Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewinn- (und Verlust-)feststellung bei treuhänderischer Beteiligung

 

Leitsatz (NV)

1. Beteiligen sich Personen mittels eines Treuhänders an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft, so sind grundsätzlich zwei Gewinnfeststellungsverfahren erforderlich: Gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO wird festgestellt, welchen Gewinn die Personengesellschaft erzielt hat und wie sich dieser Gewinn auf die Gesellschafter (darunter auch der Treuhänder) verteilt; in einem weiteren Verfahren wird der für den Treuhänder festgestellte Gewinnanteil gemäß § 179 Abs. 2 Satz 3 AO auf die Treugeber aufgeteilt.

2. Wird im Gewinnfeststellungsverfahren der Personengesellschaft geltend gemacht, daß der Gewinn der Gesellschaft anders verteilt werden müsse, so sind hierfür nur die Gesellschafter, nicht aber die Treugeber, klagebefugt.

 

Normenkette

AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2a, § 179 Abs. 2 S. 3; FGO § 48 Abs. 1 Nrn. 1-2

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) beteiligte sich im Jahre 1973 über den . . . H an der X-GmbH & Co. KG (KG). H wurde am 31. August 1973 im Auftrag mehrerer Kapitalgeber treuhänderisch Kommanditist der KG; die KG kannte die Treugeber und die Höhe ihrer Beteiligung. Zum 1. Januar 1975 wurde an Stelle von H die J-GmbH Treuhandkommanditistin.

An der KG waren in den Streitjahren 1973 bis 1975 neben der Komplementär-GmbH und dem Treuhandkommanditisten zunächst die Eheleute Y sowie die Z-AG als Kommanditisten beteiligt; seit dem 1. September 1973 war auch der Ehemann Y Komplementär der KG. Im Gesellschaftsvertrag der KG war vereinbart, daß die Einkünfte in der Zeit vom 1. Januar bis 31. August 1973 allein den Eheleuten Y, die Einkünfte vom 1. September bis 31. Dezember 1973 allein dem Treuhandkommanditisten bzw. den Treugebern zufallen sollten. Ein im Jahr 1974 erwirtschafteter Verlust sollte auf den Treuhänder entfallen. Für 1975 waren keine besonderen Vereinbarungen getroffen. Die KG erwirtschaftete nur Verluste. 1975 fiel sie in Konkurs.

In ihren Erklärungen zur einheitlichen Gewinnfeststellung wies die KG dem Treuhandkommanditisten in den Jahren 1973 bis 1975 Verluste von rd. 2,9 Mio, 5,1 Mio und 3,7 Mio DM zu. Nach einer Betriebsprüfung verteilte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Verluste nach der Kapitalbeteiligung der Gesellschafter; im Jahre 1975 ließ er Verlustzuweisungen nur noch bis zur Höhe der Einlagen der Kommanditisten zu. Hiernach ergaben sich für den Treuhandkommanditisten für die Streitjahre Verlustanteile von rd. 1,3 Mio, 2,2 Mio und 1,0 Mio DM. In den Gewinnfeststellungsbescheiden führte das FA nicht den Treuhandkommanditisten, sondern lediglich die Treugeber auf und wies ihnen Verlustanteile zu.

Der Kläger ist der Auffassung, daß die Treugeber entsprechend den getroffenen Vereinbarungen am Verlust der KG beteiligt werden müßten. Er erhob deswegen nach erfolglosem Einspruch Klage zum Finanzgericht (FG). Das FG wies die Klage als unzulässig ab, weil hinsichtlich der Höhe des auf die Treugeber entfallenden Gewinnanteils nur der Treuhandkommanditist klagebefugt sei.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Das FG hat die verfahrensrechtlichen Besonderheiten zutreffend erkannt, die sich ergeben, wenn sich mehrere Personen mittels eines Treuhänders am Vermögen einer gewerblich tätigen Personengesellschaft beteiligen. In diesem Fall werden grundsätzlich zwei Gewinnfeststellungsverfahren erforderlich. In dem einen Verfahren wird gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2a der Abgabenordnung (AO 1977) festgestellt, welchen Gewinn die Personengesellschaft erzielt hat und wie sich dieser Gewinn auf die Gesellschafter, darunter auch den Treuhänder, verteilt. In einem zweiten Verfahren wird der für den Treuhänder festgestellte Gewinnanteil gemäß § 179 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 alsdann auf die Treugeber aufgeteilt, für deren Rechnung der Treuhänder die Gesellschaftsbeteiligung hält.

Dieser Aufteilung des Feststellungsverfahrens entsprechen die verfahrensrechtlichen Befugnisse der Beteiligten. Im Gewinnfeststellungsverfahren der Personengesellschaft können die Gesellschafter, und nur sie, klägerisch geltend machen, daß der Gewinn der Gesellschaft anders verteilt werden müsse oder daß eine sie persönlich betreffende Frage falsch entschieden sei (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Entsprechend können die Treugeber im Feststellungsverfahren zur Aufteilung des dem Treuhänder zugerechneten Gewinnanteils geltend machen, daß die Verteilung unter sie in anderer Weise erfolgen müsse. Sie können in diesem Verfahren jedoch nicht einwenden, daß der Gewinn der Personengesellschaft oder der Gewinnanteil des Treuhänders anders hätte ermittelt werden müssen. Insoweit ist der Gewinnfeststellungsbescheid für die Personengesellschaft vielmehr Grundlagenbescheid für das Gewinnfeststellungsverfahren der Treugeber und kann in diesem Verfahren nicht in Frage gestellt werden (§ 182 Abs. 1 AO 1977). Noch weniger können die Treugeber in das Gewinnfeststellungsverfahren der Personengesellschaft eingreifen, um den Gewinn der Personengesellschaft anders feststellen und auf die Gesellschafter aufteilen zu lassen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die Gründe für diese Beurteilung in seinen Entscheidungen vom 24. Mai 1977 IV R 47/76 (BFHE 122, 400, BStBl II 1977, 737) und vom 28. März 1979 I B 78/78 (BFHE 128, 8, BStBl II 1979, 607) ausführlich dargestellt. Hieran ist festzuhalten. Der von der Revision angeführte BFH-Beschluß vom 31. März 1981 VIII B 53/80 (BFHE 133, 331, BStBl II 1981, 696) ist hiervon nicht abgewichen, sondern betrifft, wie in der Entscheidung hervorgehoben, einen anderen Sachverhalt.

2. Im Streitfall hat das FA beide Feststellungen, nämlich diejenige für die Gesellschafter und diejenige für die Treugeber, miteinander verbunden; da es sich um ein offenes Treuhandverhältnis handelte, war eine derartige Verbindung statthaft (BFHE 122, 400, BStBl II 1977, 737).

a) Daß es sich um zusammengefaßte Bescheide handelte, kommt allerdings in den Gewinnfeststellungen nur unvollkommen zum Ausdruck, da das FA als Gesellschafter der KG nicht auch den Treuhandkommanditisten, sondern an seiner Stelle die Treugeber aufgeführt hat. Auch Verwaltungsakte müssen ggf. aber ausgelegt werden. Dabei ist nicht ausschlaggebend, was die Behörde mit dem Verwaltungsakt bewirken wollte; wesentlich ist vielmehr, wie der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen den Regelungsinhalt des Verwaltungsakts unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (BFH-Beschluß vom 25. August 1981 VII B 3/81, BFHE 134, 97, BStBl II 1982, 34). Da der Kläger wußte, daß er lediglich Treugeber, nicht aber Gesellschafter der KG war, mußte er auch annehmen, daß er von der Gewinnfeststellung als Treugeber, nicht aber als Gesellschafter betroffen werden sollte.

Selbst wenn der Kläger aber angenommen hat, daß er als Gesellschafter der KG behandelt wird, würde sich dadurch nichts an der durch § 48 FGO statuierten Verteilung des Klagerechts ändern, die auf das tatsächlich bestehende Gesellschafts- oder Gemeinschaftsverhältnis abhebt. Wird ein Nichtgesellschafter in die einheitliche Gewinnfeststellung einer Personengesellschaft einbezogen, so kann er den Feststellungsbescheid mit dem Ziel angreifen, in ihm nicht mehr berücksichtigt zu werden. Er kann sich aber nicht die Fehlbeurteilung des Feststellungsbescheids zu eigen machen und seinerseits eine abweichende Gewinnverteilung verlangen.

b) Bei dieser Sachlage ist das Gewinnfeststellungsverfahren für die KG unvollständig durchgeführt worden, weil der Treuhandkommanditist nicht als Gesellschafter aufgeführt und nicht am Gesellschaftsgewinn beteiligt worden ist. Der Gewinn ist damit nicht vollständig aufgeteilt worden. Da insoweit eine notwendige Feststellung unterblieben ist, wird das FA die Lücke durch einen Ergänzungsbescheid zu schließen haben (§ 179 Abs. 3 AO 1977).

c) Infolge dieser Unterlassung fehlt es bisher an einer bindenden Feststellung des Gewinnanteils des Treuhandkommanditisten und damit an einem Grundlagenbescheid für das Feststellungsverfahren für die Treugeber. Das FA konnte dieses nachrangige Feststellungsverfahren gleichwohl durchführen. Nach § 155 Abs. 2 AO 1977 kann nämlich ein Steuerbescheid als Folgebescheid auch erteilt werden, wenn ein Grundlagenbescheid noch nicht erlassen wurde; ein derartiger Folgebescheid ist ein Grundlagenbescheid, der seinerseits von einem anderen Grundlagenbescheid abhängig ist (vgl. Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 155 AO 1977 Anm. 9). Diese Bestimmung ist zwar erst nach Abschluß des Verwaltungsverfahrens durch das Gesetz vom 20. August 1980 (BGBl I, 1545, BStBl I, 589) eingeführt worden, gleichwohl aber im Klage- und Revisionsverfahren zu beachten (BFH-Entscheidungen vom 24. Februar 1981 VIII B 14/78, BFHE 132, 402, BStBl II 1981, 416; vom 26. Juli 1983 VIII R 28/79, BFHE 139, 335, BStBl II 1984, 290).

Fehlt es bisher noch an einem Grundlagenbescheid, so muß die im Grundlagenbescheid festzustellende Besteuerungsgrundlage, hier der Gewinnanteil des Treuhänders, nach der ebenfalls durch Gesetz vom 20. August 1980 (a. a. O.) eingeführten Bestimmung des § 162 Abs. 3 AO 1977 geschätzt werden. Ob dem FA eine genauere Feststellung der Besteuerungsgrundlagen, die von Rechts wegen nur vorläufig sein kann, verwehrt ist (so Entscheidung in BFHE 139, 335, BStBl II 1984, 290), braucht an dieser Stelle nicht entschieden zu werden. Einwendungen, die den Gewinnanteil des Treuhandkommanditisten angehen, können im Feststellungsverfahren der Treugeber nämlich nur von dem für sie tätigen Treuhandkommanditisten geltend gemacht werden. Das folgt aus der gebotenen Anwendung von § 48 FGO auch in diesem Verfahren. Die Treugeber können danach zwar ihre Beteiligungsquote am Gewinnanteil des Treuhänders, nicht aber den auf diesen entfallenden Betrag, beanstanden. Dies ist im Hinblick auf § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO Aufgabe des Treuhandkommanditisten, dem die Geschäftsführung für die Treugeber obliegt. Dies gilt unabhängig davon, wie sich ihr Verhältnis zum Treuhänder zivilrechtlich gestaltet (vgl. dazu Bälz, Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht - ZGR - 1980, 1, 20 ff.; s. auch Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 28. Januar 1980 II ZR 250/78, BGHZ 76, 127). Wie der Treuhänder allein im Gewinnfeststellungsverfahren der KG mitwirkt und den Ansatz seines Gewinnanteils beeinflussen kann, so bleibt ihm auch die Prozeßführung überlassen, wenn das FA im Vorgriff auf die Gewinnfeststellung der Personengesellschaft ein Feststellungsverfahren für die Treugeber durchführt und darin den Anteil am Gewinn der Personengesellschaft in bestimmter Höhe annimmt. Die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der KG hat für das Feststellungsverfahren unter den Treugebern keine Bedeutung; es führt nicht zur Erweiterung ihrer Verfahrensrechte.

Zur Wahrnehmung seiner Rechte hätte das FA den Feststellungsbescheid, soweit er die Treugeber betrifft, auch dem Treuhänder bekanntgeben müssen. Das FA wird dies nachzuholen haben.

3. Obwohl das FA danach im Rechtsstreit obsiegt, waren ihm gemäß § 137 Satz 2 FGO die Kosten des gesamten Rechtsstreits aufzuerlegen. Danach sind Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstehen, diesem aufzuerlegen. Im Streitfall wäre der Rechtsstreit vermieden worden, wenn das FA in den Gewinnfeststellungen deutlich gemacht hätte, daß es sich jeweils um zwei Bescheide handelt, die zum einen für die Gesellschafter der KG, zum anderen für die Treugeber bestimmt sind. Infolge der fehlerhaften Fassung der Bescheide konnten die Treugeber Zweifel haben, in welchem Verfahren sie ihre Rechte wahren konnten und wie weit ihr Prozeßführungsrecht ging.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414452

BFH/NV 1987, 627

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