Leitsatz (amtlich)

Pauschale Zuwendungen eines Arbeitgebers an eine Betriebskrankenkasse (Körperschaft des öffentlichen Rechts) mit der Zweckbestimmung "für besondere Leistungen zur Gesunderhaltung des Mitgliederbestandes" gehören auch dann nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn, wenn die Betriebskrankenkasse im Jahr der Zuwendungen an Betriebsangehörige kostenlose Erholungsbeihilfen gewährt und hierüber aber ohne Einflußnahme des Arbeitgebers in eigener Zuständigkeit entscheidet.

 

Normenkette

EStG 1971 § 19; LStDV 1971 § 2 Abs. 1, 2 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hat in den Jahren 1963 bis 1967 an ihre Betriebskrankenkasse (BKK), eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, Zuschüsse in jährlich unterschiedlicher Höhe mit einem Gesamtbetrag von 616 350 DM gezahlt. Diese Zuschüsse sollten "für besondere Leistungen (der BKK) zur Gesunderhaltung des Mitgliederbestandes" verwendet werden. Die BKK hat Erholungsverschickungen von Arbeitnehmern, deren Ehefrauen und Kindern durchgeführt. Sie erfolgten ergelmäßig nach Untersuchung durch einen Werks-, Haus- oder Amtsarzt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) war der Auffassung, zwischen den von der Klägerin an die BKK gegebenen Zuschüssen und den durchgeführten Erholungskuren bestehe ein wirtschaftlicher Zusammenhang. Es forderte daher insoweit durch Haftungsbescheid vom 13. Dezember 1968 von der Klägerin eine Lohnsteuernachzahlung von 18 490,52 DM. Diese Lohnsteuerforderung errechnete das FA wie folgt:

In den Jahren 1963 bis 1967

von der Klägerin an die BKK gezahlte Zuschüsse 616 350 DM

abzüglich Aufwendungen der BKK für Mehrleistungen (25 %) 154 076 DM

462 274 DM

abzüglich Abschlag von 50 %,

da insoweit steuerfreie Notstandsbeihilfen vom FA angenommen wurden 231 137 DM

Rest 231 137 DM

Wegen der Schwierigkeiten von Einzelberechnungen ermittelte das FA die Lohnsteuer pauschal mit 20 % von 231 137 DM = 46 277,40 DM. Von der Klägerin wurde ein Betrag von 40 % = 18 490,52 DM verlangt. (60 % der Zuschüsse waren von einem anderen Werk des Konzerns getragen worden.)

Der Einspruch war erfolglos.

Die Klage wurde abgewiesen.

Das FG nahm an, es handle sich bei den streitigen Zuschüssen um steuerpflichtigen Arbeitslohn i. S. des § 19 Abs. 1 EStG (§ 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 LStDV). Die Klägerin habe zwar die Zuschüsse nicht unmittelbar an ihre Arbeitnehmer gezahlt, sondern über die BKK. Aus einer Buchungsanweisung vom 17. April 1963 ergebe sich aber, daß diese Beträge von der BKK "für besondere Leistungen zur Gesunderhaltung des Mitgliederbestandes" verwendet werden sollten und dann auch verwendet worden seien. Sie seien damit den beireffenden Arbeitnehmern der Klägerin zugute gekommen. Das allein sei mit der Zahlung der Zuschüsse der Klägerin an die BKK beabsichtigt gewesen. Das bestätige die Bezeichnung der Zuschüsse als "freiwillige soziale Leistungen". Die Arbeitnehmer der Klägerin und ihre Familienangehörigen hätten danach durch die Zuschußleistung ihrer Arbeitgeberin einen geldwerten Vorteil gehabt. Ohne diese finanzielle Hilfe seitens der Klägerin hätte die BKK die Erholungsverschickungen nicht in dem Umfang durchführen können, wie es dann tatsächlich geschehen sei. Denn die von der BKK für diese Zwecke zur Verfügung gestellten Mittel hätten damals erheblich eingeschränkt werden müssen. Auch das bekräftige die Ansicht des FA, daß die zusätzlichen Zahlungen der Klägerin an die BKK in erster Linie, wenn nicht ausschließlich, im Dienstverhältnis begründete mittelbare Zuwendungen an die Arbeitnehmer dargestellt hätten.

Daß die BKK als Körperschaft des öffentlichen Rechts selbständig sei und über die von der Klägerin geleisteten Zuschüsse in eigener Zuständigkeit zu entscheiden gehabt habe, ändere an der Rechtslage nichts. Nach der Natur der Dinge bestünden enge Beziehungen zwischen der Klägerin und der BKK, da letztere die Arbeitnehmer der Klägerin im Rahmen ihres Aufgabenbereichs zu betreuen habe. Es deute sogar alles darauf hin, daß die BKK trotz ihrer rechtlichen Selbständigkeit hier in Wirklichkeit als eine Art Organ der Klägerin tätig geworden sei. Eine solche Zwischenschaltung eines Dritten könne die Klägerin nicht von der Pflicht befreien, Lohnsteuer einzubehalten. Dafür spreche auch die wirtschaftliche Betrachtungsweise.

Daß es sich um eine Art von Pauschalzuweisungen der Klägerin an die BKK gehandelt habe, die im Zeitpunkt der Überweisung an letztere möglicherweise noch keine Aussonderung eines bestimmten Teilbetrages für den einzelnen betroffenen Arbeitnehmer zugelassen habe, sei nicht entscheidend. Es reiche vielmehr aus, wenn diese Aussonderung bzw. Aufgliederung auf die erholungsbedürftigen Arbeitnehmer der Klägerin später erfolgt sei.

Es möge sein, daß auch einige betriebsfremde Personen, die bei der BKK der Klägerin versichert gewesen seien, zu Erholungszwecken verschickt worden seien. Dabei könne es sich aber nur um Ausnahmen gehandelt haben.

Mit der Revision beantragt die Klägerin Aufhebung der Vorentscheidung und Herabsetzung des Lohnsteuerhaftungsbescheides auf 292 DM Lohnsteuer, 5,80 DM Kirchensteuer. Zur Begründung führt sie unter anderem aus, Mitglieder der BKK seien nicht nur bei ihr beschäftigte Arbeitnehmer und deren Angehörige. Die BKK sei eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und gehöre zu den Krankenkassen der Reichsversicherungsordnung. Sie habe daher die gleichen Pflichten zu beachten, wie alle anderen diesem Gesetz unterliegenden Kassen. Daher müsse sie auch jeden Dritten versichern, selbst wenn er in keiner Beziehung zur Klägerin stehe, und sie habe dies auch getan. Nicht zugestimmt werden könne dem FA deshalb darin, wenn es die Zuschüsse als Arbeitslohn ansehe. Zu Beginn des Jahres 1963 sei vorauszusehen gewesen, daß die der BKK zufließenden Mittel aus Pflichtbeiträgen, Zinsen auf eigene Betriebsmittel und Ersatzansprüchen gegen Haftende nicht völlig ausgereicht hätten, um alle ihr nach der Reichsversicherungsordnung obliegenden Aufgaben zu erfüllen. Die BKK habe daher vor der Wahl gestanden, entweder die Pflichtbeiträge zu erhöhen oder ihre Ausgaben zu mindern, z. B. durch Zurückhaltung bei der Erbringung freiwilliger Leistungen. Durch den von der Klägerin gewährten Zuschuß, der nicht zweckgebunden gewesen sei, sei die BKK davon befreit worden, entsprechende Maßnahmen zu treffen. Wäre ein Zuschuß nicht gewährt worden und hätte die BKK ihre Einnahmen nicht erhöht und ihre Ausgaben nicht gesenkt, so wäre ein Defizit entstanden. Ob dieses Defizit durch Gewährung von Erholungsbeihilfen oder durch andere satzungsmäßige Ausgaben entstanden wäre, hätte sich nicht feststellen lassen. Wie das FG Münster im Urteil vom 29. Oktober 1968 VI-Va 69-70/65, (EFG 1969, 236) zutreffend feststelle, gehöre die Gewährung von Erholungsbeihilfen zu den satzungsmäßigen Aufgaben der Kasse und stehe daher gleichrangig neben anderen Aufgaben der Krankenfürsorge. Eine Fiktion, daß Kassendetizite auf die Gewährung von Erholungsbeihilfen zurückzuführen seien, sofern die Erholungsbeihilfen die Defizite überstiegen, könne nicht aufgestellt werden.

Die vom FA angeführte Buchungsanweisung könne nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Sie stelle lediglich klar, daß die Zuschüsse 1963 nicht zu den betrieblichen Kosten gehörten, sondern als freiwillige soziale Leistungen in der Buchführung der Klägerin auszuweisen seien. Es könne hiernach nicht festgestellt werden, daß die Zuschüsse zweckgebunden für Kurbeihilfen gewährt worden seien. Die BKK sei in ihrer Entscheidung völlig frei. Für die ordnungsmäßige Verwendung der Mittel sei sie lediglich dem Oberversicherungsamt und der Vertreterversammlung verantwortlich. Die Bewilligung von Kurbeihilfen erfolge außerdem im wesentlichen auf Antrag caritativer Verbände, in keinem Fall aber auf Antrag der Klägerin. Die BKK könne danach nicht als Organ der Klägerin angesehen werden. Da die Zuschüsse sonach nicht zweckgebunden gegeben worden seien, könne nicht festgestellt werden, ob sie überhaupt für Erholungsbeihilfen verwendet worden seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Die Kosten eines Erholungsurlaubs gehören zu den Aufwendungen der privaten Lebensführung. Erleichtert ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern und deren Familienangehörigen die Finanzierung des Urlaubs durch Zuschüsse oder in anderer Weise, z. B. durch Tragung der Kosten des Urlaubs in voller Höhe oder durch Unterbringung in einem Erholungsheim, so handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des BFH um einen Vorteil, der über eine bloße Annehmlichkeit hinausgeht. Derartige "Erholungsbeihilfen" gehören zum steuerpflichtigen Arbeitslohn (vgl. insbesondere die Urteile des BFH vom 14. Januar 1954 IV 303/53 U, BFHE 58, 459, BStBl III 1954, 86; vom 4. Februar 1954 IV 178/53 U, BFHE 58, 524, BStBl III 1954, 111; vom 5. Juli 1957 VI 103/56 U, BFHE 65, 121, BStBl III 1957, 279; vom 18. März 1960 VI 345/57 U, BFHE 70, 637, BStBl III 1960, 237, und vom 27. Januar 1961 VI 249/60 U, BFHE 72, 456, BStBl III 1961, 167). Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Erholungsbeihilfen die Voraussetzungen einer steuerfreien Unterstützung (Abschn. 10 LStR) erfüllen (Urteile des BFH IV 303/53 U und VI 249/60 U).

Auch Erholungsbeihilfen, die den Arbeitnehmern über eine Betriebskrankenkasse oder aus einer selbständigen Unterstützungskasse gewährt werden, können zum steuerpflichtigen Arbeitslohn gehören (BFH-Urteile IV 178/53 U und VI 249/60 U). Auch der Aufenthalt von Arbeitnehmern in Erholungsheimen, der durch Mitgliedschaft des Arbeitgebers bei dem Verein vermittelt wird, der die Erholungsheime betreibt, kann zum steuerpflichtigen Arbeitslohn gehören (Urteil des Senats VI 345/57 U).

In den zuletzt genannten Fällen mittelbarer Zuwendungen des Arbeitgebers muß aber sorgfältig geprüft werden, ob ein Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers festgestellt werden kann, der es rechtfertigt, ihm einen geldwerten Vorteil zuzurechnen. So hat der Senat im Urteil VI 345/57 U klargestellt, daß in der Beitragsleistung an den Verein noch kein geldwerter Vorteil für die in einem Erholungsheim des Vereins untergebrachten Arbeitnehmer gesehen werden kann, wenn im Zeitpunkt der Beitragsleistung an den Verein noch nicht feststand, welche Arbeitnehmer die verbilligte Unterbringung in Anspruch nehmen würden. Im Urteil VI 178/53 U, das die Gewährung von Erholungsbeihifen über eine Betriebskrankenkasse betraf, wird festgestellt, daß sich die Arbeitgeberin des damaligen Streitfalls verbindlich verpflichtet hatte, die erforderlichen Gelder (gerade) für die Erholungsverschickung von Arbeitnehmern zur Verfügung zu stellen, die dann 99 Betriebsangehörigen mit 60 Ehefrauen zugute gekommen sind. Der erforderliche Zuschuß wurde erst am 14. November des Streitjahres gewährt, also offenbar nach Gewährung der Erholungsbeihilfen. Im Urteil VI 249/60 U, das die Einschaltung einer selbständigen Unterstützungskasse betraf, wurde ausdrücklich festgestellt, die Arbeitgeberin habe maßgebenden Einfluß bei der Verteilung der Zuschüsse gehabt.

Im Streitfall sind die Zuschüsse der BKK lediglich mit der Auflage gewährt worden, sie sollten "für besondere Leistungen der BKK zur Gesunderhaltung des Mitgliederbestandes" verwendet werden. Zur Zeit der Gewährung der Zuschüsse stand noch nicht fest, in welcher Weise und für welche Arbeitnehmer sie verwendet worden sind. Insbesondere konnte zur Zeit der Gewährung der Zuschüsse noch nicht festgestellt werden, wer Erholungsbeihilfen erhalten würde. Aus der angeführten allgemeinen Formulierung kann zudem nicht einmal entnommen werden, daß die Zuschüsse gerade für Erholungsbeihilfen verwendet worden sind, und wenn das zu bejahen ist, für welche Arbeitnehmer und in welcher Höhe für den einzelnen Arbeitnehmer auf diesem Wege Erholungsbeihilfen gewährt worden sind. Feststellungen hierzu haben das FA und das FG nicht getroffen. Das FA hat vielmehr einfach aus der Summe der Zuschüsse in den Jahren 1963 bis 1967 einen Pauschalbetrag in Höhe von 25 % ausgesondert, weil es insoweit eigene Aufwendungen der BKK annahm und für den übrigen Teil der Zuschüsse - teils steuerpflichtige, teils steuerfreie - Erholungsbeihilfen angenommen. Ein solches Verfahren begegnet Bedenken. Das Verhältnis von Verschickungsbeihilfen und Pauschalzuweisungen der Klägerin war in den einzelnen Jahren völlig verschieden, wie die folgende Übersicht zeigt:

Verschickungsbeihilfen Pauschalzuweisungen Unterschied (Leistungen der Kasse)

1963 110 599 DM 60 000 DM 50 599 DM

1964 124 897 DM 100 000 DM 24 897 DM

1965 205 545 DM 182 900 DM 22 645 DM

1966 221 452 DM 204 450 DM 17 002 DM

1967 174 000 DM 69 000 DM 105 000 DM

Wenn das FA trotzdem einen einheitlich von der BKK getragenen Anteil von 25 % der Gesamtsumme angenommen hat, so ist das ein weiteres Anzeichen dafür, daß sich nicht feststellen ließ, wie weit die von der BKK gewährten Verschickungsbeihilfen aus den Zuschüssen der Klägerin finanziert wurden. Auch aus anderen Merkmalen ist ein Zusammenhang zwischen den Zuschüssen der Klägerin und den Verschickungsbeihilfen an die einzelnen Arbeitnehmer nicht erkennbar. Entscheidend ist aber insbesondere, daß die Klägerin nicht, wie im Urteil VI 249/60 U, auf die Auswahl der zu verschickenden Arbeitnehmer Einfluß genommen hat. Nach der Feststellung des FG hat vielmehr die BKK über die von der Klägerin geleisteten Zuschüsse in eigener Zuständigkeit zu entscheiden gehabt. Der Ansicht des FG, dies sei unerheblich, kann nicht gefolgt werden.

Bei dieser Sachlage ist vielmehr der Zusammenhang zwischen der Gewährung der pauschalen Zuschüsse an die BKK und deren Aufwendungen und den Aufwendungen der BKK für Verschickungsbeihilfen zu lose, um sie zu einem vom FA geschätzten Teil als steuerpflichtigen Arbeitslohn von (unbestimmten) zur Erholung verschickten Arbeitnehmern anzusehen. Es handelt sich zwar nicht um pauschale Zuwendungen, die ganz allgemein zur Deckung des Kassendefizits der BKK bestimmt waren, wie in dem von der Klägerin angezogenen Urteil des FG Münster VI-V a 69-70/65. Eine gewisse Zweckbindung lag in ihrer Bestimmung "für besondere Leistungen zur Gesunderhaltung des Mitgliederbestandes". Das genügt für sich allein aber nicht, die Verschikkungsbeihilfen in Höhe des angegebenen Teiles der Zuschüsse, der völlig pauschal ermittelt worden ist, als steuerpflichtigen Arbeitslohn bei Arbeitnehmern der Klägerin anzusehen. Es steht nicht einmal die Zahl der begünstigten Arbeitnehmer fest, noch weniger ist ermittelt worden und ist vermutlich auch nicht zu ermitteln, welche Arbeitnehmer durch Erholungsbeihilfen aus den von der Klägerin gewährten Zuschüssen begünstigt worden sind. Es kann der Darstellung der Klägerin gefolgt werden, daß die Zuschüsse in das gesamte Kassenvermögen geflossen sind, aus dem dann neben anderen Leistungen auch Erholungsverschickungen bestritten worden sind. Im Ergebnis handelt es sich also um eine vorweggenommene pauschale Übernahme eines erwarteten Defizits der BKK. Hierin liegt aber ebensowenig die Gewährung eines geldwerten Vorteils an bestimmte Arbeitnehmer wie in der nachträglichen Übernahme eines festgestellten Kassendefizits einer Betriebskrankenkasse.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71503

BStBl II 1975, 749

BFHE 1976, 509

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