgericht entschieden, daß in den Fällen, in denen der das Bauland abgebende Tauschpartner seinerseits eine Zuzahlung nicht leistet, sondern allenfalls (wegen Abgabe flächen- oder wertmäßig wertvolleren Landes) erhält, nicht mehr darauf ankommt, ob eine Zuzahlung noch als Spitzenbetrag gelten kann.

Der Senat hat in anderem Zusammenhang bereits ausgesprochen, daß bei gewissen Austauschfällen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus die Anforderungen an die Gewährung von Steuervergünstigungen nicht überspannt werden dürfen, die andernfalls ihren wohnungspolitischen Sinn verlieren könnten (vgl. insoweit Urteil des Senats II 160/61 U vom 9. Oktober 1963, BStBl 1964 III S. 336, Sl. Bd. 79 S. 288; siehe auch Urteil II 128/58 U vom 14. Juni 1961, BStBl 1961 III S. 506, Slg. Bd. 73 S. 658). Er glaubt deshalb in übereinstimmung mit dem Finanzgericht, daß die obige Auslegung des § 1 Abs. 1 Ziff. 5 GrESWG auch dem bereits dargelegten Willen des Gesetzes gerecht wird. Läßt der Baulandveräußerer ohne Zuzahlung sich nur mit flächen- oder wertmäßig entsprechendem Land abfinden, so genießt er für seinen Erwerb Steuerbefreiung in vollem Umfange. Läßt er sich mit flächen- oder wertmäßig weniger wertvollem Land abfinden, so ist nicht ersichtlich, weshalb dieser geringere Ersatzerwerb steuerpflichtig sein sollte. Es kommt hinzu, daß in den Fällen, in denen der Veräußerer des (wertvolleren) Baulandes eine Zuzahlung nicht leistet, sondern empfängt, von einer nicht zu begünstigenden Vermehrung seines Grundbesitzes durch Hinzuerwerb von flächen- oder wertmäßig wertvollerem Land nicht gesprochen werden kann.

Daß demgemäß eine andere Beurteilung denkbar wäre, wenn der Baulandveräußerer unter Nutzung seiner günstigeren Ausgangslage über das (flächen- oder wertmäßig gleichwertige) Ersatzland hinaus weitere Grundstücksflächen gegen eigene Zuzahlung hinzuerwirbt, hat das Finanzgericht bereits erkannt; dies war im Streitfall aber nicht abschließend zu erörtern.

Demnach erweist sich die Rb. als unbegründet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411802

BStBl III 1965, 693

BFHE 1966, 533

BFHE 83, 533

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