Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderung eines Steuerbescheids wegen nachträglichen Bekanntwerdens von Tatsachen

 

Leitsatz (NV)

Eine Änderung des Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 kommt nur in Betracht, wenn der Finanzbehörde nachträglich, d.h. nach Erlaß dieses Bescheids, Tatsachen bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Maßgebend für den Kenntnisstand der Finanzbehörde ist die Kenntnis der zur Steuerfestsetzung berufenen Personen; der mit dem Fall befaßte Prüfer und die Angehörigen der Bp-Dienststelle gehören nicht zu diesem Personenkreis.

 

Normenkette

AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Gründe

Auf die Revision muß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen werden.

1. Der angefochtene Einkommensteuer-Änderungsbescheid 1978 konnte auf der Grundlage von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 ergehen, wenn nachträglich Tatsachen bekanntgeworden sind, die zu einer höheren Steuer führen. Dazu fehlen jedoch ausreichende Feststellungen des FG.

Die Einkommensteuerschuld 1978 der Kläger war zunächst durch den Einkommensteuerbescheid des FA M vom 23. Juli 1979 geregelt, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand. In der Folge hat sich das FA M erneut mit dem Steuerfall befaßt und mit Bescheid vom 25. Juli 1983 den Nachprüfungsvorbehalt aufgehoben; dies stand einer erneuten Steuerfestsetzung ohne den Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 164 Abs. 3 Satz 2 AO 1977). Nach den Feststellungen des FG ist der Bescheid vom 25. Juli 1983 mit dem Willen des FA M ergangen, erfüllt also die Voraussetzungen eines Verwaltungsakts (zur Bedeutung des Bekanntgabewillens vgl. zuletzt das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. November 1988 V R 123/83, BStBI II 1989, 344). Hiergegen sind in der Revisionsinstanz keine Rügen erhoben worden. Nachfolgend hat das FA M diesen Verwaltungsakt durch einen zweiten Bescheid zwar aufgehoben, den Aufhebungsbescheid auf den Einspruch der Kläger aber seinerseits wieder aufgehoben (§ 172 Abs. 1 Nr. 2 a AO 1977). Damit waren die Wirkungen des Bescheids vom 25. Juli 1983 wiederhergestellt. Zu Unrecht meint die Revision, mit dem ersten Aufhebungsbescheid seien die Kläger erneut unter dem Vorbehalt der Nachprüfung zur Einkommensteuer veranlagt worden und der zweite Aufhebungsbescheid stehe deswegen gemäß § 164 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 einer erneuten Steuerveranlagung gleich; einen derartigen Regelungsinhalt hatten die Aufhebungsbescheide nicht.

2. Da der Steuerbescheid des FA M vom 25. Juli 1983 bestandskräftig geworden ist, kommt eine Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 nur in Betracht, wenn der Finanzbehörde nachträglich, d. h. nach Erlaß dieses Bescheides Tatsachen bekannt wurden, die zu einer höheren Steuer führen.

Demnach kommt es darauf an, ob dem Beklagten die zur Änderung führenden Tatsachen erst nach dem 25. Juli 1983 bekanntgeworden sind. Maßgebend ist hierfür die Kenntnis der zur Steuerfestsetzung berufenen Personen, also des Vorstehers des FA, des Sachgebietsleiters und der Sachbearbeiter; der mit dem Fall befaßte Außenprüfer und die Angehörigen der Betriebsprüfungs-Dienststelle gehören nicht zu diesem Personenkreis (vgl. BFH-Urteil vom 9. November 1984 VI R 157/83, BFHE 142, 402, BStBl II 1985, 191, ständige Rechtsprechung). Ausschlaggebend wird in der Regel der Zeitpunkt sein, in dem der Betriebsprüfungsbericht den zur Veranlagung berufenen Bediensteten zugegangen ist, sofern später nicht noch weitere Tatsachen ausgewertet wurden. Hierzu erhält das FG-Urteil keine hinreichenden Feststellungen; sie werden vom FG nachgeholt werden müssen.

Auf dieses Ergebnis hat es keinen Einfluß, ob das FA M nach § 46 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch für den Erlaß des Steueränderungsbescheids 1978 zuständig war (dazu BFH-Urteil vom 1. August 1986 VI R 47/81, BFHE 147, 423, BStBl II 1987, 202). Die angefochtene Entscheidung kann im Hinblick auf § 127 AO 1977 nicht schon wegen der örtlichen Unzuständigkeit des Beklagten aufgehoben werden, weil der Verfahrensmangel sich nicht auf die Sachentscheidung auswirken würde; die Kläger werden nicht anders behandelt, als hätte das FA M die Ermittlungen im Wege der Betriebsprüfung durchgeführt und den angefochtenen Einkommensteuer-Änderungsbescheid 1978 erlassen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416385

BFH/NV 1990, 477

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