Entscheidungsstichwort (Thema)

Werbungskosten bei Spekulationsgeschäft: vergebliche Bauplankosten bei Veräußerung eines unbebauten Grundstücks, Vorrangigkeit anderer Einkunftsarten, Schuldzinsen für fremdfinanzierten Spekulationsgegenstand

 

Leitsatz (amtlich)

1. Werbungskosten i.S. der §§ 9 Abs.1 Satz 1, 23 Abs.4 Satz 1 EStG sind --in Angleichung an das für alle Überschußeinkunftsarten gleichermaßen geltende Veranlassungsprinzip und unter Berücksichtigung einkunftsartbedingter Besonderheiten-- grundsätzlich alle durch ein Spekulationsgeschäft i.S. des § 23 EStG veranlaßten Aufwendungen, die nicht zu den (nachträglichen) Anschaffungskosten oder Herstellungskosten des angeschafften Wirtschaftsgutes gehören (Anschluß an BFH-Urteil vom 17. Juli 1991 X R 6/91, BFHE 165, 85, BStBl II 1991, 916).

2. Wird ein unbebautes Grundstück innerhalb von zwei Jahren seit der Anschaffung unter Aufgabe der Bebauungsabsicht wieder veräußert, können die Planungsaufwendungen (Baugenehmigungsgebühren, Architektenhonorare) als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung oder im Rahmen des Spekulationsgewinns abziehbar sein.

 

Orientierungssatz

Bei einem Spekulationsgeschäft sind die durch die Veräußerung des (zuvor angeschafften) Wirtschaftsguts veranlaßten Aufwendungen ebenso als Werbungskosten anzusehen wie die bei fremdfinanzierter Anschaffung des Spekulationsgegenstands innerhalb der Spekulationsfrist angefallenen Schuldzinsen, soweit nicht eine Nutzung des Spekulationsgegenstandes im Rahmen einer vorrangigen Einkunftsart oder eine private Nutzung gegeben ist. Nicht als Werbungskosten abziehbar sind Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Herstellung eines nicht nämlichen, also nicht wirtschaftlich identischen Wirtschaftsguts angefallen sind (vgl. BFH-Rechtsprechung zu Sinn und Zweck des § 23 EStG).

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1-2, § 21 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, § 23 Abs. 1 Nr. 1a; EStG 1990 § 23 Abs. 4 S. 1; EStG § 9 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 1 S. 3 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln (Entscheidung vom 15.02.1995; Aktenzeichen 11 K 2685/93)

 

Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger erwarb mit Vertrag vom 27. Juli 1988 ein unbebautes Grundstück zum Preis von 80 000 DM. In der Folgezeit entstanden ihm neben Grunderwerbsteuer, Notarkosten, Maklerprovision und Finanzierungskosten im Zusammenhang mit dem Grundstück Aufwendungen für Baugenehmigungsgebühren und Architektenhonorare in Höhe von insgesamt 12 349,50 DM. Mit Vertrag vom 13. März 1990 veräußerte der Kläger das unbebaute Grundstück --mit der Versicherung, daß es sich um Bauland handele-- zum Preis von 127 900 DM.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1990 erklärten die Kläger neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit einen Spekulationsgewinn in Höhe von 559,64 DM. Bei der Ermittlung dieses Gewinns setzten sie u.a. die Baugenehmigungsgebühren und Architektenhonorare als Werbungskosten ab. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte die geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von 12 349,50 DM nicht an und legte einen Spekulationsgewinn von 12 909 DM der Besteuerung zugrunde. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 672 veröffentlicht ist, gab der Klage statt.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung der §§ 9, 23 Abs.4 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Es trägt vor: Entgegen der Auffassung des FG seien nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Werbungskosten i.S. des § 23 Abs.4 Satz 1 EStG nur die durch die Veräußerung veranlaßten Aufwendungen (BFH-Urteile vom 27. November 1962 VI 10/62 S, BFHE 76, 317, BStBl III 1963, 116; vom 27. Oktober 1977 IV R 60/74, BFHE 123, 553, BStBl II 1978, 100; vom 15. Dezember 1987 VIII R 281/83, BFHE 154, 456, 460, BStBl II 1989, 16, 19). Außer nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten und Finanzierungskosten seien alle nicht im Zusammenhang mit der Veräußerung angefallenen Aufwendungen durch das private Innehaben dieser Gegenstände veranlaßt. Deshalb dürften auch die geltend gemachten Planungskosten bei der Ermittlung des Spekulationsgewinns nicht berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat --jedenfalls im Ergebnis-- zu Recht die geltend gemachten Aufwendungen für Baugenehmigung und Architektenhonorare (Planungskosten) einkünftemindernd berücksichtigt.

1. a) Werbungskosten i.S. der §§ 9 Abs.1 Satz 1, 23 Abs.4 Satz 1 EStG sind --in Angleichung an das für alle Überschußeinkunftsarten gleichermaßen geltende Veranlassungsprinzip (vgl. BFH-Urteil vom 21. Juli 1981 VIII R 154/76, BFHE 134, 113, BStBl II 1982, 37) und unter Berücksichtigung einkunftsartbedingter Besonderheiten-- grundsätzlich alle durch ein Spekulationsgeschäft i.S. des § 23 EStG veranlaßten Aufwendungen (BFH-Urteil vom 17. Juli 1991 X R 6/91, BFHE 165, 85, BStBl II 1991, 916; vgl. auch die Senats-Urteile vom 28. November 1990 X R 197/87, BFHE 163, 175, BStBl II 1991, 300, 304, und vom 3. Juni 1992 X R 91/90, BFHE 168, 272, BStBl II 1992, 1017, 1018; Blümich/Glenk, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 23 EStG Rz.133; Fitsch in Lademann/Söffing, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 23 Anm.56; Bansemer in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, § 23 EStG Rz.141; Jansen in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 23 EStG Anm.201; einschränkend Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 15.Aufl. 1996, § 23 Rz.49; Crezelius in Kirchhof/Söhn, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 23 Rn.E 22; jeweils unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil in BFHE 154, 456, 460, BStBl II 1989, 16, 19), die nicht zu den (nachträglichen) Anschaffungs- oder Herstellungskosten des angeschafften Wirtschaftsgutes gehören (vgl. BFH-Entscheidungen vom 4. Oktober 1990 X R 150/88, BFH/NV 1991, 237, 238, und vom 20. April 1995 X B 334/94, BFH/NV 1995, 965).

Nach einhelliger Auffassung sind die durch die Veräußerung des (zuvor angeschafften) Wirtschaftsguts veranlaßten Aufwendungen ebenso als Werbungskosten anzusehen wie die bei fremdfinanzierter Anschaffung des Spekulationsgegenstandes innerhalb der Spekulationsfrist angefallenen Schuldzinsen, soweit nicht eine Nutzung des Spekulationsgegenstandes im Rahmen einer vorrangigen Einkunftsart (BFH-Urteil vom 19. Februar 1965 VI 291/64 U, BFHE 81, 536, BStBl III 1965, 194; R 169 Abs.2 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien) oder eine private Nutzung gegeben ist. Andererseits sind aber entgegen der Auffassung des FG nicht alle Aufwendungen abzugsfähig, die --etwa i.S. einer nicht wegzudenkenden Bedingung (conditio sine qua non)-- ohne die Anschaffung des tatsächlich veräußerten Gegenstands nicht entstanden wären. Denn jedenfalls bilden die Aufwendungen keine Werbungskosten i.S. der §§ 9 Abs.1 Satz 1, 23 Abs.4 Satz 1 EStG, die im Zusammenhang mit der Herstellung eines nicht nämlichen, also nicht wirtschaftlich identischen Wirtschaftsguts angefallen sind. Insoweit läßt das FG die aus Sinn und Zweck des § 23 EStG (vgl. BFH-Urteile vom 30. November 1976 VIII R 202/72, BFHE 120, 522, BStBl II 1977, 384, und vom 25. August 1987 IX R 65/86, BFHE 151, 132, BStBl II 1988, 248) abgeleitete, einkunftsartbedingte Einschränkung unberücksichtigt.

b) Der erkennende Senat weicht nicht von seiner Rechtsprechung (in BFH/NV 1991, 237; BFH/NV 1995, 965) und der anderer BFH-Senate (Urteile in BFHE 154, 456, 460, BStBl II 1989, 16, 19, und in BFHE 76, 317, BStBl III 1963, 116, 117) ab. In den dort entschiedenen Fällen ging es nicht um die generelle Festlegung des Werbungskostenbegriffs auf ausschließlich im Zusammenhang mit der Veräußerung angefallene Aufwendungen. Vielmehr kam es entscheidend darauf an, die im jeweiligen Einzelfall tatsächlich angefallenen Aufwendungen dem vorrangigen Einkünftebereich der §§ 20, 21 EStG zuzuordnen bzw. wegen des Zusammenhangs mit dem Anschaffungsvorgang aus dem Werbungskostenbereich des § 23 EStG auszugrenzen. Auch der Hinweis auf das BFH-Urteil in BFHE 123, 553, BStBl II 1978, 100 geht in diesem Zusammenhang fehl; denn aus § 16 Abs.2 Satz 1, § 17 Abs.2 Satz 1 EStG kann nichts Gegenteiliges hergeleitet werden, zumal dort --anders als in § 23 Abs.4 Satz 1 EStG 1990-- ausdrücklich von "Veräußerungskosten" die Rede ist (Blümich/ Glenk, a.a.O., § 23 EStG Rz.130; Fitsch in Lademann/Söffing, a.a.O., § 23 EStG Anm.56; Bansemer in Littmann/Bitz/Hellwig, a.a.O., § 23 EStG Rz.141).

2. Im Streitfall hat das FG zu Recht die geltend gemachten Aufwendungen (Planungskosten) zum Abzug zugelassen. Dabei bleibt dahingestellt, welcher Einkunftsart (§ 21 oder § 23 EStG) und in welcher Form (--ggf. vergebliche-- Werbungskosten oder Veräußerungspreis-Minderung) die Aufwendungen zu berücksichtigen wären. Weiterer tatsächlicher Feststellungen durch das FG bedarf es jedenfalls dann nicht, wenn jede der in Betracht kommenden Sachverhalts-Varianten den einkünftemindernden Abzug der Aufwendungen rechtfertigt. So liegt der Fall hier.

Bei vorhandener Vermietungsabsicht könnten die Planungskosten mangels wertbestimmenden Eingangs in das neue Gebäude des Klägers (vgl. BFH-Urteile vom 29. November 1983 VIII R 96/81, BFHE 140, 208, BStBl II 1984, 303, und VIII R 173/81, BFHE 140, 212, BStBl II 1984, 306) als vergebliche Werbungskosten bei dessen Einkünften gemäß § 21 EStG zu erfassen sein. Bei von Anfang an bestehender Veräußerungsabsicht (mit dem Ziel der Baureifmachung des Grundstücks) käme mangels Zuordnung zum Anschaffungsvorgang der Ansatz als Werbungskosten bei den Einkünften aus § 23 EStG in Betracht. Haben sich hingegen die Planungskosten (für ein eventuell zu errichtendes Gebäude) --wie von den Klägern behauptet-- erhöhend auf den vereinbarten Veräußerungspreis ausgewirkt, müßten sie im Rahmen der Ermittlung des Spekulationsgewinns einkünftemindernd vom Veräußerungspreis abgezogen werden, da sie im Zusammenhang mit der Herstellung eines nicht nämlichen Wirtschaftsguts angefallen (vgl. oben unter 1. a) wären.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66162

BFH/NV 1997, 339

BStBl II 1997, 603

BFHE 182, 363

BFHE 1997, 363

BB 1997, 1350 (Leitsatz)

DB 1997, 1443-1444 (Leitsatz und Gründe)

DStR 1997, 1041-1042 (Leitsatz und Gründe)

DStRE 1997, 541 (Leitsatz)

DStZ 1997, 681-682 (Leitsatz und Gründe)

HFR 1997, 741-742 (Leitsatz und Gründe)

StE 1997, 397 (Kurzwiedergabe)

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge