Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschränkung des negativen Progressionsvorbehalts durch § 2 a EStG

 

Leitsatz (NV)

1. Zu den Einkünften aus unbeweglichem Vermögen gem. Art. IX DBA-USA gehören auch die Einkünfte aus landwirtschaftlichen Betriebsstätten.

2. § 2 a EStG beschränkt den steuermindernden Ausgleich der von der Vorschrift erfaßten negativen ausländischen Einkünfte (hier: Einkünfte aus einer ausländischen land- und forstwirtschaftlichen Betriebsstätte) auch mit Wirkung für den negativen Progressionsvorbehalt. Die Vorschrift ist nicht verfassungswidrig. Der Betroffene hat keinen grundgesetzlichen Anspruch darauf, daß die Aktivitätsklausel des § 2 a Abs. 2 EStG auch für negative ausländische Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betriebsstätten gilt.

 

Normenkette

AO 1977 § 165; FGO § 127; EStG §§ 2a, 32b; DBA USA Art. 9 Abs. 1, Art. 15 Abs. 1b Nr. 1

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) waren im Streitjahr (1983) zusammen zu veranlagen und hatten ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik). Der Kläger erwarb im Jahre 1979 zwei landwirtschaftliche Betriebe in den USA, die er im Streitjahr mit Hilfe von Verwaltern bewirtschaftete.

. . .

In ihrer Einkommensteuererklärung für 1983 machten die Kläger den Verlust aus den landwirtschaftlichen Betrieben bei der Ermittlung des Steuertarifs (negativer Progressionsvorbehalt) geltend.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) versagte im Einkommensteuerbescheid vom . . . unter Hinweis auf § 2 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) die steuermindernde Berücksichtigung der geltend gemachten Verluste.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Der dagegen gerichteten Klage gab das Finanzgericht (FG) statt.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung der §§ 2 a und 32 b EStG.

Während des Revisionsverfahrens hat das FA am 4. September 1990 den Einkommensteuerbescheid vom 21. Juni 1985, der Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war, durch einen Änderungsbescheid ersetzt. Die Steuerfestsetzung ist nunmehr vorläufig gemäß § 165 der Abgabenordnung (AO 1977) wegen einer evtl. zu erwartenden Erhöhung der Kinderfreibeträge. Die Kläger haben den Änderungsbescheid in das Revisionsverfahren übergeleitet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führte zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage.

A. I. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der geänderte Einkommensteuerbescheid vom 4. September 1990, durch den der ursprünglich angefochtene Einkommensteuerbescheid vom 21. Juni 1985 ersetzt wurde. Der Änderungsbescheid vom 4. September 1990, mit dem die Steuer nunmehr gemäß § 165 Abs. 1 AO 1977 vorläufig festgesetzt wurde, ist gegenüber dem ursprünglichen Bescheid ein neuer Verwaltungsakt und nimmt diesen in seinen Regelungsinhalt mit auf (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. Oktober 1972 GrS 1/72, BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231). Ebenso wie der Vorbehalt der Nachprüfung (BFH-Urteil vom 30. Oktober 1980 IV R 168-170/79, BFHE 132, 5, BStBl II 1981, 150) ist der Vorläufigkeitsvermerk gemäß § 165 Abs. 1 AO 1977 eine unselbständige Nebenbestimmung des Steuerbescheids (Spanner in Hübschmann / Hepp / Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 165 AO 1977 Anm. 39).

Der Kläger hat den geänderten Einkommensteuerbescheid gemäß § 123 Satz 2, § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wirksam in das Revisionsverfahren übergeleitet.

II. Nach § 127 FGO kann der BFH das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverweisen, wenn während des Revisionsverfahrens ein neuer Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens geworden ist. Im Streitfall bedarf es einer Zurückverweisung nicht, denn die Sache ist spruchreif. Der vom FG festgestellte Sachverhalt reicht aus, um innerhalb des Klageantrags abschließend prüfen und beurteilen zu können, ob der zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gewordene vorläufige Einkommensteuerbescheid rechtmäßig ist. Die Entscheidung des BFH in der Sache selbst setzt aber in jedem Fall voraus, daß er das FG-Urteil aufhebt (BFH-Urteil vom 20. Juli 1988 II R 164/85, BFHE 154, 13, BStBl II 1988, 955). Dieses Urteil betraf einen Verwaltungsakt, der nicht mehr Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist.

Mit der Aufhebung der Vorentscheidung fallen die Feststellungen des FG nicht weg (BFH in BFHE 154, 13, BStBl II 1988, 955).

B. Der erkennende Senat entscheidet aufgrund seiner Befugnis aus den §§ 121 und 100 FGO in der Sache selbst. Die Klage ist abzuweisen. Sie ist hinsichtlich des Klagebegehrens unbegründet. Über die Höhe der Kinderfreibeträge entscheidet der Senat im Einvernehmen mit den Beteiligten nicht. Der Steuerbescheid ist insoweit vorläufig.

I. Die Verluste des Klägers aus seinen in den USA belegenen landwirtschaftlichen Betrieben sind aufgrund des Art. XV Abs. 1 b Nr. 1 aa i. V. m. Art. IX Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern von Einkommen und einiger anderer Steuern (DBA-USA) vom 22. Juli 1954/17. September 1965 (BGBl II 1966, 746) im Inland steuerfrei und dürfen deshalb bei der Ermittlung der Einkommensteuer-Bemessungsgrundlage nicht zum Ausgleich steuerpflichtiger Einkünfte verwendet werden (ständige Rechtsprechung, z. B. BFH-Urteil vom 25. Februar 1976 I R 150/73, BFHE 118, 334, BStBl II 1976, 454). Nach diesen Vorschriften des DBA-USA ist die Besteuerung von Einkünften aus unbeweglichem Vermögen ausschließlich dem Belegenheitsstaat - im Streitfall den USA - zugewiesen. Zu den Einkünften aus unbeweglichem Vermögen gehören auch die Einkünfte aus den landwirtschaftlichen Betrieben des Klägers, da dort die Nutzung von Grund und Boden im Vordergrund steht (Vogel, Doppelbesteuerung, Kommentar, 2. Aufl. 1990, Art. 6 Rdnr. 10; Korn / Debatin, Doppelbesteuerung, USA, Art. IX Anm. 2 d).

II. Die negativen ausländischen Einkünfte des Klägers können ebensowenig bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens abgesetzt werden, aufgrund dessen der ,,besondere Steuersatz" i. S. des § 32 b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 EStG bzw. der Steuersatz i. S. des Art. XV Abs. 1 b Nr. 1 aa Satz 2 DBA-USA festzusetzen ist (im folgenden ,,Steuersatz-Einkommen"). Dem steht § 2 a Abs. 1 (Nr. 1) EStG - eingefügt durch das Haushaltsbegleitgesetz (HBeglG 1983) vom 20. Dezember 1982 (BGBl I, 1857, BStBl I, 972) - entgegen, der im Streitfall den sog. negativen Progressionsvorbehalt ausschließt.

1. § 2 a Abs. 1 EStG ist von seiner gesetzestechnischen Wirkung her allgemein geeignet, den negativen Progressionsvorbehalt auszuschließen (nachfolgend a). Im konkreten Fall verbieten die Tatbestandsmerkmale der Vorschrift den Ansatz der geltend gemachten Verluste bei der Einkommensteuerveranlagung des Streitjahrs (dazu nachfolgend b).

a) § 2 a EStG begründet ein Verlustausgleichsverbot, das gesetzessystematisch zum Ausschluß der von der Vorschrift erfaßten ausländischen Einkünfte bei der Festsetzung des Steuersatzes führen kann, und zwar auch dann, wenn sie nach einem DBA steuerfrei sind (ebenso FG Köln, Urteile vom 25. Juni 1985 V K 359/84, Recht der Internationalen Wirtschaft / Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters - RIW/AWD - 1985, 995, und vom 27. November 1985 I K 33/85, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1986, 189, beide rechtskräftig; Abschn. 185 Abs. 2 Satz 6 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1984/87; Herrmann / Heuer / Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 2 a EStG Rdnr. 17; Blümich / Krabbe, Einkommensteuergesetz, § 2 a Rdnr. 26; Mössner in Kirchhof / Söhn, Einkommensteuergesetz, § 2 a Rdnr. A 27 ff.; Schmidt / Heinicke, Einkommensteuergesetz, 9. Aufl. 1990, § 2 a Anm. 22; Henkel, Zur Stellung des § 2 a im Einkommensteuerrecht und im Recht der DBA, Münster 1988, S. 266; Weigell, Die Beschränkung des Ausgleichs ausländischer Verluste durch den neuen § 2 a EStG, Gelsenkirchen 1986, S. 130; Baranowski, Der Betrieb - DB - 1983, 2484; Beckermann / Jarosch, Finanz-Rundschau - FR - 1984, 108; Bordewin, Der Betriebs-Berater - BB - 1983, 115, 116; Cöster / Meyer, RIW/AWD 1990, 45; Kieschke, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1983, 4; Krabbe, RIW/AWD 1983, 42, 45 und FR 1983, 83; Kröner, FR 1986, 29; Manke, DStZ 1984, 238; Schleider, Steuerberaterkongreß-Report 1983, S. 65, 69; a. A.: Lüdicke, Steuerermäßigung bei ausländischen Einkünften, Würzburg 1985, S. 35; Plückebaum, DStZ 1983, 387; Schulze-Osterloh, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht - JbFSt - 1984/85, S. 301; Stolz, FR 1983, 393; Thierfeld, DB 1983, 801).

aa) Nach § 2 a EStG dürfen die dort erfaßten Einkünfte nur mit ausländischen Einkünften der jeweils selben Art aus demselben Staat ausgeglichen werden; soweit sie danach nicht ausgeglichen werden dürfen, mindern sie die positiven ausländischen Einkünfte der jeweils selben Art, die der Steuerpflichtige in den folgenden sieben Veranlagungszeiträumen aus demselben Staat erzielt. Die Vorschrift regelt demnach keine Steuerbefreiung, die mit einer solchen nach einem DBA konkurrieren würde, sondern die Verrechnung zuvor als steuerpflichtig erkannter ausländischer Einkünfte (so zu Recht Manke und Schleifer, a. a. O.). Deren Verrechnung mit anderen (ausgleichsfähigen) Einkünften im selben oder in den folgenden sieben Veranlagungszeiträumen setzt zunächst voraus, daß die ausländischen Einkünfte überhaupt als steuerpflichtig anzusetzen sind. Dahin - und nur dahin - wirkt der Progressionsvorbehalt - unabhängig davon, ob seine Rechtsgrundlage vorrangig im DBA oder in § 32 b EStG zu erblicken ist. Er führt dazu, daß die nach einem DBA steuerbefreiten ausländischen Einkünfte bei der Ermittlung des Steuersatz-Einkommens als steuerpflichtig zu behandeln sind (vgl. BFH-Urteil vom 30. Mai 1990 I R 179/86, BFH 161, 84, BStBl II 1990, 906).

bb) Gemäß § 2 Abs. 5, § 32 a Abs. 1 Satz 2 EStG bemißt sich die tarifliche Einkommensteuer nach dem zu versteuernden Einkommen. Dieses ist nicht nur Steuerbemessungsgrundlage, sondern auch vorbehaltlich der §§ 32 b, 34 und 34 b EStG Bemessungsgrundlage für die Höhe des Steuersatzes (Steuersatz-Einkommen). Für beide Grundlagen ist das zu versteuernde Einkommen nach den §§ 2 ff. EStG zu bestimmen. § 2 a EStG wirkt sich somit - ebenso wie andere Verlustausgleichs-Beschränkungen des EStG - auch auf das Steuersatz-Einkommen aus und ist deshalb grundsätzlich geeignet, den negativen Progressionsvorbehalt auszuschließen. Die Vorschrift erfüllt insoweit die ihr vom Gesetzgeber zugedachte Funktion (vgl. BTDrucks. 9/2074, S. 64; 9/2140, S. 124 und 9/2290, S. 8; ferner Manke, a. a. O., S. 239 und Weigell, a. a. O., S. 124 f.). Dies folgt bereits aus der grammatikalischen und systematischen Auslegung der Norm. Überdies wäre es sinnwidrig, wollte § 2 a EStG zwar den Abzug ausländischer Verluste beschränken, die unter kein DBA oder ein DBA mit Anrechnungsverfahren fallen, den steuermindernden Abzug solcher Verluste bei der Festsetzung des Steuersatzes aber zulassen. In letzterem Fall ist gleichermaßen eine nach dem Gesetzeszweck unerwünschte Steuerersparnis zu besorgen.

cc) Zwar läuft § 2 a EStG in seiner Wirkung § 32 b Abs. 2 Nr. 2 EStG zuwider, soweit er den Verlustausgleich mit ausländischen Einkünften einschränkt. Der allgemeine Rechtsgrundsatz, wonach das spätere Gesetz dem früheren vorgeht, erlaubt es indes dem Gesetzgeber, eine frühere gesetzliche Bestimmung durch eine spätere abzuändern, aufzuheben oder einzuschränken.

b) Im Streitfall sind sonach die negativen ausländischen Einkünfte des Klägers gemäß Art. XV Abs. 1 b Nr. 1 aa Satz 2 DBA-USA bei der Ermittlung des Steuersatz-Einkommens als steuerpflichtig zu behandeln. § 2 a Abs. 1 Nr. 1 EStG verhindert aber letztlich deren Berücksichtigung bei der Ermittlung des Steuersatz-Einkommens, weil der Kläger im Streitjahr keine positiven ausländischen Einkünfte der jeweils selben Art aus demselben Staat erzielt hat. Die erlittenen ausländischen Verluste können folglich (zumindest) im Streitjahr nicht ausgeglichen werden.

2. Der Pogressionsvorbehalt des DBA-USA (Art. XV Abs. 1 b Nr. 1 aa Satz 2) steht der vorstehend (oben B. II. 1.) dargelegten Wirkung des § 2 a Abs. 1 Nr. 4 EStG nicht entgegen.

Die DBA, die die Bundesrepublik mit anderen Staaten abgeschlossen hat, stellen bestimmte Einkünfte, die ein Inländer in dem anderen Vertragsstaat erzielt und dort versteuert, von der inländischen Besteuerung frei. Mit dem Progressionsvorbehalt des DBA wird nach ständiger Rechtsprechung des Senats zum Ausdruck gebracht, daß die weitere Rechtsfolge, nämlich die Besteuerung der inländischen Einkünfte nach dem Steuersatz, wie er dem gesamten (zu versteuernden) Einkommen - unter Einschluß der freigestellten ausländischen Einkünfte - entspricht, nicht beseitigt werden soll (BFH-Urteile vom 9. November 1966 I 29/65, BFHE 87, 273, BStBl III 1967, 88; vom 11. Oktober 1967 I R 86/67, BFHE 90, 74, BStBl III 1967, 729; vom 25. Mai 1970 I R 109/68, BFHE 99, 367, BStBl II 1970, 660; vom 4. August 1976 I R 152-153/74, BFHE 119, 470, BStBl II 1976, 662; vom 11. Juli 1979 I R 149/76, BFHE 128, 248; vom 12. März 1980 I R 186/76, BFHE 130, 296, BStBl II 1980, 531; vom 28. April 1982 I R 151/78, BFHE 135, 526, BStBl II 1982, 566; vom 6. Oktober 1982 I R 121/79, BFHE 136, 533, BStBl II 1983, 34, und vom 13. September 1989 I R 117/87, BFHE 158, 340, BStBl II 1990, 57; ebenso BVerfG vom 10. März 1971 2 BvL 3/68, BVerfGE 30, 272, BStBl II 1973, 431). Nur insoweit ist der in einem völkerrechtlichen Vertrag enthaltene und mittels des Zustimmungsgesetzes (Art. 59 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes - GG -) in innerstaatliches Recht umgesetzte Progressionsvorbehalt konstitutiv; er begründet die Steuerpflicht nicht selbst, sondern hält lediglich die bestehende Steuerpflicht des deutschen Einkommensteuerrechts (teilweise) aufrecht (grundlegend BFH in BFHE 87, 273, BStBl III 1967, 88). Diese Rechtsfolge hat der Senat in seinem Urteil in BFHE 130, 296, 300, BStBl II 1980, 531 noch einmal ausdrücklich bestätigt. Nach dieser Rechtsprechung des Senats kommt es nicht darauf an, wie der Progressionsvorbehalt in einem DBA formuliert ist, ob insbesondere dessen Anwendung direkt vorgeschrieben oder - wie bei dem im Streitfall anzuwendenden Art. XV Abs. 1 b Nr. 1 aa Satz 2 DBA-USA - nur die Berechtigung hierzu gegeben oder nicht eingeschränkt worden ist. Die Einbeziehung ausländischer Einkünfte in die Ermittlung des Steuersatz-Einkommens beruht somit auf dem deutschen Einkommensteuerrecht, das der Gesetzgeber ohne weiteres ändern kann. Der Progressionsvorbehalt des DBA gebietet diese Einbeziehung nicht, sondern läßt sie lediglich zu. Er kann deshalb § 2 a EStG nicht entgegenstehen, soweit er die Einbeziehung solcher Einkünfte in die Berechnung des Steuersatzes ausschließt (im Ergebnis ebenso FG Köln, Urteile vom 25. Juni 1985 und 27. November 1985, a. a. O.; Herrmann / Heuer / Raupach, a. a. O., Rdnr. 17; Hellwig DB 1984, 2006; Henkel, a. a. O., S. 207; Jarosch, Die steuerliche Betriebsprüfung - StBp - 1984, 77; Krabbe, a. a. O.; Schröder, StBp 1986, 127; a. A. Dedner, FR 1983, 292; Dücker, DB 1983, 1847 - je nach Formulierung des DBA -; Pflugfelder, FR 1983, 319; Plückebaum, a. a. O.; Sauren, DB 1985, 2282, FR 1987, 46; Sauren / Schultze, RIW/AWD 1989, 553; Thierfeld, a. a. O.; Weigell, RIW/AWD 1987, 122 - wenn Anwendung des Progressionsvorbehalts im DBA vorgeschrieben -). Dies gilt in gleicher Weise - zumindest seit der Einführung des § 32 b EStG durch das Einkommensteuerreformgesetz (EStRG) vom 5. August 1974 (BGBl I, 1769, BStBl I, 530) - wenn man den in einem DBA enthaltenen Progressionsvorbehalt lediglich als Ermächtigung des deutschen Gesetzgebers ansieht, durch eine weitere innerstaatliche Rechtsnorm die Anwendung der Vollprogression vorzuschreiben. Die Ermächtigung wurde in diesem Fall durch die Regelung des § 32 b EStG ausgefüllt, der gleichermaßen kraft einfachen Rechts wirkt. Es kann daher nach beiden Auffassungen ungeklärt bleiben, ob der Progressionsvorbehalt eines DBA als völkerrechtliche Vereinbarung i. S. des § 2 AO 1977 Vorrang vor § 2 a EStG beanspruchen könnte (dazu ausführlich FG Köln, Urteil vom 27. November 1985 I K 33/85, EFG 1986, 189, 191; Tipke / Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 2 AO 1977 Tz. 1).

3. Die Vorschrift des § 2 a EStG - insbesondere dessen Abs. 1 Nr. 1 - ist mit der Verfassung vereinbar. Sie verstößt weder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) noch gegen die aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende Begrenzung rückwirkender Gesetze (ebenso FG Köln in EFG 1986, 189, und FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. Juni 1985 3 K 15/85, EFG 1986, 408, Revision eingelegt - IX R 162/85 -; a. A. FG Baden-Württemberg, Beschluß vom 15. Januar 1986 I-V 12/85, EFG 1986, 241).

a) Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist verletzt, wenn der Staat eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. z. B. Beschluß vom 7. Oktober 1980 1 BvL 50, 89/79, 1 BvR 240/79, BVerfGE 55, 72, 88, m. w. N.).

aa) Die Gruppe der Normadressaten des § 2 a EStG wird im Vergleich zu anderen Normadressaten des Einkommensteuerrechts, die Verlusteinkünfte erzielen, zwar anders behandelt. Letztere dürfen bei der Ermittlung der Summe der Einkünfte gemäß § 2 Abs. 2 EStG positive und negative Einkünfte eines Veranlagungszeitraumes miteinander verrechnen (periodischer Verlustausgleich). Verbleibt danach ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte, so kann dieser gemäß § 10 d EStG im Wege des Verlustabzugs vom Gesamtbetrag der Einkünfte in anderen Veranlagungszeiträumen abgezogen werden (periodenübergreifender Verlustausgleich). Die von § 2 a EStG erfaßten negativen ausländischen Einkünfte dürfen hingegen im Veranlagungszeitraum ihrer Entstehung und in den folgenden sieben Veranlagungszeiträumen nur mit positiven ausländischen Einkünften jeweils derselben Art aus demselben Staat verrechnet werden. Dieser periodenübergreifende Verlustausgleich bleibt auch beim negativen Progressionsvorbehalt grundsätzlich zulässig (vgl. BFH in BFHE 99, 572, BStBl II 1970, 755 und Abschn. 185 Abs. 2 Satz 6 EStR 1984/87).

bb) Die unterschiedliche gesetzliche Behandlung der Normadressaten des § 2 a EStG und der Normadressaten des Verlustausgleichs im übrigen ist aber nach Auffassung des erkennenden Senats ausreichend sachlich gerechtfertigt (a. A. Friauf, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1985, 308; Vogel, BB 1983, 180; Weigell, a. a. O., S. 172). Dem Gesetzgeber steht insoweit eine weite Beurteilungs- und Gestaltungsfreiheit zu (BVerfG-Beschluß vom 29. November 1989 1 BvR 1402, 1528/87, BStBl II 1990, 479, 481 f.). Im Ergebnis führt nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung nur eine grob sachwidrige Gesetzgebung zu einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. Herzog, DStZ 1988, 287, 289). Eine solche vermag der Senat im Falle des § 2 a EStG nicht zu erkennen. Insbesondere hatte der Gesetzgeber ausreichende sachbezogene Gründe, um zwischen Inlands- und Auslandsverlusten aus landwirtschaftlichen Betriebsstätten zu unterscheiden.

§ 2 a EStG ist im Schwerpunkt als eine Lenkungsnorm einzustufen. Der Gesetzgeber reagierte damit auf eine Fehlentwicklung im Bereich der Verlustzuweisungen. Dabei kam es ihm darauf an, unerwünschte Steuersparmöglichkeiten zu beseitigen, die sich aus der Beteiligung an Auslands-Verlustzuweisungsmodellen ergaben. Anlaß für die Einbeziehung negativer ausländischer Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betriebsstätten waren insbesondere die als Kapitalanlage angebotenen Erwerbe von Farmland in gewissen Entwicklungsländern, z. B. Paraguay, die dem Gesetzgeber als mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen unvereinbar erschienen (vgl. Krabbe, RIW/AWD 1983, 42). Aufgrund dieser Verlustzuweisungsmodelle konnte ein Steuerpflichtiger inländische positive Einkünfte mit Verlusten ausgleichen, die aus im Ausland und ohne erkennbaren Nutzen für die deutsche Volkswirtschaft vorgenommenen Investitionen entstanden. Dieses Ziel des Gesetzgebers geht erkennbar aus der Gesetzesbegründung (BTDrucks. 9/2074, S. 62) und dem Gesetz selbst hervor, das nach seinem Inhalt den Ausgleich negativer ausländischer Einkünfte beschränkt. § 2 a EStG schließt indes diesen Ausgleich nicht etwa völlig aus, sondern begrenzt ihn auf binnen eines Achtjahreszeitraums erzielte positive Einkünfte der jeweils selben Art, die aus demselben Staat herrühren.

Die Befugnis des Gesetzgebers zur wirtschaftspolitischen Lenkung durch Steuergesetze wird vom BVerfG in ständiger Rechtsprechung anerkannt (vgl. z. B. Urteil vom 22. Mai 1963 1 BvR 78/56, BVerfGE 16, 147, 161). Die Schaffung wirtschaftslenkender Normen ist inbesondere dort zulässig, wo der Gesetzgeber - wie im Fall des § 2 a EStG - steuerliche Fehlentwicklungen erkennt und ihnen entgegensteuern will. Dieses Ziel rechtfertigt es, von dem auf einfach-gesetzlicher Grundlage bestehenden Welteinkommensprinzip abzuweichen (vgl. Blümich / Krabbe, a. a. O., Stand: Juni 1989, § 2 a Rz. 8; Manke, DStZ, 1984, 235, m. w. N.). Der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit (vgl. dazu BVerfG-Beschluß vom 23. Januar 1990 1 BvL 4-7/87, BStBl II 1990, 483, 486, m. w. N.) gebietet es nicht, eine Tätigkeit steuerlich zu berücksichtigen, die vornehmlich auf Steuerersparnis durch Erzielen von Verlusten gerichtet ist (vgl. auch BVerfG-Beschluß vom 18. November 1986 1 BvR 330/86, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1988, 34, und Kirchhof in Kirchhof / Söhn, a. a. O., § 2 Rdnr. A 122). Spekulationen auf Kosten der Allgemeinheit zu verhindern, bildet vielmehr einen legitimen Grund für eine Durchbrechung des einkommensteuerrechtlichen Grundsatzes (§ 2 Abs. 2 EStG), wonach Verluste (eines Veranlagungszeitraumes) mit allen vom Steuerpflichtigen erzielten positiven Einkünften ausgeglichen werden (BVerfG-Beschluß vom 8. Oktober 1975 1 BvR 141/75, HFR 1975, 581). Der BFH hat deshalb auch den jetzigen § 15 Abs. 4 EStG, der eine vergleichbare Ausgleichsbeschränkung für Verluste aus gewerblicher Tierzucht enthält, als verfassungsgemäß angesehen (Urteile vom 5. Februar 1981 IV R 163/77, BFHE 132, 456, BStBl II 1981, 359, und vom 29. Oktober 1987 VIII R 272/83, BFHE 151, 408, BStBl II 1988, 264).

Der Gesetzgeber durfte insbesondere, um Investitionen in ausländische land- und forstwirtschaftliche Betriebsstätten steuerlich weniger attraktiv zu machen, an deren Belegenheit anknüpfen. Nach den meisten DBA der Bundesrepublik besteuert Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen der Staat, in dem das Vermögen belegen ist, oder - sofern die Vertragsstaaten die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft wie Unternehmensgewinne behandeln - die Betriebsstätte belegen ist. Der Steuerpflichtige kann somit durch Wegzug später ihm zufließende positive ausländische Einkünfte der inländischen Besteuerung entziehen, ohne daß die Vermögensnutzung dem deutschen Staat einen steuerlichen oder wesentlichen volkswirtschaftlichen Nutzen gebracht hätte (vgl. Kirchhof, a. a. O., Rdnr. A 146). Darin lag für den Gesetzgeber ein zusätzlicher sachlicher Grund, ausländische Verluste aus land- und forstwirtschaftlichen Betriebsstätten anders als inländische zu behandeln.

Die gesetzliche Regelung des § 2 a EStG geht zwar über das in der Gesetzesbegründung beschriebene Ziel des Gesetzgebers hinaus, indem sie - insofern typisierend - nicht nur einen mißbräuchlichen, auf bloße Steuerersparnis gerichteten, sondern jeglichen Ausgleich von Auslandsverlusten mit inländischen Einkünften untersagt. Dies ist aber von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber darf sich - wie stets bei der Ordnung von Massenerscheinungen - bei der Ausgestaltung seiner Normen generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen bedienen (vgl. BVerfG-Beschluß vom 31. Mai 1988 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214, 226 f., m. w. N.). Gerade bei im Ausland belegenen land- und forstwirtschaftlichen Betriebsstätten können die deutschen Finanzbehörden mangels eigener Aufklärungsbefugnisse und näherer Kenntnisse der tatsächlichen Verhältnsise nur schwer prüfen, ob die Tätigkeit auf bloße Steuerersparnis gerichtet ist.

Eine trotz allem verbleibende Belastung ,,guter" Verluste erscheint in den Fällen, in denen der betroffene Steuerpflichtige erstmals nach Ablauf des gesetzlichen Achtjahreszeitraums positive Einkünfte erzielt, nicht als schwerwiegend. Der Verlust des/der ersten Jahre dieser Periode bleibt dann zwar endgültig ausgeschlossen. § 2 a EStG führt aber nicht zu einem Ausschluß sämtlicher Verluste des gesetzlichen Zeitraums. Verluste, die denen der ersten Jahre folgen, können vielmehr mit künftigen positiven, ausgleichsfähigen Einkünften steuermindernd verrechnet werden, sofern die Verluste nicht mehr als sieben Jahre zurückliegen. Zu berücksichtigen ist schließlich auch, daß selbst nicht von § 2 a EStG erfaßte Verluste (bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 1985 - vgl. § 52 Abs. 13 c EStG 1987 i. d. F. vom 22. Februar 1990, BGBl I, 266 -) endgültig vom Abzug ausgeschlossen blieben, wenn ihnen innerhalb des durch § 10 d EStG begrenzten achtjährigen Ausgleichszeitraums keine ausreichenden positiven Einkünfte gegenüberstanden.

cc) Negative ausländische Einkünfte aus einer in einem ausländischen Staat belegenen gewerblichen Betriebsstätte (§ 2 a Abs. 1 Nr. 2 EStG) sind im Gegensatz zu den streitigen Einkünften aus einer in einem ausländischen Staat belegenen land- und forstwirtschaftlichen Betriebsstätte (§ 2 a Abs. 1 Nr. 1 EStG) nur dann nach dieser Vorschrift vom allgemeinen Verlustausgleich ausgeschlossen, wenn sie nicht als ,,aktiv" oder ,,produktiv" i. S. des § 2 a Abs. 2 EStG anzusehen sind. Diese Regelung schränkt die Zahl der Steuerpflichtigen, die von den Beschränkungen des § 2 a Abs. 1 Nr. 2 EStG betroffen sind, in erheblichem Maße ein. Einen grundgesetzlichen Anspruch auf Gleichbehandlung ,,produktiver" land- und forstwirtschaftlicher Betriebsstätten vermag der Kläger daraus indes nicht herzuleiten. Dem Gesetzgeber bleibt es unbenommen, bestimmte ,,Unternehmens"-Tätigkeiten vor den Beschränkungen des § 2 a Abs. 1 EStG zu verschonen, ohne daß er diesen Vorteil ebenso zu negativen Einkünften führenden land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeiten einräumen müßte. Zweck der Aktivitätsklausel ist es, den steuerlichen Verlustausgleich für solche Auslandsinvestitionen aufrechtzuerhalten, die im Interesse der deutschen Volkswirtschaft liegen (BTDrucks. 9/2074, S. 62). Daraus folgt im Wege negativer Abgrenzung, daß der Gesetzgeber auch Investitionen in ,,aktive" ausländische land- und forstwirtschaftliche Betriebsstätten nicht als im Interesse der deutschen Volkswirtschaft liegend angesehen hat.

Darin liegt eine sachlich begründete Unterscheidung. Zumindest ist die Regelung, § 2 a Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht auf ,,passive" Einkünfte zu beschränken, nicht mit der Folge ,,evident unzulänglich", daß der Gesetzgeber zur ,,Nachbesserung" der Regelung verpflichtet wäre (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juni 1989 VIII R 82/86, BFHE 156, 543, BStBl II 1989, 836, 838, m. w. N.). Eine Vorlage nach Art. 100 GG kommt auch nicht wegen eines ,,relativen" Unterlassens des Gesetzgebers in Betracht. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist der Gleichheitssatz erst dann verletzt, wenn für eine vom Gesetzgeber angeordnete Differenzierung sachlich einleuchtende Gründe schlechterdings nicht mehr erkennbar sind und die Regelung deshalb willkürlich erscheint (vgl. die Nachweise bei von Münch, GG-Kommentar, Bd. 1, 3. Aufl., Art. 3 Rdnr. 10). Als sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung genügt aber das unterschiedliche staatliche Interesse an gewerblicher und land- und forstwirtschaftlicher Tätigkeit inländischer Steuerpflichtiger im Ausland (z. B. wegen der landwirtschaftlichen Überproduktion im Inland). Bei einer entsprechenden Anwendung des § 2 a Abs. 2 EStG auf § 2 a Abs. 1 Nr. 1 EStG hätte sonst der Gesetzgeber den Ausgleich negativer Einkünfte aus ausländischen land- und forstwirtschaftlichen Betriebsstätten nicht beschränken können.

dd) § 2 a Abs. 1 Nr. 1 EStG schließt die negativen ausländischen Einkünfte des Klägers nur dann völlig aus, wenn er in den folgenden sieben Jahren keine ausgleichsfähigen positiven ausländischen Einkünfte erzielt. Andernfalls versagt die Vorschrift nur den periodischen Verlustausgleich. Den damit verbundenen Liquiditätsnachteil hält der Senat durch den Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung ohne weiteres für sachlich gerechtfertigt, da dem Gesetzgeber bezüglich des Zeitpunkts der Berücksichtigung negativer Einkünfte ein Ermessensspielraum zukommt (vgl. BFH-Beschluß vom 19. Mai 1987 VIII B 104/85, BFHE 150, 514, BStBl II 1988, 5, m. w. N.). Insbesondere dient es der Verwaltungsökonomie, den periodischen zugunsten eines überperiodischen Verlustausgleichs einzuschränken, da damit dem FA die sonst erforderliche laufende Überprüfung zurückliegender Veranlagungszeiträume erspart wird.

b) Der Regelung des § 2 a Abs. 1 Nr. 1 EStG ist keine gemäß Art. 20 Abs. 3 GG unzulässige Rückwirkung beizumessen.

aa) Die Vorschrift entfaltet lediglich eine grundsätzlich zulässige unechte Rückwirkung, da sie nicht in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende, sondern in zukünftig entstehende Steuertatbestände eingreift (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 23. März 1971 2 BvL 17/69, BVerfGE 30, 392, 402, und vom 13. Mai 1986 1 BvL 53/83, BVerfGE 72, 141, 154). § 2 a EStG wurde am 20. Dezember 1982 verkündet (BGBl I, 1857) und gilt nach § 52 Abs. 1 EStG erstmals für den Veranlagungszeitraum 1983. Die angegriffene Regelung erfaßt damit lediglich zukünftige, nach ihrem Inkrafttreten entstehende Verluste.

bb) Eine unechte Rückwirkung verstößt nur dann gegen Verfassungsrecht, wenn das Gesetz einen entwertenden Eingriff vornimmt, mit dem der Betroffene nicht zu rechnen brauchte, und wenn sein Vertrauen auf den Fortbestand der gesetzlichen Regelung billigerweise vom Gesetzgeber unter Abwägung zwischen dem Ausmaß des Vertrauensschadens des einzelnen und der Bedeutung des gesetzlichen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit entsprechende Rücksichtnahme fordert (BVerfG in BVerfGE 72, 141, 154 f.).

Davon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden. Der Gesetzgeber hat mit der Schaffung des § 2 a EStG den Gründen des Wohls der Allgemeinheit Vorrang eingeräumt. Dabei war ihm ausweislich der Entstehungsgeschichte die (unechte) Rückwirkung der Vorschrift bewußt (vgl. BTDrucks. 9/2290, S. 8). Diese Wertung des Gesetzgebers hält nach Auffassung des erkennenden Senats einer verfassungsrechtlichen Prüfung stand, zumal der Steuerbürger nicht in seiner Erwartung geschützt wird, das Steuerrecht werde zukünftig unverändert bleiben (vgl. BVerfG-Beschluß vom 14. Mai 1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, 253 f.). Der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung schließt für sich genommen die Bildung eines Vertrauenstatbestandes aus, der über die im Steuerbescheid für ein Veranlagungsjahr zugrunde gelegte Entscheidung hinausgeht (BVerfG in BVerfGE 72, 200, 252). Die Vorläufigkeit des Einkommensteuerrechts vor Ablauf des Veranlagungszeitraums ist den Steuerpflichtigen seit jeher bekannt (BVerfG in BVerfGE 72, 200, 255). Soweit § 2 a EStG zu einem völligen oder teilweisen Ausschluß der geltend gemachten Verluste führt, durfte der Betroffene überdies nicht damit rechnen, daß er - etwa zur Finanzierung von Investitionen - eine dauernd verlustbringende Tätigkeit unbegrenzt steuermindernd würde geltend machen können.

cc) Soweit § 2 a EStG lediglich den Zeitpunkt der Berücksichtigung steuerbarer Verluste zu Lasten des Steuerpflichtigen verschiebt, erscheint diese Belastung, die lediglich einen Zinsnachteil bedeutet, ohnehin verhältnismäßig und zumutbar (vgl. etwa BVerfG-Beschluß vom 16. Dezember 1981 1 BvR 603/80, BVerfGE 59, 128, 164 ff.). Das Liquiditätsinteresse des einzelnen muß gegenüber dem Interesse der Allgemeinheit zurücktreten, eine große Zahl von Fällen im Interesse des allgemeinen Wohls praktikabel zu regeln.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417512

BFH/NV 1992, 104

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