Entscheidungsstichwort (Thema)

Gläubigerbenachteiligungsabsicht; Beweiswürdigung; Anscheinsbeweis

 

Leitsatz (NV)

1. Es besteht kein Erfahrungssatz, daß ein Ehegatte bei der Übertragung eines Vermögensgegenstandes durch den anderen Ehegatten auf ihn Kenntnis davon haben muß, wenn der andere in der Absicht handelt, seine Gläubiger zu benachteiligen.

2. Zum Erfordernis der positiven Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligung durch den Schuldner.

3. Zur Überzeugungsbildung des FG hinsichtlich der Frage nach der positiven Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligung.

4. Zur Anwendung des Anscheinsbeweises im finanzgerichtlichen Verfahren.

 

Normenkette

AnfG § 3 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 96 Abs. 1 S. 1, § 118 Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines gegen die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) wegen Haftungsschulden ihres Ehemannes ergangenen Duldungsbescheids.

Der Ehemann der Klägerin war bis Anfang 1968 bei der Firma K beschäftigt. Er hatte während seiner Beschäftigungsdauer an umfangreichen Abgabenhinterziehungen teilgenommen, die der Inhaber des Unternehmens im Zusammenhang mit der Ausfuhr von . . .produkten begangen hatte. Deswegen wurde er von der Zollfahndungsstelle ab Herbst 1966 zunächst als Zeuge und später - zwischen dem 5. April 1967 und dem 13. Mai 1968 - fünfmal als Beschuldigter vernommen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt - HZA -) erließ am 30. Mai 1969 gegen den Ehemann der Klägerin wegen dessen Beihilfe zu den Abgabenhinterziehungen einen Haftungsbescheid über Abschöpfungsbeträge in Höhe von ca. . . . DM. Zuvor hatte der Ehemann seinen Miteigentumsanteil an einem im Jahre 1966 von den Eheleuten je zur ideellen Hälfte erworbenen Grundstück auf die Klägerin übertragen. Die Auflassung erfolgte am 6. Juni 1968, die Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch am 20. August 1968.

Das HZA erließ am 24. April 1978 gegen die Klägerin einen Duldungsbescheid, durch den es die unentgeltliche Übertragung des Hälfteanteils an dem Grundstück gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Konkursverfahrens - Anfechtungsgesetz (AnfG) - anfocht und die gesetzlichen Rückgewähransprüche - in erster Linie Duldung der Zwangsvollstreckung in den übertragenen Anteil - geltend machte.

Zur Begründung führte es aus, der Ehemann der Klägerin habe dieser im Wissen um die sich bereits aus den ersten Vernehmungen abzeichnende Haftung für die Abgaben und in Erwartung des sich daraus zwangsläufig ergebenden Zugriffs seinen Grundstücksanteil unentgeltlich übertragen, um dem Abgabengläubiger eine Vollstreckung in den Anteil unmöglich zu machen. Diese Absicht sei der Klägerin bekannt gewesen, weil sie durch ihre aushilfsweise Tätigkeit bei der Firma K, im Wissen um die umfangreichen Ermittlungen gegen den Firmeninhaber, mehrere seiner Geschäftspartner und ihren Ehemann sowie entsprechend dem zwischen Eheleuten bestehenden Verhältnis den Tatkomplex und seine Folgen gekannt habe. Der Einspruch gegen den Duldungsbescheid blieb erfolglos.

Auf die Klage der Klägerin hob das Finanzgericht (FG) den Duldungsbescheid und die Einspruchsentscheidung des HZA auf. Es führte aus:

Die Frage, ob das HZA die Klägerin durch Duldungsbescheid gemäß § 191 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) habe in Anspruch nehmen können, könne dahinstehen, weil nach der Auffassung des Senats die unentgeltliche Übertragung des Hälfteanteils an dem gemeinsamen Grundstück auf die Klägerin keine anfechtbare Rechtshandlung i. S. von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG darstelle. Zwar habe der Ehemann der Klägerin bei der Übertragung des Grundstücksanteils auf diese in Gläubigerbenachteiligungsabsicht gehandelt. Wenn auch im Zeitpunkt der Übertragung der Steuerhaftungsbescheid noch nicht ergangen sei, so habe er doch aufgrund des ihm bei seiner Vernehmung am 13. Mai 1968 gemachten Vorhalts, an einer Abgabenhinterziehung in Millionenhöhe beteiligt gewesen zu sein, damit gerechnet, für die hinterzogenen Beträge steuerlich haftbar gemacht zu werden. Die Eile, mit der er sodann die Übereignung seines einzigen nennenswerten Vermögensgegenstands auf seine Ehefrau vollzogen habe, vermittele dem Gericht die Überzeugung, daß er damit beabsichtigt habe, sein Vermögen dem Zugriff des Steuergläubigers zu entziehen. Dagegen sei die Kenntnis der Klägerin von der Benachteiligungsabsicht ihres Ehemannes nicht erwiesen.

Die Klägerin sei zwar zur Zeit der Ermittlungen gegen ihren Ehemann ebenfalls bei der Firma K beschäftigt gewesen. Sie habe aufgrund ihrer Stellung in der Firma als Zollsachbearbeiterin gewußt, welche Vorgänge zu den Ermittlungen in der Abgabenhinterziehungssache geführt hätten. Ihr anfängliches Vorbringen, sie habe weder von den Ermittlungen gegen ihren Mann etwas gemerkt noch habe dieser mit ihr darüber gesprochen, sei durch die Beweisaufnahme widerlegt. Ihr Ehemann habe hierzu als Zeuge glaubhaft ausgesagt, daß die Klägerin ihn auf seine häufigen Vernehmungen durch den Zoll angesprochen habe und er sie 1966 erstmals über den Tatkomplex und seinen Beitrag hierzu aufgeklärt habe. Der Senat halte jedoch die Kenntnis der Klägerin über die Beteiligung ihres Ehemannes an umfangreichen Abgabenhinterziehungen nicht für ausreichend, um ihr die Kenntnis nachzuweisen, daß auf den Ehemann hieraus finanzielle Belastungen zukommen würden.

Zwar seien die Angaben der Klägerin über die Beweggründe, die zur Übertragung des Grundstücksanteils auf sie geführt hätten, im Laufe des Verfahrens widersprüchlich gewesen. Zunächst habe sie vorgetragen, sie sei der Auffassung gewesen, die Grundstücksübertragung habe den Lebensverhältnissen entsprochen, und dann, sie habe die Übereignung als Treuebeweis gefordert. Erstmals in der mündlichen Verhandlung habe sie dann angegeben, die Grundstücksübertragung habe der finanziellen Absicherung ihrer eigenen Person und ihres Kindes gegolten. Die übereinstimmenden Zeugenaussagen des Ehemannes und der Schwester der Klägerin hätten ergeben, daß es in der Ehe der Klägerin 1967 und 1968 zu Spannungen gekommen sei, die zu deren Forderung nach finanzieller Absicherung geführt hätten. Die ehelichen Spannungen hätten ihren Grund darin gehabt, daß sich der Ehemann der Klägerin erst im Jahr 1966 offenbart habe und diese ihm nunmehr laufend Vorwürfe über seine Beteiligung an den Abgabenhinterziehungen seines Arbeitgebers und den Folgen daraus gemacht habe, so daß er sich immer mehr von der Klägerin zurückgezogen habe.

Der Senat glaube deshalb der Klägerin, daß die Übertragung des Grundstücks auf sie auf ihr Drängen hin erfolgt sei und sie damit eine gewisse finanzielle Sicherung im Hinblick auf die mit dem Strafverfahren gegen ihren Ehemann auf die Familie zukommende Belastung - sei es durch den zeitweiligen Verlust des Einkommens ihres Ehemannes während einer Inhaftierung, sei es wegen des möglichen Scheiterns ihrer Ehe - angestrebt habe. Demgegenüber halte er, der Senat, es trotz gewisser, vorstehend dargelegter Umstände, die in diese Richtung deuteten, nicht für erwiesen, daß der Klägerin bewußt gewesen sei, daß auf ihren Ehemann im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an Abgabenhinterziehungen finanzielle Forderungen, insbesondere der Zollbehörden, zukommen würden und deshalb durch die von ihrem Ehemann zu ihren Gunsten vorgenommene Verfügung dessen Grundstücksanteil dem Zugriff der Gläubiger solcher Forderungen entzogen werde.

Mit der Revision rügt das HZA, das FG habe gegen allgemeine Beweisgrundsätze verstoßen und dadurch § 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verletzt. Es habe zu Unrecht nach Beweislastgrundsätzen entschieden. Die tatsächlichen Feststellungen, die das FG in dem Urteil getroffen habe, hätten dazu führen müssen, die Kenntnis der Klägerin von der Benachteiligungsabsicht ihres Ehemannes nach Maßgabe der auch im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden Regeln über den Anscheinsbeweis als erwiesen anzusehen. Der festgestellte Sachverhalt deute aufgrund der Lebenserfahrung auf einen typischen Geschehensablauf und dementsprechend mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf hin, daß die Kläger nicht nur von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht ihres Ehemannes Kenntnis gehabt, sondern auf dessen diesbezügliche Willensbildung sogar selbst entscheidenden Einfluß ausgeübt habe. Die nicht völlig auszuschließende Möglichkeit, daß von dem Bewußtsein der Klägerin, mit der Übertragung des Grundstücksanteils eine gewisse finanzielle Sicherheit zu erlangen, nicht zugleich die Kenntnis umfaßt worden sei, daß ihr Ehemann mit dieser Übertragung eine Benachteiligung seiner Gläubiger zumindest als mutmaßliche Folge seines Handelns erkannt und gebilligt habe, falle demgegenüber nicht ins Gewicht. Umstände, aus denen sich die zur Entkräftung des Anscheinsbeweises erforderliche ernstliche Möglichkeit ergeben könnte, daß die Klägerin von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht ihres Ehemannes nichts gewußt habe, seien weder dem Urteil des FG noch dem Protokoll über die Beweisaufnahme und die mündliche Verhandlung zu entnehmen. Wenn das FG zu dem Ergebnis gekommen sei, die Klägerin habe sich möglicherweise bei dem Drängen auf Übertragung von dem Gedanken leiten lassen, daß das Strafverfahren gegen ihren Ehemann einen zeitweiligen Einkommensverlust während einer Inhaftierung zur Folge haben könnte oder daß sie für den Fall des Scheiterns ihrer Ehe einer finanziellen Absicherung bedürfe, so handele es sich dabei um Motive, die mit der Kenntnis der Klägerin von der Gläubigerbenachteilungsabsicht nicht unvereinbar seien und diese Kenntnis jedenfalls nicht ausschlössen. Sie könnten daher die ernstliche Möglichkeit eines atypischen Geschehensverlaufs nicht hinreichend begründen. Gleiches gelte für die von den Zeugen bekundeten ehelichen Spannungen und die Entfremdung zwischen den Ehegatten.

Da hiernach der durch den festgestellten Sachverhalt begründete Anscheinsbeweis nicht entkräftet worden sei, habe die Kenntnis der Klägerin von der Benachteiligungsabsicht des Ehemannes als erwiesen gelten müssen. Für die vom FG vorgenommene Beweislastverteilung sei somit kein Raum gewesen. Die Befugnis des Gerichts, nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden, könne nicht soweit reichen, daß bei einem Sachverhalt, der bei vernünftiger Abwägung aller Umstände mit hoher Sicherheit den Schluß auf das Vorliegen eines nicht unmittelbar beweisbaren Tatbestandsmerkmals erlaube, den in solchen Fällen mehr oder weniger stets verbleibenden Zweifeln Raum gegeben und damit eine der Sachlage nicht angemessene Verteilung der Beweislast herbeigeführt werde. Das müsse insbesondere dann gelten, wenn es sich bei dem nicht unmittelbar beweisbaren Tatbestandsmerkmal um einen inneren Vorgang handele.

Das HZA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Das HZA stützt seine mit dem angefochtenen Duldungsbescheid gegenüber der Klägerin geltend gemachte Anfechtung der Übereignung des Miteigentumsanteils an dem Grundstück auf § 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG. Nach dieser Vorschrift sind anfechtbar Rechtshandlungen, welche der Schuldner in der dem anderen Teil bekannten Absicht, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat. Der erkennende Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß sich die Verpflichtung des Anfechtungsgegners zur Duldung der Zwangsvollstreckung aufgrund des § 7 AnfG unmittelbar aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis ergibt, auf dem der Rückgewähranspruch beruht, und das Finanzamt (FA) bzw. HZA diese Verpflichtung durch Duldungsbescheid nach § 191 Abs. 1 AO 1977 verfolgen kann (Urteile vom 14. Juli 1981 VII R 49/80, BFHE 133, 501, 503, BStBl II 1981, 751; vom 2. März 1983 VII R 120/82, BFHE 138, 10, 12, BStBl II 1983, 398; vom 31. Mai 1983 VII R 7/81, BFHE 138, 416, 418, BStBl II 1983, 545; vom 8. März 1984 VII R 43/83, BFHE 141, 106, 108, BStBl II 1984, 576, und vom 31. Juli 1984 VII R 151/83, BFHE 142, 99, BStBl II 1985, 31).

Gegen die Durchsetzbarkeit der Rechte aus dem AnfG durch die Finanzverwaltung mit Hilfe eines Duldungsbescheids sind in Rechtsprechung und Schrifttum Einwendungen erhoben worden, auf die sich die Klägerin mit ihrer Revisionserwiderung beruft (vgl. Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 25. September 1984 V 85/83, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1985, 211, im Anschluß an Böhle-Stamschräder/Kilger, Anfechtungsgesetz, 7. Aufl., § 9 Anm. IV 4). Der Senat sieht im Streitfall keinen Anlaß, auf die Einwendungen gegen seine Rechtsprechung einzugehen, denn er folgt der Vorentscheidung darin, daß der angefochtene Duldungsbescheid jedenfalls deshalb aufzuheben war, weil ein Tatbestand, der das HZA zur Geltendmachung der Rückgewähransprüche nach dem AnfG berechtigte, nicht festgestellt werden konnte.

2. a) Der Anfechtungstatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG setzt voraus, daß der Schuldner die anzufechtende Rechtshandlung in der Absicht vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, und daß dem anderen Teil (Erwerber, Anfechtungsgegner) die Benachteiligungsabsicht bekannt war. Das Gesetz verlangt für den Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung - Vollendung des Zuwendungsvorgangs - eine positive Kenntnis des anderen Teils von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners; ein Annehmen oder Kennenmüssen sowie eine grob fahrlässige Unkenntnis genügen nicht. Die vorstehenden Tatbestandsvoraussetzungen hat der Anfechtende zu beweisen (vgl. Böhle-Stamschräder/Kilger, a. a. O., § 3 Anm. I 11, 12 und 13). Das FG ist bei seiner Entscheidung zutreffend von dieser Rechtslage ausgegangen.

b) Aufgrund des festgestellten Sachverhalts und der durchgeführten Beweisaufnahme ist das FG zu dem Ergebnis gelangt, daß zwar der Ehemann der Klägerin bei der Übertragung seines Miteigentumsanteils an dem Grundstück in Gläubigerbenachteiligungsabsicht gehandelt hat, daß sich aber eine positive Kenntnis der Klägerin von der Benachteiligungsabsicht ihres Ehemannes nicht feststellen läßt. Diese tatsächliche Würdigung des FG ergibt sich aufgrund der von ihm festgestellten Tatsachen und der aus diesen gezogenen Schlußfolgerungen tatsächlicher Art (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 118 Anm. 10). Grundlage der Beweiswürdigung ist nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO, soweit keine gesetzlichen Beweisregeln eingreifen, die freie Überzeugung des Gerichts. Das ist notwendigerweise die subjektive Überzeugung des Tatrichters und nicht eine wie auch immer geartete ,,objektive" Betrachtung (vgl. List in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 96 FGO Anm. 4). Demzufolge ist die Gesamtwürdigung durch das FG, wenn sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und nicht durch Denkfehler oder Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflußt ist, gemäß § 118 Abs. 2 FGO für das Revisionsgericht bindend, auch wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich ist (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 1. April 1971 IV R 195/69, BFHE 102, 85, BStBl II 1971, 522, 523). Der Senat hat die tatsächliche Würdigung des FG auch ohne ausdrückliche Rüge des HZA auf Denkfehler und die Verletzung von Erfahrungssätzen zu überprüfen, weil es sich insoweit um materiell-rechtliche Fehler handelt (Gräber, a. a. O., § 118 Anm. 13 m. w. N.). Derartige Verstöße liegen hinsichtlich der vom FG verneinten positiven Kenntnis der Klägerin von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht ihres Ehemannes nicht vor. Denkgesetze sind Regeln der formalen Logik (vgl. List in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., § 96 FGO Anm. 14). Nach diesen Regeln konnte das FG zu der Schlußfolgerung gelangen, daß der Klägerin die von ihm angenommene Absicht ihres Ehemannes, seine Gläubiger durch die Übertragung des Grundstücksanteils zu benachteiligen, nicht bekannt war. Denn es ist denkgesetzlich nicht zwingend, daß intellektuelle Vorstellungen, Erwägungen und Ziele eines Ehegatten, die für eine bestimmte Rechtshandlung kausal sind oder die mit dieser Rechtshandlung verfolgt werden, dem dadurch begünstigten anderen Ehegatten bekannt werden. Ebensowenig wie Denkgesetze hat das FG mit seiner Tatsachenwürdigung Erfahrungssätze verletzt. Es besteht kein Erfahrungssatz, daß ein Ehegatte bei der Übertragung eines Vermögensgegenstandes durch den anderen Ehegatten auf ihn Kenntnis davon haben muß, wenn der andere in der Absicht handelt, seine Gläubiger zu benachteiligen. Denn nach der Lebenserfahrung kommen zahlreiche Motive und Zwecke für Vermögensübertragungen zwischen Ehegatten in Betracht. Wenn dies auch häufig der Fall sein mag, so kann doch nicht der Erfahrungssatz aufgestellt werden, daß der übertragende Ehegatte den Begünstigten von den Gründen seines Handelns stets unterrichtet.

Die vorstehende Beurteilung findet auch Anwendung auf die besonderen Umstände des Streitfalles, soweit sie vom FG festgestellt worden sind. Auch wenn die Klägerin wußte, daß ihr Ehemann an Abgabenhinterziehungen in erheblicher Höhe beteiligt gewesen und deshalb als Beschuldigter von den Zollbehörden vernommen worden war, so zwingt weder ein Denkgesetz noch ein Erfahrungssatz zu der Schlußfolgerung, daß sie von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht bei der Anteilsübertragung positive Kenntnis hatte. Im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung (Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch am 20. August 1968) war der Haftungsbescheid gegen den Ehemann der Klägerin noch nicht ergangen. Nach der Lebenserfahrung stand keineswegs fest, daß der Ehemann überhaupt in Anspruch genommen würde; denn an der Abgabenhinterziehung waren mehrere Personen beteiligt, den daraus fließenden Vermögensvorteil hatte nicht er, sondern sein ehemaliger Arbeitgeber erlangt und die Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners stellt eine Ermessensentscheidung der Verwaltung dar (§ 118 der Reichsabgabenordnung - AO -, § 191 Abs. 1 AO 1977). Es besteht auch kein allgemeiner Erfahrungssatz, daß Beteiligte an einer Steuerhinterziehung zugunsten ihres Arbeitgebers mit ihrer eigenen Inanspruchnahme durch die Finanzbehörden rechnen. Das zeigt die Bekundung des Ehemannes der Klägerin als Zeuge vor dem FG, daß er in der Annahme - und darin bestärkt durch den Rat eines Steuerberaters -, er habe keine schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen aus der Angelegenheit zu gewärtigen, vor den Zollbehörden stets freimütig ausgesagt habe. Noch weniger kann unter diesen Umständen aufgrund eines Erfahrungssatzes davon ausgegangen werden, daß der Klägerin zum Zeitpunkt der Anteilsübertragung bekannt war, daß ihr Ehemann mit dieser Rechtshandlung - wie das FG annimmt - sein Vermögen dem Zugriff des Steuergläubigers entziehen und damit diesen benachteiligen wollte.

Das FG hat nicht verkannt, daß auch Umstände vorliegen, die dafür sprechen, daß der Klägerin eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht ihres Ehemannes bekannt war. Es ist aber aufgrund der Beweisaufnahme in freier Beweiswürdigung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) zu dem Ergebnis gelangt, daß sich die positive Kenntnis dieser Absicht, die der Anfechtungstatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG verlangt, nicht nachweisen läßt. Bei dieser tatsächlichen Würdigung hat das FG insbesondere auf die Motive abgestellt, die die Klägerin in der mündlichen Verhandlung für die Anteilsübereignung angegeben hat und die von den vernommenen Zeugen im wesentlichen bestätigt worden sind. Danach hat die Klägerin im Hinblick auf bestehende Spannungen und eine Entfremdung zwischen den Ehegatten, die zur damaligen Zeit ein Scheitern ihrer Ehe als möglich erscheinen ließen, zur finanziellen Absicherung ihrer eigenen Person und ihres Kindes auf die Übertragung der ihrem Ehemann gehörenden Grundstückshälfte gedrängt. Zwar haben die Zeugen bekundet, daß die ehelichen Schwierigkeiten mit der der Klägerin bekannten Beteiligung ihres Ehemannes an der Abgabenhinterziehung im Zusammenhang standen. Das FG hat aber die von der Klägerin mit der Anteilsübereignung angestrebte finanzielle Absicherung nicht darauf bezogen, daß damit dieser Vermögenswert den Gläubigern des Ehemannes entzogen werden sollte, sondern angenommen, daß die Klägerin sich und ihre Familie gegen solche finanziellen Einbußen absichern wollte, die infolge des Einkommensverlustes des Ehemannes wegen einer etwaigen Inhaftierung oder wegen des möglichen Scheiterns ihrer Ehe auf sie zukommen könnten. Diese Beweiswürdigung ist zwar nicht zwingend, aber möglich. Selbst wenn die vom FG für die Vermögensübertragung zugrunde gelegten Motive eine Kenntnis der Klägerin von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht ihres Ehemannes nicht ausschließen - wie das HZA mit Recht vorträgt -, so lassen sie doch die angefochtene Rechtshandlung in einem Lichte erscheinen, das nicht notwendig auf die Erfüllung des vom HZA angenommenen Anfechtungstatbestandes hindeutet. Daß die Kenntnis der Klägerin von einer bestehenden Gläubigerbenachteiligungsabsicht weiterhin möglich bleibt, kann die Anfechtung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG nicht begründen.

3. Soweit die Revision rügt, das FG habe die Beweisregeln des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verletzt, weil es die Grundsätze des Anscheinsbeweises nicht angewendet habe, beruft sie sich auf Erfahrungssätze, die bei der Beweiswürdigung zu beachten sind und deren Verletzung das Revisionsgericht von Amts wegen zu überprüfen hat (vgl. Gräber, a. a. O., § 96 Anm. 1, § 118 Anm. 10 und 13; List in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., § 96 FGO Anm. 6; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 96 FGO Tz. 11). Der Anscheins- (oder prima facie-)Beweis kommt auch im finanzgerichtlichen Verfahren in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 13. November 1979 VIII R 93/73, BFHE 129, 53, BStBl II 1980, 69; Gräber, a. a. O., § 96 Anm. 1; List in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., § 96 FGO Anm. 7). Er greift nur bei typischen Geschehensabläufen ein, d. h. in Fällen, in denen ein bestimmter Sachverhalt feststeht, der nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder auf einen bestimmten Ablauf hinweist (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 31. Mai 1978 VIII ZR 263/76, Versicherungsrecht - VersR - 1978, 724; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 45. Aufl., Anhang § 286 Anm. 3B; Gräber, a. a. O., § 96 Anm. 1; vgl. auch Urteil des Senats vom 29. Juni 1982 VII R 68/78, BFHE 136, 334, 338). In solchen Fällen ist der Anscheinsbeweis zum Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs oder zum Nachweis des Verschuldens geeignet. Zur Entkräftung des Anscheinsbeweises bedarf es nicht des Beweises des Gegenteils, sondern es müssen lediglich Tatsachen dargetan und bewiesen werden, aus denen sich die ernstliche Möglichkeit eines anderen als des typischen Geschehensablaufs ergibt. Gelingt dies, so ist für den Anscheinsbeweis kein Raum mehr und der Beweispflichtige muß den ihm obliegenden Beweis in anderer Weise führen (vgl. BGH-Urteil in VersR 1978, 724; BFHE 129, 53, BStBl II 1980, 69; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a. a. O., Anhang § 286 Anm. 3B. Im Streitfall hat das FG keine Beweisgrundsätze verletzt. Der für den Anfechtungstatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG erforderliche Nachweis der Kenntnis der Klägerin von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht ihres Ehemannes konnte nicht mit Hilfe des Anscheinsbeweises geführt werden, weil ein hierzu geeigneter typischer Geschehensablauf nicht vorliegt. Aufgrund der Beweisaufnahme konnte das FG lediglich von dem Tatbestand ausgehen, daß der Klägerin im Zeitpunkt der angefochtenen Vermögensübertragung die Beteiligung ihres Ehemannes an der Abgabenhinterziehung zugunsten dessen früheren Arbeitgebers bekannt war. Wie bereits oben ausgeführt, besteht kein Erfahrungssatz, nach dem aus dieser Tatsache auf die Kenntnis der Klägerin von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht geschlossen werden könnte, selbst wenn eine solche - wie das FG annimmt - beim Ehemann gegeben gewesen sein sollte. Für die Anwendung des Anscheinsbeweises ist deshalb kein Raum, zumal dieser typische Sachverhaltsgestaltungen voraussetzt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine bestimmte Ursache oder Folge hindeuten (Tipke/Kruse, a. a. O., § 96 FGO Tz. 11). Hierfür ist als Beweistatsache die positive Kenntnis einer Person von subjektiven Vorstellungen und Absichten eines anderen regelmäßig ungeeignet.

Da sich auch mit Hilfe des Anscheinsbeweises nicht nachweisen ließ, daß der Klägerin die Absicht ihres Ehemannes, seine Gläubiger zu benachteiligen, bekannt war, und das HZA gegen die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz keine Verfahrensrügen erhoben hat, hat das FG unter Berücksichtigung der Beweislastverteilung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG die Klage zu Recht abgewiesen. Andere Anfechtungstatbestände des § 3 AnfG kommen im Hinblick auf die zwischen der Anfechtung des HZA und der angefochtenen Rechtshandlung verstrichenen Frist von fast zehn Jahren nicht in Betracht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414940

BFH/NV 1987, 728

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