Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Anerkennung eines Vertrages über eine typische stille Gesellschaft unter nahen Familienangehörigen

 

Leitsatz (NV)

1. Händigt die Post das Revisionsschreiben vor Ablauf der Revisionsfrist einem Boten des Finanzgerichts aus, so ist die Revision auch dann rechtzeitig eingelegt, wenn das Schreiben den Posteingangsstempel des Finanzgerichts vom Folgetag erhält.

2. Wird ein Schenkungsvertrag zwischen einem Vater und seinen Kindern dergestalt durchgeführt, daß der Vater die von ihm geschenkten Einlagen im Wege der Umbuchung von seinem Kapitalkonto abbucht und auf den Beteiligungskonten seiner beschenkten Kinder gutbringt, ohne daß eine Geldbewegung stattfindet, so stellt dies keine Bewirkung der versprochenen Leistung im Sinne des § 518 Abs. 2 BGB dar.

3. Soweit die Finanzverwaltung Billigkeitsmaßnahmen durch Erlaß angeordnet hat, ist es den Finanzgerichten im Hinblick auf die sich aus § 163 Abs. 1 Satz 3 und § 348 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 ergebende Zweigleisigkeit des Veranlagungs- und des Billigkeitsverfahrens seit Inkrafttreten der AO 1977 verwehrt, Billigkeitsgesichtspunkte im Rahmen des Veranlagungsverfahrens zu berücksichtigen.

 

Normenkette

AO 1977 § 41 Abs. 1, § 163 Abs. 1, § 348 Abs. 1 Nr. 2; BGB § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2, § 518 Abs. 1-2, § 1624 Abs. 1; FGO § 54; ZPO § 222

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer zu veranlagen sind. Der klagende Ehemann ist Inhaber eines Metallverarbeitungsbetriebs in S.

Mit Wirkung ab dem 1. Januar 1971 beteiligte der klagende Ehemann seine damals minderjährigen Kinder A, F und P als typische stille Gesellschafter an seinem Unternehmen. Der schriftliche Vertrag wurde von dem klagenden Ehemann und den Kindern eigenhändig unterschrieben; er ist weder notariell beurkundet noch vormundschaftlich genehmigt. In ihm ist u.a. vereinbart:

,,§ 2 Einlage

Die Einlage der drei stillen Gesellschafter beträgt je 30 000 DM. Sie wird durch Schenkung (Umbuchung vom Kapitalkonto des Herrn R auf die neu errichteten Beteiligungskonten) geleistet.

§ 3 Gewinnverteilung

Herr R erhält für seine Tätigkeit als Geschäftsführer und für seine Vollhaftung einen Vorweggewinn von jährlich 48 000 DM.

Soweit der Gewinn den Betrag von 48 000 DM übersteigt, werden die Kapitaleinlagen der stillen Gesellschafter mit 15% verzinst. An einem etwaigen Verlust nehmen die stillen Gesellschafter nicht teil. Sollte der nach Abzug von 48 000 DM verbleibende Gewinn für eine 15%ige Verzinsung nicht ausreichen, so wird der Restgewinn zu gleichen Teilen den stillen Gesellschaftern gutgeschrieben. Eine höhere Verzinsung als 15% ist zunächst nicht vorgesehen, solange die stillen Gesellschafter nicht im Betrieb mit tätig sind.

§ 4 Gewinnberechnung und -verwendung

. . .

Die Gewinnanteile der stillen Gesellschafter in den ersten 5 Jahren, vom Vertragsbeginn an gerechnet, bleiben im Betrieb stehen, sie werden zunächst nicht verzinst. Spätestens einen Monat nach Feststellung des Jahresabschlusses ist jedoch die 25%ige Kapitalertragsteuer zu Lasten der stillen Gesellschafter an das Finanzamt abzuführen. . . .

§ 5 Vertragsdauer

Der Vertrag wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Eine Kündigung ist beiderseits nur zum Jahresschluß mit einer Frist von 6 Monaten zulässig (§ 339 HGB i.V.m. § 132 HGB).

Bei Auflösung des Vertragsverhältnisses haben die stillen Gesellschafter nur Anspruch auf Auszahlung ihrer Beteiligung und der noch auszuzahlenden Gewinnanteile. An stillen Reserven - gleich welcher Art - sind die stillen Gesellschafter nicht beteiligt. Die Auszahlung kann nur in angemessenen Raten erfolgen. Eine Rückzahlung innerhalb von 5 Jahren gilt als angemessen.§ 6 Sonstiges, Tod eines Gesellschafters

Die Aufnahme der stillen Gesellschafter ist auflösend bedingt, d.h. die Beteiligung und der Gewinnanteil fließen im Falle des Ablebens eines stillen Gesellschafters in vollem Umfang wieder Herrn R bzw. bei dessen Ableben seinen leiblichen Erben zu.

Sinn dieser Vertragsbestimmung ist es, daß der Betrieb in seinem Fortbestand gesichert und dem Familien-Stamm R erhalten bleibt."

Nach einer Außenprüfung lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die steuerliche Anerkennung der stillen Gesellschaften ab und erhöhte die Gewinne des klagenden Ehemannes um jährlich 13 500 DM.

Die Sprungklage blieb ohne Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) wurde dem Bevollmächtigten der Kläger am 14. März 1981 zugestellt.

Mit der Revision, die beim FG den Posteingangsstempel vom Mittwoch, dem 15. April 1981, erhielt, rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Die Kläger beantragen, unter Aufhebung des Urteils des FG Baden-Württemberg vom 24. Februar 1981 II 47/76 die Einkommensteuerbescheide 1971 bis 1973 vom 5. März 1976 abzuändern und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung der Gewinnanteile der stillen Gesellschafter von zusammen 13 500 DM pro Jahr neu festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig.

Sie ist insbesondere fristgerecht eingelegt. Da das FG-Urteil dem Bevollmächtigten der Kläger am 14. März 1981 zugestellt wurde, begann die einmonatige Frist für die Einlegung der Revision (§ 120 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) mit Ablauf des 14. März 1981 (§ 54 FGO, § 222 der Zivilprozeßordnung - ZPO -, § 187 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -); sie endete am 14. April 1981 (§ 54 FGO, § 222 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB). Innerhalb dieser Frist ging die Revision beim FG ein. Die Kläger haben durch Vorlage des Auslieferungsscheines der Bundespost nachgewiesen, daß die Bundespost das Revisionsschreiben noch am 14. April 1981 dem Boten des FG ausgehändigt hat. Damit war es an diesem Tag in den Machtbereich des FG gelangt. Bei dieser Sachlage ist es unerheblich, daß das Schreiben erst das Posteingangsdatum vom Folgetag erhielt.

Die Revision ist jedoch unbegründet. Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Zahlungen von Eltern an Kinder, die aufgrund eines Vertrages über die Errichtung einer stillen Gesellschaft entrichtet werden, können bei der Ermittlung von Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 15 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) als Betriebsausgaben nur dann abgezogen werden, wenn sie auf einer Vereinbarung beruhen, die auch steuerrechtlich zu berücksichtigen ist. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn die Vereinbarung nicht ernsthaft gewollt ist. Indizien für das Fehlen einer ernsthaft gewollten Vereinbarung sind, daß ihre bürgerlich-rechtliche Wirksamkeit zweifelhaft ist und/oder daß sie mit diesem Inhalt zwischen einander fremden Personen nicht getroffen worden wären (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. März 1977 I R 213/74, BFHE 121, 458, BStBl II 1977, 414; vom 1. Juni 1978 IV R 109/74, BFHE 125, 254, BStBl II 1978, 618; vom 25. Januar 1979 IV R 34/76, BFHE 127, 364, BStBl II 1979, 434; vom 30. Januar 1980 I R 194/77, BFHE 130, 265, BStBl II 1980, 449, und vom 14. April 1983 IV R 198/80, BFHE 138, 359, BStBl II 1983, 555).

2. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat wegen diesbezüglich fehlender Revisionsrügen gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, ist der Vertrag vom 1. Januar 1971 nur in privatschriftlicher Form abgeschlossen. Gemäß § 518 Abs. 1 BGB bedarf jedoch der Vertrag über ein Schenkungsversprechen der notariellen Beurkundung. Zwar kann der Mangel der fehlenden notariellen Beurkundung gemäß § 518 Abs. 2 BGB durch die Bewirkung der versprochenen Leistung geheilt werden. Das FG ist jedoch zutreffend davon ausgegangen, daß im Streitfall die versprochene Leistung nicht bewirkt wurde. Denn die Schenkungsvereinbarung wurde dergestalt durchgeführt, daß der Kläger die geschenkten Einlagen im Wege der Umbuchung von seinem Kapitalkonto abbuchte und auf den Beteiligungskonten seiner beschenkten Kinder gutbrachte, ohne daß eine Geldbewegung stattfand. Ein solcher Vollzug des Schenkungsversprechens stellt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - BGH - (Urteile vom 24. September 1952 II ZR 136/51, BGHZ 7, 174, 179, und vom 29. Oktober 1952 II ZR 16/52, BGHZ 7, 378) keine Bewirkung der versprochenen Leistung dar. Von diesem Grundsatz gilt nur dann eine Ausnahme, wenn und soweit es sich um eine Zuwendung zum Zwecke der Ausstattung i.S. des § 1624 Abs. 1 BGB handelt, die keine Schenkung ist (BGH-Urteil vom 6. März 1967 II ZR 180/65, Der Betrieb - DB - 1967, 1258).

3. Ist danach der Vertrag vom 1. Januar 1971 wegen Verstoßes gegen § 518 Abs. 1 BGB zivilrechtlich unwirksam, so bestanden in den Streitjahren weder stille Gesellschaften noch hatte der klagende Ehemann seinen Kindern je eine Beteiligung an einer stillen Gesellschaft geschenkt. Der Gegenwert der Beteiligungen von jeweils 30 000 DM war im Vermögen des klagenden Ehemannes verblieben. Deshalb können auch unter dem Gesichtspunkt des § 41 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 - (§ 5 Abs. 3 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -) keine Gewinnanteile der Kinder als Betriebsausgaben des klagenden Ehemannes behandelt werden. Wurde die Schenkung nicht vollzogen, so entstand ein Anspruch der Kinder auf Gewinnanteile auch nicht als wirtschaftliches Ergebnis des Vertrages.

4. Zwar hat die Finanzverwaltung durch den koordinierten Ländererlaß vom 8. Dezember 1975 (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 8. Dezember 1975 IV B 2 - S 2241 - 115/75, BStBl I 1975, 1130) angeordnet, daß aus der fehlenden notariellen Beurkundung keine für die Steuerpflichtigen nachteiligen Schlüsse gezogen werden sollen. Diese Verwaltungsanweisung bindet jedoch die FG nicht. Sie zielt ihrem Inhalt nach auf Billigkeitsmaßnahmen i.S. des § 163 Abs. 1 AO 1977 (§ 131 Abs. 1 Satz 2 der Reichsabgabenordnung) ab. Das FA hat im Streitfall bisher keine entsprechende Billigkeitsmaßnahme erlassen. Zwar hat es in dem Verfahren vor dem FG sich zu dem koordinierten Ländererlaß bekannt, jedoch den Erlaß einer entsprechenden Billigkeitsentscheidung aus anderen Gründen abgelehnt. Ob diese Ablehnung Rechtens ist, kann der Senat in dem anhängigen Revisionsverfahren nicht entscheiden. Im Hinblick auf die sich aus § 163 Abs. 1 Satz 3 und § 348 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 ergebende Zweigleisigkeit des Veranlagungs- und des Billigkeitsverfahrens ist es den FG seit Inkrafttreten der AO 1977 verwehrt, im Rahmen des Veranlagungsverfahrens Billigkeitsgesichtspunkte zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 28. November 1980 VI R 226/77, BFHE 132, 264, BStBl II 1981, 319). Sollten die Kläger ihr Klagebegehren unter Billigkeitsgesichtspunkten weiterverfolgen wollen, müssen sie zunächst den Erlaß einer rechtsbehelfsfähigen Billigkeitsentscheidung beantragen. Eine solche Entscheidung liegt bisher nicht vor.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413861

BFH/NV 1986, 91

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