Leitsatz (amtlich)

Wer steuerbegünstigte Anlagen vermittelt, ist nicht deshalb schon nach § 4 Nr. 5 StBerG befugt, für die Anleger beim Finanzamt Anträge auf Steuervergünstigungen zu stellen.

 

Normenkette

StBerG § 4 Nr. 5, § 7 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der als Wirtschafts- und Finanzberater tätig ist, vermittelt Interessenten steuerbegünstigte Anlagen. Im Rahmen diesel Tätigkeit klärt er die Kunden über die steuerlichen Auswirkungen auf. Von mehreren Kunden hat er sich auch Vollmacht erteilen lassen, beim Finanzamt (FA) die Anpassung der Einkommensteuervorauszahlungen oder die Stundung von Abschlußzahlungen wegen der zu erwartenden Verlustzuweisungen zu beantragen.

Durch Schreiben vom 22. August 1975 teilte das FA A dem Kläger folgendes mit: "Hiermit untersage ich Ihnen gemäß § 7 Abs. 1 StBerG n. F., in Ihrer Eigenschaft als Anlageberater im Auftrag Ihrer Kunden vor Finanzämtern aufzutreten und schriftlich oder mündlich die Herabsetzung oder Stundung von Steuervorauszahlungen oder -abschlußzahlungen zu beantragen. Es ist Ihnen lediglich erlaubt, Ihren Kunden in eng begrenztem Rahmen des § 4 Nr. 5 StBerG n. F. (früher: § 107 a Abs. 2 Nr. 5 AO) Hilfe in Steuersachen zu leisten, indem sie ihnen hinsichtlich einer steuerbegünstigten Anlage einen fachmännischen Rat erteilen. Sollten Sie dieser Aufforderung nicht nachkommen, werde ich ein Zwangsgeld in Höhe von 500 DM gegen Sie festsetzen (§ 159 StBerG)."

Beschwerde und Klage blieben ohne Erfolg.

In den Gründen seines Urteils führt das Finanzgericht (FG) aus: Der Kläger sei lediglich im Rahmen des § 4 Nr. 5 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt. Die untersagte Tätigkeit gehe über diesen Rahmen hinaus. Das Auftreten des Klägers vor den FÄ als Bevollmächtigter, um Herabsetzungs- und Stundungsanträge zu stellen, sei für den Abschluß und die Abwicklung des Hauptgeschäftes nicht zwingend notwendig und stehe deshalb nicht mehr in unmittelbarem Zusammenhang mit diesem Geschäft. Für dessen Abschluß und Abwicklung sei neben der erlaubten und vom FA auch nicht beanstandeten Beratung über die steuerlichen Auswirkungen der Anlagen noch die Beschaffung der Unterlagen für die steuerlichen Maßnahmen erforderlich, damit diese von den Kunden den FÄ vorgelegt werden könnten. Das Auftreten des Klägers als Bevollmächtigter vor den FÄ möge zwar in einigen Fällen von den Kunden gewünscht oder sogar zur Bedingung des Vertragsabschlusses gemacht werden. Das sei jedoch als willkürlich geschaffener Zusammenhang unbeachtlich. Eine Beweisaufnahme darüber, ob das Auftreten des Klägers vor dem FA zur Durchführung der Verträge notwendig sei, habe deshalb nicht durchgeführt werden müssen. Im Rahmen der Bearbeitung der Stundungs- oder Anpassungsanträge gäben die FÄ den Steuerpflichtigen auf, welche Unterlagen noch benötigt würden. Diese Unterlagen könne der Kläger seinen Kunden beschaffen; das sei ihm nicht untersagt worden.

Das FG ließ gegen das Urteil die Revision zu.

Der Kläger begründet seine Revision wie folgt:

Das angefochtene Urteil sei unter Verstoß gegen § 63 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ergangen. Insbesondere in Fällen der Ermessensausübung sei es allein sachgerecht, das FA die Verteidigung durchführen zu lassen, das den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen habe. Das sei das FA A gewesen. Das FG habe sein Urteil gegenüber einem FA erlassen, das weder Beklagter gewesen sei noch habe Beklagter sein können.

Durch das Urteil werde außerdem § 76 Abs. 1 FGO verletzt. Das FG habe zu Unrecht den von ihm - dem Kläger - angetretenen Zeugenbeweis nicht erhoben, obwohl die Aussage des geschäftsführenden Gesellschafters des Finanzberatungsunternehmens erforderlich gewesen sei. Das FG habe verkannt, daß durch § 4 Nr. 5 StBerG zumindest alle notwendigen Maßnahmen eines Unternehmens gestattet würden. Das FG habe nicht dahinstehen lassen dürfen, ob seine Behauptung, die untersagte Hilfeleistung sei zur Durchführung seines Unternehmens notwendig, richtig sei. Die Entscheidung des FG beruhe auch auf diesem Verfahrensverstoß. Es sei zumindest nicht auszuschließen, daß das FG nach vollständiger Sachaufklärung zu einer anderen Entscheidung gelangt sei.

Das Urteil des FG verstoße auch gegen § 4 Nr. 5 StBerG. Es dürfe nicht darauf abgestellt werden, ob die steuerberatende Tätigkeit vor oder nach Abschluß des Hauptgeschäftes vorgenommen worden sei. In der Regel verpflichte sich ein Unternehmer schon vor Abschluß zu Betreuungsleistungen, die erst nach Vertragsabschluß angefordert würden. Es sei widersprüchlich, ihm - dem Kläger - zwar eine allgemeine Betreuungs- und Beratungstätigkeit zu erlauben, die Verwirklichung dieser Tätigkeit jedoch zu untersagen. Das angefochtene Urteil sei auch insoweit widersprüchlich, als zunächst ausgeführt werde, daß nur notwendige Hilfsgeschäfte zulässig seien, und sodann eine Beweisaufnahme darüber, ob die untersagte Tätigkeit zur Durchführung der Verträge notwendig gewesen sei, für entbehrlich gehalten werde. Die Notwendigkeit folge aus Handelsbräuchen oder tatsächlichen Gegebenheiten. In einer Reihe von Fällen sei bei der Vermittlung der steuerbegünstigten Anlagen außer der beratenden Tätigkeit auch erforderlich, für die Kunden vor dem FA aufzutreten. Er beschränke diese Tätigkeit schon deshalb auf das unumgänglich notwendige Maß, weil er dafür kein Honorar erhalte. Seine Kunden gingen davon aus, daß er ihnen bei der Verwirklichung der versprochenen Steuervergünstigungen behilflich sei. Dies sei kein willkürlich geschaffener Zusammenhang, sondern eine notwendige Folge des von ihm betriebenen Unternehmens. Es treffe nicht zu, daß die FÄ von sich aus die für die Anpassung erforderlichen Unterlagen anforderten. Um die Steuervergünstigungen zu erlangen, müsse der Antrag sachkundig vorbereitet werden. Dazu seien die Steuerpflichtigen überhaupt nicht, die Steuerberater und Steuerbevollmächtigten häufig nicht in der Lage, so daß er die Unterlagen vorbereiten müsse. Die Steuerpflichtigen wüßten das in der Regel auch und machten eine entsprechende Hilfeleistung durch ihn zur Bedingung für den Vertragsabschluß.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Untersagungsbescheid vom 22. August 1975 und die Beschwerdeentscheidung vom 16. Juli 1976 aufzuheben, hilfsweise, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA B (der Beklagte und Revisionsbeklagte) beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es führt u. a. aus: Das Urteil des FG führe das FA B zu Recht als beklagte Partei auf. Durch Verordnung über die Bestimmung der Bezirke der FÄ ... sei das FA B ab 1. November 1976 als Rechtsnachfolger des FA A für die weitere Abwicklung des Rechtsstreits zuständig geworden. Auch die weiteren Einwendungen des Klägers seien nicht begründet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das Urteil des FG ist nicht rechtsfehlerhaft.

Das FG hat zu Recht das FA B als Beklagten behandelt. Dieses FA ist nach § 17 Abs. 2 des Gesetzes über die Finanzverwaltung (FVG) i. V. m. § 7 StBerG seit dem 1. November 1976 an Stelle des FA A die für die Untersagung der Hilfeleistung in Steuersachen nach § 7 Abs. 1 StBerG gegenüber dem Kläger örtlich zuständige Finanzbehörde. Auf Grund der §§ 1, 7 der Verordnung über die Bestimmung der Bezirke der FÄ ... gehört der Wohnort des Klägers seit dem 1. November 1976 zum Bezirk des FA B und nicht mehr zum Bezirk des FA A. Durch diese Zuständigkeitsänderung ist das FA B - im Wege des gesetzlichen Parteiwechsels - auch in die Stellung des Beklagten in diesem Verfahren gelangt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. November 1977 V R 67/75, BFHE 124, 299, BStBl II 1978, 310). Da die örtliche Zuständigkeit für die Untersagung der Hilfeleistung in Steuersachen ohne Einschränkung auf das FA B übergegangen ist, kommt es für den Parteiwechsel auch nicht darauf an, ob die Untersagung von einer Ermessensentscheidung abhängig ist.

Das FG ist auch ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, daß der angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig ist. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 StBerG war das FA befugt, dem Kläger die in dem angefochtenen Verwaltungsakt bezeichneten Tätigkeiten zu untersagen. Der erkennende Senat geht mit dem FG davon aus, daß der Kläger Unternehmer i. S. des § 4 Nr. 5 StBerG ist, er unterstellt auch, daß er ein Handelsgewerbe betreibt. Die Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen durch die in § 4 Nr. 5 StBerG genannten Personen ist jedoch begrenzt. Danach darf ein Unternehmer seinen Kunden nur insoweit Hilfe in Steuersachen leisten, als diese Tätigkeit in unmittelbarem Zusammenhang mit einem Geschäft steht, das zu seinem Handelsgewerbe gehört. Diese Grenzen werden nach den richtigen Feststellungen des FG durch die untersagten Tätigkeiten überschritten. Darin liegt ein Mißbrauch der Tätigkeit nach § 4 Nr. 5 StBerG.

Die Merkmale, nach denen zu beurteilen ist, ob der unmittelbare Zusammenhang gewahrt ist, ergeben sich aus dem Sinn und Zweck der Regelung in § 4 Nr. 5 StBerG. Diese Regelung ist aus § 107 a der Reichsabgabenordnung (AO) - der früheren Vorschrift über die Befugnisse zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen - in das Steuerberatungsgesetz übernommen worden. Diese Vorschrift war durch das Gesetz zur Verhütung von Mißbräuchen auf dem Gebiet der Rechtsberatung (Rechtsberatungsgesetz - RBerG -) vom 13. Dezember 1935 (RGBl I, 1478) in die Reichsabgabenordnung eingefügt worden. Mit dem Rechtsberatungsgesetz sollte erreicht werden, daß die uneingeschränkte Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten einschließlich der geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen nur von Personen wahrgenommen wird, die hinreichende Gewähr für die erforderliche Sachkunde und Zuverlässigkeit bieten (vgl. Begründung zum Rechtsberatungsgesetz, RStBl 1935, 1538). Die Regelung in § 4 Nr. 5 StBerG stimmt mit derjenigen in § 107 a Abs. 2 Nr. 5 AO überein. Diese wiederum entspricht den Regelungen in Art. 1 § 5 RBerG, nach denen bestimmte Personengruppen für die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten ausnahmsweise nicht die grundsätzlich dafür vorgesehene Erlaubnis benötigen, soweit die Rechtsbesorgung in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrer auf anderen Gebieten liegenden beruflichen Tätigkeit steht. Die Ausnahmen sind aus der Erwägung vorgesehen worden, daß die davon betroffenen Personengruppen im Rahmen ihrer Berufsausübung zwangsläufig in die Lage kommen, sich auch mit rechtlichen Angelegenheiten anderer zu befassen (vgl. Begründung zu Art. 1 § 5 RBerG, a. a. O.). Die Ausnahmen sollen dazu dienen, einem Unternehmer die Ausübung seiner wirtschaftlichen Tätigkeit nicht deshalb unmöglich zu machen oder zu erschweren, weil sie mit einer rechtsberatenden Tätigkeit verbunden ist (vgl. Urteile des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 5. April 1967 I bZR 56/65, Neue Juristische Wochenschrift 1967 S. 1562 [1563], und vom 18. April 1967 VI ZR 188/65, BGHZ 47, 364 [368]). Der für die Ausnahmen maßgebende unmittelbare Zusammenhang fehlt danach, wenn die eigentliche Unternehmertätigkeit auch ohne die Rechtsbesorgung sinnvoll durchgeführt werden kann (vgl. Urteil des BGH vom 6. November 1973 VI ZR 194/71, BGHZ 61, 317 [320]).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Die Verpflichtung des Klägers, seinen Kunden die untersagte Hilfeleistung in Steuersachen zu gewähren, beruht ausschließlich auf der Gestaltung des Vertragsverhältnisses zwischen ihm und seinen Kunden. Es liegt also in der Hand des Klägers, von der untersagten Hilfeleistung Abstand zu nehmen und gleichwohl die Vermittlungstätigkeit fortzusetzen. Dagegen spricht nicht, daß - wie der Kläger meint - seine Kunden von ihm die untersagte Hilfeleistung erwarten und der geplante Vertragsabschluß in einer Reihe von Fällen nicht zu verwirklichen sein wird, wenn er - der Kläger - sich nicht zu der untersagten Hilfeleistung in Steuersachen bereit erklärt. Danach ist allenfalls zu erwarten, daß der Kreis der zum Vertragsabschluß bereiten Kunden kleiner wird, wenn der Kläger die untersagte Hilfeleistung in Steuersachen nicht mehr wahrnehmen kann, und daß die Vermittlungstätigkeit andererseits gefördert würde, wenn der Kläger auch die untersagte Hilfeleistung in Steuersachen weiterhin ausüben könnte. Daraus jedoch kann nicht gefolgert werden, daß die Vermittlungstätigkeit ohne die untersagte Hilfeleistung in Steuersachen nicht mehr sinnvoll durchgeführt werden kann.

Der Senat vermag auch nicht dem Einwand des Klägers zu folgen, daß die Angehörigen der steuerberatenden Berufe "häufig" nicht in der Lage seien, die dem Kläger untersagte Hilfeleistung in Steuersachen für dessen Kunden sachgerecht wahrzunehmen. Es ist weder erkennbar, welche besonderen Schwierigkeiten bestehen, noch weshalb Steuerberater nicht mit diesen Schwierigkeiten sollten fertig werden können.

Die Entscheidung des FG ist auch nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil es eine Beweisaufnahme zu der Frage abgelehnt hat, ob die untersagte Hilfeleistung in Steuersachen zur Durchführung der Vermittlungstätigkeit notwendig ist. Da eine Verbindung zwischen der untersagten Hilfeleistung in Steuersachen und der Vermittlungstätigkeit sich nur aus der Gestaltung der Vertragsverhältnisse zwischen dem Kläger und dessen Kunden ergibt und da diese Verbindung - wie ausgeführt - für einen unmittelbaren Zusammenhang i. S. von § 4 Nr. 5 StBerG nicht ausreicht, kommt es auf die vom Kläger geforderte Beweisaufnahme nicht an.

Der angefochtene Verwaltungsakt ist auch nicht insoweit rechtsfehlerhaft, als das FA ausführt, daß dem Kläger lediglich erlaubt sei, seinen Kunden im eng begrenzten Rahmen des § 4 Nr. 5 StBerG Hilfe in Steuersachen zu leisten, indem er ihnen hinsichtlich einer steuerbegünstigten Anlage einen fachmännischen Rat erteilen darf. Diesen Ausführungen kann nicht entnommen werden, daß die aus § 4 Nr. 5 StBerG sich ergebenden Befugnisse des Klägers eingeschränkt werden sollten. Eine solche Einschränkung kann bei verständiger Würdigung auch nicht daraus entnommen werden, daß das FA den Rahmen des § 4 Nr. 5 StBerG als eng begrenzt bezeichnet hat, denn dem Kläger ist nach § 4 Nr. 5 StBerG tatsächlich nur eine erheblich eingeschränkte Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen zugebilligt. Nach allem geben die Ausführungen des FA dem Kläger keinen Anlaß, seine Hilfeleistung in Steuersachen weiter einzuschränken, als es nach § 4 Nr. 5 StBerG notwendig ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73194

BStBl II 1979, 591

BFHE 1979, 124

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge